Harmann von Aue "Iwein"

Laudine: Minneherrin oder ideale Herrscherin nach dem mittelalterlichen Frauenideal im 12. Jahrhundert?


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Einleitung:

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Frauenbild, beziehungsweise des Frauenideal im Mittelalter. Am Beispiel von Hartmann von der Aues Heldenepos „Iwein“ sollen die von ihm entworfenen Frauenfiguren in Bezugnahme auf die mittelalterliche Realität analysiert werden.

Die Fragestellung hierbei lautet: Inwieweit entspricht das epische Frauenbild der Realität und wie funktioniert die Frau im Spannungsfeld zwischen lyrischer Fiktion und gesellschaftlicher Wirklichkeit?

Am Beispiel von Hartmann von Aues weiblicher Hauptfigur Laudine soll geprüft werden, welchem mittelalterlichem Ideal hiermit entsprochen wird, dem gesellschaftlich-reelem oder dem episch-fiktionalem.

Das Mittelalter zur Zeit Hartmanns von der Aue um 1109 ist geprägt von zwei gesellschaftlichen Frauenidealen: Zum einen ist die Frau, sofern adelig, die perfekte Minneherrin. Damit sie die Ansprüche dieses Titels erfüllt, muss sie mehreren Kriterien entsprechen: Sie muss ausnehmend schön sein, adelig, klug, edel, keusch und unerreichbar: „Seht an ir ougen und merket ir kinne, seht an ir kele wîz und prüevent ir munt. Si ist âne lougen gestalt sam diu minne. Mir wart von vrouwen so liebez nie kunt“[1] Dieses Idealbild gehört ausschließlich in den Bereich der mittelhochdeutschen Lyrik und Epik und hat sehr wenig mit der damaligen Realität zu tun. Den mittelhochdeutschen Dichtern ging es hierbei weniger im individuelle Züge, sondern um ein Ideal, welches sich in festgelgten Schönheitsprädikaten manifestierte.[2] Die inneren Tugenden der Frau offenbarten sich in ihrer körperlichen Schönheit. Für das höfische Frauenbild in der Literatur und Lyrik war die Harmonie zwischen Schönheit und moralischer Vollkommenheit ein wesentlicher Aspekt. Nur selten wurde die Schönheit der Frau ihrer inneren Werte nachgeordnet, zum Beispiel wenn es um die Fragestellung ging, ob sich höfische Vorbildlichkeit in äußeren oder inneren Werten manifestierte: „so ist ir uzer schoen enwiht, si ist schoene innerthalben niht.“[3] Unter Berücksichtigung der Tatsache, das Heldenepen oder Minnelyrik nicht nur zur Unterhaltung der mittelalterlichen Höfe gedacht war, sondern auch oder hauptsächlich als eine Art Verhaltenskatalog für die Gesellschalft diente, erfüllt die höfische Dame eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Als Inbegriff der Schönheit und moralischer Vollkommenheit war ist sie in der Lagen, die Werte, die sie repräsentiert, an den Mann weiterzugeben. Diese Aufgabe kann die höfische Dame mit Hilfe der hohen Minne erfüllen, die sie im höfischen Herrn weckt.

Gegenüber diesem höfischen Frauenbild, dass eine Erfindung der Dichter und Minnesänger ist, sah die Realität des Geschlechterverhältnisses ganz anders aus. Die Vorstellung, dass adlige Herren zu den Frauen verehrungsvoll und bewundernd aufblickten, da sie den Damen ihre eigene Ritterlichkeit und Höfischkeit verdankten, verkehrt das Geschlechterverhältnis wie es wirklich war, ins Gegenteil.[4]

In der Regel hatte sich eine höfische Dame ihrem jeweiligen Herrn unterzuordnen, zunächst ihrem Vater, Bruder oder Vormund, später ihrem Ehegatten. „ Es ist die natürliche Ordnung unter den Menschen, dass die Frauen den Männern dienen.“[5] Diese Anschaunung, getragen und bestätigt durch das Alte Testament, war fester Bestandteil der christlichen Gesellschaftslehre und dem mittelalterlichen Gesellschaftsbild. Eine höfische Frau war weder persönlich erbberechtigt, noch konnte sie sich im Falle eines Konfliktes selbst verteidigen, wie später anhand der Analyse des vorliegenden Textes noch zu sehen sein wird. Hieraus reslutiert auch die Notwendigkeit Laudines, erneut zu heiraten, obwohl ihr verstorbener Gatte Ascalon kaum begraben ist. Da sie als Frau nicht in der Lage ist, ihr Land selbst zu schützen und zu regieren benötigt sie einen Ehemann, der diese Aufgaben für sie übernimmt. Doch hiervon später. Auch wird das Phänomen der Minneherrin in der mittelalterlichen Epik und Lyrik am Beipiel von Hartmann von der Aues 'Iwein' und der weiblichen Hauptperson, Laudine, näher beleuchtet werden. Das zweite weibliche Idealbild, das im folgenden zur Diskussion stehen soll ist das Ideal der „vollkommenen Herrscherin“[6], die ihr persönliches Wohl zum Wohl ihres Landes und Volkes hintenanstellt. Im Mittelpunkt steht hierbei Laudine, die weniger als eine Minneherrin als eine „machtbewusste, selbstständige Herrscherin dargestellt wird, obwohl Iwein sie als Minneherrin ansieht und verehrt. Hiermit öffnet sich ein Spannungsfeld zwischen Liebe, die Iwein für Laudine empfindet und der gesellschaftlicher Notwendigkeit, weshalb sie den Mörder ihres Mannes heiraten muss. Die Frage dieser Arbeit soll lauten: Ist Laudine eine gesellschaftstypische Herrscherin des 12. Jahrhunderts oder unereichtes, episches Idealbild einer Minneherrin?[7]

Inhaltsangabe

Bei dem zu behandelnden Werk handelt es sich allerdings nicht um einen Minneroman, sondern um ein Heldenepos. Dennoch kommt in Hartmanns 'Iwein' die Minne nicht zu kurz. Iwein ist einer der Helden um König Arthus' Tafelrunde und als dessen Vetter Kalogrenant berichtet, dass dieser einen Kampf gegen den Ritter Ascalon schmählich verloren habe beschließt Iwein seinen Verwandten auf eigene Faust zu rächen. Zum Kampf zwischen Ascalon und Kalogrenant kommt es, weil dieser die Quelle, die Ascalon bewacht unbedacht entweiht und damit ein furchtbares Unwtetter verursacht. Ascalon fordert den Ahnungslosen daraufhin zum Kampf und siegt.[8] Als Iwein nun an die heilige Quelle kommt, gießt auch er Wasser auf den Quellstein und verursacht damit ebenfalls ein Unwetter. Ascalon erscheint und fordert ihn zum Kampf. Iwein verwundet den Herrn der Quelle tödlich und verfolgt den Fliehenden bis zu dessen Burg. Auf der Burg gerät Iwein zwischen zwei Fallgatter und sitzt somit in der Falle.[9] Durch eine Tür tritt die Dienerin der Herrin Laudine zwischen die Fallgitter und sagt Iwein trotz der Trauer um ihren Herrn Hilfe zu, da er sich im Kampf so mutig bewährt habe.[10] Sie gibt Iwein einen Stein, der ihn unsichtbar macht und verläßt ihn. Unsichtbar für die Brugbewohner verfolgt Iwein den Trauerzug hinter der Bahre des toten Herrschers Ascalon und sieht zum ersten Mal Laudine.[11] Sehr eindrücklich beschreibt Hartmann von Aue Laudines Kummer über den Tod ihres Gatten, den sie offensichtlich sehr geliebt haben muss, wobei hier von geschlechtlicher Liebe die Rede sein kann: „[...] wand sî muose tôten sehen einen den liebsten man den wîp ze liebe ie gewan.“[12] Im weiteren Textverlauf wird zu sehen sein, dass diese Liebe sich von der, die sie Iwein später entgegenbringt, unterscheidet. Hierbei handelt es sich nach Volker Mertens um keine „personale Liebe“ sondern um eine politsch motivierte Heirat, womit eine in der mittelalterlichen Gesellschaft übliche Handlung aufgezeigt wird. Später soll auf diese Problematik noch genauer eingeganen werden.[13]

Iwein beobachtet Laudine aus dem Verborgenen: „[...] swâ ir der lîp blôzer schein, da ersach sî der her îwein [...]“[14] Im nun folgenden Textverlauf erfolgt eine für die Lyrik der hohen Minne typische Beschreibung der Gestalt Laudines und das Begehren und die Liebe, die ihre Schönheit in Iwein entfacht. „[...] daz im ir minne verkêrten die sinne, daz er sîn selbes gar vergaz [...]“[15] Zu diesem Zeitpunkt ist an eine Erwiederung seiner Liebe seitens Laudine absolut undenkbar, ist Iwein doch Ascalons Mörder. Werner Schröder geht davon aus, dass Iwein, nicht wie Mertens behauptet, Ascalon im „ritterlichen Kampf getötet“ hat, sondern „er wollte ihn töten, und da hört die 'erlaubte Gewalt' (für die Mertens auf Seite 49 plädiert) auf.[16]

[...]


[1] H. v. Morungen 141, 1-4 in Joachim Buhmke, Höfische Kultur, Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, Seite 451-452, 1999 München

[2] Vgl. Joachim Buhmke, Höfische Kultur, Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, S. 452 ff, 1999 Berlin

[3] „So ist ihre Schönheit ein Nichts, wenn sie nicht im Innern schön ist.“T. v. Zirklaere 951-52

[4] Vgl. Joachim Buhmke, S. 453 ff

[5] Augustinus, Quaestiones in Heptateuchum S. 59 in Joachim Buhmke, Höfische Kultur, S. 456 ff., 1999 Berlin

[6] Vgl. Volker Mertens, Laudine, 1978 Berlin

[7] Vgl. Volker Mertens, Laudine, 1978 Berlin

[8] Hartamann von Aue „Iwein“, Seite 16, LM 755, 4. überarbeitete Auflage von G.F. Benecke, K. Lachmann, L. Wolff, Walter de Gruyter, 2001 Berlin/New York

[9] Ebd. S.23, LM 1125 ff

[10] Ebd. S 23/24 LM 1176 ff

[11] Ebd. S. 26 LM 1307 ff

[12] Ebd. S. 26 LM 1314Ebd. S. 26 LM 1314

[13] Vgl. Volker Mertens „Laudine“ Soziale Problematik im Iwein Hartmann von Aues, Erich Schmidt Verlag, 1978 Berlin

[14] Ebd. S. 26 LM 1331

[15] Ebd. S. 26 LM 1335 ff

[16] Werner Schröder „Laudines Kniefall und der Schluß vob Hartmanns Iwein, Seite 4, Franz Steiner Verlag, 1997 Stuttgart

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Harmann von Aue "Iwein"
Untertitel
Laudine: Minneherrin oder ideale Herrscherin nach dem mittelalterlichen Frauenideal im 12. Jahrhundert?
Hochschule
Universität Potsdam  (Germanistik)
Veranstaltung
Heldenepik und Minnelyrik
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V178494
ISBN (eBook)
9783656004363
ISBN (Buch)
9783656004905
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
harmann, iwein, laudine, minneherrin, herrscherin, frauenideal, jahrhundert
Arbeit zitieren
Corina Brucker (Autor:in), 2009, Harmann von Aue "Iwein", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178494

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