Ernst Fraenkel: Pluralismus und Neopluralismus


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

A. Einleitung

B. Pluralismus und Neopluralismus
I. Kurzbiographie Fraenkels
II. Was ist Pluralismus ?
III. Die politische Entwicklung Fraenkels
IV. Fraenkels Neopluralismus
V. Kritik am Pluralismus/Neopluralismus

C. Schluß/Fazit

D. Literaturverzeichnis

A. Einleitung

Mit dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland sind nicht alle totalitären Politik - und Gesellschaftsentwürfe untergegangen . Betrachten wir kurz die letzten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg so werden wir feststellen, daß sich die Demokratie und der Pluralismus nicht überall so entwickelt haben, wie in den „westlichen Demokratien“. Der Pluralismus hatte in der ehemaligen DDR und den kommunistischen Satellitenstaaten der damaligen Sowjetunion keine Chance. Im gleichen Atemzug ist hier aber auch das „westliche“ Land Spanien zu nennen, in dem in der „Franco – Ära“ der Pluralismus auch ein Fremdwort war. Aber auch nach dem Ende des „Kalten Krieges“ zeichneten/zeichnen sich Tendenzen ab, die dem möglich gewordenen/vorhandenen Pluralismus entgegenlaufen. So ist zum Beispiel in der Republik Kroatien eher von einem totalitären System anstatt einer pluralistischen Demokratie zu sprechen. Negative Tendenzen finden wir aber auch in Italien.

In dieser Ausarbeitung möchte ich mich mit dem Thema Pluralismus und Neopluralismus auseinandersetzen. Natürlich ist es dabei unumgänglich sich mit einem Klassiker der Demokratie – und Pluralismustheorie – Ernst Fraenkel – zu beschäftigen, der als Vater des Neopluralismus bezeichnet werden kann. Im Kern dieser Arbeit soll beantwortet werden, was eigentlich Pluralismus und Neopluralismus, unter Berücksichtigung Fraenkels, ist. Die Arbeit ist in die Teile A, B, C, und D gegliedert. Der Teil A soll als Einleitung dienen. Er soll den Leser zum Thema hinführen, die Vorgehensweise erläutern, die Zielsetzung verdeutlichen und die Schwerpunktliteratur für diese Arbeit aufzeigen. Der Teil B ist der Hauptteil dieser Arbeit und in die Abschnitte I. - V. unterteilt. Zuerst wird mit eine Kurzbiographie Fraenkels begonnen. Diese ist von großer Bedeutung, da Fraenkels biographischer Werdegang für seine Neopluralismustheorie eine wesentliche Rolle spielt und der Leser diese Ereignisse kennen soll. Danach folgt der Versuch einer Definition des Begriffes Pluralismus, die nicht als allumfassend bezeichnet werden kann. Im Teil „Die politische Entwicklung Fraenkels“ soll jene dargestellt werden und dabei gleichzeitig gezeigt werden, daß Fraenkels Emigration eine wichtige Station in seinem Leben war. Anschließend wird Fraenkels Neopluralismus aufgezeigt und eine Abgrenzung zum Pluralismus vollzogen. Wie alle Dinge auf dieser Welt hat auch der Neopluralismus/Pluralismus mit negativen Aspekten und Kritik zu kämpfen. Einige allgemeine Punkte und Kritiken aus verschiedenen „Lagern“ werden im Teil V. des Hauptteils angeführt. Der Teil C, die Zusammenfassung/Fazit, soll dem Leser die wichtigsten Dinge der Ausarbeitung nahebringen. Zum Schluß folgt das Literaturverzeichnis. Zur Quellen – und Literaturbasis dieser Ausarbeitung ist zu sagen, daß hier kein umfassendes Einzelwerk genutzt wurde, da Fraenkel seine Theorien nie in einem Werk veröffentlicht hatte. Seine Theorien entstammen aus seinen Vorträgen, die er in seinem Leben gehalten hatte, welche dann wiederum in Aufsätzen veröffentlicht wurden. Persönlich muß ich sagen, daß mir die Interpretationen und Bemerkungen, anderer Theoretiker, zu Fraenkels Texten, für diese Arbeit mehr gebracht haben, da jene für mich verständlicher waren als Fraenkels Texte selbst. Als Schwerpuntliteratur habe ich deshalb die Aufsatzsammlung von Heinrich Oberreuter genutzt, in der unter anderem Aufsätze von Steffani, Kremendahl und Hättich zu finden waren. Weiterhin wurden die Werke von Joachim Detjen (Neopluralismus und Naturrecht) und Heinrich Erdmann (Neopluralismus und institutionelle Gewaltenteilung) als Hauptquellen genutzt.

B. Pluralismus und Neopluralismus

I. Kurzbiographie Fraenkels

Ernst Fraenkel wurde am 26. Dezember 1898 als Sohn wohlhabender jüdischer Eltern in Köln geboren. Nach dem Tod seiner Eltern wuchs er seit seinem 16. Lebensjahr bei seinem Onkel in Frankfurt am Main auf. Die weltoffen – gebildete, progressiv – liberale Atmosphäre jener Jahre prägte ihn tief.[1] Von 1916 – 1918 nahm Fraenkel als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Danach studierte er Rechtswissenschaft und Geschichte in Frankfurt am Main. 1923 promovierte Fraenkel bei Hugo Sinzheimer, dessen Referendar und Assistent er zwischen 1922 und 1924 war. Sinzheimer war für Fraenkel der wichtigste akademische Lehrer.[2] Im Jahre 1927 ließ sich Fraenkel als Rechtsanwalt in Berlin nieder und vertrat als SPD – Mitglied seit 1931 den Parteivorstand der SPD in öffentlich – rechtlichen Streitigkeiten. Gewerkschaftlich ebenfalls sehr engagiert, veröffentlichte Fraenkel von 1924 bis 1932 sehr viele Beiträge zum Arbeitsrecht. Fraenkels Arbeiten zur „dialektischen“ oder „kollektiven“ Demokratie von 1929 und 1932 enthalten bereits die Grundannahmen seiner späteren Pluralismustheorie, die er seit Ende der 50er Jahre vertrat. Ende 1932 entwickelte Fraenkel einen Gedanken, der weit über die damalige Zeit hinausreichte, er entwickelte Anregungen zum „konstruktiven Mißtrauensvotum“[3]. Diese Anregungen finden wir heute im Artikel 67 unseres Grundgesetzes wieder. Fraenkel ist somit der „Vater“ des in der Geschichte des Parlamentarismus neuen „konstruktiven Mißtrauensvotums“[4]

Fraenkel, der Jude war, durfte aufgrund seiner freiwilligen Kriegsteilnahme auch nach 1933 weiterhin als Anwalt arbeiten. Trotzdem versuchte er in seiner eigenen Art und Weise mit viel Engagement gegen den Nationalsozialismus zu „kämpfen“. So versuchte er mit seinem Werk „Der Doppelstaat“ das nationalsozialistisch Herrschaftssystem sehr kritisch zu analysieren.

Die Anzeichen für eine persönliche Bedrohung wurden für Fraenkel in Deutschland aber immer stärker und so emigrierte er kurz vor der „Reichsprogromnacht“[5], im September 1938[6], in die Vereinigten Staaten. Dort studierte er amerikanisches Recht und entwickelte mehrere Konzepte[7] für ein Nachkriegsdeutschland. 1944 trat Fraenkel in den amerikanische Regierungsdienst ein und war von 1945 – 1950 Berater der amerikanischen Behörden in Korea. Dort wirkte er unter anderem an der Ausarbeitung der Verfassung mit. Seit 1951 war Fraenkel Dozent und seit 1953 Professor an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin. Sein Ziel war es die theoretischen Grundlagen der neuen deutschen Demokratie zu festigen und deren Funktionsfähigkeit zu verbessern.[8] Hier entwickelte er auch Ende der 50er Jahre seine „Theorie des Pluralismus“, uns auch bekannt als Neopluralismus.

Ernst Fraenkel starb am 28. März 1975 als Bewahrer und Förderer der Menschen - und Grundrechte, des Rechtsstaats, des Parlamentarismus und der Demokratie.

II. Was ist Pluralismus ?

Der Pluralismus wird charakterisiert durch eine stetige Konkurrenz von gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen. Jene konkurrieren miteinander und gegeneinander um wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Macht. So wird versucht Einfluß in jeden politischen Prozeß einzubringen und jenen auf die staatliche Gewalt umzusetzen. Heute sind diese „gleichberechtigten“, sozialen Gruppen innerhalb unserer staatlichen Gemeinschaft durch grundrechtliche Garantien geschützt.[9] Bei der Vokabel Pluralismus wird aber auch deutlich, daß jene sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Einige verbinden positive Vorstellungen mit dem Pluralismus, da er als besonderes Merkmal der Demokratie gesehen wird. Andere sehen wiederum im Pluralismus die Gefährdung der staatlichen Einheit. Und von der politischen Linken wird behauptet, daß der Pluralismus benutzt wird, um „sozialistische Theorieintentionen“[10] zu diskriminieren, die Arbeiterklasse zu spalten und so den Sieg des wissenschaftlichen Sozialismus so lange wie möglich hinauszuzögern.[11] Probleme treten bei der Nutzung des Begriffs Pluralismus sehr oft auf, da dieses Wort häufig zu großzügig und undifferenziert gebraucht wird. Deshalb benutzten wir hier den Pluralismus im spezifischen Sinne, gemeint ist, eine Vielheit, deren einzelne Elemente in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen. Diese einzelnen Elemente sind autonom und gleichberechtigt, somit keiner Kontrolle unterworfen. Konflikt und Wettbewerb kennzeichnen aber die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Elementen.[12]

Der Pluralismus als Erscheinung und Theorie ist ein Phänomen des 20. Jahrhunderts.[13] Ursprünglich kam der Pluralismus aus England, da dort Harold Laski[14] verschiedene Geistesströmungen zusammenfaßte. Der Pluralismus bildete sich vor allem heraus, da das christlich geprägte, einheitliche Weltbild durch eine Vielfalt von weltanschaulichen Positionen abgelöst wurde. Die Ständegesellschaft löste sich auf und sehr viele verschiedene Interessengruppen[15] entstanden, die versuchten auf die staatliche Gewalt einzuwirken und eigene Interessen durchzusetzen. Weiterhin entwickelte der Staat eine zunehmende sozialstaatliche Tendenz, die zur Folge hatte, daß der Staat mehr und mehr über gesellschaftliche Konflikte entschied. Es gilt aber zu beachten, daß für einen funktionierenden Pluralismus einige Rahmenbedingungen vorhanden sein müssen. So muß die Möglichkeit der Organisation von Interessen durch die Bildung von Parteien, Verbänden und Vereinen gewährleistet werden. Ebenso müssen diese gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen die Möglichkeit haben auf die Staatsgewalt Einfluß zu nehmen. Dies kann am besten durch Wahlen praktiziert werden. Beachtet werden muß außerdem, daß sich die einzelnen Gruppen gegenseitig kontrollieren und in ihrer Macht begrenzen. Einer Organisation sollte nach Möglichkeit eine gleich machtvolle gegenüberstehen.[16] Weiterhin muß ein vom Staat vorgegebenes Ordnungskonzept, als Regelwerk für die Konfliktaustragung, von allen Gruppen anerkannt und akzeptiert werden, damit eine pluralistische Demokratie auch funktioniert. Die Opposition muß Gleichbehandlung erfahren und rechtlich geschützt sein. Angeführt werden kann hier der Artikel 21 des Grundgesetzes, der unter anderem die Parteien als verfassungsrechtliche Institutionen ansieht und sie dementsprechend geschützt sind.[17]

Den Pluralismus erkennt man daran, daß kein einheitliches Weltbild vorherrscht. Legitim sind eine Vielzahl von verschiedenen Auffassungen, die in der Realität ein Spannungsfeld von Konflikt und Konsens erzeugen. Erst der Konsens ermöglicht eine Konfliktregelung.[18] Man kann erkennen, daß nicht das Ideal des einheitlichen Volkswillen zählt, sondern die Konkurrenz um Einfluß. Im Pluralismus wird das Gemeinwohl nicht als feste Größe begriffen, es wird vielmehr durch unterschiedliche Gruppen unterschiedlich gefüllt. Pluralismus ist der praktizierte Gegenentwurf zum Totalitarismus, der von einer absolut homogenen Interessenlandschaft ausgeht und somit antidemokratisch ist. Es findet also eine strikte Abgrenzung zwischen Konkurrenztheorie (auch Kokurrenzdemokratie)[19] und der Identitätstheorie Carl Schmitts, die von Homogenität und Vernichtung des Heterogenen ausgeht, statt.[20]

Auf die Defizite und Kritikpunkte am Pluralismus möchte ich an anderer Stelle eingehen.

[...]


[1] Vgl. Fraenkel, Ernst: Deutschland und die westlichen Demokratien, erweiterte Ausgabe, Frankfurt am Main 1990, S. 360. (Hrsg.: v. Brünneck, Alexander)

[2] Vgl. ebd.: S. 360.

[3] http://www.bund.de/Wir-ueber-uns-Wissen/Deutsche-Demokratie/Parlament/Bundestag/Aufgaben-.4692.htm (21.06.02)

[4] Vgl. Fraenkel, Ernst: Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 364.

[5] http://nibis.ni.schule.de/~kgskirch/SZ/98aktion1.htm (21.06.02)

[6] http://www.helmut-zenz.de/hzfraenk.htm (21.06.02)

[7] Vgl. Fraenkel, Ernst: Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 366.

[8] Vgl. ebd.: S. 367.

[9] Vgl. Fraenkel, Ernst/Bracher, Karl Dietrich (Hrsg.): Staat und Politik, Neuausgabe, Frankfurt am Main 1973, S. 254.

[10] Vgl. Steffani, Winfried: Vom Pluralismus zum Neopluralismus, in: Oberreuter, Heinrich (Hrsg.): Pluralismus. Grundlegung und Diskussion, Stuttgart 1980, S. 39.

[11] Vgl. Steffani, Winfried: Vom Pluralismus zum Neopluralismus, S. 39.

[12] Vgl. ebd.: S.39.

[13] Vgl. Fraenkel, Ernst/Bracher, Karl Dietrich (Hrsg.): Staat und Politik, S. 254.

[14] Britischer Politikwissenschaftler und Sozialist.

[15] Als Beispiele für solche Interessengruppen können Parteien (SPD), Gewerkschaften und Vereine/Verbände (Deutscher Flottenverein, Alldeutscher Verband) angeführt werden.

[16] Die beiden großen deutschen Volksparteien (CDU, SPD) sind hier ein gutes Beispiel.

[17] Vgl. Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung, 12. überarbeitete Auflage, Bonn 2001, S. 191 – 199.

[18] Vgl. Oberreuter, Heinrich: Pluralismus und Antipluralismus, in: Oberreuter, Heinrich (Hrsg.): Pluralismus. Grundlegung und Diskussion, Stuttgart 1980, S. 28.

[19] Vgl. Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, München 2001, S. 260 – 261.

[20] Vgl. Oberreuter, Heinrich: Pluralismus und Antipluralismus, S. 28.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Ernst Fraenkel: Pluralismus und Neopluralismus
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Staats- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Verhandlung und Entscheidung: Parlamentarismustheorie und antiparlamentarisches Denken.
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V17851
ISBN (eBook)
9783638223218
Dateigröße
377 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ernst, Fraenkel, Pluralismus, Neopluralismus, Verhandlung, Entscheidung, Parlamentarismustheorie, Denken
Arbeit zitieren
Oliver Schirmer (Autor:in), 2002, Ernst Fraenkel: Pluralismus und Neopluralismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17851

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