Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. BETRIEBLICHE SOZIALPOLITIK ALS ELEMENT NACHHALTIGER SOZIALER SICHERUNGSSYSTEME
1.1. Einleitung
1.2. Problematik
1.3. Forschungsfrage Ziel und Methodik der Arbeit
1.4. AufbauderArbeit
2. BETRIEBLICHE SOZIALPOLITIK ALS ELEMENT NACHHALTIGER SOZIALER SICHERUNGSSYSTEME
2.1. Begriffliche Grundlagen
2.1.1. Betriebliche Sozialpolitik
2.1.2. Betriebliche Sozialleistungen
2.2. Begründung für die Existenz betrieblicher Sozialpolitik und deren historische Entwicklung
2.2.1. Geschichtliche Entwicklung
2.2.2. Zusammenhang zwischen staatlicher und betrieblicherSozialpolitik
2.2.3. Die Rechtfertigung betrieblicher Sozialpolitik
2.3. Formen und Typologisierung betrieblicher Sozialpolitik
2.4. Ausmar betrieblicher Sozialpolitik innerhalb der EU
3. DIE REICHWEITE BETRIEBLICHER SOZIALLEISTUNGEN AM BEISPIEL DER PENSIONSVORSORGE
3.1. Definition des Begriffs betriebliche Pensionsvorsorge
3.2. Begründung einer betrieblichen Pensionsvorsorge
3.2.1 Motive und Aufgaben der betrieblichen Pensionsvorsorge
3.2.1.1. Aus derSicht derArbeitgeber
3.2.1.2. Aus derSicht derArbeitnehmer
3.2.1.3. Aus derSicht der Gewerkschaften
3.3. Die Historische Entwicklung der betrieblichen Pensionsvorsorge
3.4. Die gesetzliche Regelungderbetrieblichen Altersvorsorge in Österreich
3.5. Durchführungsformen der betrieblichen Altersvorsorge
3.5.1. Direktzusage (Pensionszusage)
3.5.2. Die Direktversicherung
3.5.3. Pensionskassen
3.5.4. Die Unterstützungskasse
4. DER BEITRAG DER BETRIEBLICHEN PENSIONSVORSORGE ZUR ALTERSSICHERUNG
4.1. Soziale Absicherungunterdem Gesichtspunkt des Drei-Säulen Modells
4.1.1. DasDrei-Säulen-Modellin Österreich
4.1.2. DasDrei-Säulen-Modellim internationalen Vergleich
4.1.3. Der Beitrag von Betriebspensionen im Vergleich zuöffentlichen Pensionen
4.2. Die zukünftige Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung
5. CONCLUSIO
5.1. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichins
Abb. 1: Verteilung des Einkommens von Pensionsbezieherlnnen 2006
Abb. 2: Unterteilung von betrieblicher Sozialpolitik nach Wirkungsgrad und Wirkungsverhältnis
Abb. 3: Individuelle Sichtweise der vier Ansätze von betrieblichen Sozialleistungen
Abb. 4: Das Drei-Säulen-Modell
Tabellenverzechins
Tab. 1: Zusammensetzung der freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen
Tab. 2: Beitrag der Arbeitgeber zur sozialen Sicherheit
Tab. 3: Bruttoersatzquote in den Pensionssystemen 10 europäischer Länder Personen mit einem Verdienst von 50%, 100% und 150% des Durchschnittsverdienstes
Tab. 4: Der Beitag betrieblicher Pensionsvorsorge im Vergleich mit anderen Ländern
Danksagung
Mein besonderer Dank gebührt der Betreuerin dieser Arbeit, Frau Universitätsprofessorin Dr. Ulrike SCHNEIDER, Leiterin des Instituts für Sozialpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien, die mir bei der Themenwahl und Ausführung sehr behilflich war und mir ausreichend Gestaltungsspielraum für meine Bachelorarbeit ließ und somit das Vorankommen wesentlich förderte.
Weiters möchte ich an dieser Stelle all jenen, die an meinem schulischen und studentischen Werdegang beteiligt waren, danken.
Mein ganz besonderer Dank gilt aber meinen Eltern und meinen engsten Freunden, die es mir ermöglicht haben, dieses vorgegebene Ziel zu erreichen.
1. Betriebliche Sozialpolitik als Element nachhaltiger sozialer Sicherungssysteme
1.1. Einleitung
Aufgrund der schrumpfenden Bevölkerungszuwachsraten und der relativ starken demografischen Alterung gewinnt die Beschäftigung mit der Frage der betrieblichen Sozialpolitik immer mehr an Bedeutung, weil zahlreiche gesellschaftspolitische Veränderungen ihren Niederschlag im Betrieb finden. Andererseits wirkt auch die betriebliche Sozialpolitik über den Betrieb hinaus und beeinflusst dadurch die ganze Gesellschaft. Sowohl auf betrieblicher als auch auf staatlicher Ebene gilt es, den Bedarf an Sozialleistungen frühzeitig zu erkennen und diese auch umzusetzen. Angesichts ständiger Veränderungen im Bedarf an Sozialleistungen und in der Aufgabenteilung zwischen dem Staat und dem privaten Sektor findet ein stetiger Wandel vorhandener und neuer Sozialleistungen statt.
Im Zuge dieser Arbeit wird ein sehr wichtiger Teilbereich der betrieblichen Sozialpolitik herausgriffen und genauer betrachtet, nämlich die betriebliche Pensionsvorsorge.
Da die Finanzierung der staatlichen Pension auf einem sogenannten Umlagesystem beruht, wo im Prinzip die Pensionszahlungen durch die laufenden Beitragseinnahmen gedeckt werden, ist es nach der demographischen Entwicklung (sinkende Geburtenrate und steigende Lebenserwartung) sehr unwahrscheinlich, dass dieser „Generationenvertrag" auf längere Sicht tragbar ist. Somit findet vielleicht in naher Zukunft eine Kompetenzverschiebung von der staatlichen hin zur betrieblichen und privaten Pensionsvorsorge statt.
Da sich die vorherrschende Versorgungslücke zwischen Netto-Einkommen und dem Altersruhegeld aus der gesetzlichen Pension stetig vergrößert, stellt sich die Frage, wie lange das derzeitige Alterssicherungs-System, welches durch die Dominanz der staatlichen Alterspension charakterisiert ist aufrecht erhalten werden kann.
„Der Bund leistete jedem Pensionsversicherungsträger (...) einen Beitrag in der Höhe des Betrages, um den die Aufwendungen die Erträge überstiegen".[1] Für das Jahr 2007 betrug die Ausfallhaftung des Bundes (ohne Ausgleichszulagen) 1,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts, beziehungsweise 4,687 Millionen Euro.[2] Diese Differenz aus Aufwand und Ertrag resultiert daraus, da nicht genügend Mitteln von den derzeitigen Beitragszahlern zur Verfügung stehen.
Vor diesem Hintergrund thematisiert die vorliegende Bachelorarbeit den Stellenwert der betrieblichen Pensionsvorsorge beziehungsweise dessen Beitrag zur sozialen Absicherung im Alter.
Im einleitenden Kapitel wird zunächst auf die Problematik der betrieblichen Sozialleistungen am Beispiel derbetrieblichen Pensionsvorsorge eingegangen.
Die folgenden zwei Teilkapitel beschäftigen sich mit meiner Forschungsfrage sowie mit den Zielen, welche diese Arbeit verfolgt, und mit der Methodik und dem Aufbau (Gliederung) der Bachelorarbeit.
Wie schon in der Einleitung kurz angesprochen, ergeben sich die Probleme der Alterssicherung in Österreich durch die Dominanz deröffentlich-rechtlichen ersten Säule.
Abbildung 1: Verteilung des Einkommens von Pensionsbezieherlnnen 2006
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle:
http://www.bmsk.gv.at/cms/site/attachments/5/4/1/CH0184/CMS1229091777409/einkommen_armu t_und_lebensbedingungen_2006.pdf ; Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und http://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/3/index.html?id=3&listid=3&detail=433 ; StatistikAustria (Zugriff am 08.08.2009) ; Eigene Berechnungen
Die Daten aus dieser Grafik stützen sich auf die Ergebnisse aus EU-SILC 2006 für Österreich. EU-SILC ist eine Erhebung über Einkommen und Lebensbedingung, in deren Rahmen alle Informationen erhoben werden, die notwendig sind, um ein umfassendes Bild über die Lebenssituation von Menschen in Privathaushalten zu gewinnen.
Aus dieser Grafik ist ersichtlich, dass ein Großteil des Einkommens von Pensionsbezieherlnnen aus der staatlichen Alterspension stammt. Die Einkommensquelle der staatlichen Alterspension ist in der Grafik wie folgt definiert und beinhaltet:[3]
Alterspension aus eigener Erwerbstätigkeit, vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungdauer, sonstige Altersleistungen sowie Hinterbliebenenpension inklusive Witwen und Waisenpension, Unfallrente, Invaliditätspension, Pflegegeld und vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit und/oder Erwerbsunfähigkeit.
Nur eine untergeordnete Rolle spielen die Erwerbseinkommen oder die altersunabhängigen Sozialleistungen (krankheitsbezogene, familienbezogene und ausbildungsbezogene Unterstützungen). Private Einkommen (Kapitaleinkommen und private Transfers) oder Betriebspensionen spielen praktisch keine Rolle.
Auf dem Gebiet der Altersvorsorge herrscht in Österreich ein hohes Versorgungsniveau, welches aber ohne Anpassung des derzeitigen Systems (Umlageverfahren) nicht gehalten werden kann.
Die Grundversorgung bindet immer mehr Ressourcen des Staatsbudgets, und besonders durch die demographische Entwicklung (verkehrte Alterspyramide) wird das Umlageverfahren immer häufiger in Frage gestellt. Um das derzeitige Versorgungsniveau nachhaltig garantieren zu können, müssten entweder die Beiträge enorm angehoben werden oder man könnte während der Pension nur eine sehr geringe Lohnersatzquote zahlen.
Da eine Reduzierung der Lohnersatzrate das Ziel gefährdet, einen angemessenen Lebensstandard im Alter zu sichern, könnte man versuchen durch den Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge („zweite Säule") und der privaten Pensionsvorsorge („dritte Säule") eine Entlastung der staatlichen Alterspension zu erreichen.
Die vorliegende Arbeit dient dazu, das Wesen der betrieblichen Sozialpolitik in Österreich und der EU darzustellen und die Wichtigkeit von betrieblichen Sozialleistungen hervorzuheben, indem auf die Rolle und die Motive der betrieblichen Pensionsvorsorge eingegangen wird.
In Anbetracht des demographischen Wandels in Österreich sowie in der Europäischen Union erhält die betriebliche Pensionsvorsorge einen immer höheren Stellenwert und mehr Wichtigkeit in der Gesellschaft. Somit soll diese Arbeit eine Anregung für weitere Überlegungen bieten und eine kritische Reflexion der derzeitigen Situation darstellen.
Ziel dieser Arbeit ist es, festzustellen welchen Beitrag die betriebliche Absicherung zur sozialen Absicherung der Bevölkerung leistet. Im Rahmen dieser Arbeit sollen auch Antworten auf Fragen zur Effektivität sowie über neue Formen der betrieblichen Alterssicherung gegeben werden. Als letzter Unterpunkt der Forschungsfrage wird Aufschluss über die Motive und Zukunftsperspektiven der betrieblichen Pensionsvorsorge gegeben.
Die Bedeutung der betrieblichen Pensionsvorsorge kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Im Zuge dieser Arbeit wird die sozialpolitische Sichtweise gewählt. Da die betriebliche Alterssicherung aus betrieblicher Sicht als Teil der Personalpolitik (Lohnpolitik) der Arbeitgeber gesehen werden kann, werden der Vollständigkeit wegen auch die bilanz- und steuerrechtlichen Auswirkungen sowie die Rechtsgrundlagen der zweiten Säule kurz beschrieben.
Als Methodik zur Bearbeitung der Forschungsfragen wird eine Literaturanalyse gewählt. In die Auswertung wird einschlägige, deutsche und englischsprachige Literatur zum Thema „Betriebliche Sozialleistungen" und "Betriebliche Alterssicherung" einbezogen.
Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Der einführende Abschnitt liefert eine Beschreibung der Ausgangslage, die Darstellung der Forschungsfrage und Näheres zur Methodik und zum Aufbau der Arbeit.
Im zweiten Kapitel erfolgt die Begriffserklärung von „Betrieblicher Sozialpolitik" und „Betrieblichen Sozialleistungen". Weiters wird die Existenz betrieblicher Sozialpolitik begründet sowie ein historischer Rückblick dieser gegeben. Außerdem findet eine Typologisierung betrieblicher Sozialpolitik statt. Am Ende des Kapitels werden die unterschiedlichen Ausprägungen bzw. Formen betrieblicher Sozialpolitik dargestellt und deren Ausmaß abgeschätzt.
Das dritte Kapitel fokussiert auf die betriebliche Pensionsvorsorge. Zunächst wird dieser Begriff kurz eingeführt und die Motive und Aufgaben aus verschiedenen Perspektiven dargestellt, sowie auf mögliche Probleme hingewiesen. Nach Erklärung des historischen Zusammenhangs werden die gesetzlichen Regelungen und Durchführungsformen aufgezeigt.
Im vierten Kapitel wird der konkrete Beitrag der betrieblichen Pensionsvorsorge zur Alterssicherung herausgearbeitet und versucht die Forschungsfrage zu beantworten. Nach Vorstellung des 3-Säulen-Modells erfolgt die Bewertung desöffentlichen und betrieblichen Alterssicherungssystems anhand von eigens formulierten Kriterien. Mithilfe des vorletzten Abschnitts wird versucht Aufschluß über die zukünftige Entwicklung der betrieblichen Altersvorsorge zu geben.
In einer Conclusio am Ende der Arbeit wird das Wichtigste noch einmal zusammengefasst und die Schwerpunkte herausgearbeitet. Des Weiteren findet eine kritische Reflexion der Literatur statt.
Betriebliche Sozialpolitik als Element nachhaltiger sozialer Sicherungssysteme
2.1. Begriffliche Grundlagen
2.1.1. BetrieblicheSozialpolitik
Betriebliche Sozialpolitik wird unter anderem von Goodin und Rein (2001) als: „mar- ket-driven social benefits provided by private employers and the state in its role as employer"[4] interpretiert. Sinfield (1999) definiert die betriebliche Sozialpolitik als Sozialleistungen, die an eine Beschäftigung anknüpfen und sich negativ von staatlichen Sozialleistungen abgrenzen: „occupational welfare covers benefits received by an employee through or as a result of his employment over and beyond the public benefits such as national insurance"[5]
2.1.2. Betriebliche Sozialleistungen
„(...) die bunte Palette verschiedener Leistungen (..), die Unternehmen unabhängig von gesetzlichen oder tariflichen Verpflichtungen ihren Beschäftigten angedeihen lassen"[6]
„(...) Betriebliche Sozialpolitik umfasst alle freiwilligen Leistungen eines Unternehmens und grenzt sich dadurch von gesetzlichen und tariflichen, also überbetrieblichen Sozialleistungen ab."[7]
Wie sich erkennen lässt, stellt die Definition von Sesselmeier (2003) einen Widerspruch zur Definitionen von Mittelstädt (1993) dar. In der ersten Definition werden sowohl gesetzliche und tarifliche Sozialleistungen als betriebliche Sozialleistungen aufgelistet, was eine weite Sichtweise des Begriffs darstellt. Die zweite Definition bezieht sich nur auf die freiwilligen Leistungen. Im Zuge meine Arbeit folge ich der Definition von Mittelstädt was der weiten Sichtweise entspricht.
Unter gesetzlichen bzw. unabdingbaren Sozialleistungen sind diejenigen Leistungen zu verstehen, bei denen der Arbeitgeber aufgrund von Tarifverträgen und Gesetzen verpflichtet ist einen Teilbetrag davon zu zahlen z.B. eine betriebliche Pensionsvorsorge (wo das Pensionsschema als Substitut für staatliche Alterssicherung gilt), Krankengeld, Karenz, Arbeitgeberbeiträge zur Kranken-, Arbeitslosen,- und Sozialversicherung oder eine Abfertigung. Unter freiwilligen Sozialleistungen versteht man Leistungen, welche auf dem freien Entschluss des Arbeitgebers beruhen. Die Arbeitnehmer haben auf solche Leistungen keinen Rechtsanspruch. Man kann auch freiwillige Sozialleistungen als über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus erbrachte Leistungen betrachten, welche zur Förderung des Betriebsergebnisses beitragen.[8]
Um einen Einblick in die Zusammensetzung der freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen zu bekommen, stellt Toshiaki Tachibanaki (2004) für Japan einen Vergleich zwischen der Firmengröße und den Ausgaben für verschiedene Sozialleistungen an.
Tabelle 1: Zusammensetzung der freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: http://www.nber.org/chapters/c10311.pdf; National Bureau ofEconomic Research (24.07.2009)
In dieser Tabelle lässt sich erkennen, dass die Schaffung von betrieblichem Wohnraum mit wachsender Unternehmensgröße positiv korreliert und nahezu die Hälfte der Ausgaben für diese Sozialleistungen verwendet werden. An zweiter Position steht der Begriff „Food", woraus man schließen kann, dass damit die Ausgabe von Essensmarken/Essensgeld oder die Bereitstellung einer betriebliche Kantine mit günstigen Essenspreisen gemeint ist.
2.2. Begründung für die Existenz betrieblicher Sozialpolitik und deren historische Entwicklung
2.2.1. Geschichtliche Entwicklung
Aufgrund der lückenhaften Überlieferung durch Kriegsverluste und der nicht kontinuierlichen Sammlung geschichtlicher „Beweise" betreffend den Bereich der betrieblichen Sozialpolitik wird der geschichtliche Hintergrund nur exemplarisch anhand von einzelnen Ländern untersucht.[9]
Des Weiteren muss eine ganzheitliche Betrachtung von sämtlichen Bereichen betrieblicher Sozialpolitik angestellt werden, da sonst ein verfälschtes Bild der Realität entsteht. Dies wird verwirklicht indem man die Entwicklungen auf staatlicher und kommunaler Ebene mit einbezieht.[10]
„Da soziale Maßnahmen „geschichtlicher Veränderung" unterworfen seien, könne der historische Wandel im wesentlichen anhand der „Gruppen, auf die sich Sozialpolitik richtet, der Ziele, der Instrumente und der Träger der Sozialpolitik" verfolgt werden."[11]
Nach Pohl (1991) kristallisierte sich schon im siebten und achten Jahrhundert nach Christus eine gesellschaftliche Ordnung und mit dieser sozialpolitische Maßnahmen und Programme in Deutschland heraus. Das vorhandensein unternehmerischer Sozialpolitik folgt einer langen Tradition, die bis auf die frühindustrielle Zeit zurückzuführen ist. Dixon (1999) führt betriebliche Sozialpolitik sogar auf das Römische Recht zurück, wobei die Arbeitgeberinnen per Gesetz auf das Wohlbefinden der Arbeitnehmerinnen zu Achten hatten.
Das nachfolgende Zitat trifft die sogenannte „Master-Servant Tradition" ziemlich gut: „Where a person, on his own responsibility for his own profit, sets in motion agencies which create risk for others, he should be civilly responsible for the consequences of what he does"[12]
Früher war der Begriff der betrieblichen Sozialpolitik auch unter anderem als „betriebliches Wohlfahrtswesen" oder „Fabrikwohlfahrtspflege" bekannt.[13]
Erst Anfang des neunzehnten Jahrhunderts kümmerte sich auch der Staat um Sozialpolitik. Die betriebliche Wohlfahrtspflege konzentrierte sich nicht nur auf sozial schwache Gruppen sondern auch auf sozial besser gestellte Berufsgruppen. Der Grund für die Einbeziehung von sozial besser gestellten Berufsgruppen in diesen Förderprozess war betriebswirtschaftlicher Natur, damit sich das Unternehmen den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit für die nahe Zukunft durch Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterbindung sichert.[14]
Somit erlangte Schäffle bereits gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Erkenntnis „daß teurere, ein höheres materielles und intellektuell-sichtliches Bedürfnis kennende Arbeiter [...] privatwirtschaftlich „vorteilhafter" seien, „als armselige wohlfeiler Löhne"[15]
Als wissenschaftlicher Begriff setzte sich die betriebliche Sozialpolitik erst seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts durch, wobei zunächst nur eine Abgrenzung zur staatlichen Sozialpolitik erfolgte. Viele Autoren sprechen der betrieblichen Sozialpolitik auch einer Vorreiterrolle im Bereich der sozialen Sicherung zu.[16]
Die Mieck'sche These (1904) sieht die betriebliche Sozialpolitik nur als interimsmäßig an, wobei Schulz (1979) den Interimscharakter von betrieblicher Sozialpolitik mit dem Begriff der Periodisierung näher eingrenzt. Er unterscheidet zwischen der „Konstitutionsphase" (Mitte bis zu den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts), der „Konkurrenzphase" (von den siebziger bis zu den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrunderts) und seit 1918, der„Erosionsphase".
So gehen aktuellere Forschungsergebnisse davon aus, dass bei einem ausgeprägten Sozialstaat eine maßvolle Sozialleistungspolitik von Unternehmen effektiver bereitgestellt werden kann. Da Einrichtungen wie Werkswohnungen nicht nur einen rein karitativen Charakter haben, sondern auch die faktische Abhängigkeit der Arbeitnehmer erhöhen, zogen diese Sozialleistungen scharfe Kritik seitens der Gewerkschaften auf sich. Es wurde damit argumentiert, dass die Selbstbestimmung somit stark eingeschränkt wird. Viele Kritiker forderten auch eine Erhöhung der betrieblichen Demokratie, damit eine stärkere Beteiligung an der Verwaltung durch die Arbeitnehmer erreicht wird.[17]
2.2.2. Zusammenhang zwischen staatlicher und betrieblicher Sozialpolitik
Die betriebliche undöffentliche Sozialpolitik beeinflussen sich gegenseitig. Dabei herrscht zum Teil ein substitutives und zum Teil ein komplementäres Verhältnis zwischen betrieblicher und staatlicher Sozialpolitik.
Da die Fragen nach dem konkreten Zusammenhang zwischen betrieblicher undöffentlicher Sozialpolitik ein Indikator für den Stellenwert betrieblicher Sozialpolitik ist, wird diese Frage ausführlich beantwortet.
Man muss von der Annahme eines perfekten, friktionslosen Marktsystems abgehen, da sonst die betriebliche Sozialpolitik (unter allokativen Gesichtspunkten) keine spezielle Funktion übernimmt und jede weitere Betrachtung unnötig wäre. Da solch ein perfektes Marktsystem in der Realität nicht existiert, muss man das neoklassische Referenzmodell um einige Faktoren, wie zum Beispiel Marktmacht, asymmetrische Information sowie Transaktionskosten ergänzen.
[...]
[1] http://www.epilepsie.at/uploads/handbuch_der_osterreichischen_sozialversicherung_-_2008.pdf ; Handbuch derösterreichischen Sozialversicherung 2008, S.106;
[2] http://www.epilepsie.at/uploads/handbuch_der_osterreichischen_sozialversicherung_-_2008.pdf ; Handbuch derösterreichischen Sozialversicherung 2008, S.106;
[3] vgl. StatistikAustria 2009
[4] GOODIN, Robert, REIN, Martin 2001: 769-801 zitiert in GREVE, Bent 2007: 1
[5] SINFIELD, Adrian 1999 zitiert in GREVE, Bent 2007: 1
[6] MITTELSTÄDT, Armin 1993: 10
[7] SESSELMEIER, Werner 2003: 31
[8] HABERKORN, Kurt 1978: 43f
[9] vgl. HILGER, Susanne 2004: 28
[10] vgl. HILGER, Susanne 2004: 35
[11] LAMPERT, Heinz 2004 zitiert in HILGER, Susanne 2004: 37
[12] ASQUITH 1906 zitiert in DIXON 1999: 45 von SCHEDTMAN and EMRY 1911:5
[13] Pohl zitiert nach HILGER, Susanne 2004: 37
[14] vgl. HILGER, Susanne 2004: 37
[15] SCHÄFFLE, Albert 1958: 493 zitiert in HILGER, Susanne 2004: 38
[16] vgl. HILGER, Susanne 2004: 38
[17] vgl. HILGER, Susanne 2004: 44f
- Arbeit zitieren
- Stefan Grolms (Autor), 2009, Der Beitrag betrieblicher Sozialpolitik zur sozialen Sicherung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178767
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