Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
A) Einleitung
B) Die GmbH in der Krise
I.) Insolvenzreife und Entstehung der Insolvenzantragspflicht
1.) Krisenbegriff
2.) Das Insolvenzverfahren im Überblick
3.) Problem der masselosen Insolvenz
4.) Insolvenzgründe
a) drohende Zahlungsunfähigkeit
b) Zahlungsunfähigkeit
c) Überschuldung
II.) Insolvenzantragspflicht
1.) durch Geschäftsführer
2.) durch den faktischer Geschäftsführer
3.) bei Führungslosigkeit
4.) durch den Gesellschaftsgläubiger
5.) Antragsfrist
C) Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft
I.) Allgemeines
II.) Zahlungsanweisungen
1.) Zahlungen vor Insolvenzreife
2.) Zahlungen nach Insolvenzreife
3.) privilegierte Zahlungen
4.) Verschulden
III.) Haftungsumfang
IV.) Anspruchsberechtigter und Geltendmachung
V.) Verjährung
D) Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten
I.) Allgemeines
II.) Insolvenzverschleppung
1.) Haftungsumfang
a) Quotenschaden der Altgläubiger
b) individueller Schaden der Neugläubiger
c) keine Ungleichbehandlung
2.) Verschulden
3.) Beweislast
4.) Geltendmachung der Schäden
a) Altgläubiger
b) Neugläubiger
5.) Verjährung
E) Fazit
Literaturverzeichnis
1. Altmeppen, Holger, Insolvenzverschleppung Stand 2001, ZIP 2001, 2201 ff.; (zit. Altmeppen, ZIP 2001, S.)
2. Baumbach, Adolf / Hueck, Alfred, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 19. Auflage, München 2010; (zit.: Baumbach/Hueck/Bearbeiter, §, Rn.)
3. Borges, Georg, Gläubigerschutz bei ausländischen Gesellschaften mit inländischem Sitz, ZIP 2004, S. 733 ff.; (zit.: Borges, ZIP 2004, S.)
4. Bork, Reinhard, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen verspäteten Konkursantrags, ZGR 1995, S.505 ff.; (zit.: Bork, ZGR 1995, S.)
5. Braun, Eberhard (Hrsg.), Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage, München 2002; (zit.: Braun/Bearbeiter, InsO, §, Rn.)
6. Dauner-Lieb, Barbara, Die Berechnung des Quotenschadens, ZGR 1998, S. 617 ff.; (zit.: Dauner-Lieb, ZGR 1998, S.)
7. Foerste, Ulrich, Insolvenzrecht, 3. Auflage, München 3006; (zit.: Foerste, Rn.)
8. Goette, Wulf, Die GmbH, 2. Auflage, München 2002; (zit.: Goette, GmbH, §, Rn.)
9. Haas, Ulrich, Fragen zur Insolvenzverschleppungshaftung des GmbH-Geschäftsführers, NZG 1999, S. 373 ff.; (zit.: Haas, NZG 1999, S.)
10. Hirte, Heribert, Die Entwicklung des Unternehmensund Gesellschaftsrechts in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2006, NJW 2007, S. 817 ff.; (zit.: Hirte, NJW 2007, S.)
11. Hirte, Heribert, Die „Große GmbH-Reform“ Ein Überblick über die Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), NZG 2008, S. 761 ff.; (zit.: Hirte, NZG 2008, S.)
12. Hoffmann, Dieter / Liebs, Rüdiger (Hrsg.), Der GmbH-Geschäftsführer Handbuch für die Praxis des Unternehmers und Managers, 3. Auflage, München 2009; (zit.: Hoffmann, Rn.)
13. Hueck, Götz/Windbichler, Christine, Gesellschaftsrecht, 21. Auflage, München 2008; (zit.: Windbichler, §, Rn.)
14. Jaffe, Michael/Friedrich, Andreas, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Insolvenzstandortes Deutschland, ZIP 2008, S. 1849 ff.; (zit.: Jaffe/Friedrich, ZIP 2008, S.)
15. Jula, Rocco, Der Status des GmbH-Geschäftsführers, 1. Auflage, Berlin (u.a.) 1999; (zit.: Jula, S.)
16. Karsten, Frederick, GmbH-Recht, 1. Auflage, Baden-Baden 2009; (zit.: Karsten, §, Rn.)
17. Kirchhof, Hans-Peter / Lwowski, Hans-Jürgen / Stürner, Rolf (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band I §§ 1-102 InsO und InsVV, 2. Auflage, München 2007; (zit.: MüKo-InsO/Bearbeiter, §, Rn.)
18. Kübler, Bruno / Prütting, Hanns / Bork, Reinhard (Hrsg.), Kommentar zur Insolvenzordnung, Band I, Köln 2010; (zit.: KPB/Bearbeiter, InsO, §, Rn.)
19. Kübler, Bruno, Die Konkursverschleppungshaftung des GmbH-Geschäftsführers nach der „Wende“ des Bundesgerichtshofs. Bedeutung für die Praxis. Besprechung der Entscheidung BGHZ 126, 181, ZGR 1995, S. 481 ff.; (zit.: Kübler, ZGR 1995, S.)
20. Liebs, Rüdiger, Die Nichtbeachtung des Zahlungsverbots in der Krise des Unternehmens Zur Haftung der Geschäftsleitung und des Aufsichtsrates, Festschrift zum 70. Geburtstag von Fritz Rittner, München 1991, S. 369 ff.; (zit.: Liebs, FS Rittner, S.)
21. Lutter, Marcus / Hommelhoff, Peter (Hrsg.), Kommentar zum GmbH-Gesetz, 16. Auflage, Köln2004; (zit.: Lutter/Hommelhoff/Bearbeiter, §, Rn.)
22. Müller, Welf / Hense, Burkhard (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Auflage, München 2002; (zit.: Müller/Bearbeiter, §, Rn.)
23. Palandt, Otto (Hrsg.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 70. Auflage, München 2011; (zit.: Palandt/Bearbeiter, §, Rn.)
24. Paulus, Christoph, Insolvenzrecht, 1. Auflage, Frankfurt am Main 2007; (zit.: Paulus, S.)
25. Poertzgen, Christoph, Neues zur Insolvenzverschleppungshaftung der Regierungsentwurf des MoMiG, NZI 2008, S. 9 ff.; (zit.: Poertzgen, NZI 2008, S.)
26. Reischl, Klaus, Insolvenzrecht, 1. Auflage, Heidelberg 2008; (zit.: Reischl, Rn.)
27. Röhricht, Volker, Insolvenzrechtliche Aspekte im Gesellschaftsrecht, ZIP 2005, S. 505 ff.; (zit.: Röhricht, ZIP 2005, S.)
28. Schmidt, Karsten, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Köln 2002; (zit.: Schmidt, S.)
29. Schmidt, Karsten / Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz, 3. Auflage, Köln 2003; (zit.: Schmidt/Bearbeiter, Rn.)
30. Schmidt, Karsten, Debitorisches Bankkonto und Insolvenzverschleppungshaftung: Ist Geben seliger denn Nehmen?, ZIP 2008, S. 1401 ff.; (zit.: Schmidt, ZIP 2008, S.)
31. Uhlenbruck, Wilhem, Die Durchsetzung von Gläubigeransprüchen gegen eine vermögenslose GmbH durch deren Organe nach geltendem und neuem Insolvenzrecht, ZIP 1996, S. 1641 ff.; (zit.: Uhlenbruck, ZIP 1996, S.)
32. Ulmer, Peter, Gläubigerschutz bei Scheinauslandsgesellschaften, NJW 2004, S. 1201 ff.; (zit.: Ulmer, NJW 2004, S.)
33. Wimmer, Richard, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers Insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, NJW 1996, S. 2546 ff.: (zit.: Wimmer, NJW 1996, S.)
34. Wissmann, Manfred, MoMiG Das neue GmbH-Recht, 1. Auflage, Bonn 2009; (zit.: Wissmann, §, Rn.)
„Unternehmensführung ist nicht die Beschäftigung mit Gegenwartsproblemen, sondern die Gestaltung der Zukunft.“
(Daniel Goeudevert;frz. Autor und ehem. Vorstandsmitglied der Volkswagen-AG )
A) Einleitung
Es liegt in der Natur des Menschen, sich wirtschaftlich zu betätigen. Die Verbindung zwischen Kapital und Personen führt dabei zur Entstehung von Kapitalgesellschaften. Eine der vor allem beim Mittelstand beliebten und häufigsten Rechtsformen in Deutschland ist dabei die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenwärtig beläuft sich die Zahl der GmbHs mit Hauptsitz in Deutschland auf etwa 900.000.1
Besondere Attraktivität erfahrt die GmbH durch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade diese Gesellschaftsform in überdurchschnittlichem Maße krisenanfällig ist. 2009 wurden bei den zuständigen Insolvenzgerichten knapp 32.000 Unternehmensinsolvenzen angemeldet, wovon etwa 40 % auf die Rechtsform der GmbH entfielen.2 Lag die Summe der voraussichtlichen Forderungen gegen die insolventen GmbHs im Jahre 2008 noch bei etwa 10 Mrd. Euro,3 so belief sie sich, bedingt durch die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftsund Finanzkrise, im Jahr 2009 auf rund 35 Mrd. Euro.4 Der für die privaten Gläubiger und die öffentliche Hand verursachte Schaden betrug, dem Jahresbericht der Vereine Creditreform zu Folge, im Jahre 2010 geschätzte 13,5 Mrd. Euro.5
Dazu beigetragen hat auch eine unübersichtliche, über viele Normen verstreute und ineffiziente Regelung des GmbH-Rechts, die es den Vertretungsorganen auf der einen Seite schwer gemacht hat, ein richtiges Krisenmanagement vorzunehmen, es auf der anderen Seite aber Tür und Tor zu Missbräuchen öffnete, um sich der persönlichen Verantwortung zu entziehen.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 01.11.2008 wurde das GmbH-Recht daher einer umfassenden und tiefgreifenden Reform seit seiner Schaffung im Jahre 1892 unterzogen.6 Durch zahlreiche Neuerungen, wie der Einsatz von beurkundungsfreien Musterprotokollen und die Zulassung einer Unternehmensgesellschaft ohne Mindeststammkapital (§ 5a GmbHG), wurde das GmbH-Recht grundlegend modernisiert und dereguliert.7 Die Gründung einer GmbH soll dadurch erleichtert und beschleunigt werden. Weiterhin wird mit dem Gesetz den Missbräuche durch sog. Firmenbestatter entgegengewirkt.8 Dabei versuchen die Geschäftsführer im Wege der kurzfristigen Amtsniederlegung oder Abberufung durch die Gesellschafterversammlung ohne die anschließende Bestellung eines Nachfolgers die Eröffnung bzw. die ordnungsgemäßen Durchführung eines Insolvenzverfahrens zu stören, wobei die dann aufgetretenen Haftungsfragen nach altem Recht nur schwer zu beantworten waren. Angeregt durch die Rechtsprechung des EuGH, der sich in mehreren Leitentscheidungen9 im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit mit der Frage der Anwendbarkeit nationalen Rechts auf ausländische Unternehmensformen mit Hauptsitz im Inland zu befassen hatte,10 wurde insbesondere unter Einfluss der Erkenntnisse aus dem Überseering-Urteil des EuGH11 das gesetzgeberische Ziel verfolgt, die Attraktivität der GmbH im Vergleich zur englischen private Company limited by shares (Limited) zu steigern, um sie so international wettbewerbsfähig zu machen.
Neben der Vielzahl von Vereinfachungen darf der Schutz der Gläubiger und der Schutz der Gesellschafter vor einer risikobehafteten Wirtschaftsbetätigung der Gesellschaft, zu der sie naturgemäß gezwungen ist, nicht vernachlässigt werden. Die direkte Zugriffsmöglichkeit auf den Geschäftsführer und die zahlreichen Verbote, die ihn während der Insolvenzphase in seinen Handlungsbefugnissen beschränken sollen, sind die Folgen eines modifizierten Haftungssystems, welches aber grundsätzlich beibehalten wurde.12 Letztlich findet durch die Regelungen eine Durchbrechung des Grundsatzes der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen im Außenverhältnis i.S.d. § 13 II GmbHG statt.
Die vorliegende Arbeit behandelt die Auswirkungen der Insolvenzverschleppung durch den GmbH-Geschäftsführer sowohl im Innenverhältnis zu den Gesellschaftern und der Gesellschaft als auch im für die Praxis bedeutsamen Außenverhältnis zu Dritten. Auf eine ausführliche Darstellung des Insolvenzverfahrens soll hier, wenngleich allgemeine Ausführungen dazu zum besseren Verständnis und zur Einordnung der Probleme unerlässlich sind, verzichtet werden. Gleiches gilt für die allgemeine Haftung des Geschäftsführers aus Vertrag13 oder bei Inanspruchnahme besonderen Vertrauens.14 Auch die strafrechtlichen Beurteilung des Geschäftsführerhandelns bei Insolvenzverschleppung soll hier weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Gleiches gilt für die Bewertung der Haftung bei nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen15 und Steuerverbindlichkeiten.16
B) Die GmbH in der Krise
I.) Insolvenzreife und Entstehung der Insolvenzantragspflicht
1.) Krisenbegriff
Die Insolvenz ist kein Prozess, der sich innerhalb kurzer Zeit in einem Unternehmen vollzieht. Vielmehr ist ein mittelbis langfristiger Zeitraum vor der Insolvenz zu betrachten. Gerät ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so spricht man von einer Krise. Neben einem betriebswirtschaftlichen Krisenbegriff, der die Existenzbedrohung in den Mittelpunkt stellt,17 knüpft der rechtliche Krisenbegriff an das Merkmal der Kreditunwürdigkeit an.18 Diese liegt vor, wenn die Gesellschaft von Dritten keinen Kredit unter marktüblichen Bedingungen mehr bekommt und ohne Kapitalzufuhr liquidiert, d.h. aufgelöst werden müsste.
2.) Das Insolvenzverfahren im Überblick
Zunächst erfolgt eine mögliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch einen Antrag des schuldnerischen Unternehmens oder eines Gläubigers, soweit ein Insolvenzgrund vorliegt. Das Gericht prüft in einem „Vorverfahren“ die Zulässigkeit und Begründetheit eines solchen Antrags. In dieser Zeit ist das Gericht durch Sicherungsmaßnahmen (§21 InsO) von Amts wegen verpflichtet, die Gläubiger vor einer nachtteiligen Veränderung der Vermögenslage zu schützen.19 Hauptinstrument zum Schutz der sog. Insolvenzmasse (die gesamten Vermögensgegenstände des Schuldners i.S.v. § 35 I InsO)20 ist dabei die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 II S. 1 Nr. 1 InsO) bis beschlossen wird, ob ein Verfahren eröffnet wird.21 Nach eröffnetem Insolvenzverfahren wird dann ein „endgültiger“ Insolvenzverwalter gemäß § 56 InsO bestellt. Dieser übernimmt gemäß § 80 I InsO anstelle der Gesellschafter und dem Geschäftsführer sämtliche Weisungs-, Geschäftsführungsund Vertretungsbefugnisse.22 Während der Vorprüfung wird auch über die Verfahrenskosten befunden und bei Unzulänglichkeit nach Maßgabe des § 26 InsO nicht eröffnet. Ein positiver Beschluss leitet sodann das eigentliche Insolvenzverfahren, welches gemäß § 60 I Nr. 4 GmbHG zur Auflösung der GmbH führen kann, ein. Über die Eröffnung ist gemäß § 32 I S.1 HGB von Amts wegen eine Eintragung im Handelsregister vorzunehmen. Der Insolvenzverwalter klärt nach genauer Auswertung der Gesellschaftssituation die Gläubiger in einem Berichtstermin (§ 29 I Nr. 1 InsO) über Wirtschaftslage der GmbH auf und stellt möglichen Sanierungschancen dar. Die Gesamtheit aller Gläubiger entscheidet in der Gläubigerversammlung, wie das Insolvenzverfahren fortgeführt werden soll und kann den Insolvenzverwalter beauftragen, einen Insolvenzplan zu erstellen (Insolvenzplanverfahren; § 217 InsO). Entsprechend der Ziele der Verfahren unterscheidet man zwischen Liquidation (Verwertung), Sanierung (Wiederherstellung) und übertragenden Sanierung (Verkauf). Im Liquidationsfall erfolgt dann die Verteilung des Verwertungserlöses an die Gläubiger. Nach erfolgter Verteilung wird von dem Insolvenzgericht ein Beschluss gefasst, der das Insolvenzverfahren damit aufhebt.
3.) Problem der masselosen Insolvenz
Reicht das sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der GmbH befindliche Vermögen nicht aus um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, so kann das Gericht gemäß § 26 I S. 1 i.V.m. § 207 I InsO den Insolvenzantrag abweisen. Es wird dann von einer masselosen Insolvenz gesprochen. Scheinbar problematisch ist diese Regelung dahingehend, dass damit das Ziel des Insolvenzverfahrens namentlich Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger umgangen wird. § 26 I S. 2 InsO sieht daher vor, dass die Ablehnung unterbleibt, wenn der erforderliche Betrag durch die Gläubiger vorgeschossen wird. Die Ablehnung des Antrages bezieht sich jedoch nur auf die Vermögenslage der GmbH und sagt nichts über das Privatvermögen des Geschäftsführers aus.23 Daher besteht für die Gläubiger die Möglichkeit, die Ansprüche, welche die Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer hat,24 zu pfänden und sich diese in einem sich daran anschließenden Einziehungsprozess gemäß §§ 829, 835 f.
ZPO überweisen zu lassen. Somit eröffnet die Abweisung mangels Insolvenzmasse dem Gläubiger weitere Möglichkeiten, um die Befriedigung seiner noch ausstehenden Forderungen zu erreichen, die jedoch aus Scheu vor finanziellem Aufwand oder schlicht aus Unkenntnis über Geschäftsinterna und den fehlenden Einblick in die Geschäftsunterlagen in der Praxis von vielen Gläubigern nicht wahrgenommen werden.25
4.) Insolvenzgründe
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt gemäß § 16 InsO einen Eröffnungsgrund voraus. Die rechtzeitige Auslösung des Insolvenzverfahrens stellt hier ein Kernproblem dar, bei dem es letztlich um die Frage geht, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen das notleidende Unternehmen aus dem Markt auszuscheiden hat, da andernfalls das unternehmerische Risiko auf die Gläubiger übertragen wird.26 Als taugliche Verfahrenseröffnungsgründe sieht die InsO die drohende Zahlungsunfähigkeit, die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung vor.
a) drohende Zahlungsunfähigkeit
Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist in § 18 InsO geregelt. Gemäß § 18 II InsO liegt sie vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit wird widerlegbar angenommen, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist, als deren Vermeidung;27 die Eintrittswahrscheinlichkeit muss über 50 % liegen.28 Dabei räumt das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit dem Geschäftsführer ein Antragrecht also keine Antragspflicht ein.29 Weil der Schuldner das Vorliegen zu belegen hat, ergeben sich hier Schwierigkeiten bezüglich der zeitliche Reichweite dieser Prognose, da eine gesetzliche Regelung hierfür nicht ersichtlich ist.30 Die Ansichten diesbezüglich bewegen sich zwischen wenigen Monaten31 über höchstens zwei Jahre32 bis hin zu mehreren Jahren.33 Der genaue Zeitraum ist wohl im Einzelfall festzulegen und wird maßgeblich von den Prognoseschwierigkeiten verschiedener Wirtschaftsfaktoren und nicht zuletzt von einer kurzoder langfristigen Produktionsperiode der GmbH abhängen. Ein regelmäßig zu erstellender Finanzplan, der Einund Ausnahmen gegenüberstellt und u.a. eine Gewinnund Verlustrechnung und die Entwicklung des Eigenkapitals enthält, soll bei der Feststellung helfen. Wird in dem Unternehmen eine drohende Zahlungsunfähigkeit festgestellt, so steht es dem Geschäftsführer frei, den Insolvenzantrag zu stellen. Die relativ frühe Antragstellung kann dahingehend sinnvoll sein, dass dadurch die Gefahr der Insolvenzverschleppung gegen Null tendiert und das Insolvenzgericht im Zuge des Eröffnungsverfahrens von Amts wegen feststellen muss, ob ein Insolvenzgrund vorliegt oder nicht.34
b) Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden zu erfüllen.35 Der Begriff wird in § 17 II InsO umschrieben.
[...]
1 RegE zum MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 26.
2 Statistisches Jahrbuch 2010, S. 501.
3 Statistisches Jahrbuch 2009, S. 503.
4 Statistisches Jahrbuch 2010, S. 501.
5 Bericht der Vereine Creditreform für das Jahr 2010, S. 7 und 19.
6 Hirte, NZG 2008, 761.
7 RegE zum MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 26.
8 RegE zum MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 26.
9 EuGH, Urt. v. 09.03.1999, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459=NJW 1999, 2027 ff.; EuGH, Urt. v. 30.09.2003, Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331 ff.
10 Borges, ZIP 2004, 733.
11 EuGH, Urt. v. 05.11.2002, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919=NJW 2003, 1461.
12 RegE zum MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.25.
13 Hierzu näher Karsten, § 7, Rn. 51 ff.
14 Hierzu näher Schmidt, S. 1086 ff.
15 Hierzu näher Karsten, § 7, Rn. 134 ff.
16 Hierzu näher Karsten, § 7, Rn. 150 ff.
17 Müller/Axhausen, §15, Rn. 1.
18 Windbichler, § 24, Rn. 19; Goette, GmbH, § 4, Rn. 19.
19 Foerste, Rn. 95.
20 Foerste, Rn. 141.
21 Foerste, Rn. 95.
22 Windbichler, § 24, Rn. 13.
23 Karsten, § 7, Rn. 2.
24 Karsten, § 7, Rn. 2.
25 Uhlenbruck, ZIP 1996, 1641.
26 Schmidt/Uhlenbruck, Rn. 809.
27 Reischl, Rn. 115.
28 Braun/Bußhardt, InsO, §18, Rn. 5.
29 MüKo-InsO/Drukarczyk, §18, Rn. 11.
30 Foerste, Rn. 112.
31 Braun/Bußhardt, InsO, §18, Rn. 8.
32 KPB/Pape, InsO, § 18, Rn. 6.
33 Braun/Bußhardt, InsO, §18, Rn. 8.
34 KPB/Pape, InsO, § 18, Rn. 11, 12.
35 Reischl, Rn. 93.