Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Leben
3. Literarisches Schaffen
4. Position im Genre Science-Fiction
5. Zusammenfassung
Literaturliste
1. Einleitung
„Ich bin wie ein Kater, der eigene Wege geht […], [ich] gehöre nirgendwo hin, denn ich bin anderswoher […], [ich] passe […] in keine der üblichen Schubladen.“1
Mit diesen Worten charakterisiert sich Stanisław Lem. Er gehört zu den erfolgreichsten Science-Fiction-Autoren weltweit. Gegenstand dieser Hausarbeit wird es sein, Stanisław Lems literarisches Schaffen unter dem Aspekt seiner Position innerhalb der Science-Fiction zu betrachten und dabei die Besonderheiten seiner literarischen Produkte herauszufiltern. Dabei soll die Frage erörtert werden, ob Lem als Außenseiter innerhalb des „Science-Fiction- Gefüges“ bezeichnet werden und inwiefern er dem Genre an sich zugerechnet werden kann. Dies soll an verschiedenen Beispielen veranschaulicht werden.
Zunächst wird dazu die Person Stanisław Lem betrachtet und wichtige Stationen seines Lebens, die Einfluss auf sein literarisches Wirken hatten, hervorgehoben. Anschließend werden die Beziehung Lems zu seinen Verlegern sowie die Schwierigkeiten, die mit der Veröffentlichung seiner Werke einhergingen, beleuchtet. Im weiteren Verlauf erfolgen die Auseinandersetzung mit den Besonderheiten seiner literarischen Produkte und seiner Position innerhalb der Science-Fiction sowie die Abgrenzung zu anderen Science-Fiction-Autoren. In der Zusammenfassung erfolgt die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen.
2. Leben
Nach dem ersten Weltkrieg erlangt Polen 1918 die Unabhängigkeit. Lemberg, ehemals Hauptstadt des Königreichs Galizien, wird von polnischen Truppen besetzt und zu einem der wichtigsten Zentren Polens. Weitere Kämpfe erschüttern das Gebiet, unter anderem 1920 der polnisch-sowjetische Krieg. Lem kommt also am 12. September 1921 in Lemberg unmittelbar nach dem Abklingen jahrelanger Kämpfe zu Welt. Damit gehört er zur sogenannten „Kolumbus-Generation“. In Polen wird damit die Generation bezeichnet, die um das Jahr 1920 geboren und deren Jugendzeit vom Krieg berührt worden ist. Schon hier wird Lems Einzigartigkeit ersichtlich – thematisieren die klassischen Vertreter der „Kolumbus- Generation“ überwiegend den Krieg und versuchen ihr Leben im Kontext von den erlebten und sie prägenden Erlebnissen zu verstehen – erholt sich Lem dagegen von diesem „Generationserlebnis“ sehr schnell. Ausschließlich in seinem Roman Czas nieutracony spielt die Problematik des Krieges eine zentrale Rolle, verliert in späteren Werken jedoch an Bedeutung.2 Lem war keinesfalls unempfänglich für diese Probleme, hebt sich aber deutlich von den Autoren seiner Generation ab und muss „zumindest als ein untypischer „Kolumbus“ gelten, dessen intellektuelle Biographie den gängigen Mustern zuwiderläuft.“3
Mitte September 1939 marschiert die Rote Armee in Lemberg ein. Die Stadt fällt in der Folge unter russische Herrschaft. Stanisław Lem hat zur diesem Zeitpunkt das Gymnasium beendet und beginnt 1939 sein Studium an der Lemberger Medizinischen Fakultät. Zu diesem Moment hat Lem bereits, seiner eigentlichen Leidenschaft folgend, die Aufnahmeprüfung der Lemberger Technischen Hochschule bestanden, wird schlussendlich aber aufgrund fragwürdiger sozialer Herkunft abgelehnt, weil sein Vater der Bourgeoisie zugerechnet wird. 1941 marschiert Deutschland in Lemberg ein und Lem muss sein Studium unterbrechen. Unter deutscher Besatzung ist er als Automechaniker tätig und emigriert 1946 mit seiner Familie nach Krakau. Hier setzt er sein Studium an der Jagellonen-Universität fort. An der
Krakauer Universität begegnet Lem Mieczysław Choynowski, der das Seminar für Wissenschaftslehre leitet.4 Choynowski eröffnet Lem neue Welten und konfrontiert ihn mit den neuesten Forschungsrichtungen der amerikanischen Wissenschaft. Er beeindruckt Lem aufs Höchste:
„Zu einem Durchbruch in meinem Leben und in meiner geistigen Entwicklung wurde erst die Begegnung mit Doktor Mieczysław Choynowski, der einen ungeheuren Einfluß auf mein ganzes Leben ausgeübt hat. […] Nachdem er meine Arbeit gelesen hatte, sagte er mir, daß sie absolut wertlos und alles, was ich dort geschrieben habe, ein großer Unsinn sei. Aber offenbar war er doch zu der Überzeugung gelangt, daß in mir etwas steckte, denn er wurde zu meinem wissenschaftlichen Lehrer, begann mir Bücher aus der Bibliothek zu leihen, entschied darüber, was ich zu lesen hatte, und so begann meine Ausbildung […].“5
Lem studiert Massen von philosophischer, psychologischer und logischer Literatur, beschäftigt sich mit Fragen der Physik, der Biologie, der Kosmologie und der Philosophie und legt damit den Grundstein für sein literarisches Schaffen.6 Die Leidenschaft Lems für die Wissenschaft und technologische Thematiken zeigt sich bereits in frühen Jahren. Nach eigener Aussage „scharte [er bereits als Kind] elektrostatische Geräte, Induktoren und Vakuumröhrchen um [s]ich, [s]eine erste große Liebe sozusagen.“7 In einem Gespräch mit Stanisław Beres8 sagt Lem:
„Schon als Junge interessierte ich mich mehr für die verschiedenen Mechanismen als für diese Rundungen. Natürlich interessierten mich die Mädchen, aber in größere Erregung versetzten mich die Sterne, denn ich meinte, daß es von größerem Wert ist, ihre Rätsel zu ergründen, als jene, die … sagen wir, in der weiblichen Psyche verborgen sind.“9
Der erwachsene Lem findet schließlich doch Gefallen an den Frauen und heiratet 1953 die Radiologin Dr. Barbara Lesniak. Seit 1973 unterrichtet er als Dozent am Lehrstuhl für polnische Literatur an der Universität Krakau. Stanisław Lem stirbt am 27. März 2006 in Krakau.10
[...]
1 Lem; Beres: Lem über Lem, S. 201.
2 Vgl. Jarz9bski: Zufall und Ordnung, S. 9 ff.
3 Jarz9bski: Zufall und Ordnung, S. 11.
4 Vgl. Gräfrath: Ketzer, Dilettanten und Genies, S. 39 f.
5 Lem; Beres: Lem über Lem, S. 19.
6 Vgl. Gräfrath: Ketzer, Dilettanten und Genies, S. 40.
7 http://www.zeit.de/2005/31/P-Lem, 29.07.11.
8 Stanisław Beres (geb. 1950), poln. Dichter, Literaturkritiker, Übersetzer und Literaturhistoriker.
9 Lem; Beres: Lem über Lem, S. 104.
10 http://www.heise.de/tp/artikel/2/2048/1.html, 29.08.11.