Verhaltenstherapeutische Ansätze - Unter Berücksichtigung der Sichtweise psychodynamischer Therapien


Hausarbeit, 2011

36 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Leib-Seele-Problem

3. Die Verhaltenstherapie
3.1. Die Anfänge der Verhaltenstherapie – Definition Behaviorismus
3.2. Methoden der Verhaltenstherapie
3.2.1. Lerntheoretische Ansätze
3.2.1.1. Klassische Konditionierung
3.2.1.2. Operante Konditionierung
3.2.1.3. Sozial-kognitive Lerntheorie
3.2.2. Kognitive Ansätze
3.2.2.1. Rational-Emotive Therapie (nach Ellis)
3.2.2.2. Kognitive Therapie (nach Beck)
3.2.2.3. Stressimpfungstraining (nach Meichenbaum)
3.2.3. Konfrontative Ansätze
3.2.3.1. Systematische Desensibilisierung (graduiert, in sensu)
3.2.3.2. Flooding (massiert, in vivo)
3.3. Kritik an der Verhaltenstherapie

4. Eine kleine Gesellschaftsanalyse

5. Der psychodynamische Ansatz
5.1. Die Entwicklung der psychoanalytischen Technik Freuds
5.2. Methoden psychodynamischer Therapien
5.2.1. Psychoanalyse
5.2.2. Analytische Psychotherapie
5.2.3. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
5.3. Kritik an den psychodynamischen Therapien

6. Gegenüberstellung

7. Fazit

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Wir leben in einer Zeit, in der die Gesundheit eines jeden Einzelnen, eine immer größere Rolle beigemessen wird. Auch seelische Befindlichkeiten erlangen dabei eine immer größere Bedeutung und Anerkennung. Viele Menschen scheinen für die heutige schnelllebige Welt und Art zu leben nicht mehr ausreichend gewappnet zu sein. Ob prekäre Jobsituationen, Arbeitslosigkeit, soziale Ängste, dadurch entstehende Süchte oder familiäre Sorgen und Nöte, es gibt mittlerweile eine unglaubliche Spannbreite belastender Lebensereignisse und Problemlagen, die psychisch sehr negativ und dauerhaft auf die Seele eines Menschen einwirken können. Der Mensch ist mit immer mehr Sorgen und Unsicherheiten konfrontiert, die er bewältigen muss. Dadurch können vermehrt seelische Krankheiten mit ihren oft psychosomatischen und sozialen Folgen entstehen.

Laut des „Fehlzeiten-Reports 2010“, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK und der Universität Bielefeld veröffentlicht wird, nehmen psychische Erkrankungen eine stetig wachsende Bedeutsamkeit ein. So sind 8,6% der ausgefallenen Arbeitstage der AOK-Mitglieder auf psychische Erkrankungen zurückzuführen und stellen einen neuen Höchstwert dar. Dafür wurden die Krankheitsdaten von 9,7 Millionen erwerbstätigen AOK-Mitgliedern ausgewertet. Nach dieser Studie belegen psychische Erkrankungen den vierten Platz für Ursachen arbeitsbedingter Fehlzeiten.[1]

Der Gesundheitsbericht „Gesundheit in Deutschland“ von 2006 vom Robert Koch-Institut und vom Statistischen Bundesamt untermauert die wachsende Bedeutsamkeit psychischer Erkrankungen. So erleiden 15% der Frauen und 8% der Männer innerhalb eines Jahres eine depressive Episode. Etwa jeder siebte schwer depressive Patient verstirbt durch Suizid. 40% bis 70% der Selbstmordversuche gehen auf eine Depression zurück. Auch Angststörungen sind in Deutschland weit verbreitet. Laut Bericht erkrankt etwa innerhalb eines Jahres jede fünfte Frau und fast jeder zehnte Mann an einer Angststörung, welche das alltägliche Leben stark beeinträchtigen kann. Eine weitere zunehmende Bedeutung wird auch Demenzerkrankungen zukommen. Die Zahl der Demenzerkrankten wird sich von heute, etwa eine Millionen, bis zum Jahre 2050 verdoppeln.[2]

Ob Zwangsstörungen, Essstörungen, somatoforme Störungen, posttraumatische Störungen, Schlafstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, sexuelle Funktionsstörungen bis hin zur Suchterkrankung, kann der Mensch eine Vielzahl verschiedener Verhaltensweisen und Verhaltensmuster zeigen oder gar verlieren, wenn sein inneres seelisches Befinden aus dem Gleichgewicht geraten ist. Man erkennt, dass das Feld seelischer Erkrankungen sehr vielfältig und breit gefächert ist, sowie dass in Deutschland ein enormer Handlungs- und Beratungsbedarf für seelische Leiden jeglicher Form entstanden ist und der Mensch die Art, wie er zukünftig leben will, überdenken sollte. Es wird Zeit, dass auch der Letzte erkennt, dass der Mensch eine Einheit aus Körper, Geist und Seele ist. Wird diese Einheit zerstört, so entstehen körperliche und auch seelische Probleme.

Hilfe verspricht hierbei die Verhaltenstherapie, die einen Großteil dieser Hausarbeit ausmachen wird. Im Rahmen dieser Hausarbeit soll unter Berücksichtigung des Leib-Seele-Problems die Brücke zum Behaviorismus geschlagen werden, um somit den Grundstein und den geschichtlichen Hintergrund der Verhaltenstherapie darzustellen. Fortfahrend werden lerntheoretische, kognitive sowie konfrontative Methoden der Verhaltenstherapie erläutert und in einem weiteren Punkt, Kritik an der Verhaltenstherapie geäußert.

Im zweiten Teil der Arbeit wird der psychodynamische Ansatz in seinem Grundverständnis erfasst, um dadurch die wesentlichen Unterschiede zum verhaltenstherapeutischen Verständnis herauszuarbeiten. Dabei soll die Psychoanalyse, die analytische Psychotherapie als auch die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie berücksichtigt werden. Anschließend sollen auch hier Kritiken zum psychodynamischen Ansatz geäußert werden. Ziel soll es sein, einen verständlichen und geordneten Einblick in das Grundverständnis dieser beiden verschiedenen Ansätze und deren Arbeitsweisen zu geben.

Fragestellung dieser Arbeit soll es sein, wie diese beiden großen Ansätze in der heutigen Zeit zueinander stehen und ob eine dieser Schulen als zeitgemäßer und eventuell wirksamer und effektiver charakterisiert werden kann oder sogar muss.

2. Das Leib-Seele-Problem

Das Leib-Seele-Problem oder auch Körper-Geist-Problem ist eine der größten und schwierigsten Fragestellungen der Philosophie, auf die es noch immer keine eindeutige und befriedigende Antwort bzw. Lösung gibt, jedoch viele unterschiedliche Ansichten und Lösungsansätze, die den Rahmen der Hausarbeit sprengen würden.

Das Leib-Seele-Problem wirft die Frage auf, wie Leib und Seele oder Körper und Geist zueinander stehen. Sind Leib und Seele zwei grundverschiedene Dinge oder gehören sie untrennbar zusammen und stellen nur unterschiedliche Ausdrucksformen des Lebens dar? Das Leib-Seele-Problem eröffnet somit Fragen nach dem Zusammenhang zwischen körperlichen und geistigen Vorgängen.[3] Durch diese Fragestellungen und die daraus entstandenen philosophischen Ansichten werden einige wissenschaftliche Disziplinen, darunter die Psychologie, Psychiatrie und auch die Psychosomatik, entscheidend geprägt und in ihrer Theoriebildung, Forschungsmethodik und Praxis beeinflusst.[4]

In unserer Alltagswelt erfährt sich der Mensch einerseits als Körper, der von vielen anderen physischen Objekten umgeben ist, andererseits nehmen wir uns als Zentrum unserer Gefühle, Wünsche, Vorstellungen und Erlebnisse wahr. Betrachten wir ein Fußballspiel durch eine rein physikalische Sichtweise, so würden wir nie etwas über die Gedanken, Hoffnungen, Wünsche und Emotionen der beteiligten Spieler und Zuschauer erfahren. Das mentale Leben und Erleben würde in seiner Vielschichtigkeit völlig ausgeblendet bleiben. Wir könnten auch versuchen eines dieser beiden Elemente absolut in den Vordergrund zu stellen. So könnten wir uns vorstellen, dass es keinerlei physische Objekte in unserer Alltagswelt gibt und die komplette Welt ein reines Gedankenkonstrukt, ein Traum, wäre. Das unser Bewusstsein sich seine eigene Welt erschafft. Dann wäre auch unser eigener Körper nur ein Konstrukt unserer Vorstellungen. Nehmen wir das andere Extrem, so können wir uns auch eine Welt vorstellen, in der jegliches Gefühl und jegliche Gedanken fehlen. Eine Welt ohne Bewusstsein, in der kein Beobachter existiert und somit niemand auch nur irgendeine Form von Erlebnissen und Erfahrungen wahrnehmen kann. In dieser Welt wären wir Menschen eine Art bewusstloser Roboter.[5]

Anhand dieses kleinen Gedankenspiels können wir die zwei philosophischen Hauptströme gut erfassen, die sich im Monismus sowie im Dualismus wieder finden. Dualistische Theorien gehen davon aus, dass Geist und Materie, auf den Menschen bezogen also seine mentale, innere Welt und die äußere, physische Welt um ihn herum, zwei grundlegend verschiedene Elemente sind, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Ein Beispiel wäre die chinesische Lehre vom Yin und Yang.[6] Laut des Philosophen René Descartes und seinem interaktionistischen Dualismus, befinden sich das Element des Geistes und das Element der Materie in ständiger Wechselwirkung. Somit sind Leib und Seele des Menschen qualitativ unterschiedlich, beeinflussen sich aber im Sinne der Psychosomatik gegenseitig.[7]

Ein weiterer ungenügender Lösungsansatz der Philosophie steckt im Monismus. Die Auffassung des Monismus besagt, dass Geist und Materie nur zwei Seiten derselben Sache sind, dass es unmöglich ist Geist und Materie, Seele und Leib oder geistige und körperliche Vorgänge des Menschen zu trennen. Wir unterscheiden zwischen idealistischen und materialistischen Monismus.[8] Der idealistische Monismus stellt, wie im obigen Gedankenexperiment, die physikalische Welt in den absoluten Hintergrund und geht davon aus, dass allein unser Geist die physikalische Welt nur in unseren Köpfen erschafft. Nach ihm gebe es nur den Geist. Der materialistische Monismus geht davon aus, dass nur Materie existiert und somit die physikalische Welt in den alleinigen Vordergrund tritt. Der Geist stellt in dieser Theorie keine eigenständige Substanz dar, sondern lediglich eine Eigenschaft der Materie.

Durch das Prinzip des materialistischen Monismus entstand der wissenschaftliche Standpunkt des Behaviorismus. Im Folgenden soll der Behaviorismus ausreichend definiert werden, um die Anfänge der Verhaltenstherapie und die dadurch gewonnenen psychologischen Erkenntnisse und verschiedenen Therapieformen der Verhaltenstherapie über und für den Menschen darzustellen.

3. Die Verhaltenstherapie

3.1. Die Anfänge der Verhaltenstherapie – Definition Behaviorismus

Ein genauer Zeitpunkt für die Entstehung der Verhaltenstherapie lässt sich nicht festlegen, da es keine einzelne zentrale Gründerfigur gibt und die Geschichte der Verhaltenstherapie eher als eine Abfolge verschiedener therapeutischer Konzepte verstanden wird. Die Verhaltenstherapie stellt somit eine Zusammenfassung dar, die sich aus den Experimenten und damit verbundenen Erkenntnissen vieler Einzelpersonen ergibt.[9] Die Anfänge der Verhaltenstherapie wurden jedoch von John Broadus Watson im Jahre 1913, durch die Entstehung einer neuen psychologischen Richtung, dem Behaviorismus, begründet. Das englische Wort „behavior“ bedeutet übersetzt „Verhalten“, sodass der Behaviorismus die „Lehre vom Verhalten“ bedeutet. Der Behaviorismus geht davon aus, dass alles Verhalten, erlernt ist und auch wieder verlernt werden kann. Gegenstand der Forschung ist ausschließlich das beobachtbare Verhalten. Das hat zur Konsequenz, dass Gefühle, Gedanken oder Motive, also alle rein psychischen Vorgänge im Menschen, keine Relevanz für die behavioristische Forschung haben.[10] Diese intrapsychischen Prozesse bezeichnet der Behaviorist als „Black Box“, da man sie nicht beobachten kann und keine wissenschaftlich fundierten Aussagen darüber möglich sind.[11] Etwas später, im zweiten Teil der Arbeit, wenn es um die psychodynamischen Theorien geht, werden wir noch eine andere Sichtweise und einen völlig gegensätzlichen Ansatz kennen lernen.

Laut Fachlexikon der sozialen Arbeit, ist die behavioristische Psychologie ein streng objektiver und experimenteller Zweig der Naturwissenschaft, dessen theoretisches Ziel es ist, Verhalten vorherzusagen und zu kontrollieren. Introspektion, die Selbstbeobachtung des eigenen Erlebens, wird beim Behaviorismus komplett ausgeklammert.[12] Auch wenn John Broadus Watson als Vater des Behaviorismus bezeichnet wird, so führte der russische Physiologe Iwan P. Pawlow bereits 1904 erste Untersuchungen mit Hunden, bezüglich ihres Verhaltens und Lernens auf bestimmte äußere Reize, durch. Später folgten noch Experimente von Skinner und Thorndike. Man kann sagen, dass mit den ersten Ergebnissen der experimentellen Lernpsychologie auch die Verhaltenstherapie ihren Ursprung hat.[13] Der Zusammenschluss dieser Erkenntnisse wurde zu den lerntheoretischen Ansätzen zusammengefasst, die auf den folgenden Seiten aufgezeigt werden.

3.2. Methoden der Verhaltenstherapie

3.2.1. Lerntheoretische Ansätze

3.2.1.1. Klassische Konditionierung

Begründer der klassischen Konditionierung ist, wie bereits genannt, Iwan Pawlow, der Experimente mit Hunden durchführte. Klassische Konditionierung kann auch als Signallernen bezeichnet werden. Hierbei geht es um die Kopplung verschiedener Reize. Die Begriffe „unbedingter Reiz“, „unbedingte Reaktion“, „neutraler Reiz“ sowie „bedingter Reiz“ und „bedingte Reaktion“ spielen bei der Erklärung eine wichtige Rolle. Ein unbedingter Reiz, ist ein Reiz, der ohne vorangegangenes Lernen eine Reaktion auslöst. Die unbedingte Reaktion ist eine angeborene Reaktion, die durch den unbedingten Reiz ausgelöst wird. Ein neutraler Reiz, ist ein Reiz, der zu keiner bestimmten Reaktion führt. Der bedingte Reiz ist ein ursprünglich neutraler Reiz, der aufgrund einer mehrmaligen Kopplung mit einem unbedingten Reiz, eine gelernte oder bedingte Reaktion bewirkt. Eine bedingte Reaktion ist eine erlernte Reaktion, die durch den bedingten Reiz ausgelöst wird. Dem besagten Hund wurde nun Futter (unbedingter Reiz) gegeben. Das führte zur Speichelabsonderung (unbedingte Reaktion). Während des Essvorgangs wurde dem Hund immer ein Summton (neutraler Reiz) abgespielt. Summton und Futter (neutraler + unbedingter Reiz) führten zur Speichelabsonderung (unkonditionierte Reaktion). Hier kommt es zu einer Kopplung des neutralen Reizes mit dem unbedingten Reiz, aber noch ohne Lernerfolg. Erst durch mehrmalige Wiederholung dieser Schritte, wurde der eigentlich neutrale Reiz des Summtons zu einem bedingten Reiz. Das alleinige Abspielen des Summtons ohne Futter, führte beim Hund nun zur Speichelabsonderung (bedingte Reaktion).[14] Ein auf dem Menschen bezogenes Beispiel wäre, wenn ein Kind von einer nahe stehenden, männlichen Person geschlagen wird und dabei Schmerz empfindet. Durch diese Handlung wird beim Kind Angst ausgelöst. Im Sinne der klassischen Konditionierung wird die besagte Person in Zukunft auch ohne Gewaltanwendung beim Kind Angst auslösen. Das Kind hat Angst nun mit dieser Person gekoppelt. Es hat gelernt vorsichtig zu sein und zeigt dies nun in seinem Verhalten. Es kann auch zum Vermeidungsverhalten kommen, in dem das Kind den Kontakt generell mit dieser angstauslösenden Person meidet.[15]

Fortfahrend sind die Begriffe „Reizgeneralisierung“ und „Reizdifferenzierung“ erwähnenswert. Bei der Reizgeneralisierung wird ein neu erlernter Reiz zunächst erst mit ähnlichen, bereits bestehenden Reizen gleichgesetzt, die dann wiederum zur gleichen Reaktion führen. Auf das obige Beispiel bezogen kann es also passieren, dass sich die Angst des Kindes generell auf alle männlichen Erwachsenen erweitert und sich nicht mehr nur auf die eine Person beschränkt. Reizdifferenzierung meint, dass man fähig ist, zwischen diesen beiden Reizen zu unterscheiden und somit das Kind in der Lage ist zu erkennen, dass nicht alle männlichen Erwachsenen schlagen und böse sind. Das durch klassische Konditionierung erlernte Verhalten kann auch wieder abgebaut bzw. verlernt werden, sodass aus einem gelernten Reiz wieder ein neutraler Reiz entsteht. Diesen Vorgang beschreibt die Psychologie als „Löschung“ oder „Extinktion“.[16] Man kann auch versuchen durch eine weitere Konditionierung die alte, unangenehme Reiz-Reaktions-Verbindung durch eine neue, angenehmere zu ersetzen. Hier spricht man von einer „Gegenkonditionierung“.[17] Somit würde das Kind wieder unvoreingenommen im Umgang mit männlichen Erwachsenen sein.

3.2.1.2. Operante Konditionierung

Ein weiterer Aspekt der Lerntheorie ist das Erlernen durch operante Konditionierung. Edward Lee Thorndike ist der Begründer dieser Theorie, aber auch Burrhus Frederic Skinner beschäftigte sich mit operanter Konditionierung. Thorndike experimentierte mit Katzen und prägte das Lernen durch Versuch und Irrtum. Aus seinen Experimenten zog er drei grundlegende Gesetze, die auf den Menschen übertragen wurden. Das Gesetz der Bereitschaft besagt, dass Menschen nur lernen und sich Verhaltensweisen aneignen, wenn die Bereitschaft zum lernen gegeben ist. Das Effektgesetz besagt, dass auf Dauer nur Verhaltensweisen gezeigt werden, die für den Menschen befriedigende Konsequenzen haben. Ein Verhalten mit schlechten, unbefriedigten Konsequenzen wird eingestellt. Somit haben die Konsequenzen eines Verhaltens eine sehr große Bedeutung und bestimmen die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens. Das Frequenzgesetz zeigt auf, dass auch zum Erfolg führendes Verhalten mit erwünschten Konsequenzen, Übung braucht, um nicht abgebaut und schließlich wieder verlernt zu werden sowie das zum Erfolg führendes Verhalten häufiger gezeigt und erlernt wird.[18]

Skinner führte Experimente mit Ratten durch, dessen Ergebnisse er auf den Menschen übertrug und prägte das Lernen durch Verstärkung. Er unterschied zwischen positiven und negativen Verstärkern. Positive Verstärkung tritt dann ein, wenn die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise erhöht wird, um einen angenehmen Zustand herbeizuführen oder ihn aufrechtzuerhalten und negative Verstärkung, wenn dadurch ein unangenehmer Zustand beseitigt, vermieden oder verringert wird. Im Alltag kann der Mensch von zwei Formen des Lernens durch negative Verstärkung beeinflusst werden. Dem Fluchtlernen und dem Vermeidungslernen. Beim Fluchtlernen, wie der Name schon verrät, flüchten Menschen vor einer Situation mit unangenehmen Konsequenzen, beispielsweise einer Strafe. Beim Vermeidungslernen werden unangenehme Situationen bereits komplett vermieden, damit diese ungünstigen und lästigen Situationen gar nicht erst auftreten.[19] Neben positiven und negativen Verstärkern wirken auch noch primäre, sekundäre und generalisierte Verstärker auf den Menschen ein. Primäre Verstärker sind Verstärker, die ohne vorangegangenen Lernprozess wirken. Ein positiver primärer Verstärker kann beispielsweise ein Lächeln sein. Positive primäre Verstärker beziehen sich meist auf die biologischen Grundbedürfnisse eines Menschen, wie Hunger, Durst und Sexualbefriedigung. Negativer primäre Verstärker wären starke akustische Reize, wie etwa Schimpfen oder gar Schläge. Sekundäre Verstärker sind bereits erlernte Reize, die ihre Wirkung erst entfalten, wenn sie an primäre Verstärker gekoppelt werden. Beispiele wären gute oder schlechte Schulnoten, der Gewinn oder Verlust von Geld oder materielle Güter. Ein generalisierter Verstärker kann gegen etliche primäre Verstärker eingetauscht werden. Geld ist somit einer der stärksten generalisierten Verstärker, da man Geld gegen fast alles eintauschen kann. Eine weitere Unterscheidung besteht zwischen intrinsischen und extrinsischen Verstärkern. Intrinsische Verstärker kommen von „innen“ und liegen im Menschen selbst. Er zeigt somit ein Verhalten, weil es ihm Spaß macht und seine Interessen befriedigt werden. Extrinsische Verstärker kommen von „außen“, aus unserer sozialen und materiellen Umwelt. Geld, materielle Belohnungen, soziale Anerkennung und Zuwendung spielen hierbei eine entscheidende Rolle.[20] All diese verschiedenen Formen von Verstärkern, können das Verhalten eines Menschen stark lenken und beeinflussen.

3.2.1.3. Sozial-kognitive Lerntheorie

Die sozial-kognitive Lerntheorie von Albert Bandura ist keine rein behavioristische Theorie mehr nach dem Black-Box-Ansatz, da Bandura auch kognitive Aspekte mit aufnahm. Sie ist dennoch nennenswert, da auch sie wichtige Erkenntnisse über menschliches Verhalten liefert.

Die sozial-kognitive Theorie wird auch als Lernen am Modell bezeichnet und beschreibt den Vorgang, wie sich eine Person, durch Beobachtung einer anderen, Verhaltensweisen aneignet. So agieren Eltern als Vorbilder für ihre Kinder. Es können aber auch symbolische Modelle das Verhalten beeinflussen. Symbolische Modelle sind rein fiktive Personen, meist aus Massenmedien, wie Film, Fernsehen oder Büchern.[21] Bandura unterscheidet dabei vier Effekte. Der modellierende Effekt besagt lediglich, dass Menschen an Vorbildern lernen und sich so neue Verhaltensweisen anlernen können. Kognitiv können hier auch Einstellungen, Vorurteile und Gefühle zu bestimmten Sachverhalten, Personen oder Objekten übernommen werden. Der enthemmende Effekt besagt, dass bereits erlerntes Verhalten durch wahrgenommene Konsequenzen beeinflusst werden kann. So kann ein Beobachter ein Verhalten, dass bei anderen Menschen zu einer Belohnung oder zu keiner negativen Konsequenz führt, vermehrt zeigen, da so die bisherige Hemmschwelle herabgesetzt wurde. Der hemmende Effekt meint das genaue Gegenteil. Beobachtet ein Kind einen Erwachsenen beim Stehlen ohne dabei erwischt zu werden, sinkt die Hemmschwelle des Kindes, dieses Verhalten ebenfalls auszuprobieren, da die besagte Person keine negativen Konsequenzen zu tragen hat. Wird der Erwachsene beim Stehlen erwischt, so steigt die Hemmschwelle des Kindes, da es die negativen Konsequenzen des Verhaltens beobachten konnte. Zuletzt ist noch der auslösende Effekt zu nennen. Dieser Effekt meint, dass Menschen dazu neigen, das Verhalten eines Modells unmittelbar nachzuahmen.[22] Hier kann man auch auf den Begriff der Konformität verweisen.

Den Vorgang des Lernens am Modell unterteilt Bandura in zwei Phasen, die Aneignungsphase und die Ausführungsphase. Die Aneignungsphase ist geprägt durch Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse, wodurch ein positiv auffallendes, fremdes Verhalten beobachtet und kognitiv abgespeichert wird. Die Ausführungsphase beinhaltet motorische Reproduktionsprozesse, die das selbst angelernte Verhalten weiter einüben und kognitiv festigen, sowie Motivations- und Verstärkungsprozesse, wie wir sie bereits bei Skinners Form der operanten Konditionierung sehen konnten.[23]

Alles in Allem bilden diese grundlegenden Erkenntnisse der psychologischen Lerntheorien die Basis verhaltenstherapeutischer Ansätze. Die Verhaltenstherapie baut auf diesen Grundkenntnissen auf und greift darauf immer wieder zurück, da sie menschliches Verhalten erklären und man mit diesem Wissen einen Lernprozess anregen kann, der eine Veränderung des menschlichen Verhaltens oder gar ein neues Verhalten zur Folge haben kann. Diese Theorien sind auch für die Erziehung von starker Bedeutung. Oft wird in der Erziehung der Grundstein für späteres neurotisches Verhalten gelegt. Betroffene können so im frühen Erwachsenenalter neurotische Verhaltensweisen zeigen, deren Ursprung auf den ersten Blick meist nicht zu deuten ist, da er weit zurück im Kindesalter liegen kann. Wenn dabei die Einschränkungen des alltäglichen Lebens beispielsweise durch psychosomatische Symptome, Angststörungen oder Zwänge zu groß werden, wird meist professionelle Hilfe aufgesucht.

Im Folgenden werden nun drei kognitive Ansätze der Verhaltenstherapie besprochen, die gleichzeitig die Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie in den 50er und 60er Jahren aufzeigt und den individuellen und emotionalen Aspekt, menschlicher Kognitionen, mit einbezieht.

3.2.2. Kognitive Ansätze

3.2.2.1. Rational-Emotive Therapie (nach Ellis)

Bei der Rational-Emotiven Therapie, die von Ellis in den 50er Jahren entwickelt worden ist, stehen Bewertungen und Bewertungsmuster von Menschen, als Auslöser für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Emotionen und Verhaltensweisen, im Mittelpunkt. Dabei werden unerwünschte, selbstschädigende und nicht hilfreiche Bewertungen als irrationale Bewertungen angesehen, die durch ihre kognitive Präsenz, psychische Störungen, ob emotional- oder verhaltensbedingter Art, entstehen lassen und aufrechterhalten. In der Rational-Emotiven Therapie wird die ABC-Theorie benutzt. Sie stellt das zu behandelnde Problem klar dar und erklärt es gleichzeitig vereinfacht und verständlich dem zu behandelnden Klienten. Das „A“ steht für „activating event“ und meint ein auslösendes Ereignis. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein äußeres oder innerpsychisches Ereignis handeln. „B“ steht für „beliefs“ und meint die kognitive Bewertung des Ereignisses „A“. Diese Bewertungen können durch bewusste als auch unbewusste Überzeugungen erfolgen. Der letzte Buchstabe „C“ meint „consequence“ und steht somit für die emotionale bzw. verhaltensbedingte Reaktion des Menschen auf das auslösende Ereignis. Ein auslösendes, äußeres Ereignis könnte beispielsweise der Tod eines Familienangehörigen sein. Dieses schreckliche Ereignis aktiviert im Menschen natürlich äußerst negative und deprimierende Bewertungsmuster und Einstellungen, die das weitere Leben stark beeinflussen können. So könnte der Sinn und Halt im Leben des Menschen verloren gehen und er zeigt schließlich emotionale Reaktionen und Verhaltensweisen wie etwa Trauer, Angst, Sorge oder Depression. Nach Ellis beeinflussen sich alle drei Schritte der ABC-Theorie stark wechselseitig.[24]

Irrationale Überzeugungen eines Menschen können sich auf der Basis von vier Grundkategorien kognitiv festigen. Muss-Gedanken oder so genannte Mussturbationen, die als absolute Forderungen zusammengefasst werden, steigern eigene Wünsche und Vorlieben eines Menschen zu absoluten Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Fortfahrend gibt es noch die negative Selbst- und Fremdbewertung. Hierbei passiert es, dass man seine ganze Person als minderwertig ansieht, anstatt seine Leistungen, Eigenschaften und Verhaltensweisen einzeln abzuschätzen und zu bewerten. Sprüche wie „Ich tauge nichts“, „Ich bin ein Versager“ oder „Ich bin wertlos“ charakterisieren diese irrationale Überzeugung recht gut. Eine weitere Kategorie wäre das Katastrophendenken, in dem Menschen Ereignisse meist sehr negativ und übertrieben schlimm einschätzen und die Realität und die Bedeutsamkeit des negativen Ereignisses verzerren. Menschen, die negative Ereignisse als nicht aushaltbar und unerträglich bewerten, sehen sich als unfähig an, den jeweiligen zu befürchteten oder bereits eingetretenen Zustand zu ertragen und leiden dadurch an einer niedrigen Frustrationstoleranz, welche die letzte Kategorie bildet.[25]

[...]


[1] Vgl. www.aok-bv.de, abgerufen am 25.04.2011.

[2] Vgl. www.vpp.org, abgerufen am 25.04.2011.

[3] Vgl. www.kulturkritik.net, abgerufen am 26.04.2011.

[4] Vgl. www.wissenschaft-online.de, abgerufen am 26.04.2011.

[5] Vgl. Brüntrup, G. (2001), S. 9f.

[6] Vgl. www.philolex.de, abgerufen am 26.04.2011.

[7] Vgl. www.energeticmedizin.com, abgerufen am 26.04.2011.

[8] Vgl. www.philolex.de, abgerufen am 26.04.2011.

[9] Vgl. Erwin, P. et al. (2003), S. 240.

[10] Vgl. Hobmair, H. et al. (1997), S. 33f.

[11] Vgl. Bodenmann, G. et al. (2004), S. 17.

[12] Vgl. Barkey, P. (2007), S. 99f.

[13] Vgl. www.psychogen.de, abgerufen am 28.04.2011.

[14] Vgl. Hobmair, H. et al. (1996), S. 136ff.

[15] Vgl. Bodenmann, G. et al. (2004), S. 51.

[16] Vgl. Hobmair, H. et al. (1997), S. 210f.

[17] Vgl. Hobmair, H. et al. (1996), S. 144.

[18] Vgl. Hobmair, H. et al. (1996), S. 146f.

[19] Vgl. ebenda, S. 148ff.

[20] Vgl. Bodenmann, G. et al. (2004), S. 109ff.

[21] Vgl. Hobmair, H. et al. (1997), S. 392.

[22] Vgl. Hobmair, H. et al. (1996), S. 156ff.

[23] Vgl. ebenda, S. 159ff.

[24] Vgl. Wilken, B. (2010), S. 16ff.

[25] Vgl. Wilken, B. (2010), S. 19.

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Verhaltenstherapeutische Ansätze - Unter Berücksichtigung der Sichtweise psychodynamischer Therapien
Hochschule
Fachhochschule Nordhausen
Veranstaltung
Handlungstheorie und Handlungspraxis
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
36
Katalognummer
V179070
ISBN (eBook)
9783656013419
ISBN (Buch)
9783656013532
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhalten, Verhaltenstherapie, Psychodynamik, Psychotherapie, Berücksichtigung, Tiefenpsychologie, Sichtweise, Ansätze, Behaviorismus, Lerntheorien, Psychoanalyse
Arbeit zitieren
Christoph Bärwald (Autor:in), 2011, Verhaltenstherapeutische Ansätze - Unter Berücksichtigung der Sichtweise psychodynamischer Therapien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179070

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