Schlechte Erfahrungen in der Kindheit und Jugend zeigten uns, wie wichtig es ist eine Familie zu haben. Aus dieser Erkenntnis heraus lässt sich erahnen, wie existentiell es für die Entwicklung junger Menschen ist, sich auf die Unterstützung der eigenen Familie verlassen zu können. Was ist aber, wenn es die eigene Familie ist, vor der es Angst zu haben gilt?
Ausgehend von der existentiellen Bedeutung der Institution Familie für die positive Entwicklung junger Menschen, stehen im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses dieser Arbeit zwei miteinander verbundene Fragen: 1. Wie hoch ist die Gefahr der Entwicklungsgefährdung durch familiäre Gewalterfahrungen für junge Menschen in Deutschland einzuschätzen? 2. Welche Ansätze und Möglichkeiten bieten sich im Rahmen von Forschung und Praxis, um diesem familiär bedingten Entwicklungsrisiko entgegenzuwirken?
Zur Beantwortung der ersten Frage wird anhand der Beschreibung von Vielzahl und Häufigkeit möglicher und bekannter Formen familiärer Gewalt in Kombination mit den Erkenntnissen über ihre Folgen für die jungen Opfer aufgezeigt, dass präventiver Handlungs- und Forschungsbedarf in Deutschland nicht nur vorhanden, sondern auch erforderlich ist. Zur Verdeutlichung dieses Handlungs- und Forschungsbedarfs wird auch ausgeführt, warum der Rückgriff auf national valide Daten zum Themengebiet familiärer Gewalterfahrungen als schwierig zu bezeichnen ist.
Die Beantwortung der zweiten Frage erfolgt anhand eines Überblicks zum derzeitigen Forschungsstand über Risiko- und Schutzschutzfaktoren für die Entstehung und die Folgen familiärer Gewalt sowie ausgewählter Ursachentheorien zur Erklärung dieses Phänomens. Die Ausführungen über die Erkenntnisse dieser Forschungsrichtungen sol-len zeigen, welche Möglichkeiten zur Deckung des dargestellten Präventionsbedarfs bestehen. Welche Forderungen sich hieraus wiederum für die Präventionspraxis ableiten lassen und inwieweit sich verschiedene Präventionsansätze dabei unterscheiden den gestellten Kriterien gerecht zu werden, wird im letzten Abschnitt der Arbeit erörtert. Mit Hilfe der Skizzierung entsprechender nationaler und
internationaler Präventionsbemühungen sowie der Darstellung ihrer Evaluationsergeb-nisse wird in diesem Abschnitt auch aufgezeigt, welche Vorgehensweisen sich in der Praxis als besonders erfolgreich für die Prävention familiärer Gewalt erwiesen hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Brisanz der Thematik
- Formen und Häufigkeiten
- Definitionen
- Familie
- Institution
- Entwicklungsgefährdung durch familiäre Gewalt
- Datenquellen über familiäre Gewalt
- Die KFN-Dunkelfelduntersuchung
- Physische Misshandlung
- Häufigkeit von physischer Misshandlung
- Psychische Misshandlung
- Häufigkeit von psychischer Misshandlung
- Vernachlässigung
- Häufigkeit von Vernachlässigung
- Sexueller Missbrauch
- Häufigkeit von sexuellem Missbrauch
- Zeugenschaft von elterlicher Partnergewalt
- Verkannte Arten von familiärer Gewalt
- Geschwistergewalt
- Kind-Eltern-Gewa1t
- Multiple Viktimisierung
- Folgen von familiärer Gewalt
- Risiko- und Schutzfaktoren für die Folgen von familiärer Gewalt
- Risiko- und Schutzfaktoren von familiärer Gewalt
- Risiko- und Schutzfaktoren für die Entstehung familiärer Gewalt
- Verschiedene Einflussebenen von Risiko- und Schutzfaktoren
- Merkmale der Eltern
- Psychische Störungen und Persönlichkeitsmerkmale der Eltern
- Eigene Gewalterfahrungen
- Merkmale des Kindes
- Demographische Merkmale
- Physische Merkmale
- Verhaltensprobleme
- Merkmale des direkten sozialen Umfeldes
- Kulturelle und gesellschaftliche Faktoren
- Aspekte der Evolution
- Ursachen familiärer Gewalt
- Intergenerationale Weitergabe familiärer Gewalt
- Theoretische Erklärungsansätze für die intergenerationale Weitergabe familiärer Gewalt
- Prävention und Intervention von familiärer Gewalt
- Begrifflichkeiten
- Forderungen an die Präventionspraxis
- Prävention sollte multimodal und individuell unterschiedlich angelegt sein
- Prävention sollte möglichst früh ansetzen
- Prävention bedarf der Schaffung und Existenz konstanter und positiver Beziehungen
- Adressaten von Prävention
- Partizipation und Empowerment
- Vernetzung und Kooperation von Präventionsmaßnahmen
- Unterscheidung der verschiedenen Handlungsbereiche von Präventionsmaßnahmen
- Grundsätzliches zur Präventionspraxis familiärer Gewalt
- Personenzentrierte Prävention
- Prävention durch die direkte Arbeit mit Kindern
- Präventionsarbeit mit familiären Tätern/Innen
- Kontextorientierte Prävention
- Familienzentrierte Prävention
- Frühe Präventionshilfen
- Ökologische Präventionsansätze
- Außerfamiliäre Präventionsansätze in Kindergärten und Schulen
- Prävention auf kommunaler Ebene
- Prävention auf der Gesellschaftsebene
- Prävention auf der Gesetzesebene
- Wirksamkeit von Präventionsprogrammen
- Fazit
- Literaturverzeichnis
- Anhang
- Die Bedeutung der Familie als Institution für die Entwicklung junger Menschen
- Die verschiedenen Formen und Häufigkeiten familiärer Gewalt in Deutschland
- Die Folgen von familiärer Gewalt für die Entwicklung junger Menschen
- Risiko- und Schutzfaktoren, die die Entstehung und Folgen von familiärer Gewalt beeinflussen
- Mögliche Ursachen für die Intergenerationale Weitergabe von Gewalt
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Problematik familiärer Gewalt in Deutschland, insbesondere mit deren Auswirkungen auf die Entwicklung junger Menschen. Ziel ist es, die Brisanz des Themas aufzuzeigen, indem verschiedene Formen und Häufigkeiten von familiärer Gewalt sowie deren Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen beleuchtet werden. Darüber hinaus werden Risiko- und Schutzfaktoren der Entstehung und Folgen von familiärer Gewalt sowie verschiedene Erklärungsansätze für die Intergenerationale Weitergabe von Gewalt diskutiert. Abschließend werden verschiedene Präventions- und Interventionsansätze vorgestellt, die im Kampf gegen familiäre Gewalt eingesetzt werden können.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung der Arbeit stellt die Brisanz des Themas familiärer Gewalt heraus und verdeutlicht die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen. Es werden die zentralen Fragestellungen der Arbeit vorgestellt, die sich mit dem Ausmaß der Entwicklungsgefährdung durch familiäre Gewalt und möglichen Gegenmaßnahmen befassen.
Kapitel 2 beleuchtet die verschiedenen Formen und Häufigkeiten von familiärer Gewalt in Deutschland. Es werden Definitionen für Familie, Institution und Entwicklungsgefährdung durch familiäre Gewalt gegeben. Die Datenlage zu familiärer Gewalt in Deutschland wird kritisch betrachtet, wobei die KFN-Dunkelfelduntersuchung als besonders wichtige Quelle hervorgehoben wird. Es werden verschiedene Formen von familiärer Gewalt, wie physische Misshandlung, psychische Misshandlung, Vernachlässigung, sexueller Missbrauch, Zeugenschaft von elterlicher Partnergewalt, Geschwistergewalt und Kind-Eltern-Gewalt, definiert und anhand der Datenlage ihre Häufigkeit in Deutschland geschätzt. Abschließend wird das Phänomen der multiplen Viktimisierung, also das gleichzeitige Auftreten verschiedener Gewaltformen, beleuchtet.
Kapitel 3 widmet sich den Folgen von familiärer Gewalt für die Entwicklung junger Menschen. Es werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Erfahrung von Kindesmisshandlung zu psychischen Störungen führen kann. Es wird betont, dass die Folgen von Kindesmisshandlung zu starken negativen Beeinträchtigungen der Opfer führen können, die diese nicht selten lebenslang begleiten. Es wird auch die Schwierigkeit der eindeutigen Zuordnung von Folgen zu bestimmten Misshandlungsformen hervorgehoben, da Überschneidungen verschiedener Gewaltformen eher Regel als Ausnahme sind. Die Arbeit stellt verschiedene Kurzzeit- und Langzeitfolgen von Kindesmisshandlung dar, wobei die Bedeutung von Risiko- und Schutzfaktoren für die Ausprägung der Folgen betont wird. Es wird deutlich, dass die Folgen von Kindesmisshandlung nicht nur psychische, sondern auch körperliche und soziale Auswirkungen haben können, die zu erheblichen Kosten führen können. Die Arbeit weist darauf hin, dass es neben den negativen Folgen auch Schutzfaktoren gibt, die die Auswirkungen von Kindesmisshandlung abmildern oder sogar verhindern können.
Kapitel 4 befasst sich mit den Risiko- und Schutzfaktoren von familiärer Gewalt. Es wird erläutert, dass die Entstehung von familiärer Gewalt nicht unabhängig von Risiko- und Schutzfaktoren ist, die auf verschiedenen Ebenen wirken und sich wechselseitig beeinflussen. Die Arbeit stellt verschiedene Risiko- und Schutzfaktoren auf den Ebenen des Individuums, der Familie, der Nachbarschaft und Gemeinde, des gesellschaftlichen und kulturellen Kontextes sowie der Evolution dar und zeigt deren Bedeutung für die Entstehung von familiärer Gewalt. Es wird betont, dass die Kumulation von Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit von familiärer Gewalt erhöht, während Schutzfaktoren die Auswirkungen von Risikofaktoren abmildern können.
Kapitel 5 beleuchtet verschiedene Erklärungsansätze für die Ursachen von familiärer Gewalt. Es wird betont, dass die Entstehung von familiärer Gewalt das Ergebnis eines komplexen, vielschichtigen Prozesses ist, bei dem verschiedene Faktoren auf verschiedenen Ebenen wirken und sich wechselseitig beeinflussen. Die Arbeit stellt das psychopathologische Erklärungsmodell vor, das die Persönlichkeitsstörungen der Eltern als zentrale Ursache für familiäre Gewalt sieht. Es wird die Bedeutung der Intergenerationalen Weitergabe von Gewalt als Erklärungsansatz für die Entstehung von familiärer Gewalt hervorgehoben. Die Arbeit diskutiert verschiedene theoretische Erklärungsansätze für die Intergenerationale Weitergabe von Gewalt, wie z. B. die lerntheoretische Perspektive, die bindungstheoretische Perspektive und die sozial-kognitive Lerntheorie.
Kapitel 6 widmet sich der Prävention und Intervention von familiärer Gewalt. Es werden die Begriffe Prävention und Intervention definiert und verschiedene Forderungen an die Präventionspraxis gestellt. Die Arbeit betont die Notwendigkeit multimodaler und individuell ausgerichteter Präventionsmaßnahmen, die möglichst früh ansetzen und die Schaffung und Existenz konstanter und positiver Beziehungen fördern. Es werden verschiedene Präventionsansätze, wie z. B. personenzentrierte Prävention, kontextorientierte Prävention und Prävention auf verschiedenen Ebenen, vorgestellt und anhand von Praxisbeispielen erläutert. Es wird die Bedeutung der Vernetzung und Kooperation von Präventionsmaßnahmen sowie die Notwendigkeit der Berücksichtigung der individuellen Situation der betroffenen Familien und Kinder hervorgehoben. Die Arbeit diskutiert die Wirksamkeit von Präventionsprogrammen und die Herausforderungen bei der Evaluation von Präventionsmaßnahmen.
Das Fazit fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen und betont die Notwendigkeit von intensivierten Forschungs- und Praxisbemühungen im Kampf gegen familiäre Gewalt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen familiäre Gewalt, Kindesmisshandlung, Entwicklung junger Menschen, Entwicklungsgefährdung, Folgen von Gewalt, Risiko- und Schutzfaktoren, Intergenerationale Weitergabe, Prävention, Intervention, Familienhilfe, Kinderschutz, Jugendhilfe, gesellschaftliche Bedingungen, gesetzliche Regelungen, Deutschland.
- Arbeit zitieren
- Jan Alexander Polke (Autor:in), 2011, Die Familie als Institution der Entwicklungsförderung oder der Entwicklungsgefährdung für junge Menschen in Deutschland?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179108