Die Gesellschaft des 18.Jahrhunderts war eine so genannte Ständegesellschaft, das heißt aufgeteilt in drei Klassen, die unterschiedlich gewichtet waren. Dem ersten Stand gehörte der Klerus an, wie zum Beispiel Pater Terrier in Süskinds Roman. Der zweite Stand setzte sich zusammen aus dem Adel und reichen Bürgern, die durch Geld einen Standesaufstieg erreicht hatten. Diese beiden Stände machten nur zwei Prozent der Bevölkerung aus, besaßen jedoch vierzig Prozent des Gemeindelandes. Außerdem verfügten sie über zahlreiche Privilegien, wie die Steuerbefreiung, die Befreiung vom Militärdienst, die eigene Gerichtsbarkeit und die Feudalrechte. Auch Baldini, der sein Geschäft ausdehnt, seine Konkurrenz verdrängt und sich zum bedeutendsten Parfumeur Europas entwickelt, strebt königliches Privileg an, da dieses „das Ende aller geschäftlichen Sorgen und eine ewige Garantie für sicheren, unangefochtenen Wohlstand“ (S.131) darstellt. Der Adel war hoch verschuldet und lebte zum großen Teil in Versailles. Dieser französische Königshof, im überlieferten Geschichtsbild Ausdruck absolutistischer Herrschaft, gerät jedoch in den wenigen Hinweisen des Erzählers eher zur Karikatur von königlicher Machtfülle. Spöttisch erwähnt wird das „Versailler Hofleben“ (S.178) mit dem wenig rühmlichen Zusatz, der Marquis habe ihm schon mit vierzig Jahren den Rücken gekehrt. ....
....Das Wettergeschehen auf die Ereignisse in dem Roman zu beziehen ist ein in der Trivialliteratur gebräuchliches Mittel. Damit vergleichbar sind auch Friedrich Dürrenmatts Ausführungen in „Der Richter und sein Henker“ (Friedhofszene: „Alles versank hinter einer weißen Wand, so regnete es“ S.56, „im Heulen der Winde, im Prasseln der Wolkenbrüche“ S.62 groteske Darstellung). Auch Süskind bedient sich dieses postmodernen rhetorischen Mittels. ....
....Das Buch „Das Parfum“ von Patrick Süskind ist gegliedert in 51 Kapitel, in denen jeweils eine Figur im Mittelpunkt steht. Der den Erzählvorgang steuernde und kommentierende Erzähler berichtet von einem allwissenden Standpunkt über die Ereignisse in dem Roman, was auf einen auktorialen Erzähler hindeutet. Auch ....
Die Gesellschaft des 18.Jahrhunderts
- in Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“ -
Die Gesellschaft des 18.Jahrhunderts war eine so genannte Ständegesellschaft, das heißt aufgeteilt in drei Klassen, die unterschiedlich gewichtet waren. Dem ersten Stand gehörte der Klerus an, wie zum Beispiel Pater Terrier in Süskinds Roman. Der zweite Stand setzte sich zusammen aus dem Adel und reichen Bürgern, die durch Geld einen Standesaufstieg erreicht hatten. Diese beiden Stände machten nur zwei Prozent der Bevölkerung aus, besaßen jedoch vierzig Prozent des Gemeindelandes. Außerdem verfügten sie über zahlreiche Privilegien, wie die Steuerbefreiung, die Befreiung vom Militärdienst, die eigene Gerichtsbarkeit und die Feudalrechte. Auch Baldini, der sein Geschäft ausdehnt, seine Konkurrenz verdrängt und sich zum bedeutendsten Parfumeur Europas entwickelt, strebt königliches Privileg an, da dieses „das Ende aller geschäftlichen Sorgen und eine ewige Garantie für sicheren, unangefochtenen Wohlstand“ (S.131) darstellt. Der Adel war hoch verschuldet und lebte zum großen Teil in Versailles. Dieser französische Königshof, im überlieferten Geschichtsbild Ausdruck absolutistischer Herrschaft, gerät jedoch in den wenigen Hinweisen des Erzählers eher zur Karikatur von königlicher Machtfülle. Spöttisch erwähnt wird das „Versailler Hofleben“ (S.178) mit dem wenig rühmlichen Zusatz, der Marquis habe ihm schon mit vierzig Jahren den Rücken gekehrt. Das einleitende Gestankstableau der Metropole Paris liefert so eine parodistische Majestätsbeleidigung, der König stank wie ein Raubtier, und „die Königin stank wie eine alte Ziege“ (S.6). In der Wahl der Tiervergleiche deutet Süskind zugleich reale Machtstrukturen an. Der absolutistische Herrscher Ludwig XV. stand zur Zeit Grenouilles an der Spitze der Regierung, der Geruch, so heißt es im Roman, erhielt eine alle Stände vereinende Funktion, da damals üble Körpergerüche keineswegs an soziale Schichten gebunden waren. Der dritte Stand bildete bestehend aus Bürgern und Bauern achtundneunzig Prozent der Bevölkerung und wurde auch roture genannt. Er besaß keine Privilegien, wohl aber Verpflichtungen. Das einfache Bürgertum musste Steuern zahlen, Kriegsdienst verrichten und Abgaben an die Grundherren leisten. Das Überleben der Deklassierten wurde immer wieder bedroht durch Kriege, die Pest und Hungersnöte. Am Umfeld Grenouilles und dessen Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung lassen sich einige charakteristische Merkmale für die damaligen gesellschaftlichen Strukturen erkennen:
Bereits Grenouilles Herkunft und die Umstände seiner Geburt verweisen ihn als radikale Rand- und Außenseiterexistenz in eine der untersten sozialen Schichten. Vier „Totgeburten oder Halbtotgeburten“ (S.8) gehen Grenouille voraus, er selbst wird im Abfall geboren, einen Tötungsversuch überlebt er wie durch ein Wunder und seine Mutter wird wenig später wegen mehrfachen Mordes hingerichtet. Die Unterkunft in einem Findelheim, in denen zu der damaligen Zeit Krankheiten und Kindersterblichkeit furchtbare Verheerungen anrichten, bleibt Grenouille erspart, zwar erweist sich die Betreuung durch die Ziehmutter Madame Gaillard als nicht weniger lieblos, doch überlebt Grenouille nicht nur die fehlende emotionale Zuwendung, sondern auch die Mordanschläge der ihm feindlich gesonnenen Mitzöglinge. Auf egoistische Weise kämpften die Menschen um ihr Überleben, ohne dabei Rücksicht auf ihre Mitmenschen zu nehmen. So verkauft Madame Gaillard ihn aus egoistischen Motiven an einen Gerber, bei dem er „nach menschlichem Ermessen keine Überlebenschance“ (S.38) besitzt. Es findet eine Art Menschenhandel statt, bei dem die Rechtlichkeit des Gesetzes die Humanität verdrängt. Madame Gaillard entzieht sich somit ihrer Verantwortung auf - in ihren Augen – legitime Art und Weise. Die soziale Misere wird von nun an bereits durch die Unterbringung Grenouilles verdeutlicht. Bei Grimal haust er in einem „seitlich an die Werkstatt gebauten Verschlag, in dem Gerätschaften aufgebaut wurden und gesalzne Rohhäute hingen“ (S.41), von Baldini erhält er eine „Pritsche“ (S.114) in einer Ecke der Werkstatt, und als Geselle bekommt er „einen fensterlosen Verschlag“ (S.220) zugewiesen. Grenouilles Wert bemisst sich ausschließlich an seiner Arbeitskraft, was schon beim Verkauf an den Gerber Grimal deutlich wird. Die Reduktion seines menschlichen Wertes auf seinen materiellen Nutzen wird noch einmal deutlich angesprochen, als Grenouille wieder aller Erwartungen den Milzbrand übersteht und damit künftig resistent ist: „Und weil er nun nicht mehr so leicht zu ersetzen war wie ehedem, stieg der Wert seiner Arbeit und damit der Wert seines Lebens“. Am Beispiel Grenouilles wird die soziale Misere, das Fehlen jeglicher Humanität der Deklassierten im Paris des 18.Jahrhunderts dargestellt.
Das Wettergeschehen
Das Wettergeschehen auf die Ereignisse in dem Roman zu beziehen ist ein in der Trivialliteratur gebräuchliches Mittel. Damit vergleichbar sind auch Friedrich Dürrenmatts Ausführungen in „Der Richter und sein Henker“ (Friedhofszene: „Alles versank hinter einer weißen Wand, so regnete es“ S.56, „im Heulen der Winde, im Prasseln der Wolkenbrüche“ S.62 groteske Darstellung). Auch Süskind bedient sich dieses postmodernen rhetorischen Mittels.
Die Dramaturgie der Szene auf S.174 wird verdeutlicht mit Hilfe der Schilderung des Wetters. Zunächst traut Grenouille seinen Träumen und der imaginären Entdeckung seiner eigenen Geruchlosigkeit nicht. Daher versucht er misstrauisch und hoffnungsvoll alles, um seinen eigenen Geruch wahrzunehmen (vgl. S.174). Nachdem er jedoch alle Möglichkeiten erschöpft hat, steht der Untergang der Sonne stellvertretend für das Erlischen des letzten Funkens Hoffnung und somit für die vollkommene Erkenntnis. Auch das kalte Blasen des Windes (vgl.S.175) verdeutlicht seinen Schockzustand.
Doch auch gemütliche Atmosphären werden mit Hilfe des Wettergeschehens gestaltet. Liest man den Begriff „Märzsonne“ (S.31) so knüpft man eine Verbindung zu wohligen, angenehmen Empfindungen.
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- Lisa Maria Hirschfelder (Author), 2009, Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts in Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“ , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179259