Als die Brüder Lumière 1895 in Paris das erste Mal ihren Kinematographen präsentierten, war Gustave Flaubert schon fünfzehn Jahre tot. Trotzdem wird er immer wieder mit der Erfindung des Films und seiner Technik in Verbindung gebracht. Wahrscheinlich liegt das an seiner Art und Weise, Romane zu schreiben. Angeblich vollzog sich die Niederschrift seiner Romane in drei Stadien: Zuerst warf Flaubert Worte und Satzfragmente aufs Papier, dann formte er zusammenhängende Sätze und schließlich las er sich den Text selbst laut vor. Meistens wurden mindestens zwei Drittel des anfänglich Geschriebenen wieder weggekürzt. (Stackelberg 1999: 199) Mit seiner absoluten Sehweise erneuerte er die zeitgenössische Literatur. Sein Realismus wurde jedoch auch zunehmend kritisiert. Einer seiner größten Kritiker war der katholische Schriftsteller Barbey d`Aurevilly, denn er vermisste in den Romanen Flauberts eine Geschichte. „Quant à l`action, elle n`existe pas.“ (Bürger 1996: 61) Damit tadelt er die Alltäglichkeit, den Realismus in Flauberts Romanen, denn Flaubert setzte nicht auf die Idealisierung der Dinge, sondern auf eine genaue, realistische Wiedergabe. Für ihn war Ästhetik nicht verbunden mit dem Prinzip der Überhöhung und der Idealisierung, sondern für ihn zählten die alltäglichen, auf den ersten Blick bedeutungslosen Dinge. Der für die Mitte des 19. Jahrhunderts kennzeichnende Epochenbegriff des Realismus vereinigt das Bemühen, die Wirklichkeit mit allen Interessen und zeitgenössischen Konflikten literarisch abzubilden. Diese Einstellung verbietet die Idealisierung von Figuren oder Verhaltensweisen. Gleich diesem Prinzip präsentiert Flaubert in seiner Education sentimentale einen passiven, bürgerlichen Helden mit einer Geschichte, die zwar von vielen Ereignissen geprägt ist, jedoch keinen wirklichen geradlinigen Handlungsstrang und keinen souveränen Helden besitzt. Doch gerade das macht den Roman so realistisch, denn er beschreibt den Bereich der gesellschaftlichen Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts. Sein Roman ist wahr, weil er die Gestalten in die Bedingungen und Situationen stellt, die damals „Wirklichkeit“ bedeuteten.
In dieser Arbeit werde ich zunächst auf die Entstehung des Films und seine Anfänge eingehen und danach untersuchen, inwiefern Flaubert mit seiner Erzähltechnik in seinem Roman L’Education sentimental als Vorläufer des Films verstanden werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Flaubert und Film - Wie passt das zusammen?
- Kurzer Einblick in die Geschichte des Films
- Die Entstehung des Films
- ...und seine Anfänge
- Gustave Flaubert - L'éducation sentimentale
- Realismus nach Höfner
- L'éducation sentimentale - Un livre sur rien
- Filmische Elemente in der Éducation sentimentale
- Flaubert als Vorbild und Vorläufer- Abschließende Gedanken...
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Frage, inwiefern Gustave Flauberts Roman „L’Education sentimentale“ als Vorläufer des Films verstanden werden kann. Die Arbeit untersucht, ob und wie Flauberts Erzähltechnik filmische Elemente vorweggenommen hat.
- Die Entstehung des Films und seine technischen Vorläufer
- Flauberts Roman „L’Education sentimentale“ und seine realistische Erzählweise
- Die filmischen Elemente in Flauberts Roman
- Flauberts Einfluss auf die Entwicklung des Films
- Flaubert als Vorläufer des Films
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und stellt Flaubert und den Film im Kontext ihrer Entstehungszeit vor. Es wird gezeigt, dass Flaubert, obwohl er zum Zeitpunkt der Erfindung des Films bereits verstorben war, mit seiner Schreibweise und seinem Blick auf die Realität als Vorläufer des Films gilt. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Entstehung des Films und seinen technischen Vorläufern. Die Bedeutung der Laterna magica, des stroboskopischen Effekts, der Fotografie und des Zelluloids als Schlüsseltechnologien wird erläutert. Das dritte Kapitel widmet sich Gustave Flaubert und seinem Roman „L'éducation sentimentale“. Es wird auf den Realismus in Flauberts Werk und die Besonderheiten seiner Erzählweise eingegangen.
Schlüsselwörter
Flaubert, Film, L'éducation sentimentale, Realismus, Filmische Elemente, Vorläufer, Geschichte des Films, Technische Entwicklung, Erzähltechnik, Sehweise.
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- Andrea Köbler (Author), 2010, Die Entstehung des Films und seine Elemente in Flauberts "Education sentimentale", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179313