Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) in der Drogenberatung mit Alkoholikern - Möglichkeiten, Grenzen und Risiken


Diplomarbeit, 1997

110 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Verschiedene Ansichten zum Thema - Ergebnisse einer Fragebogenaktion
2.1 Die Ansichten der mit Suchtfragen befaßten Verbände
2.2 Die Ansichten der Drogenberatungsstellen
2.3 Die Ansichten der NLP-Ausbildungsinstitutionen
2.4 Die Ansichten einer Rehaklinik für Alkoholkranke, Medikamenten- und Drogenabhängige
2.5 Schlußfolgerungen

3 Die Erfordernisse der Drogenberatung mit Alkoholikern
3.1 Die Aufgaben der Drogenberatung als Teil der Behandlungskette
3.2 Besonderheiten in der Gesprächsführung mit Alkoholikern - Von Spielen über Krankheits- einsichten und die "Trinker-Logik" zum Alkohol als Selbstheilungs- oder Selbstzerstörungsmittel
3.3 Schlußfolgerungen

4 Das Angebot des NLP an die Drogenberatung mit Alkoholikern

4.1 Theoretische Grundlagen: Die Anker-Theorie des NLP und der Alkoholismus
4.1.1 Alkoholkonsum als Reaktion - Alkoholismus als Bewältigungsstrategie
4.1.2 Alkoholkonsum als Anker - Zugang zu Ressourcen
4.2 Möglichkeiten, Grenzen und Risiken ausgewählter Orientierungen, Muster und Techniken des NLP in der Drogenberatung mit Alkoholikern
4.2.1 Physiologie-Kategorien und gezielte Außen- wahrnehmung als Orientierungshilfen
4.2.2 Das Meta-Modell (nach BANDLER/GRINDER) und das Modell der (Neuro-) Logischen Ebenen (nach DILTS) als Hilfsmittel bei der Erforschung des Selbst- und Weltbildes des Klienten
4.2.3 Das Milton-Modell (nach BANDLER/GRINDER) und die Verwendung von Metaphern
4.2.3.1 Die Metapher vom Bio-Computer als möglicher Einstieg ins Ankläger-Opfer-Retter-Spiel
4.2.4 Die NLP-Welt der Sinne: Repräsentationssysteme und Submodalitäten
4.2.5 Zur Zielorientierung im NLP: Das Reframing, der Identity-Prozeß und die Wohlgeformtheitskriterien für Zieldefinitionen

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

1 Einleitung

Seit dem Beginn seiner Entstehung am Anfang der siebziger Jahre hat sich das Neurolinguistische Programmieren (NLP) weit verbreitet. In vielen Ländern der Welt wird es in- zwischen in den unterschiedlichsten Bereichen angeboten und genutzt. Seine Anwendungsgebiete reichen von der Therapie über die Pädagogik bis zum Wirtschaftsleben.

Einer der möglichen Gründe für den Erfolg des NLP könnte in der von ihm vertretenen Grundannahme liegen, daß jedes Verhalten in einem bestimmten Kontext nützlich sei. Auf diesem Gedanken aufbauend wird manches Problem zum Ausgangspunkt für Versöhnung mit problematischen Ver- haltensweisen und für die Suche nach Handlungsalternativen - eine Einstellung, die auch für die Drogenberatung mit Alkoholikern nützlich sein könnte. Schaut man sich diesen Drogenbereich jedoch genauer an, stellt man fest, daß das NLP hier wenig genutzt wird. Diese Beobachtung wirft die Frage auf, ob es für die Drogenberatung mit Alkoholikern ungeeignet sei. Dieser Hypothese wird im Folgenden mit Hilfe der Analyse der Möglichkeiten, Grenzen und Risiken der Anwendung des NLP in diesem Bereich nachgegangen.

Während eines Praktikums in einer Drogenberatungs- stelle hatte ich Gelegenheit, einige NLP-Techniken in Einzel- und Gruppengesprächen mit Alkoholikern anzuwenden. Meine dabei gewonnenen Erfahrungen sind in die nun folgende Darstellung miteingeflossen.

2 Verschiedene Ansichten zum Thema - Ergebnisse einer Fragebogenaktion

Um möglichst viele verschiedene Aspekte der Möglichkeiten, Grenzen und Risiken der Anwendung des NLP in der Drogen- beratung mit Alkoholikern beleuchten zu können, führte ich zu Beginn der Anfertigung dieser Diplomarbeit eine Frage- bogenaktion durch, bei der ich insgesamt 43 Fragebögen an Verbände, die sich mit Suchtfragen befassen, Drogen- beratungsstellen und NLP-Ausbildungsinstitutionen ver- schickte. Im Folgenden sind die Fragen und Antworten nach der Art der befragten Stellen geordnet zusammengestellt. Die Original-Fragen der Fragebögen sind kursiv gedruckt. Antworten, aus denen in diesem Abschnitt zitiert wird, sind im Anhang nachgewiesen.

2.1 Die Ansichten der mit Suchtfragen befaßten Verbände

Die von mir in Deutschland, Österreich und der Schweiz an- geschriebenen Verbände beantworteten die Fragebögen dahin- gehend, daß ihnen keine Drogenberatungsstellen in ihrem Zuständigkeitsbereich bekannt seien, die das NLP in der Beratung von Alkoholikern anwenden. In Österreich war man so freundlich, den Fragebogen an eine Rehaklinik für Alko- holkranke, Medikamenten- und Drogenabhängige weiterzu- leiten. Die von dort erhaltenen Antworten sind in Kapitel 2.4 aufgeführt.

Von den Verbänden außerhalb des deutschen Sprachraums erhielt ich insgesamt drei Rückschreiben, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

"1.) Do you know drug addiction clinics in your area of responsibility where Neurolinguistic Programming (NLP) is being used for advising alcoholics? yes / no" Diese Frage wurde von allen drei Verbänden verneint.

Auf die Frage "2.) Do you think that a social worker who works in a drug addiction clinic could benefit from the methods and techniques of NLP for his work with alco- holics? yes /no" wurde einmal "yes", einmal "I don't know" und einmal gar nicht geantwortet.

Die vier weiteren Fragen, "3.) Wich characteristics of NLP do you think are especially useful for social work with alcoholics?", "4.) Which characteristics of NLP do you think are dis- advantageous to social work with alcoholics?", "5.) Are there certain techniques of NLP to which you would attach great importance or value in connection with social work with alcoholics? (Which techniques would it be?)"

und "6.) Are there certain techniques of NLP that you think should better not be used in connection with social work with alcoholics? (Which techniques would it be?)", wurden von zwei Verbänden gar nicht und von einem jeweils mit "I don't know" beantwortet.

2.2 Die Ansichten der Drogenberatungsstellen

Von den von mir angeschriebenen Drogenberatungsstellen er- hielt ich insgesamt dreizehn Rückschreiben. Die dort ge- gebenen Antworten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

"1.) Verwenden Sie in Ihrer Beratungsstelle das Neuro- linguistische Programmieren (NLP) in der Beratung von Alkoholikern? ja / nein"

Diese Frage wurde von allen dreizehn Drogenberatungs- stellen mit "nein" beantwortet.

Auf die folgende Frage, "2.) Welche Eigenschaften des NLP erachten Sie als besonders nützlich in der Beratung von Alkoholikern?", antwortete nur eine dieser dreizehn Be- ratungsstellen. Diese Antwort lautete:

- "keine bei ambulanter Beratung"

Auf die letzten drei Fragen, "3.) Welche Eigenschaften des NLP sind Ihrer Meinung nach in der Beratung von Alko- holikern eher von Nachteil?",

"4.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, die Sie in der Be- ratung von Alkoholikern besonders häufig oder besonders gerne verwenden - und wenn ja, welche?" und "5.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, die Sie in der Beratung von Alkoholikern bewußt nicht verwenden - und wenn ja, welche sind es?", erhielt ich keine auswertbaren Antworten.

Über die Beantwortung dieser fünf Fragen hinausgehend wurden folgende Angaben gemacht:

- "... mir ist das NLP unbekannt. Aus diesem Grund können Sie davon ausgehen, daß es bei uns keinen Einsatz findet."
- "Nach unserer Ansicht liegen einer Suchterkrankung immer schwere persönliche Störungen zugrunde. Wir halten daher NLP nicht geeignet für die Behandlung Suchtkranker."

Zusätzlich zu den genannten dreizehn Rücksendungen erhielt ich Antwort von einer Drogenberatungsstelle, die ich nicht angeschrieben hatte. Eine von mir angeschriebene NLP-Aus- bildungsinstitution hatte den Fragebogen an diese Be- ratungsstelle weitergeleitet, die ihn mir daraufhin mit folgenden Antworten zurücksandte (- diese Antworten sind hier getrennt von den o.g. aufgeführt, da sich der Frage- bogen an die NLP-Ausbildungsinstitutionen geringfügig von dem an die Drogenberatungsstellen unterscheidet):

"1.) Glauben Sie, daß ein in einer Drogenberatungsstelle arbeitender Sozialpädagoge/ Sozialarbeiter von den Metho- den und Techniken des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) für die Beratung von Alkoholikern profitieren könnte? ja / nein"

- "ja"

"... - und wenn ja, warum?"

- "Wir arbeiten seit 4 Jahren mit NLP."

"2.) Welche Eigenschaften des NLP erachten Sie als be- sonders nützlich in der Beratung von Alkoholikern?"

- "NLP-Axiome, die zu einer neuen Grundhaltung gegenüber dem Klienten führen."

"3.) Welche Eigenschaften des NLP sind Ihrer Meinung nach in der Beratung von Alkoholikern eher von Nachteil?"

- "Alle Techniken, die vom Problem wegführen, (Power-Prinzip) z.T. auch Reframing. Künstlicher Aufbau eines guten Zustandes, ohne das bestehende Leiden sichtbar zu machen."

"4.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, die Sie für die Be- ratung von Alkoholikern für besonders geeignet halten - und wenn ja, welche?"

- "Integration von Teilpersönlichkeiten mit Sub- modalitäten-Arbeit. Kinestetische Sequenz. Trance-Arbeit."

"5.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, von deren Ver- wendung in der Beratung von Alkoholikern Sie abraten würden - und wenn ja, welche sind es?"

Als Antwort auf diese Frage wird von der Drogenberatungs- stelle auf die unter Frage Nr. 3 gegebenen Antworten ver- wiesen.

2.3 Die Ansichten der NLP-Ausbildungsinstitutionen

Von den von mir im deutschen Sprachraum angeschriebenen NLP-Ausbildungsinstitutionen erhielt ich insgesamt fünf Rückschreiben, deren Antworten sich wie folgt zusammen- stellen lassen:

"1.) Glauben Sie, daß ein in einer Drogenberatungsstelle arbeitender Sozialpädagoge/ Sozialarbeiter von den Metho- den und Techniken des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) für die Beratung von Alkoholikern profitieren könnte? ja / nein"

Diese Frage wurde fünfmal mit "ja", davon einmal mit der Anmerkung "Die Antwort lautet uneingeschränkt: JA", und kein Mal mit "nein" beantwortet.

"... - und wenn ja, warum?"

- "Weil zielorientiert und Suchtproblematik auf allen logischen Ebenen bearbeitbar ist."

- "1) Um vertrauensvolle Kommunikation aufzubauen,

2) Die 'Welt' des Klienten / Abhängigen verstehen zu lernen

3) gezielte Interventionen und Veränderungsarbeit zu leisten

4) Sicherung der Intervention und Veränderung zu gewährleisten"

- "Um veränderungswirksam zu arbeiten: Pacing - Leading - Rapportstrategien, Reframing-Techniken, Time-Line-Arbeit"

- "verblüffende und schnelle Erfolge"

- "Jemand wird nicht aus Versehen zum Alkoholiker. Es gibt ein tieferliegendes psychologisches Problem. Dieses kann mit den Methoden des NLP elizitiert und damit auch einer Lösung zugeführt werden. Für einen Berater ist es wichtig, den Hintergrund und die innere Repräsentation des Problems zu kennen, um lösungsorientiert beraten zu können."

"2.) Welche Eigenschaften des NLP erachten Sie als be- sonders nützlich in der Beratung von Alkoholikern?"

- "s. o., und gezielte 'Techniken' anwenden zu können!"

(Anmerkung: Das "s. o." bezieht sich auf die unter Frage 1 genannten, von der NLP-Ausbildungs- institution mit 1), 2), 3) und 4) durch- nummerierten Antworten.)

- "die ökosystemische Perspektive und Ziel- orientierung"

- "Ganzheitlicher Ansatz, keine Vergangenheits- orientierung, keine Schuld, Lösung statt Probleme -> Herausforderungen"

- "Das Teile-Modell im NLP erlaubt eine Dissoziation und damit eine distanzierte Betrachtung des

'Problems'. Der bewußte Einsatz entweder des Meta- oder des Milton-Modells. Utilisieren der Struktur des subjektiven Erlebens, d. h. die Möglichkeit jemanden zu begleiten, ohne die Einzelheiten des

'Problems' zu kennen."

"3.) Welche Eigenschaften des NLP sind Ihrer Meinung nach in der Beratung von Alkoholikern eher von Nachteil?"

- "Oft scheinbare Kongruenz von NLP-lern"
- "Wenn NLP achtungsvoll angewendet und eingesetzt wird, kenne ich keine Nachteile"
- "eine unprofessionelle Anwendung der Techniken; ethische Dimension, wenn NLP unreflektiert angewandt wird"
- "keine"
- "Schnelle Erfolge des NLP in bestimmten Bereichen, z.B. Phobien-Behandlung, suggerieren leicht die gleiche Effizienz auch bei Alkoholikern; besonders ungünstig, wenn das zugrundeliegende Thema systemischer Natur ist."

"4.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, die Sie für die Be- ratung von Alkoholikern für besonders geeignet halten - und wenn ja, welche?"

- "Nein"
- "Spezielle NLP-Techniken gibt es meines Erachtens nicht, da jeder für sich ein individueller Klient
ist, der unterschiedlichste Erfahrungen mit sich bringt. So ist die Auswahl von Mensch zu Mensch unterschiedlich."
- "Ziel- und Meta-Modell, Reframing"
- "Compulsion Blow-Out, Elimination negativer Glaubenssätze und Time-Line-Technik"
- "Re-Imprint, Reframing, Time-Line, Dissoziation, Arbeit mit Glaubenssätzen, Submodalitäten, Core Transformations Prozeß, New Behavior Generator; je nach Situation, die ganze Palette des NLP"

"5.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, von deren Ver- wendung in der Beratung von Alkoholikern Sie abraten würden - und wenn ja, welche sind es?"

- "Nein, ich halte es für notwendig, eine kontext- bedingte, komplexe Therapie durchzuführen."
- "Auch dieses hat mit Punkt 3 + 4 zu tun." (Anmerkung: Diese Antwort bezieht sich auf die
o.g. mit "Wenn NLP achtungsvoll ..." und "Spezielle NLP-Techniken gibt ..." beginnenden Aussagen.)
- "keine! probieren, probieren"
- "Fällt mir jetzt nichts ein. Was tatsächlich wirkt, hängt vom Einzelfall ab."

Aus dem Ausland erhielt ich ein Rückschreiben von einer NLP-Ausbildungsinstitution in den USA, deren Ant- worten wie folgt lauten:

"1.) Do you know drug addiction clinics in your own area where Neurolinguist ic Programming (NLP) is being used for advising alcoholics? yes / no"
- "no"
"2.) Do you think that a social worker who works in a drug addiction clinic could benefit from the methods and techniques of NLP for his work with alcoholics? yes / no"
- "yes"
"3.) Which characteristics of NLP do you think are especially useful for social work with alcoholics?"
Auf diese Frage folgte ein Literaturhinweis (s. Anhang).
"4.) Which characteristics of NLP do you think are dis- advantageous to social work with alcoholics?"
- "None, as long as rapport is established + maintained. Also having an attitude of process toward outcome"
"5.) Are there certain techniques of NLP to which you would attach great importance or value in connection with social work with alcoholics? (Which techniques would it be?)"
- "The use of Neurological Levels"
"6.) Are there certain techniques of NLP that you think should better not be used in connection with social work with alcoholics? (Which techniques would it be?)"
- "refer to 4, above"

2.4 Die Ansichten einer Rehaklinik für Alkoholkranke, Medikamenten- und Drogenabhängige

Wie in Kapitel 2.1 bereits erwähnt, wurde einer der von mir verschickten Fragebögen an eine Rehaklinik für Alko- holkranke, Medikamenten- und Drogenabhängige weiterge- leitet. Von dort erhielt ich folgende Antworten:

"1.) Sind Ihnen Drogenberatungsstellen in Ihrem Zu- ständigkeitsbereich bekannt, die das Neurolinguistische Programmieren (NLP) in der Beratung von Alkoholikern an- wenden? ja / nein"

- "ja"

"2.) Glauben Sie, daß ein in einer Drogenberatungsstelle arbeitender Sozialpädagoge/ Sozialarbeiter von den Metho- den und Techniken des NLP für die Beratung von Alko- holikern profitieren könnte? ja / nein"

- "nein, außer er/sie ist auch Psychotherapeut/-in"

"3.) Welche Eigenschaften des NLP erachten Sie als be- sonders nützlich in der Beratung von Alkoholikern?"

- "Dissoziationstheorie, Kurztherapieansatz"

"4.) Welche Eigenschaften des NLP sind Ihrer Meinung nach in der Beratung von Alkoholikern eher von Nachteil?"

- "übermäßige Technikorientiertheit wenn nicht in Gesamtkonzept eingebettet"

"5.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, die Sie für die Be- ratung von Alkoholikern für besonders geeignet halten - und wenn ja, welche?"

- "Dissoziationstechniken betreffend Alkoholkonsum; history change"

"6.) Gibt es spezielle NLP-Techniken, von deren Ver- wendung in der Beratung von Alkoholikern Sie abraten würden - und wenn ja, welche sind es?"

- "alle, wenn sie nicht in einen entsprechenden psychotherapeutischen Rahmen eingebettet sind"

2.5 Schlußfolgerungen

Das auffälligste Ergebnis der Fragebogenaktion läßt sich wie folgt zusammenfassen: Während von Seiten der NLP-Aus- bildungsinstitutionen detailliert auf ein umfangreiches Angebot an NLP-Techniken hingewiesen wird, die für die Drogenberatung mit Alkoholikern nützlich sein könnten, wird dieses Angebot von Seiten der Drogenberatungsstellen fast nicht genutzt. Dies korrespondiert mit dem Ergebnis einer Untersuchung von MACHATZKY, der ebenfalls fest- stellt, "daß NLP in der Suchtberatung/-therapie ver- hältnismäßig wenig eingesetzt wird" (MACHATZKY 1996, S. 35).

Dieses Ergebnis wirft die Frage nach den Ursachen zwischen dem umfangreichen Angebot des NLP und seiner geringen Nutzung in der Drogenberatung mit Alkoholikern auf. Im Folgenden soll daher der mögliche Nutzen des NLP in diesem Bereich näher untersucht werden. Dabei sind die in den vorigen Kapiteln genannten, durch die Fragebogen- aktion herausgefundenen Aspekte des NLP an geeigneten Stellen in die Untersuchung miteinzubeziehen, sofern dies für eine möglichst klare und zugleich umfassende und differenzierte Darstellung der Möglichkeiten, Grenzen und Risiken der Anwendung des NLP in der Drogenberatung mit Alkoholikern hilfreich ist. Um den Überblick zu er- leichtern, sind die im Folgenden zu berücksichtigenden Aspekte des NLP hier nun zusammengefaßt aufgeführt (- die Nummern in Klammern geben die Kapitel an, in denen der je- weilige Aspekt berücksichtigt wird):

1.) Aspekte des NLP, die für die Beratung von Alkoholikern durchgängig als nützlich beurteilt wurden:

- NLP-Axiome (4.2, 4.2.2, 4.2.3.1, 4.2.5)
- Zielorientierung (4.2.5)
- die ökosystemische Perspektive (4.1.2, 4.2.5)
- ganzheitlicher Ansatz (4.1.2)
- Dissoziationstheorie (4.1.2)
- das Teile-Modell des NLP (4.1.2)
- Integration von Teilpersönlichkeiten (4.1.2, 4.2.4)
- Submodalitäten-Arbeit (4.2.4)
- Kinästhetische Sequenz (4.1)
- Trance-Arbeit (4.2.3)
- Pacing-Leading-Rapport-Strategien (4.2.1, 4.2.3, 4.2.4)
- Time-Line-Arbeit (4.2.4)
- Utilisieren der Struktur des subjektiven Erlebens (4.2.3)
- Arbeit mit Glaubenssätzen (4.2.2)
- Dissoziationstechniken (4.2.4)
- Re-Imprint (4.2.4)
- Core-Transformations-Prozeß (4.2.5)
- Change History (4.2.4)
- der New Behavior Generator (4.2.4)
- das Meta-Modell (nach BANDLER/GRINDER) (4.2.2)
- das Milton-Modell (nach BANDLER/GRINDER) (4.2.3)
- das Modell der (Neuro-) Logischen Ebenen (nach DILTS) (4.2.2)
- Ziel-Modelle (4.2.5)

2.) Aspekte des NLP, die für die Beratung von Alkoholikern sowohl als nützlich, als auch als risikoreich beurteilt wurden:

- Lösungs- statt Problemorientierung (4.2.1, 4.2.5)
- die Möglichkeit schneller Erfolge (4.2.1)
- Technikorientiertheit (4.2.3.1)
- das Reframing (4.2.5)

3.) Aspekte des NLP, die für die Beratung von Alkoholikern als risikoreich beurteilt wurden:

- die eventuell sehr hohe Erwartungshaltung an die Effizienz von NLP-Techniken, die dann besonders ungünstig sei, wenn das zugrundeliegende Thema systemischer Natur ist (2.5, 3.2, 3.3, 4.2.1, 4.2.2, 4.2.5)

4.) Eigenschaften und Umstände, die bei der Anwendung des NLP in der Drogenberatung mit Alkoholikern nützlich sein könnten:

- eine achtungsvolle Grundhaltung (4.2)
- ein professioneller Rahmen (4.2)
- ein psychotherapeutischer Rahmen (4.2)
- die Einbettung der NLP-Techniken in ein Gesamtkonzept (4.2)
- eine prozeßorientierte Einstellung gegenüber Ergebnissen (having an attitude of process toward outcome) (4.2.1)
- die Fähigkeit, Rapport herstellen und aufrechterhalten zu können (to establish and maintain rapport) (4.2.1, 4.2.3, 4.2.4)

5.) Eigenschaften und Umstände, die sich negativ auf die Anwendung des NLP in der Drogenberatung mit Alkoholikern auswirken könnten:

- Inkongruenz von NLP-Anwendern (4.2.3.1)
- unreflektierte Anwendung des NLP (4.2)

Bezüglich dieser Auflistung ist zu beachten, daß die Be- wertungen "nützlich", "risikoreich" und "negativ" hier aufgrund der Ergebnisse der Fragebogenaktion zugeordnet wurden. Daher stellen sie die Summe der persönlichen An- sichten der in den jeweiligen Institutionen arbeitenden Personen dar und sind als vorläufige Hinweise zu be- trachten, deren Stichhaltigkeit es erst noch zu überprüfen gilt.

Bevor in den folgenden Kapiteln die Einsatzmöglich- keiten des NLP in der Beratung mit Alkoholikern untersucht werden, ist noch auf einen in den o.g. Stichpunkten ent- haltenen Aspekt hinzuweisen, durch den bereits eine der Grenzen der Anwendung des NLP in der Drogenberatung mit Alkoholikern abgesteckt wird. Hierbei handelt es sich um die Einschätzung der hohen Erwartungshaltung bezüglich der Effizienz des NLP als besonders ungünstig, "wenn das zu- grunde liegende Thema systemischer Natur ist" (vgl. Kapitel 2.3). GROCHOWIAK et al. weisen in diesem Zu- sammenhang auf folgendes hin:

"Wenn Identifizierungen und andere systemische Störungen (z.T. über Generationen hinweg) vorliegen, wie bei Übernahme von fremden Schicksalen (Schuld, Unglück, Krankheit und Tod u.a.), sind bisher bekannte NLP-Formate kontraindiziert." (GROCHOWIAK et al. 1995, S. 10)

Mit dem Begriff der systemischen Störungen beziehen sich GROCHOWIAK et al. hier auf HELLINGER, laut welchem diese Art von Störungen dadurch gekennzeichnet seien, daß die Symptome "hier nicht durch individuelle Erfahrungen be- dingt, sondern Ausdruck einer Störung der Ordnung in der Herkunftsfamilie" (GROCHOWIAK et al. 1995, S. 5) seien. Wie eine solche systemische Störung funktionieren kann, beschreiben GROCHOWIAK et al. folgendermaßen:

"Nach Bert Hellinger gibt es eine jedem Menschen innerlich präsente Ordnung menschlicher Beziehungen. Ist diese Ordnung gestört, spüren Mitglieder eines Systems dies wie mit einem inneren Gleichgewichtssinn und machen daraufhin 'blinde Ausgleichsbewegungen' z.B. durch die Übernahme eines fremden Schicksals von einem Altvorderen. Der Drang zu dieser Bewegung ist unwiderstehlich und erfolgt unbewußt (wird allerdings dann i.d.R. rationalisiert). Geschieht also dem Mitglied eines Systems ein Unrecht (...) oder hat jemand einen Vorteil durch den Nachteil eines anderen, dann repräsentiert ein Nachkomme diese Person, stellt in seinem Leben deren früheres Schicksal nach ('Identifizierung') und hat sogar deren Gefühle ('Fremdgefühle')." (GROCHOWIAK et al. 1995, S. 5)

Laut HELLINGER/TEN HÖVEL gibt es nur drei bei systemischen Störungen auftretende Grunddynamiken, und zwar:

"- die Tendenz: 'Ich folge dir nach in den Tod oder in die Krankheit oder in das Schicksal';
- die andere ist: 'Lieber sterbe ich als du' oder 'Lieber gehe ich als du';
- und die dritte: Sühne für persönliche Schuld." (HELLINGER/TEN HÖVEL 1996, S. 27)

Wichtig ist an dieser Stelle vorläufig erst einmal nur, die o.g. Kategorien "Systemische Störung", "Identifi- zierung" und "Fremdgefühle" und die damit zusammen- hängenden Grunddynamiken zu kennen, und zu wissen, daß das NLP in seiner bisher bestehenden Form beim Auftreten dieser Phänomene nicht angewendet werden sollte, da sie mit bisherigen NLP-Methoden nicht erfolgreich bearbeitet werden können (vgl. GROCHOWIAK et al. 1995, S. 10). Zudem könnte der Klient durch die NLP-Techniken "in einen tiefen Konflikt zwischen dem eigenen Wohlergehen und der Loyalität zu den entsprechenden Personen im System" (GROCHOWIAK et al. 1995, S. 7) gestürzt werden. Die hier beschriebene Grenze der Anwendungsmöglichkeit des NLP be- zeichne ich im Folgenden als durch die Systembindungen des Individuums bedingte Grenze. Sofern sie in den nun folgenden Betrachtungen relevant wird, wird an den be- treffenden Stellen näher darauf eingegangen.

3 Die Erfordernisse der Drogenberatung mit Alkoholikern

Um die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken des NLP in der Drogenberatung mit Alkoholikern analysieren zu können, muß zuerst geklärt werden, welchen Zielen das NLP in diesem Bereich dienen soll. Die Festlegung dieser Ziele erfolgt in diesem Abschnitt. Sie werden im Folgenden aus den Auf- gaben der Drogenberatung als Teil der Behandlungskette und den Besonderheiten in der Gesprächsführung mit Alko- holikern abgeleitet. Dadurch wird der Maßstab festgelegt, an dem die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken des NLP in der Drogenberatung mit Alkoholikern zu messen sind.

3.1 Die Aufgaben der Drogenberatung als Teil der Behandlungskette

Der professionelle Hilfeprozeß der Alkoholikerbehandlung läßt sich zusammmen mit den damit verbundenen Aufgaben idealtypisch in die folgenden vier Phasen einteilen (vgl. FEUERLEIN 1989, S. 176 ff.; GROHALL 1982, S. 43; SOYKA 1995, S. 291 f.):

1.) Kontaktphase:

- Stellen der somatischen, psychischen und sozialen Diagnose
- Feststellung somatischer Folgekrankheiten
- Klärung von Behandlungsmöglichkeiten
- Klärung der Behandlungsbereitschaft (Motivation zu weiteren Therapiemaßnahmen) des Patienten und seiner Be- zugspersonen
- Motivierung des Patienten zur Abstinenz und zur Ein- leitung dazu evtl. notwendiger Therapiemaßnahmen und Motivierung seiner Bezugspersonen: Beides unter Betonung der Selbstverantwortlichkeit und Selbst- bestimmung des Patienten
- Indikationsstellung für nachfolgende Behandlungs- maßnahmen
- ggf. Vermittlung eines Entgiftungs- und eines Therapie- platzes (vgl. REICHMANN 1994, S. 72)

2.) Entgiftungs- bzw. Entziehungsphase:

- Absetzen des Alkohols
- Behandlung der Entzugserscheinungen (ggf. medikamentös)
- Hinwirkung auf ggf. notwendige Weiterbehandlung zur Ent- wöhnung

3.) Entwöhnungsphase:

- Abbruch des Mißbrauchs- bzw. Abhängigkeitsprozesses, nach Möglichkeit unter Einbeziehung der Bezugspersonen
- Erlernen von Bewältigungsstrategien und Sozialisations- formen des Lebens ohne Alkohol

4.) Weiterbehandlungs-, Rehabilitations- und Nachsorge-

phase:

- (Wieder-) Eingliederung des Patienten in Familie, Beruf und soziale Umwelt
- Auffangen und Verarbeitung eventueller Rückfälle
- ggf. stationäre Weiterbehandlung
- ggf. Unterbringung und Betreuung in Übergangsheimen oder ähnlichen Einrichtungen

Im Folgenden ist nun zu klären, welche dieser Auf- gaben zum Aufgabenbereich der Drogenberatung gehören, und inwiefern die Anwendung des NLP hier möglich und sinnvoll erscheint und daher näher untersucht werden soll. Hierzu klammere ich erst einmal alle diejenigen Aufgaben aus, die nicht zu den Beratungsaufgaben der Drogenberatung ge- hören.

Zu diesen Aufgaben, die im Folgenden also nicht näher betrachtet werden sollen, gehört in der Kontaktphase das Stellen der somatischen Diagnose und die Feststellung somatischer Folgekrankheiten, da beide hauptsächlich in den Aufgabenbereich des Arztes fallen. Aus dem gleichen Grund fallen das Absetzen des Alkohols und die Behandlung der Entzugserscheinungen aus den folgenden Betrachtungen heraus. In der Nachsorgephase gehören die ggf. erforder- liche Unterbringung und Betreuung in Übergangsheimen oder ähnlichen Einrichtungen und die stationäre Weiterbehand- lung zu den hier auszuklammernden Aufgaben, da sie in erster Linie keinen beratenden Charakter haben. Da die Entwöhnungsphase in den Bereich der Therapie gehört, ist sie folglich nicht Teil der Beratung und fällt damit eben- falls aus den nachfolgenden Betrachtungen heraus.

Die nun verbleibenden, und damit als in den Zu- ständigkeitsbereich der Drogenberatung gehörend definier- baren Aufgaben lassen sich in die drei Bereiche administrative, diagnostische und motivationsfördernde Aufgaben unterteilen. Zu den administrativen Aufgaben ge- hören vor allem die Klärung von Behandlungsmöglichkeiten und die Vermittlung eines Entgiftungs- und Therapie- platzes. Obwohl das NLP auch in diesem Bereich angewandt werden kann (z.B. bei Verhandlungen mit Leistungs- und Kostenträgern), sollen die administrativen Aufgaben hier ebenfalls ausgeklammert werden, da es im Folgenden um die Drogenberatung mit Alkoholikern geht, also um das, was in der Beratung zwischen Berater und Klient geschieht.

Somit bleibt, was die Aufgaben der Drogenberatung als Teil der Behandlungskette angeht, im Rahmen dieser Diplomarbeit zu untersuchen, inwiefern das NLP beim Stellen der sozialen und psychischen Diagnose und bei der Förderung der Veränderungsmotivation des Klienten nützlich

sein kann. Hierzu müssen die Bereiche Diagnostik und Motivierung zuerst differenzierter betrachtet werden.

Der Bereich soziale und psychische Diagnostik läßt sich zusammen mit den durch sie zu klärenden Fragen nach pragmatischen Kriterien in drei Aspekte untergliedern (vgl. SCHNEIDER in FETT (Hrsg.) 1992, S. 39 f.):

1.) Sammlung von Informationen über die sozialen und psychischen Rahmenbedingungen, unter denen der Klient lebt:

- Welche Probleme bestehen, und wie könnten sie zusammen- hängen? (Anamnese und Hypothesenbildung)

2.) Klärung der Bedingungen, die die Therapiegestaltung beeinflussen:

- Wie sieht die Entwicklungsgeschichte der gegenwärtigen Probleme aus?
- Welche Gründe bestehen für den derzeitigen Ver- änderungswunsch?
- Welche Ziele und Werte verfolgt der Klient?
- Welche Stärken und Schwächen hat der Klient, die seine Selbstheilungsfähigkeiten beeinflussen?
- Wie sind die sozialen Rahmenbedingungen, und welche fördenden und hemmenden Einflüsse haben sie auf die angestrebten Veränderungen?

3.) Vorbereitung der Möglichkeit einer Rückmeldung über den Therapieverlauf:

- Wie lassen sich im jeweiligen Einzelfall die Be- handlungsziele operationalisieren und Verlaufs- und Erfolgskontrollen durchführen?

Als einen weiteren Aspekt der Diagnostik betrachtet SCHNEIDER die "Förderung des Verstehens und der Änderungs- motivation" (SCHNEIDER in FETT (Hrsg.) 1992, S. 40). Ob- wohl sich die Motivation über alle Behandlungsphasen erstreckt (vgl. FEUERLEIN 1989, S. 177), also auch über die Diagnostik, soll sie hier gesondert betrachtet werden, da ihr gerade aufgrund ihrer phasenübergreifenden Funktion eine besondere Bedeutung innerhalb des Veränderungs- prozesses des Klienten zukommt (vgl. FEUERLEIN 1989, S. 177; BUSCH in HELMCHEN et al. (Hrsg.) 1981, S. 209; SCHLÜTER-DUPONT 1990, S. 319; SOYKA 1995, S. 291; JACOBS 1981, S. 30).

Zur Förderung des Verstehens und der Änderungs- motivation nennt SCHNEIDER folgende Maßnahmen:

"- Dem Klienten hilfreiche Informationen über die Störung(en) vermitteln.
- Informationen und Modelle im Hinblick auf an- gestrebte Veränderungen bereitstellen (Ziel- klärung).
- Patienten aktiv zur Selbstreflexion und -diagnose anleiten.
- Heilsame Unsicherheiten in der Selbst- und Weltsicht dosiert und gezielt erzeugen.
- Belastung durch Diagnostik möglichst gering halten, z. B. unnötige Selbstzweifel und Verunsicherungen vermeiden."

(SCHNEIDER in FETT (Hrsg.) 1992, S. 40)

FEUERLEIN empfiehlt für die praktische Durchführung der Motivierung, nach folgendem Sechs-Schritte-Plan vorzu- gehen, in welchem der Klient nacheinander die zur Durch- führung der Behandlung erforderlichen Erkenntnisse gewinnen soll:

"1. Erkennung der Notwendigkeit einer Änderung der gegenwärtigen Situation ('so geht es nicht mehr weiter'),
2. Anerkennung der Hilfsbedürftigkeit ('ich schaffe es nicht mehr allein'),
3. Akzeptieren der angebotenen Hilfe ('ich lasse mir helfen'),
4. Anerkennung des Alkoholikerastatus ('ich bin ein Alkoholiker'),
5. Anerkennung des Abstinenzzieles ('ich darf überhaupt keinen Alkohol mehr trinken'),
6. Anerkennung des Ziels des allgemeinen Ver- haltenswandels ('ich muß mein Leben anders ge- stalten, wenn ich nicht mehr rückfällig werden soll')."

(FEUERLEIN 1989, S. 177)

Die Summe dieser sechs Erkenntnisse läßt sich auch als für den Erfolg der Behandlung nötige Krankheitseinsicht des Klienten bezeichnen. (Auf das in der Drogenberatung manch- mal auftretende Mißverständnis, Krankheitseinsicht be- zeichne das Wissen des Klienten von Gründen für seinen Alkoholismus, wird im folgenden Kapitel eingegangen.)

Nachdem nun dargelegt ist, was in der Beratung zu geschehen hat, soll noch kurz darauf eingegangen werden, wie dies geschehen sollte. Hierbei läßt sich auf die für die Einzeltherapie von Alkoholikern mögliche Forderung nach überwiegend reedukativen (umschulenden) und stützenden Verfahren, im Gegensatz zu den hier als eher ungeeignet angesehenen rekonstruktiven (umstrukturieren- den) Verfahren, aufbauen. Wenn also in der Einzeltherapie bei Alkoholikern auf das Aufdecken unbewußter Konflikte und auf schmerzhafte Einsichten und Katharsis und damit auch auf das dafür notwendige aufdeckende Vorgehen eher verzichtet werden sollte (vgl. SCHLÜTER-DUPONT 1990, S. 322 f.), dann könnte dies auch für die Beratung gelten. Diese Hypothese läßt sich zum einen dadurch bestätigen, daß die Herbeiführung von Katharsis ohnehin, wenn bei Alkoholikern überhaupt, dann Aufgabe der Therapie und nicht der Beratung ist, zum anderen dadurch, daß der Be- ratungszeitraum oftmals zu kurz ist, als daß dort solcher lei innerpsychische Konflikte adäquat aufgefangen werden könnten. Für die Beratung von Alkoholikern sind also nicht-aufdeckende Gesprächsführungsmethoden zu bevor- zugen.

Um eine kritische Beurteilung und ggf. notwendige Einschränkungen, Eweiterungen und Modifizierungen der bis hierhin genannten Erfordernisse der Drogenberatung mit Alkoholikern vornehmen zu können, ist es nötig, auf die Besonderheiten in der Gesprächsführung nit Alkoholikern einzugehen. Dies geschieht im nun folgenden Kapitel.

3.2 Besonderheiten in der Gesprächsführung mit

Alkoholikern - Von Spielen über Krankheitseinsichten und die "Trinker-Logik" zum Alkohol als Selbst- heilungs- oder Selbstzerstörungsmittel

Um die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken des NLP in der Beratung mit Alkoholikern differenziert analysieren zu können, ist neben der im vorigen Kapitel vorgenommenen Aufstellung der Aufgaben der Drogenberatung eine ein- gehende Betrachtung der dort vorkommenden Rollenver- teilungen und -dynamiken nötig. Dabei ist besonders auf mögliche Beziehungsfallen im Berater-Klient-Verhältnis zu achten, die sich negativ auf das Behandlungsergebnis aus- wirken könnten. Ein sehr anschauliches Beispiel für einige dieser Fallen und die in ihnen verborgene Dynamik geben DÖRNER/PLOG:

"Die Begegnung mit einem Abhängigen kommt anfangs meist gut voran, gerade das Verstehensgefühl. Der Patient äußert etwa 'Sie verstehen mich aber wirklich!' Wir fühlen uns bestätigt. 2. Akt - einige Zeit später hören wir von ihm: 'Ich bin von Ihnen enttäuscht. Niemand versteht mich!' 3. Akt: Wir reagieren darauf enttäuscht, wütend oder zynisch ('Undank ist der Welt Lohn'), was leicht zur Berufshaltung wird: Die Ewartung des Mißerfolges schützt vor Enttäuschung. Regelmäßig liegt unser Fehler am Anfang: Als wir uns wegen unseres 'außergewöhnlichen Verständnisses' loben ließen und der Patient uns denken ließ, wir kämen ungeschoren davon, hätten ohne große Mühe ein Vertrauensver- hältnis hergestellt. Denn schon damit hat der Patient sich von mir und mich von ihm abhängig gemacht, die gegenseitige Begegnungsangst durch elegantes Überspielen abgewehrt, mich als Gegner entschärft, uns kurzschlüssig zu Freunden gemacht, was leicht in Feindschaft umschlägt, die Auseinandersetzung vermieden. Manchmal werden wir aus dieser angenehmen Einlullung erst durch die Nachricht geweckt, der Patient habe sich umgebracht. Umgang mit Abhängigen ist - wie mit depressiven Menschen - ein Spiel auf Leben und Tod." (DÖRNER/PLOG 1992, S. 269)

Dieses "Spiel auf Leben und Tod" läßt sich, wenn es in der in diesem Beispiel beschriebenen Weise abläuft, als eine Variante des Ankläger-Opfer-Retter-Rollenspieles be- trachten, das auch Karpman-Dreieck, Drama-Dreieck oder perverses Dreieck genannt wird. Die Rolle des Anklägers wird darin manchmal auch als Bedränger- oder Verfolger- rolle bezeichnet. Im o.g. Beispiel definiert der Klient den Berater zuerst als Retter und sich selbst damit gleichzeitig als Opfer, und der Berater läßt sich das gefallen, womit er die vom Patienten angebotene Rollen- verteilung annimmt. Im "2. Akt" (s.o.) wechselt der Klient in die Rolle des Anklägers, woraufhin der Berater im "3. Akt" (s.o.) zuerst die Rolle des Opfers einnimmt (Ent- täuschung) und dann zur Anklägerrolle überschwenkt (Wut oder Zynismus), wodurch der Klient dann aus der Sicht des Beraters wieder zum Opfer werden und das Spiel in die nächste Runde gehen kann. Damit nicht der größte Teil der Energie des Beraters und des Klienten in diesem Spiel ver- sickert, anstatt für die Beratung zur Verfügung zu stehen, muß der Berater in der Lage sein, dieses Spiel zu erkennen und ggf. zu unterbrechen. (Welches geeignete Momente für eine solche Unterbrechung sein können, darauf wird in Kapitel 3.3 eingegangen, wenn es um die Bedeutung dieses oder verwandter Spiele als Abwehrmechanismus geht.)

Es lassen sich noch andere Berater-Klienten-Spiele aufzeigen, die sich sowohl einzeln, jedes für sich, als weitere Besonderheiten der Gesprächsführung mit Alko- holikern, als auch alle zusammen als Varianten und Teil- aspekte des Ankläger-Opfer-Retter-Spieles betrachten lassen. Ich halte mich bei der Darstellung, was die Namen und grundlegenden Elemente der folgenden sieben Spiele an- geht, weitestgehend an JACOBS (vgl. JACOBS 1981, S. 73 ff.), verkürze die Beschreibungen aber stichpunktartig auf die Bereiche "Spielablauf" und "Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater", da diese beiden Aspekte ausreichen, um in Verbindung mit dem Wissen über das o.g. Karpman-Dreieck genug Zugang zu der in diesen Spielen vorhandenen Be- rater-Klienten-Dynamik zu bekommen, so daß darauf auf- bauend die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken des NLP innerhalb dieser Dynamik untersucht und dargestellt werden können.

1.) Das "Heile-Welt-Spiel": Spielablauf:

"Im Grunde ist es ein Versuch, den Berater einzulullen, und in dem Glauben zu halten, alles sei in Ordnung; außerdem wird dem Berater unterschwellig beigebracht, daß er ausgezeichnete Arbeit leistet." (JACOBS 1981, S. 73)

Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater: Er soll den Klienten offen damit konfrontieren, daß er unverändertes Trinkverhalten des Klienten vermutet. Er kann dem Klienten vorschlagen ...

"..., den Bedränger (gewöhnlich der Ehepartner) zur nächsten Stunde mitzubringen. In den meisten Fällen wird ein solches Dreiergespräch nicht zustande kommen, weil der Klient die gleichzeitige Konfrontation mit Berater und Bedränger vermeiden will. Wenn der Klient eingesteht, unehrlich gewesen zu sein, sollte der Berater nicht bestrafend reagieren. Wenn sich der Verdacht als falsch erweist, muß der Berater dem Klienten erklären, aus welchen Gründen er Verdacht geschöpft hat. Außerdem muß er sich aufrichtig und ehrlich entschuldigen." (JACOBS 1981, S. 74)

2.) Überlisten des Beraters:

Spielablauf: Der Berater soll von den aktuellen Sucht- symptomen abgelenkt und in eine endlose Suche nach den Gründen der Alkoholabhängigkeit des Klienten verwickelt werden.

Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater: Der Be- rater muß das Hauptaugenmerk auf das Symptom und die Arbeit an der Abstinenz gerichtet lassen.

3.) Absichtliche Mißverständnisse:

Spielablauf: Äußert sich der Berater in seinen Ratschlägen so vage und unverbindlich, daß der Klient diese Äußerungen auslegen kann, wie er will, so findet schließlich über- haupt keine Beratung mehr statt, sondern Berater und Klient reden aneinander vorbei.

Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater: Der Be- rater kann durch gezieltes Nachfragen und das Einfordern von Feedback überprüfen, ob der Klient ihn richtig ver- standen hat.

4.) Häufiger Themenwechsel:

Spielablauf: Berater und Klient geraten durch häufige Themenwechsel des Klienten in einen verdeckten Machtkampf darüber, welche Themen in der Beratung besprochen werden sollen.

Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater: Wenn der Klient häufig abrupt das Thema wechselt, kann der Berater ihm dies Verhalten reflektieren: "'Ich sehe, daß Sie das Thema wechseln' (eine reine Beaobachtung, weder bedrohend noch zurückweichend)" (JACOBS 1981, S. 77). Dadurch sollen sowohl das Spiel, als auch der darin enthaltene Machtkampf unterbrochen werden.

5.) Intellektualisieren:

Spielablauf: Der Klient vermeidet, in der Beratung hoch- kommende aufwühlende Gefühle zu durchleben, indem er sie rein verstandesmäßig zu verarbeiten versucht.

Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater: Der Klient soll behutsam dazu angeleitet werden, diese Gefühle zuzulassen und zu durchleben.

6.) Unvernünftige Forderungen:

Spielablauf: Der Berater ermuntert durch seine besonders starke Retter-Haltung den Klienten zum Stellen unver- nünftiger bzw. übertriebener Forderungen und sieht sich dann genötigt, auf diese Forderungen einzugehen.

Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater: Die übertriebenen Forderungen müssen sofort nachdem sie vom Berater als solche erkannt worden sind entschieden zurück- gewiesen werden.

7. ) Schmeichelei, Lob und Geschenke:

Spielablauf: Der Klient versucht durch Schmeichelei, Lob und Geschenke seine Angst und Wut gegenüber dem Berater zu verbergen oder eine unkritische und distanzlose Akzeptanz des Beraters zu gewinnen (oder beides). (Dies ist das Spiel, das in dem o.g. Zitat von DÖRNER/PLOG den Auftakt bildet.)

Unterbrechungsmöglichkeit durch den Berater: Dem Klienten ist deutlich zu machen, daß er auch ohne sein Einschmeicheln akzeptiert und geschätzt wird, seine Aversionen gegenüber dem Berater zulässig sind, und seine Schmeicheleien etc. deshalb nicht nur unnütz, sondern auch störend sind.

[...]

Ende der Leseprobe aus 110 Seiten

Details

Titel
Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) in der Drogenberatung mit Alkoholikern - Möglichkeiten, Grenzen und Risiken
Hochschule
Fachhochschule Kiel  (Fachbereich Sozialwesen)
Note
1,3
Autor
Jahr
1997
Seiten
110
Katalognummer
V179544
ISBN (eBook)
9783656020059
ISBN (Buch)
9783656020660
Dateigröße
2093 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NLP, Neurolinguistisches Programmieren, Drogenberatung, Suchtberatung, Suchtkrankenhilfe, Gesprächsführung, Soziale Arbeit, Alkoholismus, Alkoholabusus, Alkoholiker
Arbeit zitieren
Andreas Langosch (Autor:in), 1997, Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) in der Drogenberatung mit Alkoholikern - Möglichkeiten, Grenzen und Risiken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179544

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) in der Drogenberatung mit Alkoholikern - Möglichkeiten, Grenzen und Risiken



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden