1 Einleitung
„ Man kann nach Auschwitz nicht mehr atmen, essen, lieben, lesen […]“ (Böll zitiert nach Kiedaisch, 90), so drückte Heinrich Böll seine Gedanken und Gefühle gegen-über dem Holocaust aus. Deutlich wird, dass Auschwitz eine Zäsur darstellt; danach ist nichts mehr, wie es einmal war. Die alltäglichsten Dinge scheinen in diesem Licht nicht nur verändert, sondern gar unmöglich. So stellt sich schnell die Frage, inwieweit denn das Schreiben nach Auschwitz noch möglich ist, noch möglich sein kann. Gibt es überhaupt Worte für die Schrecken, die die Opfer der Shoah tagtäglich erleben mussten? Und wenn ja, darf man sich anmaßen, den Versuch zu wagen, die-ses Grauen in Worte zu kleiden? Ein Wagnis, das wird es wohl immer bleiben. Aber ist es gerechtfertigt, jegliche Literatur, die sich mit diesem Thema beschäftigt, zu verdammen oder gar zu verbieten? Adornos oft zitiertes Diktum, Gedichte nach Auschwitz zu schreiben sei „barbarisch“ (Kiedaisch, 49) ist zwar kein Verbot, wie er später feststellte, aber nichtsdestoweniger ein Rundumschlag gegen die Lyrik und bei genauerem Hinsehen auch gegen die Literatur und das Schreiben an sich.
Adornos These wurde vielfach diskutiert und kritisiert, fand aber auch einigen Zuspruch. Oft wurde sie aus dem Zusammenhang gerissen und als rigides Verbot verstanden und infolgedessen mit Empörung und Unverständnis quittiert. Sicher ist jedenfalls, dass dieser Satz nicht unbeachtet blieb, vielmehr erregte er die Gemüter in der deutschen Literaturwelt.
So möchte auch ich mich bei der Beurteilung drei ausgewählter Beispiele aus der Literatur, vorwiegend von Adornos Diktum leiten lassen. Dies soll allerdings nicht auf die berühmte These, es sei „barbarisch“ (ibid) nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, beschränkt sein, sondern auch seine späteren Reaktionen und Ausfüh-rungen diesbezüglich beinhalten.
Demgemäß soll im ersten Teil meiner Arbeit Adornos Ansicht über Literatur nach dem Holocaust genauer betrachtet werden. Nicht gänzlich ausgespart werden sollen aber auch die zahlreichen literarischen Reaktionen, in denen die Einstellung vieler deutscher Autoren deutlich wird. Das zweite Kapitel soll einen Überblick über die von Adorno geschilderte Problematik liefern, zugleich aber auch mögliche Grauzonen in Adornos Argumentation aufdecken.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Schreiben nach Auschwitz
- Adorno und sein Diktum gegen das Schreiben nach Auschwitz
- Das historische Schreiben – der einzig angemessene Weg, den Holocaust zu literarisieren?
- Literatur nach Auschwitz
- Die Memoiren – Ein Überlebender erinnert: Ralph Giordanos Erinnerungen eines Davongekommenen
- Erinnerungen als Zeugnis - Die Faktizität von Memoiren
- Die Erinnerungen eines Davongekommenen
- Der Roman – Der Holocaust in der Belletristik: John Boynes Der Junge im gestreiften Pyjama
- Die Kritik am Roman
- Bewertung des Romans hinsichtlich seiner Kritikpunkte
- Graphic Novel – Der Holocaust als Comic: Art Spiegelmans MAUS
- Die Gattung des Comics - dem Holocaust angemessen?
- Die Tiermetapher
- MAUS - fiktional oder non-fiktional?
- Die Memoiren – Ein Überlebender erinnert: Ralph Giordanos Erinnerungen eines Davongekommenen
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Darstellung des Holocaust in Literatur und untersucht die Problematik des Schreibens nach Auschwitz, ausgehend von Theodor W. Adornos bekanntem Diktum. Die Analyse dreier ausgewählter Werke, Ralph Giordanos Memoiren "Erinnerungen eines Davongekommenen", John Boynes Roman "Der Junge im gestreiften Pyjama" und Art Spiegelmans Graphic Novel "MAUS", soll Aufschluss darüber geben, ob und wie diese Werke dem Holocaust angemessen gerecht werden.
- Die Problematik des Schreibens nach Auschwitz im Kontext von Adornos Diktum
- Die Rezeption und Kritik an Adornos These
- Die Darstellung des Holocaust in verschiedenen literarischen Gattungen (Memoiren, Roman, Graphic Novel)
- Die Rolle der Authentizität und Fiktionalität in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust
- Die Frage nach der Angemessenheit und der ethischen Verantwortung beim literarischen Umgang mit dem Thema Holocaust
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Schreibens nach Auschwitz ein und stellt die zentrale Frage nach der Möglichkeit und Angemessenheit der literarischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Das erste Kapitel analysiert Adornos These und diskutiert seine Kritik an der Literatur nach Auschwitz. Die verschiedenen Reaktionen auf Adornos Diktum werden beleuchtet, wobei ein Fokus auf die Frage nach der angestrebten Repräsentationsweise des Holocaust liegt.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Darstellung des Holocaust in verschiedenen literarischen Gattungen, wobei die Memoiren Ralph Giordanos, der Roman von John Boyne und die Graphic Novel von Art Spiegelman als Beispiele dienen. Es werden die spezifischen Herausforderungen und Möglichkeiten jeder Gattung im Kontext des Holocaust thematisiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit der Darstellung des Holocaust in Literatur, Adornos Diktum, "Schreiben nach Auschwitz", Memoiren, Roman, Graphic Novel, Authentizität, Fiktionalität, Repräsentation, Ethik, Erinnerungskultur.
- Arbeit zitieren
- B.A. Sarah Ruhnau (Autor:in), 2011, Probleme der Darstellung des Holocaust - John Boyne, Ralph Giordano, Art Spiegelmann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179803