Examenshilfe - Neuere deutsche Literaturwissenschaft

Epochen & Dramen von Gottsched bis Brecht


Skript, 2008

128 Seiten


Leseprobe


INHALT

AUFKLÄRUNG (ca. 1720 – 1785/89):
1. ALLGEMEINES ZUR EPOCHE DER AUFKLÄRUNG
1.1. Periodisierung und literarische Strömungen:
1.2. Der zeit- und geistesgeschichtliche Hintergrund:
1.3. Poetologisches:
2. DIE DRAMENTHEORIE VON GOTTSCHED BIS LESSING (FRÜH- UND HOCHAUFKLÄRUNG)
2.1. Johann Christoph Gottsched (1700-1766):
2.2. Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)
3. DIE WICHTIGSTEN DRAMEN LESSINGS
3.1. Allgemeine Vorbemerkungen zum bürgerlichen Trauerspiel
3.2. Lessing, „Miss Sara Sampson. Ein Trauerspiel.“(1755)
3.3. Lessing, „Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel“ (1767)
3.4. Lessing, „Emilia Galotti. Ein Trauerspiel.“ (1772)
3.5. Lessing, „Nathan, der Weise. Ein dramatisches Gedicht“ (1779)
4. DIE DRAMENTHEORIE DES STURM UND DRANG (1767 – 1785) SPÄTAUFKLÄRUNG
4.1. Allgemeines zum Sturm und Drang:
4.2. Die wichtigsten poetologischen Schriften
5. WICHTIGE DRAMEN DES STURM UND DRANG
5.1. Goethe, „Götz von Berlichingen“ (1771/73):
5.2. Lenz, „Die Soldaten. Eine Komödie.“ (1776)
5.3. Schiller, „Die Räuber“ (1781)
5.4. Schiller; „Kabale und Liebe“ (1784)

„GOETHEZEIT“, „KUNSTEPOCHE“ (1785/89- 1830/32)
1. ALLGEMEINES ZUR EPOCHE
1.1. Periodisierung, lit. Strömungen und zeitgeschichtlicher Hintergrund:
Zwischen Restauration und Revolution
2. WEIMARER KLASSIK (1786-1805)
2.1. Allgemeines zur Weimarer Klassik:
3. DRAMENTHEORIE DER WEIMARER KLASSIK
3.1. Schillers Dramentheorie:
3.2. Goethes Dramentheorie:
4. KLASSISCHE DRAMEN:
4.1. Schiller, „Maria Stuart“ (1800)
4.2. Schiller, „Wilhelm Tell“ (1804)
5. ROMANTIK (1795/98 – 1830)
5.1. Allgemeines zur Epoche
5.2. Ludwig Tieck, „Der gestiefelte Kater“ (1797)
6. GOETHES „FAUST“ (1808)
6.1. Inhaltliches:
6.2. Formales:

VORMÄRZ / BIEDERMEIER (1815-1848):
1. ALLGEMEIN ES ZUR EPOCHE
1.1. Historischer Hintergrund:
1.2. Allgemeines zur Epoche:
2. GEORG BÜCHNER (1813-1837)
2.1. Allgemeines
2.2. „Dantons Tod“ (1835)
2.3. „Woyzeck“ (1878)

DER NATURALISMUS (1870/80-1900)
1. DER NATURALISMUS ALLGEMEIN
1.1. Basics
1.2. Vergleich zwischen klassischem und naturalistischem Drama
2. DER KONSEQUENTE NATURALISMUS
2.1. Arno Holz/Johannes Schlaf: „Familie Selicke“ (1890)
3. DIE DRAMEN GERHART HAUPTMANNS
3.1. Hauptmann: „Vor Sonnenaufgang“ (1789)
3.2. Hauptmann: „Die Weber“ (1892)

DAS EPISCHE THEATER
1. BRECHTS DRAMENTHEORIE
1.1. Das epische Theater:
2. WICHTIGE DRAMEN
2.1. Brecht: „Die Dreigroschenoper“ (1928)
2.2. Brecht: „Die Maßnahme“ (1930/1931)
2.3. Brecht: „Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem 30-jährigen Krieg“ (1939)
2.4. Brecht: „Der gute Mensch von Sezuan“ (1953)
2.5. Brecht: „Das Leben des Galilei. Schauspiel“ (Fassung: 1955/56)
2.6. Frisch: „Andorra“ (1961):

VORWRT:

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Skripts, das im SS 2008 zur Vorbereitung auf das schriftliche Staatsexamen im Fach Germanistik (Neuere deutsche Literaturwissenschaft) erstellt wurde. Das Skript behandelt die Gattung der Dramen von Gottsched bis Brecht, wobei es sich zum einen an den Vorgaben der bayerischen Lehramtsprüfungsordnung (LPO I)1, zum anderen an alten Prüfungsfragen orientiert.

Bei der Erstellung des Skripts wurde auf die folgende Fachliteratur zurückgegriffen:

Asmuth, Bernhard: Einführung in die Dramenanalyse. Stuttgart 2009.

Baasner, Rainer: Einführung in die Literatur der Aufklärung. Darmstadt 2006.

Berghahn, Klaus L.: "Das Pathetischerhabene" - Schillers Dramentheorie, in: K.L. Berghahn, Schiller: Ansichten eines Idealisten. Frankfurt 1986, 27-58.

Beutin, Wolfgang: Deutsche Literaturgeschichte: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2008.

Bunzel, Wolfgang: Einführung in die Literatur des Naturalismus. Darmstadt 2011.

Buschmeier, Matthias & Kauffmann, Kai: Einführung in die Literatur des Sturm und Drang und der Weimarer Klassik. Darmstadt 2010.

Eke, Norbert Otto: Einführung in die Literatur des Vormärz. Darmstadt 2005.

Hinderer, Walter (Hrsg.): Interpretationen. Schillers Dramen. Stuttgart 1992.

Ders. (Hrsg.): Interpretationen. Goethes Dramen. 1992.

Ders. (Hrsg.): Interpretationen. Brechts Dramen. Stuttgart 1995.

Meyer, Theo: Theorie des Naturalismus. Stuttgart 1986.

Rochow, Christian: Das bürgerliche Trauerspiel. Stuttgart 1999.

Schmitz-Emans, Monica: Einführung in die Literatur der Romantik. Darmstadt 2004.

Steinweg, Reiner: Lehrstück und episches Theater: Brechts Theorie und theatertherapeutische Praxis. Frankfurt a.M. 1995.

Ralf Sudau: Johann Wolfgang Goethe, Faust I und Faust II. Interpretiert von Ralf Sudau. München 1998.

Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der deutschen Literatur. Stuttgart 2001.

Darüber hinaus wurden folgende Primärtexte verwendet:

Brecht, Berthold: Die Maßnahme: Zwei Fassungen. Anmerkungen. Berlin 1998.

Ders.: Mutter Courage und ihre Kinder: Ein Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg. Berlin 1964.

Ders.: Die Dreigroschenoper. Berlin 2001.

Ders.: Der gute Mensch von Sezuan: Parabelstück. Berlin 1964.

Ders.: Leben des Galilei: Schauspiel. Berlin 1998.

Büchner, Georg: Dantons Tod. Stuttgart 1986.

Ders.: Woyzeck. Studienausgabe. Stuttgart 1999.

Frisch, Max: Andorra: Stück in zwölf Bildern. Berlin 1975.

Goethe, Johann Wolfgang: Götz von Berlichingen. Stuttgart 1986.

Ders.: Faust. Der Tragödie erster Teil. Stuttgart 1986.

Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama. Berlin 1999.

Ders.: Die Weber: Vollständiger Text des Schauspiels. Dokumentation. Berlin 1998.

Hebbel, Friedrich: Maria Magdalena. Stuttgart 1986.

Holz, Arno und Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Stuttgart 1986.

Langemeyer, Peter (Hrsg.): Dramentheorie: Texte vom Barock bis zur Gegenwart. Stuttgart 2011.

Lenz, J.M.R.: Die Soldaten. Stuttgart 1986.

Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen. Stuttgart 2000.

Ders.: Miß Sara Sampson: Ein bürgerliches Trauerspiel in fünf Auszügen: Text und Kommentar. Berlin 2005.

Ders.: Emilia Galotti. Stuttgart 1973.

Ders.: Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Auszügen. Stuttgart 1973. Schiller, Friedrich: Die Räuber. Stuttgart 1986.

Ders.: Wilhelm Tell. Stuttgart 2000.

Ders.: Maria Stuart. Stuttgart 2001.

Ders.: Kabale und Liebe: Ein bürgerliches Trauerspiel. Text und Kommentar. Berlin 1999.

Ders.: Vom Pathetischen zum Erhabenen. Schriften zur Dramentheorie. Stuttgart 2009.

Tieck, Ludwig: Der gestiefelte Kater. Stuttgart 2001.

AUFKLÄRUNG (ca. 1720 – 1785/89):

1. ALLGEMEINES ZUR EPOCHE DER AUFKLÄRUNG

1.1. Periodisierung und literarische Strömungen:

Bei der Aufklärung handelt es sich um eine gesamteuropäische Bewegung, die jedoch in Deutschland – verglichen mit England und Frankreich – verhältnismäßig spät einsetzt. Vordenker der deutschen Aufklärung – zu nennen ist hier v.a. LEIBNIZ (1646-1716) – finden sich zwar schon im Spätbarock, als nennenswerte Bewegung setzt sie sich jedoch erst ab 1720 durch. Die französische Revolution (1789) bildet gewissermaßen den Ziel- und Endpunkt der Aufklärung.

Prinzipiell ist zu sagen, dass solche Datierungen immer problematisch sind. Sie können allenfalls Anhaltspunkte liefern, sollten aber nicht absolut verstanden werden.

Periodisierungsprobleme:

Früher war es üblich, die Literatur des 18. Jahrhunderts in Aufklärung und Sturm und Drang zu unterteilen, deren Gegensatz von Vernunft und Gefühl in der Klassik aufgehoben werde. Diese schematische Einteilung gilt heute als überholt. Stattdessen wird die Aufklärung als eine dialektische Bewegung verstanden, in der es um eine ganzheitliche Entwicklung geht: in der also nicht nur die Vernunft, sondern auch das Gefühl und die Subjektivität des Einzelnen zur Entfaltung kommen.

Diese Dialektik spiegelt sich nicht zuletzt im Gegen- und Miteinander von Rationalismus und Empfindsamkeit wider.

Vor diesem Hintergrund lässt sich die Aufklärung in 3 Phasen unterteilen:

1) Frühaufklärung (ca. 1720 bis 1759): v. a. von GOTTSCHED geprägt, weshalb Lessings 17. Literaturbrief von 1759 den endgültigen Bruch mit der Frühaufklärung darstellt.
2) Hochaufklärung (1759 - 1767): v. a. von LESSING und eine zunehmende Aufwertung des Gefühls geprägt
3) Spätaufklärung (1767 -1789): v. a. vom Sturm und Drang geprägt

Literarische (und sonstige) Strömungen innerhalb der Epoche der Aufklärung sind:

Die klassische Aufklärungsliteratur, der Pietismus, die Empfindsamkeit, der Rokoko und der Sturm und Drang. Eine eindeutige Trennung zwischen diesen Strömungen ist nicht immer möglich; so enthält der Sturm und Drang Elemente der Empfindsamkeit usw. usw.

Der Begriff „Aufklärung“, erstmals von WIELAND 1770 verwendet, setzte sich sowohl als historischer- wie auch als universaler Begriff durch: er dient einerseits zur Kennzeichnung der besagten Epoche, andererseits versteht man darunter einen epochenübergreifenden Prozess, der bis heute andauert und in dem es darum geht, falsche Vorstellungen zu klären und sich von überkommenen Autoritäten zu befreien.

Kosselek bezeichnet die Epoche der Aufklärung zu Recht als „Sattelzeit“2

1.2. Der zeit- und geistesgeschichtliche Hintergrund:

1.2.1. Philosophisches:

Die Aufklärung ist v. a. eine Emanzipationsbewegung. Ihr Ziel ist die autonome Selbstbestimmung des Individuums.

In diesem Sinn definiert KANT die Aufklärung als den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“. Unter „Unmündigkeit“ versteht er dabei das „Unvermögen, sich seines eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Der Wahlspruch der Aufklärung ist daher: „Sape audere“ – „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ (In: „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung“ von 1784)3

Gerichtet ist die Aufklärung vor allem gegen die staatlichen und kirchlichen Autoritäten, die das Leben des Einzelnen bis ins 18. Jahrhundert bestimmt haben.

Gesellschaftspolitish (s.u.) schlägt sie sich dementsprechend v. a. in zwei Tendenzen nieder: Zum einen in einer zunehmenden Säkularisierung, zum anderen in der allmählichen Auflösung des feudalen Herrschaftssystems.

Ihren Höhepunkt erreicht diese Entwicklung in der französischen Revolution (1789).

Die philosophischen Grundlagen der (Früh-)Aufklärung stammen vor allem aus dem französischen Rationalismus (DESCARTES) und dem englischem Empirismus (HOBBES, LOCKE, HUME). Während der Rationalismus davon ausgeht, dass nur das Wahrheit für sich beanspruchen kann, was der Vernunft zugänglich ist, legt der Empirismus den Schwerpunkt auf die Erfahrung (Sinnesdaten). Gemeinsam ist den beiden Strömungen, dass sie die Bedeutung der Wissenschaften hervorheben, während überkommene Autoritäten durch sie relativiert werden.

Zur bestimmenden Instanz wird der vernünftig denkende bzw. empirisch forschende Mensch => Vorher war es Gott, die Kirche und der Herrscher

Sofern die Vernunft bzw. der menschliche Verstand zum universellen Mittel der Erkenntnis erklärt wird, kommt es dabei

a) zu einer Aufwertung des Individuums und
b) zu einer Aufwertung der empirisch gegebenen, diesseitigen Umwelt.

Als der Vater der deutschen Aufklärung gilt LEIBNIZ (1646-1716): Als besonders wirkmächtig erwiesen haben sich dabei u.a. die folgenden Gedanken:

Satz vom zureichenden Grund: Alles, was passiert, hat einen zureichenden Grund.

Abwertung des Irrationalen und Wunderbaren; Eigenverantwortlichkeit

Monadologie: Die Welt besteht aus unendlich vielen Monaden. Es handelt sich dabei um geistige Wesenheiten, die nicht teilbar sind und von Gott (der Urmonade) in einer prästabilierten (im Voraus bestimmten) Harmonie aufeinander abgestimmt wurden. Auch unsere Seelen sind solche Monaden. Wichtig: Alle Monaden sind verschieden: „Es gibt niemals in der Natur zwei Wesen, die einander vollkommen gleichen.“

Prinzip der Individualität!

Die Welt, wie sie Gott geschaffen hat, ist die „beste aller möglichen Welten“

Aufwertung des Diesseits / Optimismus („Klärung“ der Theodizee-Frage)

Leibniz bindet die Ethik an die Vernunft.

Übersetzt und weitergeführt wurde Leibniz’ Philosophie von CHRISTIAN WOLF. Letzterem zufolge ist die Vernunft nicht nur das alles entscheidende Wahrheitskriterium, sondern auch der Maßstab für gut und böse. => Gut ist, was vernünftig ist.

Als Vollender und Überwinder der Aufklärung gilt KANT (1724 – 1804): „Kritik der reinen Vernunft“ (1781): s. u.

Die wichtigsten Kennzeichen der Aufklärung in Kürze:

Berufung auf die Vernunft als Maßstab des persönlichen und gesellschaftlichen Handelns (Vgl. franz. Rationalismus, Leibniz, Wolff etc.).

Verstand und Wissenschaft statt Aberglaube und Vorurteil!

Hinwendung zum Diesseits:

Nicht auf ein Jenseits hoffen, sondern die eigenen Anlagen im Hier und Jetzt verwirklichen! Das Diesseits ist also nicht mehr das Jammertal, als das es noch im Mittelalter und Barock galt, sondern ermöglicht es dem Tugendhaften, dauerhaft glücklich zu werden.

Positives Menschenbild

Der Mensch ist von Natur aus gut => deshalb ist seine Bildung von entscheidender Bedeutung (Vgl. Herder „Briefe zur Beförderung der Humanität“)

Aufwertung des Einzelnen

Individualismus, Empfindsamkeit etc.; Kant: der Mensch ist niemals Mittel, sondern immer Zweck

Gleichheit aller Menschen

Nicht umsonst kommt im Rahmen der Aufklärung erstmals die Idee allgemeiner Menschenrechte auf (Hobbes, Rousseau, Kant u.a.).

Religionskritik („Kritik“ ist überhaupt ein „Schlüsselwort“ der Aufklärung)

s.u.: REIMARIUS (der die Auferstehung Christi leugnete); LESSING

Propagierung einer „Vernunftreligion“

Deismus, der sich auf eine „natürliche Theologie“ stützt!

Fortschrittsglaube und ein genereller Optimismus

Die zentrale Metapher der Aufklärung ist die des Lichts; zu den charakteristischen Emblemen der Zeit gehört die Sonne, die durch die Wolken bricht; im Englischen spricht man von „enlightenment“, in Frankreich vom „siècle de lumières“; drückt den enormen Optimismus dieser Epoche aus.

1.2.2. Sozialhistorisches:

Kleinstaaterei: Das heilige römische Reich deutscher Nation war seit dem 30- jährigen Krieg (1618-1648) in eine Vielzahl von Kleinstaaten zersplittert; der Kaiser hatte nur noch eine symbolische Bedeutung, die wichtigsten Entscheidungen (Gesetze, Zensur etc.) lagen bei den Landesfürsten.

Diese „Kleinstaaterei“ (über die man sich in der Literatur immer wieder lustig gemacht hat) ging v. a. auf Kosten der unteren Bevölkerungsschichten, sofern die aufwendige Hofhaltung nur durch die rücksichtslose Ausbeutung der Untertanen aufrechterhalten werden konnte.

Auflösung der mittelalterlichen Ständegesellschaft: Der Handel gewinnt an Bedeutung und die Modernisierung des staatlichen Verwaltungsapparates führt zu einem Berufsbeamtentum. Auf diese Weise entsteht eine neue soziale Schicht: das Bürgertum (Beamten, Professoren, Juristen, Ärzte, Unternehmer etc.). Letztere grenzte sich sowohl vom Adel als auch von den unteren Bevölkerungsschichten („Volk“) ab.

Der Begriff „Volk“ wird im 18. Jahrhundert rein soziologisch verstanden: gemeint ist damit also nicht die Nation, sondern die Unterschichten.

Zunehmende Emanzipation des Bürgertums: Das Bürgertum gerät in Konflikt mit dem Adel, sofern es dessen kulturelle und politische Vorherrschaft in Frage stellt und nach mehr Einfluss verlangt. Das Selbstbewusstsein des Bürgertums stützt sich dabei v. a. auf seinen zunehmenden Wohlstand, seine politischen Funktionen im Rahmen des Beamtentums und die Philosophie der Aufklärung.

Deutscher Sonderweg: In Deutschland äußerte sich der Widerstand des Bürgertums gegen das absolutistische System jedoch weniger im politischen, als im kulturellen Leben. Man kompensierte die eigene politische Ohnmacht, indem man eine bürgerliche Ethik als allgemeinmenschliches Ideal propagierte und sie gegen die Lebenspraxis des Feudalismus stellte; vor politischen Aktionen schreckte man jedoch weitgehend zurück (Vgl. bürgerliches Trauerspiel). Im Gegensatz zu England, Frankreich und Amerika, wo die Aufklärung in eine politische Revolution mündete, wurde der Absolutismus daher in Deutschland nicht aufgehoben, sondern im Zuge des Wiener Kongresses (1815) neu restituiert.

1.2.3. Literatursoziologisches:

Adressaten- und Funktionswandel der Literatur: Die kulturellen Zentren sind im18. Jahrhundert nicht mehr die Höfe, sondern die aufblühenden Handelsstädte (Hamburg, Leipzig, Zürich etc.); an die Stelle der höfischen Dichtung tritt eine bürgerliche Dichtung, deren Ziel nicht mehr das Lob des Fürsten und die Unterhaltung der höfischen Gesellschaft ist (Repräsentationskunst), sondern die Unterhaltung und v. a.: Erziehung des Bürgertums.

Problem: So etwas wie eine literarische Öffentlichkeit musste erst geschaffen werden. Ein Großteil der Bevölkerung bestand aus Analphabeten – und selbst die, die lesen konnten, waren nur zum Teil an anspruchsvoller Literatur interessiert.

Bei der Herausbildung einer literarischen Öffentlichkeit (und der Verbreitung der aufklärerischen Ideen) spielten folgende Faktoren eine wichtige Rolle:

Nach englischem Vorbild („Spectator“, „Guardian“ etc.) etablierten sich ab 1713 die sog. „moralischen Wochenschriften“. Unter dem Namen eines fiktiven Verfassers (dem „Vernünftler“, dem „Biedermann“ etc.) enthielten diese Schriften v. a. populärwissenschaftliche Abhandlungen und moralphilosophische Erörterungen. Ihr erklärtes Ziel war es, aufklärerisches Gedankengut zu verbreiten, um auf diese Weise erzieherisch auf die Bevölkerung einzuwirken.

Darüber hinaus wurden sog. „Lesegesellschaften“ gegründet, denen jedoch vorwiegend wohlhabende Bürger und Adlige angehörten (Frauen und Studenten waren ausgeschlossen): Lektüre als gesellschaftliches Ereignis.

Ab Ende des 18. Jahrhunderts gab es eine nennenswerte Zahl von Leihbibliotheken (die im Gegensatz zu den Lesegesellschaften zu einer Reprivatisierung des Lesens führten)

HABERMAS („Strukturwandel der Öffentlichkeit“, 1962) zeigt, dass die Abkehr von der höfisch verankerten Dichtung und die damit einhergehende Erschließung größerer Leserkreise zu einem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ geführt haben. Erst die zunehmende Verbreitung von Literatur (durch die besagten Wochenschriften, Lesegesellschaften, Theater etc.) ermöglichte nämlich das Entstehen einer politischen Öffentlichkeit. Der Prozess der Aufklärung ist in diesem Sinn nicht zuletzt der Aufbruch des Bürgertums aus dem Privatbereich in die öffentliche Sphäre.

Habermas (1962): literarische Öffentlichkeit politische Öffentlichkeit! Die bleibende Bedeutung der Wochenschriften usw. liegt vor diesem Hintergrund v. a. in ihrem Beitrag zur Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit.

Darüber hinaus führte die Abkehr von der höfischen Dichtung zum Entstehen eines literarischen Marktes: Die Fürsten fielen als Mäzenen größtenteils weg, die Buchproduktion nahm v. a. in der 2. Hälfte des Jahrhunderts drastisch zu. Diese Entwicklungen machten es notwendig, den Buchhandel unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu organisieren (Entstehung des modernen Verlagswesens).

Letzteres hatte weitreichende Konsequenzen für das Selbstverständnis der Dichter:

An die Stelle des Hofdichters trat das Konzept des freien Schriftstellers. Ausschließlich vom Schreiben zu leben war jedoch nur den wenigsten möglich; die meisten Dichter mussten daher neben ihrem Schreiben andere Berufe annehmen (journalistische Tätigkeit, Beamtentum etc.).

Die Autoren waren zwar nicht mehr vom Fürsten abhängig, dafür aber zunehmend vom Geschmack des Publikums. Darüber hinaus wurde ihre geistige Freiheit durch die Zensur zum Teil massiv eingeschränkt.

Die Steigerung der Buchproduktion führte zu Konkurrenzdruck unter den Schriftstellern; ein Urheberrecht gab es bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht.

Nicht zuletzt diese Situation führt zur Entstehung des Geniekultes (s.u.).

1.3. Poetologisches:

Das Ziel der Aufklärungsliteratur ist vor allem ein pädagogisches: Es geht darum, das Bürgertum zu erziehen und zu bilden – und zwar im Sinne der Aufklärung: also zu Humanität und Selbständigkeit.

Kunst ist aus Sicht der Aufklärer demnach kein Selbstzweck, sondern dient der Vermittlung von Inhalten bzw. der Förderung einer „aufgeklärten“ Haltung; sie hat zwei Funktionen: sie soll einerseits nützen, andererseits erfreuen („prodesse et delectare“); dieser auf Horaz zurückgehende Topos der antiken Poetologie wird in der Aufklärung von nahezu allen Literaten aufgegriffen - um die Gewichtung der betreffenden Pole wird jedoch immer wieder gestritten.

Zwei der beliebtesten Gattungen der Aufklärung sind das Drama und die Fabel, sofern sie am ehesten geeignet sind, pädagogisch wirksam zu werden; aber auch der Roman erfährt im 18. Jahrhundert eine Blütezeit. Nicht verwunderlich ist außerdem, dass im 18. Jahrhundert die Kinder- und Jugendliteratur entsteht – schließlich äußert sich auch darin der pädagogische Impetus der damaligen Zeit. Die Lyrik spielt dagegen, zumindest in der Anfangszeit der Aufklärung, lediglich eine untergeordnete Rolle (nicht „rational“ genug).

Zum Drama: Das Theater entwickelt sich im 18. Jahrhundert zur Bildungsstätte schlechthin. Insbesondere die jungen Intellektuellen zieht es zur Bühne, sofern es ihnen hier möglich ist, den Einfluss, der ihnen auf der politischen „Bühne“ verwehrt ist, auszuleben.

Zum Roman: Der Roman gilt erst seit dem 18. Jahrhundert als anerkannte Gattung. Davor galt lediglich das Heldengedicht (Epos) als eine literarische Form. Als die Geburtstunde des modernen Romans kann in Deutschland Goethes „Werther“ (1774) gelten.

Häufige Topoi der frühen Aufklärungsliteratur:

Verzicht auf „Wunderbares“ => Prinzip der poetischen Wahrscheinlichkeit!

Abwehr von Zufälligkeit und Schicksal zugunsten von Kausalität und Selbstverantwortlichkeit

Alles in der Natur hat seine Ordnung und Gesetzmäßigkeit – und sollte es daher auch in der Kunst haben

Herausstreichen der Beispielhaftigkeit des Geschehens (didaktischer Impetus)

Harmonisierung von autonomen Vernunftgebrauch einerseits und Unterordnung unter die sozialen Institutionen, Werte und Normen andererseits

Zentrale Homologie der Aufklärungsliteratur: Gott : Mensch :: Herrscher : Untertan :: Vater : Familie

2. DIE DRAMENTHEORIE VON GOTTSCHED BIS LESSING (FRÜH- UND HOCHAUFKLÄRUNG)

2.1. Johann Christoph Gottsched (1700-1766):

2.1.1. Zur Person und Situation Gottscheds

GOTTSCHED, Professor in Leipzig, war insbesondere zwischen 1730 und 1740 in allen Bereichen des literarischen Lebens die tonangebende Figur in Deutschland. Zu Recht gilt er als der „Literaturpapst“ der Frühaufklärung; er selbst bezeichnete sich als „praeceptor germaniae“ (Lehrmeister der Deutschen)

Seine wichtigsten Veröffentlichungen:

Gottsched war Herausgeber zweier Wochenschriften – „die vernünftigen Tandlerinnen“ (1725/26); „der Biedermann“ (1727/29) – Übersetzer einer Vielzahl französischer Stücke ins Deutsche sowie führendes Mitglied der „deutschen Gesellschaft“, deren vorrangiges Ziel die Pflege der deutschen Sprache war und die sich daher dafür einsetzte, deutsch als Wissenschaftssprache zu etablieren.

Gottscheds Bedeutung gründet sich jedoch v. a. auf sein poetologisches Hauptwerk „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ (1730) und das darauf folgende, damals äußerst erfolgreiche Musterstück „Der sterbende Cato“ (1731/32)

Darüber hinaus hatte Gottscheds „Grundlegung einer deutschen Sprachkunst“ (1748) großen Einfluss auf die endgültige Festlegung der deutschen Schriftsprache.

Eine Theaterkultur wie in Frankreich oder England gab es in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht („Nullpunktsituation“). Was es gab, waren niveaulose Wanderbühnen, die auf Jahrmärkten auftraten („Pöbeltheater“), und das feudale Hoftheater, das zur Unterhaltung der privilegierten Hofgesellschaft diente (Repräsentationsth.). Beide Theaterformen hatten mit den Idealen der Aufklärung nichts zu tun. Eines der Hauptziele Gottscheds war es daher, das deutsche Theater zu reformieren bzw. so etwas wie ein deutsches Theater überhaupt erst ins Leben zu rufen.

Gottsched orientierte sich dabei vor allem am Theater der Antike (ARISTOTELES, HORAZ) und den Stücken des französischen Klassizismus (CORNEILLE, RACINE, MOLIÈRE); die philosophische Grundlage seiner Poetologie bildet der Rationalismus (LEIBNIZ, WOLFF).

Wie Leibniz und Wolff geht auch Gottsched davon aus, dass das Universum geordnet ist und klaren Regeln folgt. Wahr und gut kann daher nur das sein, was vernünftig ist und nachvollziehbaren Regeln folgt. In seiner „Critischen Dichtkunst“ überträgt Gottsched diese Postulate auf die Kunst.

2.1.2. Gottscheds normative Regelpoetik in der „Critischen Dichtkunst“ von 1730:

In seiner „Critischen Dichtkunst“ (1730) stellt Gottsched eine normative Regelpoetik auf, deren Ziel es ist, den Weg zu einer deutschen Nationalliteratur zu weisen (s.o.); einen besonderen Schwerpunkt legt er dabei auf das Theater, das er zu einer öffentlichen Bildungsinstitution umgestalten will.

Getragen wird seine Poetologie vor allem von zwei Leitmotiven:

1) Die Literatur bzw. das Theater muss klaren und vernünftigen Regeln folgen.
2) Hauptziel muss es sein, den Menschen zu einem vernünftigen und sittlichen Leben zu erziehen.

Beide Regeln sind typisch für das Denken der Frühaufklärung! Gottsched wendet sich mit ihnen nicht zuletzt gegen die Tradition des Barock.

Mimesis und poetische Wahrscheinlichkeit: Im Zentrum der „Critischen Dichtkunst“ steht ARISTOTELES’ Mimesis-Konzept, demzufolge Poesie nichts anderes ist als die „Nachahmung der Natur“ – bzw., auf das Drama bezogen, die „Nachahmung handelnder Menschen“. Gottsched nimmt diesen Gedanken auf und leitet daraus das Prinzip der poetischen Wahrscheinlichkeit ab: Dargestellt werden darf nur das, was wahrscheinlich bzw. glaubwürdig und in diesem Sinn vernünftig ist. Irrationales und Wunderbares dagegen muss unter allen Umständen vermieden werden.

Wenn Gottsched die Kunst als „Nachahmung der Natur“ versteht, meint er demnach also nicht, dass sie mit dieser identisch ist, sondern lediglich, dass sie ihr „ähnlich“ sein sollte.

Regelmäßigkeit: Sofern sich die Kunst an der Natur zu orientieren hat, die aus Sicht des Rationalismus v. a. durch ihre Gesetzmäßigkeit gekennzeichnet ist, ist Literatur nach Gottsched nur dann gut bzw. schön, sofern auch sie nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten folgt. Die betreffenden Gesetzmäßigkeiten bzw. Regeln aufzuzeigen, ist das Anliegen seiner Poetologie. Prinzipiell gilt dabei, dass sich in der Kunst die Ordnung der Schöpfung widerzuspiegeln hat.

Geschmack ist vor diesem Hintergrund nichts Subjektives, sondern etwas Objektives: Was bestimmten Regeln folgt, ist vernünftig und per se schön; Unregelmäßiges dagegen ist unvernünftig und löst daher bei demjenigen, der Geschmack hat, missfallen aus. In diesem Sinn gilt: „die Regeln sind nichts anderes als Vorschriften, wie man es machen muss, wenn man gefallen will.“

Mechanistischer Schaffensprozess: Dass auch die Entstehung eines literarischen Werks nach Gottsched klaren Regeln zu folgen hat, kann vor diesem Hintergrund nicht verwundern. Ausgangspunkt ist ihm zufolge immer ein „moralischer Lehrsatz“. Diesen Lehrsatz gilt es in einem zweiten Schritt in eine Fabel zu kleiden, die dazu geeignet ist, den betreffenden Satz möglichst anschaulich zu vermitteln (Der Begriff Fabel bezieht sich dabei nicht auf die gleichnamige Gattung, sondern ist im Sinne eines Handlungsverlaufs bzw. „Plots“ zu verstehen). Abschließend gilt es, die erdachte „Fabel“ ins Historische zu projizieren, um die Handlung „umso wahrscheinlicher“ erscheinen zu lassen, wie Gottsched sagt.

Wölfel spricht in diesem Zusammenhang von einer „potenzierten Einkleidung“ (Lehrsatz => Fabel => Geschichtlicher Kontext) und weist darauf hin, dass die Notwendigkeit der historischen Einkleidung von Gottsched nicht hinreichend plausibel gemacht werden kann. Anstatt sich aus seiner eigenen Theorie zu ergeben, wird sie von ihm unter dem fadenscheinigen Argument erhöhter „Wahrscheinlichkeit“ aus der barocken Tradition übernommen.

Form: Was die Form betrifft, hält sich Gottsched streng an die Aristotelische Poetik und den französischen Klassizismus: 5-Akte; gebundene Rede (Alexandriner); geschlossene Form

„Prodesse et delectare“: Die Aufgabe der Literatur ist nach Gottsched, der sich dabei auf HORAZ bezieht, eine zweifache: sie soll einerseits Nutzen bringen, andererseits unterhalten bzw. erfreuen („Prodesse er delectare“). Den Schwerpunkt legt Gottsched jedoch eindeutig auf den Nutzen: Während die moralische Erziehung des Menschen ihm zufolge der Zweck von Literatur ist, erscheint deren unterhaltsame Gestaltung lediglich als ein Mittel, diesen Zweck möglichst effektiv umzusetzen.

Heißt: Die künstlerische Einkleidung eines literarischen Werkes hat vor allem die Funktion, die Aufnahme der enthaltenen Lehre zu forcieren bzw. Zu „versüßen“. (eine Poetik des Nutzens; negativ formuliert: moral-didaktische Funktionalisierung der Poesie)

Die 3 Einheiten: Eine der wichtigsten Regeln, die Gottsched in Anlehnung an Aristoteles propagiert, betrifft die Einhaltung der 3 Einheiten. Die Einheit des Ortes und der Zeit begründet er dabei v. a. mit dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit. Sofern Zeitsprünge und Ortswechsel auf der Bühne dem zeitlichen und räumlichen Erleben im Zuschauerraum widersprechen, widersprechen sie zugleich der Forderung nach Wahrscheinlichkeit und sind daher zu vermeiden. So heißt es etwa zur Einheit des Ortes: „Die Zuschauer bleiben auf einer Stelle sitzen, folglich müssen auch die spielenden Personen alle auf einem Platze bleiben, den jene übersehen können, ohne ihren Ort zu ändern.“ Aus demselben Grund sind auch Monologe nach Gottsched zu vermeiden. Da sie unnatürlich wirken, sind sie nicht mit der Forderung nach Mimesis, wie Gottsched sie versteht, in Einklang zu bringen. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Handlung ergibt sich für Gottsched aus der Tatsache, dass jedem Drama ein bestimmter moralischer Lehrsatz zugrunde liegt, von dem Nebenhandlungen nur ablenken würden.

Unterscheidung Komödie / Tragödie: Die Tragödie unterscheidet sich nach Gottsched vor allem in zweifacher Hinsicht von der Komödie:

Während in der Tragödie beim Zuschauer Schrecken („phobos“) und Mitleid („eleos“) ausgelöst werden sollen, geht es in der Komödie darum, Lasterhaftes zu verlachen, um sich auf diese Weise davon zu lösen.

Der zweite Unterschied betrifft die Ständeklausel. Während in der Tragödie nur „vornehme Leute“, heißt: Könige, Fürsten und andere Personen von hohem Stand zu zeigen sind, gilt für die Komödie das Umgekehrte.

Gottsched begründet diese Klausel mit dem Argument der „Fallhöhe“: Je höher die tragischen Figuren stehen, desto erschütternder und unvermeidlicher erscheint ihr Niedergang, wodurch die Wirkung des Stückes gesteigert wird.

Eng damit einher geht Gottscheds Forderung, dass die Helden der Tragödie „Bewunderung“ auszulösen haben – und daher mit moralischer Integrität ausgestattet sein müssen.

„Decorum“:

„Katharsis“ in der Tragödie: Durch die in der Tragödie ausgelösten Affekte (Schrecken, Mitleid und Bewunderung) soll die Aufnahme der moralischen Lehre begünstigt werden; sie sind also bloße Vehikel, die zur Abschreckung (Schrecken), stoischer Haltung (Mitleid) oder Nachahmung (Bewunderung) anregen. Ein weiterer Katharsis-Effekt der Tragödie ergibt sich für Gottsched aus der Ständeklausel: Während den Fürsten durch die Tragödie ein Spiegel vorgehalten wird, erleichtert sie es den Bürgern, sich mit ihrer Situation abzufinden bzw. sie würdig zu tragen. Schließlich erscheint das eigene Leid angesichts des in der Tragödie dargestellten Leids der Großen klein und nichtig. Darüber hinaus fördert die Tragödie die Zufriedenheit mit dem eigenen Stand, sofern sie zeigt, wie hart es die Herrschenden treffen kann.

Die Tragödie, wie Gottsched sie versteht, dient somit nicht zuletzt der Affirmation des Systems; das gesellschaftskritische Moment, wie es sich bei Lessing, noch deutlicher aber bei den Sturm und Drängern findet, gibt es bei ihm noch nicht. Trotz aufklärerischer Motive bleibt er damit im Letzten in feudalen Denkmustern befangen.

„Katharsis“ in der Komödie: Die Komödie, wie Gottsched sie propagiert, entspricht im Wesentlichen der Typenkomödie des französischen Klassizismus (Molière). Gottscheds diesbezüglichen Ausführungen begründen in Deutschland die Tradition der „sächsischen Komödie“. Dargestellt werden keine Charaktere, sondern Typen, die bestimmte Laster repräsentieren (der Geizige, der Eitle etc.); indem die Zuschauer in der Komödie über diese Laster lachen, vermögen sie sich im Leben von ihnen zu lösen. Kurz: die Komödie soll „belustigen und „erbauen“, worum es geht, ist, wie Gottsched sagt, „allgemeine Torheiten lächerlich zu machen.“

Als Paradebeispiel der frühen „sächsischen Komödie“ gilt die Komödie „Die Pietisterey im Fischbein-Rocke“ von Luise Gottsched. 5 Akte, Wahrung der 3 Einheiten, die Figuren bzw. Typen haben sprechende Namen wie „Herr Scheinfromm“, „Familie Glaubeleicht“ etc. Im Zentrum steht wie bei fast allen sächsischen Komödien eine Heiratsintrige.

Harlekin bzw. „Hanswurst“: Der Harlekin bzw. Hanswurst und das Stegreifspiel, die v. a. in den besagten Wanderbühnen eine wichtige Rolle spielten, werden von Gottsched vehement abgelehnt. Sie widersprechen sowohl seinem Ideal der Regelhaftigkeit und Wahrscheinlichkeit, als auch dem pädagogischen Anspruch, dem er dem Theater beimisst.

Gottscheds rationalistische, moralisch-didaktische Regelpoetik hat nicht zuletzt Konsequenzen für das Selbstverständnis der Dichter: Einerseits wird der Dichter aufgewertet, sofern ihm die Aufgabe der moralischen Erziehung zugesprochen wird, andererseits wird er in seiner Freiheit eingeschränkt und seine Kunst zu einem erlernbaren Handwerk degradiert.

2.1.3. „Der sterbende Cato“ (1731/32)

In seiner Tragödie „der sterbende Cato“ hat sich Gottsched darum bemüht, die von ihm aufgestellten Maxime praktisch umzusetzen, um auf diese Weise ein Musterstück zu schaffen, an dem sich andere deutsche Dichter orientieren können.

In der Tat setzt Gottsched in dieser Tragödie seine Poetik nahezu 1:1 um. Die 3 Einheiten werden eingehalten: alles spielt in einem Raum und an einem Nachmittag. Worum es geht, ist der Konflikt Catos, sich entweder Cäsar zu unterwerfen und damit seine republikanischen Ideale aufzugeben oder sich das Leben zu nehmen. Er entscheidet sich für letzteres. 5 Akte, in Alexandrinern geschrieben

Der moralische Lehrsatz des Stücks besagt nach Gottsched, „dass man die Liebe zur Freiheit nicht so weit treiben darf, dass sie sich in Eigensinn verwandelt und zur unmoralischen Handlung des Selbstmordes verleitet.“

Die Tragödie ist enorm erfolgreich und löst in der Folgezeit einen regelrechtren Tragödienboom aus.

2.1.4. Kritik an Gottsched

Die Kritik an Gottsched lässt sich in drei Phasen unterteilen:

1. Phase (1740): Die Literaturfehde zwischen Leipzig und Zürich

Die Züricher BODMER und BREITINGER, beeindruckt von Miltons Epos „Paradise Lost“, sprechen sich für das Wunderbare in der Literatur aus und treten damit in offenen Gegensatz zum Rationalisten Gottsched.

2. Phase (ab 1744): Nicolai und Schlegel

Gottscheds Schüler Johannes Elias Schlegel relativiert den pädagogischen Nutzen der Tragödie (prodesse) zugunsten des Vergnügens (delectare). Eine Tendenz, die sich bei Nicolai noch stärker findet. Ihm zufolge geht es in der Tragödie nicht um die Vermittlung eines moralischen Lehrsatzes, sondern darum, beim Zuschauer „Rührung“ auszulösen.

3. Phase (1759): Lessing

Ihren Abschluss findet die Gottsched-Kritik bei Lessing, der ihm in seinem 17. Literaturbrief (1759) jeglichen Verdienst um das deutsche Theater abspricht.

Lessings scharfe Kritik ist zwar vor dem Hintergrund der damaligen Zeit verständlich, historisch jedoch ungerecht. Bedenkt man die Situation, in der Gottsched seine Poetik entwirft, sind seine Verdienste um die deutsche Literatur nicht zu leugnen. Erst durch ihn sind Lessings Reformen der 60er Jahre überhaupt möglich geworden.

So führte Gottscheds Engagement nicht zuletzt zu einer allgemeinen Aufwertung des Theaters (der Schauspielerberuf, vorher vom Bürgertum geradezu verachtet, wurde wieder gesellschaftsfähig), so dass sich sagen lässt, dass die Entwicklung von der Wanderbühne zum Nationaltheater mit ihm ihren Ausgang nimmt.

2.2. Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

2.2.1. Zur Person und Situation Lessings:

LESSING, Sohn eines protestantischen Pfarrers, ist in Deutschland der führende Literaturkritiker, Journalist, Dramaturg und Dramatiker seiner Zeit. Zu Recht gilt er als einer der wichtigsten Gestalten der deutschen Aufklärung.

Darüber hinaus ist er einer der ersten, der die Existenz eines freien Schriftstellers zu führen versucht. Dieser Versuch scheitert jedoch schon bald nach Abbruch seines Theologiestudiums, so dass Lessing im Laufe seines Lebens zu verschiedensten Anstellungen gezwungen ist. In den letzten Jahren seines Lebens ist er Bibliothekar in Wolfenbüttel.

Als theologischer Schriftsteller gilt Lessing als der Begründer der modernen Religionsphilosophie.

Lessings wichtigsten Werke und Veröffentlichungen in chronologischer Reihenfolge:

Miss Sara Sampson (1755)

Briefwechsel mit Mendelssohn und Nicolai über das Trauerspiel (1756/57)

Briefe, die neueste Literatur betreffend (1759-1765)

Die sog. Literaturbriefe, die Lessing zusammen mit Mendelssohn und Nicolai unter willkürlichen Chiffren herausgab, besprechen literarische Themen aller Art. Sie erschienen wöchentlich und haben die Form eines fiktiven Briefwechsels mit einem verwundeten Offizier. Lessing wendet sich in ihnen v. a. gegen die Regelpoetik Gottscheds.

Philotas (1759)

Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766)

Hamburgische Dramaturgie (1767-69)

Von 1967-69 ist Lessing Dramaturg am neu gegründeten Hamburger Nationaltheater, das jedoch schon nach 2 Jahren aufgrund mangelnder Nachfrage schließen muss. In dieser Zeit gibt Lessing wöchentlich eine Theaterzeitung heraus (die hamburgische Dramaturgie), in der er die aufgeführten Stücke bespricht (Vorbild für die moderne Theaterkritik) und wichtige Elemente seiner Dramentheorie entfaltet.

Minna von Barnhelm oder Soldatenglück (1767)

Emilia Galotti (1772)

Wolfenbütteler Fragmente (1774-1778)

Lessing veröffentlicht die religionskritischen Überlegungen seines verstorbenen Freundes Reimarius und tarnt sie als Funde aus der Wolfenbütteler Bibliothek.

Nathan der Weise (1779)

Die Erziehung des Menschengeschlechts (1780)

War die Frühaufklärung vor allem vom französischen Rationalismus und dem Vernunftgedanken geprägt, spielen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts das Gefühl und die Subjektivität des Einzelnen eine zunehmend größere Rolle. Diese Tendenz, die anders als vielfach behauptet wird, keine Gegenbewegung zur Aufklärung, sondern eine Ergänzung darstellt, schlägt sich in der literarischen Strömung der „Empfindsamkeit“ nieder (ca. 1740 – 1785).

Bedeutende Vertreter dieser Strömung sind KLOPSTOCK und GELLERT.

Ihren Ursprung hat die „Empfindsamkeit“ nicht zuletzt im protestantischen Pietismus, weshalb sie oft als „säkularisierter Pietismus“ gedeutet wird.

Kennzeichen der Empfindsamkeit sind die Verweltlichung des religiösen Naturgefühls, der Rückzug ins Innere bzw. ein gesteigertes Interesse an den eigenen Stimmungen und Regungen, Gefühlsüberschwang und Schwärmerei (bis zu sanfter Tränenseligkeit) und Freundschaftskult.

Einher geht die Empfindsamkeit mit einer vermehrten Rezeption des englischen Empirismus bzw. Sensualismus, den Anfängen einer empirischen Psychologie (in diesem Sinn geht es der Empfindsamkeit nicht zuletzt um eine nach Innen, auf die eigenen Gefühle und Wahrnehmungen gerichtete Aufklärung) und der Entwicklung des Geniekultes; die Empfindsamkeit mündet in den Sturm und Drang.

Philosophisch bedeutsam werden in dieser Zeit u. a. die Werke ROUSSEAUS (1712 - 1778) sowie die englische Moralphilosophie, wie sie etwa von SHAFTESBURY (1671 –1713) und HUTCHESON (1694-1746) vertreten wird (beide haben großen Einfluss auf Lessing).

ROUSSEAU in Schlagworten: Der Mensch ist von Natur aus gut; durch Kultur und Vergesellschaftung hat er sich jedoch von sich selbst entfremdet => Daher Rousseaus Utopie des „edlen Wilden“, der in einem ursprünglichen Naturzustand lebt, ausschließlich aus Selbstliebe („amour de soi“) und Mitleid („pitié“) handelt und daher niemandem etwas Böses will. Das Mitleid ist für Rousseau der Ursprung aller sozialen Tugend. Außerdem: Betonung von Freiheit, Unschuld, Natur und Gefühl. „Das Gefühl ist mehr als die Vernunft.“ Einen besonders großen Einfluss auf die Empfindsamkeit hatte Rousseaus Briefroman „La nouvelle Héloise“, in dem es, ähnlich wie in Goethes Werther, um die letztlich unmögliche Liebe eines bürgerlichen Intellektuellen zu einer Adligen geht.

Die Moralphilosophie von SHAFTESBURY und HUTCHESON in Schlagworten: Die „moral sense philosophy“ richtet sich gegen die negative Anthropologie HOBBES („Leviathan“), demzufolge der Mensch von Natur aus schlecht ist und daher der staatlichen Kontrolle und Ordnung bedarf („homo homini lupus“ = der Mensch ist dem Menschen ein Wolf; den hypothetischen Naturzustand, den Rousseau für das Erstrebenswerte hält, beschreibt Hobbes als einen „Kampf aller gegen alle“). Die „moral sense philosophy“ dagegen hält den Menschen für gut. So beschreibt Hutcheson Moral als einen angeborenen Sinn, durch den gewährleistet ist, dass wir gut und böse als solche empfinden. Vor allem das Mitleid („pity“) wird von den englischen Moralphilosophen (genau wie von Rousseau) als ein natürlicher Trieb des Menschen verstanden.

2.2.2. Lessings Dramentheorie:

Lessing verfolgt dasselbe Ziel wie Gottsched: auch ihm geht es um die Etablierung einer deutschen Theaterkultur. „Wir haben kein Theater. Wir haben keine Schauspieler. Wir haben keine Zuhörer.“, klagt er in einem seiner Literaturbriefe (Brief 81).

Das von ihm angestrebte Nationaltheater ist für ihn dabei gleichbedeutend mit einem bürgerlichen Theater (Nicht umsonst spricht er im 17. Literaturbrief vom „Volk“ im Gegensatz zum Hof). Verwirklicht sieht er dieses Ideal v. a. in England.

Die Regelpoetik Gottscheds lehnt er in nahezu allen Belangen ab. Aus seiner Sicht hat diese Poetik die Lage des deutschen Theaters nicht verbessert, sondern verschlimmert (17. Literaturbrief)

Die wichtigsten Aspekte des 17. Literaturbriefes (1759):

1) Lessings radikale Absage an Gottsched läutet seine eigenen Theaterreformen in den 60ern ein und markiert gewissermaßen den Beginn der Hochaufklärung.
2) Dem französischen Klassizismus stellt Lessing das englische Theater, insbesondere die Dramen Shakespeares, entgegen. In letzterem sieht er die Idee des Naturgenies verwirklicht. Trotzdem misst Lessing, anders als später Herder und Goethe, Shakespeare an der aristotelischen Poetik. Sein Wert liegt aus seiner Sicht darin, diese Poetik, auch wenn er sie womöglich gar nicht gekannt hat, in ihren wesentlichen Punkten besser umgesetzt zu haben, als die französischen Klassizisten. An ihm hat sich das deutsche Theater daher zu orientieren.

Damit ist Lessing derjenige, der die Shakespeare-Rezeption in Deutschland einläutet (die v. a. für die Dramentheorie des Sturm und Drang bedeutsam werden wird);

Neue Funktionsbestimmung der Tragödie: Auch Lessing beruft sich mit seiner Dramentheorie auf die aristotelische Poetik. Er interpretiert diese jedoch völlig anders als Gottsched. Das entscheidende Ziel der antiken Tragödie ist aus seiner Sicht nicht die Vermittlung eines moralischen Lehrsatzes, sondern die Erregung von Mitleid und Furcht. Lessing zufolge sind es also die beim Zuschauer ausgelösten Affekte, auf die es in der Tragödie ankommt, sie sind kein Mittel (Gottsched), sondern deren Zweck!

Neues Katharsis-Verständnis: Diesen Überlegungen entspricht Lessings’ Katharsis-Verständnis. Die Leidenschaften, die in der Tragödie gereinigt werden, sind aus seiner Sicht das Mitleid und die Furcht – und zwar durch das Mitleid und die Furcht, die die Tragödie beim Zuschauer auslöst. Es geht darum, wie er sagt, „dass unser Mitleid und unsere Furcht, durch das Mitleid und die Furcht der Tragödie, gereiniget werden sollen“ (78.Stück). „Reinigung“ meint dabei keine Minderung der besagten Leidenschaften, sondern eine Steigerung. Mitleid und Tugend sind für Lessing nämlich nicht klar voneinander zu trennen. Vielmehr gründet unsere Tugend in unserer Fähigkeit, Mitleid zu empfinden. In diesem Sinn schreibt er in einem Brief an Nicolai (1956): „Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch.“ Dem entspricht Lessings Überzeugung, dass derjenige, der uns mitleidiger macht, uns zugleich besser und tugendhafter macht. Die Bestimmung der Tragödie bzw. ihr eigentlicher Katharsis-Effekt besteht für Lessing daher darin, „unsere Fähigkeit, Mitleid zu fühlen, […] zu erweitern.“ (Ebd.)

Kurz: Die Leidenschaften Furcht und Mitleid sind nicht nur der Auslöser, sondern zugleich das Ziel der Katharsis. Furcht ist dabei ein Teilaspekt des Mitleids (s.u.). Im Letzten geht es in der Tragödie, wie Lessing sie versteht, daher um nichts anderes, als darum, unser Mitleid zu „trainieren“.

Die Tragödie ist „ein Gedicht, welches Mitleid erreget.“ (Hamburgische Dramaturgie)

Um diese These zu stützen, übersetzt Lessing „phobos“ nicht als „Schrecken“ (wie die Franzosen und Gottsched, denen er eine Fehlinterpretation vorwirft), sondern als „Furcht“; „Furcht“ wiederum interpretiert er als ein „auf uns selbst bezogenes Mitleid“; gemeint ist also die Furcht, dass das, was dem Helden passiert, auch uns zustoßen könnte! (75. Stück)

Die klassische Philologie hat mittlerweile nachgewiesen, dass es sich bei dieser Interpretation um ein produktives Missverständnis handelt. „Eleos“ ist als „Jammer“, „phobos“ als „Schauder“ zu übersetzen. „Katharsis“ ist im Sinne einer „Triebreduktion“ zu verstehen: Indem die besagten Leidenschaften bzw. negativen Affekte in der Tragödie ausgelebt werden können, werden sie zugleich abgebaut. Lessing liest Aristoteles durch die Brille seiner Zeit (beeinflusst vom christlichen Verständnis von Mitleid, Rousseau und der „moral sense philosophy“)

Furcht und Mitleid sind dabei aus Lessings’ Sicht nicht voneinander zu trennen, sondern bedingen sich wechselseitig: Nur das löst Mitleid bei uns aus, von dem wir zugleich fürchten, dass es auch uns selbst zustoßen könnte; umgekehrt fürchten wir uns nur vor dem, das wir beim anderen bemitleiden. (75.Stück)

Das Prinzip der Identifikation: Mitleid kann nur dort entstehen, wo sich der Zuschauer mit dem Geschehen bzw. den Figuren auf der Bühne identifiziert (Illusionstheater). Aus diesem Grund wendet sich Lessing gegen eine unrealistische Heroisierung (barockes Märtyrerdrama). Wo der Zuschauer die Figuren auf der Bühne nur bewundert, gerät er aus seiner Sicht zwangsläufig in Distanz zu ihnen; Einfühlung wird dadurch von vornherein ausgeschlossen. Lessing fordert daher Figuren, die „vom gleichen Schrot und Korn“ wie die Zuschauer sind.

Das impliziert aus seiner Sicht vor allem zweierlei:

1) müssen die Figuren realistisch gezeichnet sein, es muss sich also, wie Lessing sagt, um „gemischte Charaktere“ handeln, die als solche „weder nur gut, noch völlig böse“ sind (psychologischer Realismus) Das Unglück ist nicht die Folge blinden Schicksals, sondern die Folge eines tragischen Fehlers.
2) kann bzw. muss die Ständeklausel aufgehoben werden. „Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stück zwar Pomp und Majestät verleihen“, wie Lessing schreibt, sie tragen aber nichts zur „Rührung“ bei. Im Gegenteil: Gerade die Schicksale, die dem eigenen Schicksal am nächsten kommen, dringen seiner Ansicht nach am tiefsten in die Seele. Während Gottsched mit der Fallhöhe argumentiert, argumentiert Lessing also genau umgekehrt.

Daraus folgt für Lessing jedoch keineswegs, dass auf herrschaftliches Personal verzichtet werden muss. Er fordert lediglich, dass Könige usw., wenn sie auf die Bühne kommen, nicht in ihrer abstrakten Funktion als Herrscher und Helden, sondern als Menschen (Väter, Söhne etc.) dargestellt werden sollten, d.h.: in ihren persönlichen und familiären Bindungen!

Die Tragödie, wie Lessing sie versteht, schildert also keine „Haupt- und Staatsaktionen“ mehr, sondern die intimen Probleme einzelner Privatleute, die nicht an einem übermächtigen Schicksal-, sondern an den Folgen ihrer eigenen Handlungen scheitern.

Die Tragödie als intime, bürgerliche und psychologische Gattung!

Figurenrealismus => Sprachrealismus: Nicht zuletzt durch eine alltagsnähere und realistischere Sprache soll die Identifikation mit den Figuren erleichtert werden. Lessing setzt sich daher als erster dafür ein, im Drama die ungebundene Rede zu verwenden.

Zu den drei Einheiten: Das, worauf es Aristoteles ankommt, ist aus Lessings Sicht die Einheit der Handlung. Letztere sollte „simpel und natürlich, wahr und menschlich“ sein. Sie sollte also nicht konstruiert wirken, sondern sich logisch, als eine „Kette von Ursachen und Wirkungen“, entfalten - und zum Leben der Zuschauer in Bezug stehen. Die Einheit des Ortes und der Zeit sind dagegen sekundär und stehen der Einheit der Handlung sogar oft im Weg, insofern sich durch ihre pedantische Einhaltung oft Unwahrscheinlichkeiten ergeben.

Poetische Nachahmung der Natur: Dem Gottschedschen Mimesis-Begriff stellt Lessing sein Konzept der poetischen Nachahmung entgegen. Diese Form der Nachahmung zeichnet sich dadurch aus, das Wesentliche und Typische darzustellen, Unwichtiges und Zufälliges dagegen bewusst wegzulassen.

Damit schafft Lessing die Voraussetzungen für ein modernes Kunstverständnis.

Zur Komödie: (1) Lessing unterscheidet zwischen „Lachen“ und „Verlachen“; Ziel der Komödie ist seiner Ansicht nach ersteres. Ihr Katharsiseffekt bzw. Nutzen liegt im „Lachen selbst“; sie schult unsere „Fähigkeit, das Lächerliche zu bemerken“, wie er sagt. Zwar kann sie uns nicht von einzelnen Lastern heilen (wie Gottsched zu meinen scheint), wohl aber „die Gesunden in ihrer Gesundheit befestigen“ (29. Stück);

(2) Im Gegensatz zu Gottsched (Typenkomödie) vertritt Lessing die These, dass das Entscheidende der Komödie (anders als in der Tragödie) die Charaktere sind und nicht die Situation (Stück 51).

(3) Auch die Tugend kann nach ein Lessing ein Thema der Komödie sein und Rührung eines ihrer Elemente

Damit wendet sich Lessing von der sächsischen Komödie ab und legt die Grundlage für das „ernste Lustspiel“, das sich im 18. Jahrhundert als eigene Gattung konstituiert.

Allgemeiner Vergleich zu Gottsched bzw. zur heroischen Tragödie des Barock:

1) Auch Lessing spricht dem Theater eine moralische Bedeutung zu. Der pädagogische Impetus bleibt also enthalten. Im Gegensatz zu Gottsched geht es Lessing jedoch nicht um Belehrung, sondern um Läuterung.

Die Tragödie transportiert aus seiner Sicht weniger einen moralischen Inhalt, sondern hat vielmehr eine moralische Wirkung. Dementsprechend wird das, worum es in ihr eigentlich geht, nicht rational übernommen, sondern emotional erfahren.

2) Vernunft => Gefühl; Rationalismus => Rousseau und „moral sense philosophy“; Regelpoetik => Wirkungspoetik

3) Eng damit einher geht ein weiterer Unterschied: Während Gottsched, sich an den französischen Klassizisten orientierend, Dichtung als erlernbares Handwerk versteht, das sich vor allem durch die genaue Befolgung von Regeln auszeichnet, spricht Lessing, dessen Vorbild Shakespeare ist, dem Dichter Gestaltungsfreiraum und Genialität zu. Die Güte von Literatur ergibt sich für ihn aus der Wirkung und nicht aus den zugrunde gelegten Regeln.

4) Endgültige Überwindung der feudalen Theatervorstellung hin zu einem bürgerlichen Theater

5) Die Verursachung des Tragischen wird in den Menschen und die Welt verlegt. An die Stelle des Schicksals (heroische Tragödie) treten das Handeln und die Fehler des Einzelnen.

Guthke bezeichnet das bürgerliche Trauerspiel daher auch als eine „Gattung der Säkularisation“

6) Dem heroischen Stoizismus der barocken Tragödie wird die bürgerliche Empfindsamkeit gegenübergestellt.

3. DIE WICHTIGSTEN DRAMEN LESSINGS

3.1. Allgemeine Vorbemerkungen zum bürgerlichen Trauerspiel

3.1.1. Entstehung und allgemeine Kennzeichen:

Das bürgerliche Trauerspiel entsteht in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Als das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel gilt Lessings „Miss Sara Sampson“ (1755).

Als eine Vorstufe kann Gryphius’ „Cardenio und Celinde“ (um 1649) gelten, das allerdings nur aus Quellentreue im bürgerlichen Milieu angesiedelt ist und ansonsten ganz in der Form der heroischen Tragödie gehalten ist.

Vorbilder aus England: Lillos „Der Kaufmann von London“ (1731)

Der Begriff „bürgerlich“ bezieht sich dabei zunächst weniger auf ein bestimmtes soziales Milieu, schon gar nicht auf ein selbstbewusstes Bürgertum, sondern wird vor allem im Sinne von „menschlich“, „privat“ und „familiär“ verwendet. Auch in bürgerlichen Trauerspielen können daher durchaus Adlige auftreten; entscheidend ist lediglich, dass sie als Menschen (Väter, Söhne etc.) dargestellt- und in ihrem „häuslichen“, statt „höfischen“ Umfeld gezeigt werden.

WIELAND (1773) spricht vor diesem Hintergrund auch vom „Privat-Trauerspiel“.

Trotzdem lässt sich im Hinblick auf die soziologische Komponente des Begriffs sagen, dass die Hauptfiguren des bürgerlichen Trauerspiels von Anfang an dem „Mittelstand“ angehören; dazu zählen zwar auch niedrige Adlige und Angehörige des Kleinbürgertums – die „Großen“ (Könige und Fürsten) auf der einen - und der „Pöbel“ auf der anderen Seite treten jedoch nicht bzw. allenfalls am Rande auf.

Dass der Begriff „bürgerlich“ zunächst nicht in einem politisch-soziologischen Sinn verwendet wird, entspricht dem damaligen Selbstverständnis des Bürgertums: Man definierte sich weniger über den eigenen Stand, als über die moralische Gesinnung.

Indem man sich über einen „bürgerlichen“ Moralkodex und vorbildliches Verhalten definierte, versuchte man sich vom Hochadel abzugrenzen und die eigene politische Ohnmacht zu kompensieren (Moralische statt politische Überlegenheit).

Der tugendhaften Welt der bürgerlichen Familie (gefährdete Tochter; dominierende Vaterfigur), deren Zusammenleben v. a. durch Liebe und Gefühl gekennzeichnet ist, wird die intrigante, von kaltherzigem Kalkül bestimmte Hofwelt gegenübergestellt.

Auch die frühen bürgerlichen Trauerspiele haben daher eine, wenn auch meist nur latente, politische Dimension. In ihnen drückt sich das neue Selbstbewusstsein des Bürgertums aus, das die eigenen Ansprüche und Ideale, wenn auch zunächst nur im ethischen Bereich und auf kultureller Ebene, zunehmend offen artikuliert.

Kennzeichen des bürgerlichen Trauerspiels:

1) Dargestellt werden Figuren aus dem Leben („gemischte Charaktere“), keine alltagsfernen Helden;
2) Es geht um private Ereignisse; genauer: um familiäre Konflikte und nicht um politische ( heroische Tragödie)
3) Gegenwartsnähe des Stoffes
4) Prosa (auch darin zeigt s. d. unheroische Charakter d. bürgerlichen Trauerspiels)
5) Zum Ausdruck gebracht werden die moralische Gesinnung und das Lebensgefühl des Bürgertums

3.1.2. Entwicklung:

GERO VON WILPERT (Sachwörterbuch der dt. Literatur) unterscheidet 3 Phasen des bürgerlichen Trauerspiels:

1. Phase: Thema: Entfaltung der bürgerlichen Prinzipien; meist im Zusammenstoß mit der Willkür des Adels; Ziel: zunächst v. a. von der Empfindsamkeit geprägt (LESSING: Miss Sara Sampson), später zunehmend politisch (SCHILLER: Kabale und Liebe)
2. Phase: Thema: Konflikte innerhalb des eigenen Standes; das Individuum als Opfer der kleinbürgerliches Moral und pedantischen Pflicht- und Ehrgefühls; Ziel: Darstellung der inneren Tragik des Bürgertums (HEBBEL: Maria Magdalena)
3. Phase: Thema: Zusammenstoß mit dem aufkommenden Arbeiterstand; Ziel: kritische Entlarvung des selbstzufriedenen Bürgertums (Naturalismus; IBSEN, HAUPTMANN)

3.2. Lessing, „Miss Sara Sampson. Ein Trauerspiel.“(1755)

3.2.1. Formales:

„Miss Sara Sampson“ markiert die erste, „empfindsame“ Phase des bürgerlichen Trauerspiels. Das Stück hatte großen Erfolg und löste eine regelrechte Modewelle aus.

Das Attribut „bürgerlich“ zielt dabei nicht auf den dritten Stand, sondern auf das private Umfeld und die rührende Wirkung des Stücks.

Man spricht daher auch vom „empfindsamen bürgerlichen Trauerspiel“ (s.u.).

Der gesellschaftliche Hintergrund der Figuren wird allenfalls angedeutet; gesellschaftskritische Elemente finden sich so gut wie nicht.

Zu nennen sind hier allenfalls die Hinweise auf Mellefonts höfisches Libertin-Leben und die Szene, in der Sir William seinen Diener Waitwell für gleichberechtigt erklärt. Diese, ohnehin äußerst dezenten kritischen Impulse werden jedoch zusätzlich abgeschwächt, indem Lessing die Handlung nach England verlegt.

Die Einheit des Ortes und der Zeit werden weitgehend gewahrt (2 englische Gasthöfe; Handlungszeit: ein Tag.); die Handlungsstruktur ist jedoch komplexer und weniger eindeutig als im barocken Trauerspiel.

Je nachdem, ob man den Schwerpunkt auf den Vater-Tochter-Konflikt oder den Konflikt zwischen Marwood und Sara legt, lassen sich 2 Höhepunkte unterscheiden:

1) Waitwell übergibt Sara den Brief (Versöhnungsangebot des Vaters): III; 3
2) Begegnung zwischen Marwood und Sara: IV, 8

Tragische Fehler: Die Katastrophe bricht nicht von außen über die Figuren herein, sondern wird durch sie selbst herbeigeführt! Sir William, der zu spät verzeiht; Sara, die flieht, anstatt sich um Ausgleich zu bemühen; Mellefont, der die Hochzeit hinauszögert.

Selbstbestimmung des Menschen statt blinder Schicksalsverfallenheit (typisch Aufklärung).

Den statischen Figuren des Barocktheaters stellt Lessing dynamische Figuren entgegen. Der Dialog dient daher nicht nur dazu, die verschiedenen Positionen darzustellen (Barocktheater), sondern liefert den Figuren Entwicklungsimpulse.

Sara entwickelt sich durch ihr Gespräch mit Waitwell und ihre Begegnung mit Marwood zu wirklicher Tugendhaftigkeit; Mellefont folgt ihrem Beispiel.

Veränderlichkeit des Menschen (auch das: typisch Aufklärung“)

3.2.2. Inhaltliches und Interpretationsansätze:

Figurenkonstellation:

Vielschichtigere Figuren: „gemischte Charaktere“

Sir William macht es sich zum Vorwurf, seiner Tochter nicht von Anfang an vergeben zu haben.

Mellefont ist hin- und hergerissen zwischen seiner aufrichtigen Liebe zu Sara und seinem Freiheitsbedürfnis. Er zögert die Ehe bewusst hinaus; ist aber alles in allem „mehr unglücklich, als lasterhaft“ wie Saras Vater am Ende bemerkt.

Auch Sara ist nicht makellos, sondern findet erst im 5. Akt zu wirklicher Tugend.

Ihre Flucht vorm Vater kann als tragischer Fehler gewertet werden.

Darüber hinaus hat sie einen Hang zur Selbstgefälligkeit, was v. a. im Dialog mit Waitwell und der Auseinandersetzung mit Marwood zum Ausdruck kommt. Ad 1) Selbst Waitwell hält Saras Weigerung, den Brief ihres Vaters zu lesen, für unnatürlich. Ad 2) Sara fürchtet sich davor, dass Mellefonts Verwandte („Lady Solmes“) eine von den Frauen ist, die sich mit ihrer Tugend über andere erheben. De facto ist sie selbst es, die sich später über Marwood erhebt.

Nur Marwood, deren antikes Vorbild Medea ist, bleibt im Letzten der klassische Bösewicht.

Die inneren Konflikte der Figuren:

Die Figuren des Stücks befinden sich in permanenter Gefühlserregung, was sich nicht zuletzt darin ausdrückt, dass sie immer und immer wieder zu weinen anfangen.

Empfindungen zu haben und sie zum Ausdruck zu bringen, wird dabei als ein Zeichen von Menschlichkeit dargestellt => „Ethos der Empfindsamkeit“ (entspricht dem bürgerlichen Ideal der Natürlichkeit, Wahrhaftigkeit und Mitmenschlichkeit)

Abzugrenzen ist die moralisch positiv bewertete Empfindsamkeit, die die Grenzen der Vernunft nicht überschreitet, zum einen vom rationalistischen Kalkül und der Kunst der Verstellung, zum anderen von den ungezügelten Leidenschaften, die bar jeder Vernunft sind. Beides (Kalkül und Leidenschaft) wird von Marwood repräsentiert.

Sir William bittet Waitwell, er solle seine Tochter beim Lesen des Briefes genau beobachten; schließlich könne sie die Kunst der Verstellung, in seinen Augen eine „Larve des Lasters“, in der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit noch nicht gelernt haben (III, 1).

Marwoods Intrigen gelingen nicht zuletzt durch ihr gekonntes Minenspiel (Rolle und Maske)

Verinnerlichung und Individualisierung der Moral (typisch für die Aufklärung): Zur entscheidenden Instanz wird das eigene Gewissen, das eigene Ich, die eigenen Empfindungen!

Sara betont, dass sie Mellefont nicht „um der Welt willen“, sondern um ihrer selbst willen heiraten will. Es geht ihr also nicht um die Einhaltung gesellschaftlicher Konventionen, sondern um die Beruhigung ihres Gewissens. Anders Marwood, der es um die Wahrung ihres guten Namens geht.

Auch Sir William misst die Verfehlungen seiner Tochter nicht an den damals gängigen Normen, sondern an seinem eigenen Empfinden. „Das Gewissen ist doch mehr als die ganze uns verklagende Welt“, sagt er zu Waitwell.

Die Individualisierung der Moral wird jedoch nicht nur positiv dargestellt, sondern auch kritisch beleuchtet => Sie führt zu Orientierungskrisen (Vgl. Mellefonts Zögern hinsichtlich der Eheschließung; Saras Krise etc.)

Ziel der Tragödie: Mitleid fördern => Humanisierung der sozialen Beziehungen. Der Zusammenhang von Mitleid und Humanität wird dabei an den Figuren exemplarisch verdeutlicht:

Sir William, der seine Tochter aufgrund ihrer Verfehlung nicht verstößt und sich entgegen der gesellschaftlichen Konventionen dazu bereit erklärt, Marwoods und Mellefonts Tochter Arabella aufzuziehen.

Hat Sara anfangs die Tendenz, sich über andere zu erheben, ist ihre Haltung am Ende des Stücks von Mitleid geprägt. Ihr „Vermächtnis“ ist Vergebung: Sie verzeiht nicht nur Mellefont und ihrer Dienerin Betty (die ihr das Gift aus der Hand Marwoods verabreicht hat); sondern, indem sie Marwoods Brief zerreißt, sogar ihrer Mörderin.

Dadurch wird sie im 5. Akt zum Inbegriff der Menschlichkeit verklärt; sie ist nicht mehr die „irdische Tochter“, wie Sir William sagt, sondern schon „halb ein Engel“. Ihren Tod trägt sie mit äußerster Fassung. Ganz kann sich Lessing von der Tradition des barocken Märtyrerdramas also nicht lösen.

3.3. Lessing, „Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel“ (1767)

3.3.1. Inhaltliches:

Historischer Hintergrund (Vorgeschichte): Der siebenjährige Krieg zwischen Preußen und Österreich (1756-1763); Major von Tellheims Aufgabe während dieses Krieges war es, in Sachsen (Verbündeter Österreichs) Kriegskontributionen (Kriegssteuern) für die preußischen Besatzungstruppen einzutreiben. Letzteres hat er nicht mit der geforderten Strenge getan, sondern sich mit der Minimalsumme zufrieden gegeben und das fehlende Geld aus eigener Tasche vorgestreckt. Aus diesem Grund wird ihm vom preußischen Staat nun Bestechlichkeit vorgeworfen. Er wird unehrenhaft verabschiedet und das ihm zustehende Geld bis auf weiteres einbehalten.

Kurzinhalt: In dieser Situation setzt die Handlung ein (22. August 1763). Tellheim befindet sich mit seinem einzig verbliebenen Diener Just in einem Berliner Gasthof und wartet dort auf den Ausgang seines Prozesses. Als das sächsische Edelfräulein Minna von Barnhelm eintrifft und der Wirt ihm deshalb ein schlechteres Zimmer zuweisen will, beschließt Tellheim abzureisen. Er will durch seinen Diener seinen Verlobungsring beim Wirt versetzen lassen, doch Minna erkennt den Ring als den ihren wieder. Sie stellt Tellheim zur Rede, ob er sie noch liebe. Aus gekränktem Ehrgefühl glaubt Tellheim ihrer nicht mehr Wert zu sein. Der Bruch scheint unvermeidlich, aber Minna greift zu einer List: Sie vertauscht ihren eigenen Verlobungsring mit dem Tellheims, den sie vom Wirt erhalten hat, und gibt ihm mit gespielter Verbitterung diesen Ring zurück. Dazu behauptet sie, seinetwegen von ihrem Oheim enterbt worden zu sein. Nun ist es Ehrensache für Tellheim, die scheinbar so unglückliche Minna zu heiraten. Am Ende wird Tellheim vom König ohnehin rehabilitiert (deus-ex-machina-Schluss), so dass dem glücklichen Ausgang nichts mehr im Wege steht.

[...]


1 Verfügbar unter: http://www.kmk.org/

2 Reinhart Koselleck: Einleitung, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, Klett Cotta, Stuttgart 1979, S. XV.

3 Erschienen in: Berlinische Monatsschrift. Dezember-Heft 1784. S. 481-494; verfügbar unter: http://www.uni- potsdam.de/u/philosophie/texte/kant/aufklaer.htm [08.09.2011]

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Examenshilfe - Neuere deutsche Literaturwissenschaft
Untertitel
Epochen & Dramen von Gottsched bis Brecht
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Autor
Jahr
2008
Seiten
128
Katalognummer
V180042
ISBN (eBook)
9783656027935
ISBN (Buch)
9783656028130
Dateigröße
2549 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Schriftliches Staatsexamen, Epochen, Dramen, Lernhilfe
Arbeit zitieren
Josua Handerer (Autor:in), 2008, Examenshilfe - Neuere deutsche Literaturwissenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180042

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