Die Frage „ob die deutschen Unternehmen sich am NS-Unrechtsstaat beteiligt haben“ stellt inzwischen niemand mehr. Aber seit 1995 wird in der deutschen Öffentlichkeit eine sehr rege Diskussion darüber geführt, wie stark die deutschen Firmen in die Geschehnisse während der NS-Diktatur verwickelt waren. Diese Frage führte dazu, dass sich nach 1995 zahlreiche neue wissenschaftliche Studien mit diesem Thema beschäftigen.
Bezüglich der Rolle der Unternehmen während der NS-Diktatur könnte man auch die Fragen aufwerfen: Was für eine Rolle haben die deutschen Unternehmen während des Aufstiegs der NSDAP und der Etablierung des NS-Regimes gespielt? Wie intensiv profitierten die deutschen Firmen durch den Aufstieg der NSDAP und die Etablierung des Unrechtsstaats? Oder welche politischen und wirtschaftlichen Verschränkungen führten zu der „schrittweisen Anpassung“? Was waren die Handlungsmotive der Unternehmen, um bis zum letzten Abgrund der NS-Diktatur zu folgen?
Welche politisch-ideologischen Konfliktpunkte wurden durch die Zusammenarbeit erzeugt?
Wie wurden die Unternehmen in das NS-Regime eingebunden und welche Zwangs- und Reglementierungsmaßnahmen ergriff das Regime, um die deutschen Unternehmen in die Kriegswirtschaft einzuspannen?
Hatten die Unternehmen Möglichkeiten, sich gegen die Reglementierungsmaßnahmen zu wehren? Gab es Handlungs- oder Entscheidungsspielräume bzw. „Betriebsautonomie“? Wenn ja, haben sie von dieser „Betriebsautonomie“ Gebrauch gemacht? Und schließlich: gab es einen individuellen oder organisierten Widerstand in Bezug auf wirtschaftliche Tätigkeit gegen den Unrechtsstaat?
Diese Hausarbeit beabsichtigt, die Handlungsspielräume der deutschen Unternehmen - im Maschinenbaubereich - während des NS-Regimes zu untersuchen und anhand von konkreten Beispielen zu zeigen, dass die Unternehmen trotz intensiver Verwicklung in das NS-Regime wohl Entscheidungsspielräume hatten und sie davon auch Gebrauch machten. D.h. die privaten deutschen Unternehmen hatten während der NS-Zeit ihre betriebliche Autonomie nicht vollständig verloren, sondern konnten einen Teil ihrer wirtschaftlichen Ziele gegen die Obrigkeit durch verschiedene Maßnahmen durchsetzen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Verhältnis der Unternehmen zum NS-Regime
- Lenkungsmöglichkeiten des NS-Staates und Handlungsspielraum
- Epocheneinteilung nach dem Handlungsspielraum
- Integration der Unternehmen in das NS-System: 1933-1939
- Kriegswirtschaft bis zum Speerschen System: 1939-1942
- Speersche Ausschuss- und Ringsysteme: 1942-1944
- Überlebensreflex der Unternehmen und Dissens: 1944-1945
- Politisch-ideologische Konfliktpunkte
- Arisierung der Betriebe — das sogenannte Judenproblem
- Unternehmensinterne Betriebspolitik - die Einmischung der DAF
- NS-Regime und personelle Verstrickung der Unternehmer
- Unternehmensleitung und kriegswirtschaftliche Struktur
- Handlungsspielraum und Zwangswirtschaft
- Preiskontrolle durch Reglementierung
- Produktions- und Exportbeschränkung
- Rohstoff- und Arbeitskräftekontingentierung
- Zwangsauslese der Unternehmen durch Rationalisierung
- Selbstverwaltungsmöglichkeiten
- Die Struktur der Selbstverwaltungsorgane
- Die Funktion der Ausschüsse und Handlungsspielraum
- Von der Zusammenarbeit zur Opposition?
- Fazit
- Literaturverzeichnis
- Das Verhältnis von Kooperation und Dissens zwischen Unternehmen und NS-Regime
- Die Integration der Unternehmen in das NS-System und die damit verbundenen Handlungsspielräume
- Politisch-ideologische Konfliktpunkte, wie z.B. die Arisierung und die Einmischung der DAF
- Die Zwangsmaßnahmen des NS-Regimes und die Auswirkungen auf die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen
- Die Rolle von Selbstverwaltungsorganen und die Möglichkeiten der Unternehmen, ihre Interessen zu vertreten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Handlungsspielräume deutscher Unternehmen im Maschinenbaubereich während des NS-Regimes. Anhand konkreter Beispiele wird gezeigt, dass die Unternehmen trotz intensiver Verwicklung in das NS-Regime wohl Entscheidungsspielräume hatten und sie auch nutzten. Die Arbeit beleuchtet die Frage, inwieweit die privaten deutschen Unternehmen während der NS-Zeit ihre betriebliche Autonomie verloren haben und in welchem Umfang sie ihre wirtschaftlichen Ziele gegen die Obrigkeit durchsetzen konnten.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach den Handlungsspielräumen deutscher Unternehmen im Maschinenbaubereich während der NS-Zeit und skizziert die wichtigsten Aspekte der Arbeit. Das erste Kapitel analysiert das Verhältnis zwischen Unternehmen und NS-Regime, wobei die Lenkungsmöglichkeiten des NS-Staates und die Handlungsspielräume der Unternehmen im Vordergrund stehen. Das Kapitel unterteilt die NS-Zeit in vier Phasen, die sich durch den jeweiligen Grad der Entscheidungsfreiheit der Unternehmen auszeichnen. In der ersten Phase (1933-1939) versuchten die Unternehmen, sich in das NS-System zu integrieren. Die zweite Phase (1939-1942) war durch die Kriegswirtschaft geprägt, die den Unternehmen zwar hohe Gewinne, aber auch massive Eingriffe in ihre Autonomie brachte. Die dritte Phase (1942-1944) war durch die Speerschen Ausschuss- und Ringsysteme gekennzeichnet, die den Unternehmen mehr Selbstverantwortung einräumten. In der letzten Phase (1944-1945) kämpften die Unternehmen ums Überleben und der Dissens zwischen Unternehmen und Regime verschärfte sich.
Das zweite Kapitel beleuchtet die politisch-ideologischen Konfliktpunkte zwischen Unternehmen und NS-Regime. Die Arisierung der Betriebe, die Einmischung der DAF in die Betriebspolitik und die personelle Verstrickung der Unternehmer in das NS-System stellen zentrale Themen dar. Die Unternehmen hatten unterschiedliche Strategien, um mit diesen Konfliktpunkten umzugehen, und es kam zu verschiedenen Formen des Widerstands. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Handlungsspielraum der Unternehmen im Kontext der Zwangswirtschaft. Das NS-Regime griff durch verschiedene Maßnahmen, wie z.B. Preiskontrolle, Produktions- und Exportbeschränkungen sowie Rohstoff- und Arbeitskräftekontingentierung, in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen ein. Die Rationalisierung und Standardisierung der Wirtschaft führten zu einer Zwangsauslese von Unternehmen, die sich nicht an den Vorgaben des Regimes orientieren konnten.
Das vierte Kapitel untersucht die Selbstverwaltungsmöglichkeiten der Unternehmen während der NS-Zeit. Das NS-Regime schuf Institutionen, wie z.B. Fach- und Unterfachausschüsse, die als Selbstverwaltungsorgane fungierten und den Unternehmen die Möglichkeit gaben, ihre Interessen zu vertreten. Diese Institutionen dienten gleichzeitig als „Sprachrohr" der Industrie und als „Transmissionsstelle staatlichen Willens". Die Funktion dieser Ausschüsse und die damit verbundenen Handlungsspielräume werden im Detail beleuchtet. Abschließend wird die Frage nach dem Verhältnis von Zusammenarbeit und Opposition zwischen Unternehmen und NS-Regime behandelt. Es wird deutlich, dass die Beziehung von Anfang an einen Doppelcharakter hatte und dass es sowohl zu Konsens als auch zu Widerstand kam. Der Fokus liegt dabei auf den Gründen für den Widerstand und den Strategien, die die Unternehmen einsetzten, um ihre Entscheidungshoheit zu bewahren.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Handlungsspielraum deutscher Unternehmen im Maschinenbaubereich während der NS-Zeit, die Kriegswirtschaft, die Arisierung der Betriebe, die Einmischung der DAF, die Zwangswirtschaft, die Selbstverwaltungsorgane und die Opposition gegen das NS-Regime. Die Arbeit beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen Unternehmen und NS-Regime und zeigt die verschiedenen Formen der Anpassung, Kooperation und des Widerstands auf. Im Fokus stehen die Entscheidungsfreiheiten der Unternehmen und die Möglichkeiten, die sie im Rahmen der NS-Diktatur hatten, ihre wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen.
- Quote paper
- Sadik Usta (Author), 2011, Handlungsspielraum der deutschen Unternehmen in der NS-Zeit (1933-45), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180090
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