Einleitung
Das Auge sieht "ja" das Ohr hört "nein" - ein Phänomen, das mit einem geschriebenem Text in einem Buch nicht ausgewirkt werden kann. Das ist das Besondere am Film, dass der Zuschauer mehrere Ebenen auf einmal hat. So ist es offen, ob ein Bild als dieses wahrgenommen wird oder ob es eine völlig neue Bedeutung bekommt. Das kann jedoch nicht nur durch das gesprochene Wort geschehen, sondern auch über die Musik.
Als ich das erste Mal den Film Forrest Gump gesehen habe, musste ich feststellen, dass der Soundtrack sehr viele mir bekannte Songs enthält. Forrest Gump ist einer von den Filmen, bei denen der zuständige Komponist, Alan Silvestri, nicht nur Filmmusik in Form von Instrumentalstücken komponiert hat, sondern er ist vor allem eine Kollage aus verschiedenen Rock- und Poptiteln. Das zunächst ist nichts ungewöhnliches für einen Kinofilm. Ungewöhnlich allerdings ist, wie mir auffiel, dass die verwendeten Lieder eins gemein hatten: sie stammten aus den späten 1950er bis Mitte 1970er Jahre der amerikanischen Beatszene. Was jedoch im Film gezeigt wurde, hatte bis auf Elvis, John Lennon und der Hippiebewegung nichts direkt damit zu tun. Das veranlasste mich näher hinzuhören, zu schauen, wo meine musikalischen Vorbilder am häufigsten wiedergegeben werden. Da musste ich feststellen, dass es während des Abschnittes ist, in dem Forrest als Soldat in den Vietnam geschickt wird. Das ergab für mich zunächst keinen Sinn, denn wieso sollte während Krieg gezeigt wird, Antikriegsmusik gespielt werden. Weswegen ich mich in dieser Arbeit mit der Widersprüchlichkeit der Filmmusik und der Problematik Vietnamkrieg im Film Forrest Gump befasse. Dazu ist es notwendig, erst einmal zu beleuchten, wie der Vietnamkrieg überhaupt in US-amerikanischen Filmen dargestellt wird, um zu sehen, ob man bei Forrest Gump überhaupt von einem Kriegsfilm sprechen kann. Danach werde ich anhand der von mir ausgewählten Sequenzen, in denen der Vietnamkrieg dargestellt ist analysieren was auf der Bild- und Tonebene (in Bezug auf die verwendeten Songs) geschieht. Das unter der Fragestellung, inwiefern sich die beiden Ebenen Ergänzen, bzw. widersprechen, um rauszufinden, was denn überhaupt über den Vietnamkrieg im Gesamten Film Forrest Gump ausgesagt wird.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Vorüberlegungen
2.1 Der Vietnamkrieg im Film Forrest Gump
2.2 Popmusik im Film
3 Handlungsabriss Forrest Gump
4 Darstellung der Kontroverse Vietnamkrieg in Bild und Musik im Film Forrest Gump
5 Schluss
6 Literatur- und Quellenverzeichnis
7 Anhang
7.1 Allgemeine Angaben zum Film Forrest Gump
7.1.1 Bibliografische Angaben
7.1.2 Hauptcharaktere und ihre Schauspieler
7.1.3 Liste der Songs
7.2 Liedtexte der Songs während der Vietnamkriegsszenen
Hanky Panky; Blowin' In The Wind
Fortunate Son
I Can't Help Myself
Respect
Sloop John B
All Along The Watchtower
Soul Kitchen; California Dreamin'
For What It's Worth (Stop, Hey What's That Sound)
What The World Needs Now Is Love
Hello, I Love You; People Are Strange
Break On Through
7.3 Sequenzprotokoll: Forrest Gump
1 Einleitung
Das Auge sieht "ja" das Ohr hört "nein" - ein Phänomen, das mit einem geschriebenem Text in einem Buch nicht ausgewirkt werden kann. Das ist das Besondere am Film, dass der Zuschauer mehrere Ebenen auf einmal hat. So ist es offen, ob ein Bild als dieses wahrgenommen wird oder ob es eine völlig neue Bedeutung bekommt. Das kann jedoch nicht nur durch das gesprochene Wort geschehen, sondern auch über die Musik.
Als ich das erste Mal den Film Forrest Gump gesehen habe, musste ich feststellen, dass der Soundtrack sehr viele mir bekannte Songs enthält. Forrest Gump ist einer von den Filmen, bei denen der zuständige Komponist, Alan Silvestri, nicht nur Filmmusik in Form von Instrumentalstücken komponiert hat, sondern er ist vor allem eine Kollage aus verschiedenen Rock- und Poptiteln. Das zunächst ist nichts ungewöhnliches für einen Kinofilm. Ungewöhnlich allerdings ist, wie mir auffiel, dass die verwendeten Lieder eins gemein hatten: sie stammten aus den späten 1950er bis Mitte 1970er Jahre der amerikanischen Beatszene. Was jedoch im Film gezeigt wurde, hatte bis auf Elvis, John Lennon und der Hippiebewegung nichts direkt damit zu tun. Das veranlasste mich näher hinzuhören, zu schauen, wo meine musikalischen Vorbilder am häufigsten wiedergegeben werden. Da musste ich feststellen, dass es während des Abschnittes ist, in dem Forrest als Soldat in den Vietnam geschickt wird. Das ergab für mich zunächst keinen Sinn, denn wieso sollte während Krieg gezeigt wird, Antikriegsmusik gespielt werden. Weswegen ich mich in dieser Arbeit mit der Widersprüchlichkeit der Filmmusik und der Problematik Vietnamkrieg im Film Forrest Gump befasse. Dazu ist es notwendig, erst einmal zu beleuchten, wie der Vietnamkrieg überhaupt in US-amerikanischen Filmen dargestellt wird, um zu sehen, ob man bei Forrest Gump überhaupt von einem Kriegsfilm sprechen kann. Danach werde ich anhand der von mir ausgewählten Sequenzen, in denen der Vietnamkrieg dargestellt ist analysieren was auf der Bild- und Tonebene (in Bezug auf die verwendeten Songs) geschieht. Das unter der Fragestellung, inwiefern sich die beiden Ebenen Ergänzen, bzw. widersprechen, um rauszufinden, was denn überhaupt über den Vietnamkrieg im Gesamten Film Forrest Gump ausgesagt wird.
2 Theoretische Vorüberlegungen
2.1 Der Vietnamkrieg im Film Forrest Gump
Dass jüngere Geschichte in die Kinowelt Einzug erhält, geschieht in den USA "sehr viel rascher und unkomplizierter" als in Europa (Strübel 2002 S.64). So kommt es, dass der Vietnamkrieg zeitnah in zahlreichen US-amerikanischen Filmen verarbeitet wurde und auch immer wieder als Thema vorkommt. Allein bis zum Jahr 1990 verzeichnet die Sammlung der Library of Congress über 350 Spielfilme und Dokumentarfilme, die im engeren oder weiteren Sinn mit dem Vietnamkrieg zu tun haben (Strübel 2002 S.64). Wie mit dem Thema umgegangen wird, kann laut Faulstich und Korte (Drexler/Guntner 1995 S. 184- 187) in drei Phasen eingeteilt werden: Einmal während des Krieges und bis Kriegsende, das ist die erste Phase, in der der Krieg tabuisiert wird, anschließend die zweite Phase bis 1981, also unter der Regierung Jimmy Carters, in der v.a. Trauerarbeit geleistet wird und dann an diese anschließend die dritte, bis heute anhaltende Phase, in der die Problematik ganz unterschiedlich verarbeitet wird: "Hier finden sich patriotische, bis zum Rassismus neigende Filme mit comic- haften Heldenfiguren vom Typus ,Ramboʻ" (Strübel 2002 S.64), auf der anderen Seite existieren Filme, die den Krieg als "schmutzig und abstoßend" darstellen (Weigel-Klinck 1996 S. 81). Eine bewusste Vergangenheitsbewältigung also, in verschiedenen Facetten. Hierbei werden weniger die historischen Ereignisse real wiedergegeben, vielmehr wird ein eigenes Weltbild erschaffen, das sich durch die Symbole des Vietnamfilms zum Ausdruck gebracht wird (Weigel-Klinck 1996 S. 113f). Feindbilder, wie das der Kommunisten, bzw. der Asiaten werden in private Geschichten eingebunden. Es sind v.a. junge, aus der Mittelklasse stammenden Männer, die teilweise unvorbereitet und schlecht ausgebildet in den Dschungel geschickt werden (Strübel 2002 S.64f). Das kommt auch in Forrest Gump zum Ausdruck. Der gerade mit seiner Universität abgeschlossene Forrest wird nach seiner Grundausbildung in den Vietnam eingezogen, wo ihm nicht einmal klar ist, gegen wen er überhaupt kämpft. Dies wird deutlich, als die Off-Stimme verwundert erzählt, dass sie immer nach einem gewissen "Charlie"1 Ausschau halten sollten (Sequenz 29). Ein weiteres Merkmal ist, dass die Feinde "gesichtslos und austauschbar" bleiben, sowie dass die Viet-Congs nur "Objekt für Schießereien, Gräueltaten und Massaker" sind - "hollywoodgerecht (…) inszeniert" (Strübel 2002 S.65), was hundertprozentig auf die Darstellung in Forrest Gump zutrifft. Die Schüsse kommen aus den Büschen und Sträuchern, ein Gesicht ist nie zu sehen, geschweige denn ein ganzer Soldat und die Explosion in Sequenz 33 befriedigt die Publikumserwartungen an Kriegsgewalt. Als letztes sehr ausgeprägtes Merkmal des Kriegsfilms enthält Forrest Gump auch den "Mythos der Kameradschaft über die Grenzziehung der ethnischen und sozialen Herkunft hinweg" (Strübel 2002 S. 65). Denn Forrests bester Freund Bubba ist nicht nur schwarz, sondern Forrest unternimmt auch alles in seiner Macht stehende, um den Kameraden zu retten (Sequenz 33). Durch die Anonymität der Angreifer, das tragische Schicksal der amerikanischen Soldaten und die actionreichen Effekte verdreht sich das Täter-Opfer-Bild beim Zuschauer (Strübel 2002 S. 65), auch bei Forrest Gump. Die tapferen US-Soldaten sind die Helden, Forrest bekommt für seine selbstlose Tat sogar die Tapferkeitsmedaille verliehen (Sequenz 41).
2.2 Popmusik im Film
"Im Idealfall ist der Ton ebenso wichtig wie das Bild" (Monaco 1980 S. 111). Denn wenn der Ton im Film fehlt, wird die komplette Wahrnehmung irritiert und "der ganze audiovisuelle Wahrnehmungsraum erscheint als unvollständig" (Hickethier 2007 S. 90). Und zum Ton gehört, neben der Sprache und den Geräuschen, natürlich auch die Musik. Neben der Meinung, dass gute Filmmusik diese sei, die man nicht höre (wie sie beispielsweise von Hans-Christian Schmidt vertreten wird, der sie als "Rahmen", als "stimulierenden Hintergrund" betrachtet), existiert auch die Annahme, dass Musik im Film eine "selbstständige Mitteilungsebene" ist (Hickethier 2007 S. 94). Das heißt, sie kann nicht nur unterstützend zum Bild auftreten, sondern v.a. auch kommentieren oder sogar entgegengesetzt wirken (Kracauer 1997 S. 193). Eisler vertritt wie Adorno die Meinung, dass Filmmusik nicht nur nicht zu hören sein darf, sondern dass sie sogar zur Bild- und Sprechhandlung "in Dialog treten soll, anstatt zu dienen und zu illustrieren" (Adorno/Eisler 2006 S.61). Daraus wird ersichtlich, dass es wichtig ist, wie die Musik im Film nicht nur zum Bild, sondern v.a. auch zur Handlung steht (Kracauer 2005 S. 197). Denn "Musik ist [ein] ,opinion leaderʻ2. Sie verbreitet ein Meinungs- und Empfindungsklima, das Inhalte im gewünschten Sinne einfärbt." (Schneider 1989 S. 197). Ihre Aufgaben sind also die Handlung "atmosphärisch zu verdichten", im Bild "verborgene seelische Erlebnisse" auszudrücken (Schlitt 1960 S. 120).
Musik tritt im Film ganz unterschiedlich auf. Eine mögliche Unterscheidung ist synchrones oder asynchrones Auftreten. Bei asynchroner Musik ist im Gegensatz zur synchronen Musik die Quelle nicht im Bild zu sehen (Hickethier 2007 S. 94). Es ist jedoch egal, ob die Musik im "Off" gespielt wird oder im Film selbst dargestellt als "On"-Musik auftritt. Filmmusik kann in den unterschiedlichsten Formen auftreten: als Gesang, instrumentale, orchestrale oder elektronische Musik, Volksmusik, klassische, populäre oder Musik ferner Völker (Adorno/Eisler 2006 S. 55). Eine andere Unterscheidung, die sich auf die unterschiedlichen Formen von Musik stützt, ist die von Claudia Bullerjahn in "Metafunktion" und "Funktionen im engeren Sinn". (Mikos 2008 S. 240). "Metafunktionen" sind auf der einen Seite die rezeptionspsychologischen Funktionen, also was den Zuschauern/-hörern ein Gemeinschaftsgefühl vermittelt, und auf der anderen Seite die ökonomischen Funktionen, die den Rezipienten zum Kauf des Soundtracks oder einer Platte mit dem im Film gespielten Lied oder Song anhalten will (Mikos 2008 S. 242). Hierbei ist auffällig, dass die verwendete Musik häufig zielgerichtet auf eine bestimmte Gruppe, wie z.B. Jugendliche, die gerne Rockmusik hören, zugeschnitten worden ist (ebd.). Die "Funktionen im engeren Sinne" sind wiederum in vier Unterkategorien gegliedert. Zum Ersten wäre die dramaturgische Funktion zu nennen. Sie liefert, wie der Name schon sagt, der Dramaturgie eine Unterstützung. Die Personen werden in ihren Emotionen dargestellt oder die Handlung wird voran getrieben (Mikos 2008 S. 240). Die strukturelle Funktion ist die zweite der vier. Sie soll die Zuschauer anregen, auf das folgende Einstimmen, zudem werden Schnitte betont oder einzelne Einstellungen/Bewegungen hervorgehoben (Mikos 2008 S. 241). Drittens, die narrative Funktion, die dazu dient die Erzählung zu untermalen. Durch "bestimmte Musikgenres und -stile [können] Zeitbezüge deutlich gemacht werden (Mikos 2008 S. 240). Außerdem ist es möglich, eine kritische oder ironische Distanz aufzubauen, die Erzählung "kontrapunktisch [zu] kommentier[en]" (Mikos 2008 S. 240). Um das zumeist junge Zielpublikum anzusprechen oder den Film zu kommentieren eignen sich bereits existierende, bereits verwendete Songs, die dann auch das Lebensgefühl des Protagonisten vermitteln, alsgleich durch die Verwendung im Film noch größere Bekanntheit erlangen (Stiglegger 2004 S. 117).
3 Handlungsabriss Forrest Gump
Der Film Forrest Gump ist ein sehr komplexes Werk. Die Rahmenhandlung zeigt die Hauptperson Forrest Gump, der auf einer Bank sitzt und auf den Bus wartet. Dabei erzählt er den Personen neben sich seine bisherige Lebensgeschichte, welche den Inhalt des Films darstellt. Zwischendurch wird er immer wieder eingeblendet, wie er dort sitzt und die Personen, die ihm zuhören, wechseln, weil ihr Bus ankommt. Forrest beginnt die Erzählung mit seiner Kindheit. Er bekommt als kleiner Junge Beinprothesen, die er aber bei einer Verfolgungsjagd verliert. Dabei bemerkt er, dass er ein ausgezeichneter Läufer ist. Seit dem rennt er, wann immer es nötig ist einfach los. Jenny, seine beste Freundin, sowie seine Mutter unterstützen ihn permanent. Trotzdessen er in einem Intelligenztest unterdurchschnittliche ist, kommt er durch seine Läuferfähigkeiten an die Universität, wo er als Footballstar ins All-American-Team geholt wird. Nach seinem Abschluss geht er nach Vietnam, wo er sein komplettes Platoon rettet, indem er die verletzten Männer aus dem Urwald in Sicherheit bringt. Darunter auch Lieutenant Dan Taylor, der lieber sterben wollte, später Forrest aber sehr dankbar dafür ist und am Ende des Films sogar, trotz verlorener Beine, wieder laufen kann. Für diese Rettungsaktion erhält Forrest die Tapferkeitsmedaille. Während seiner Zeit in der Army wird Forrest als großartiger Tischtennisspieler entdeckt, woraufhin er für die USA zur Weltmeisterschaft nach China reisen darf. Bei der Army lernt er auch Bubba kennen, dem er verspricht mit ihm Shrimp- Kutter-Kapitän zu werden. Trotz Bubbas Tod gründet Forrest die „Bubba Gump Shrimp Company“, nachdem er bei einer Großdemonstration Jenny seit langem wiedergesehen hat, die aber wieder abreist. Sein Shrimp-Unternehmen macht ihn zum Millionär, da er die Gewinne in Apple-Aktien investiert hat. Als dann noch seine Mutter stirbt, nimmt er sich eine Auszeit und rennt quer durch ganz Amerika. Dann bekommt er den Brief, in dem steht, dass Jenny ihn sehen möchte, weswegen er jetzt auf der Bank sitzt und auf den Bus wartet. Als die Frau neben ihm meint, er könne zu der Adresse aus dem Brief laufen, macht er sich auf den Weg. Er trifft Jenny, die einen Sohn hat - seinen Sohn, der hochintelligent ist und Forrest heißt. Jenny erzählt Forrest, dass sie unheilbar krank ist, ihn dennnoch heiraten möchte, was die beiden dann auch tun. Am Schluss stirbt Jenny und Forrest wird nun Forrest Jr. allein großziehen. Der Film endet damit, dass Forrest seinen Sohn zum Schulbus bringt, dem gleichen, mit der gleichen Fahrerin, in den er damals eingestiegen ist.
Forrest ist immer wieder in geschichtliche Großereignisse involviert, wie den Vietnamkrieg oder die Watergate-Affäre, trifft auf berühmte Persönlichkeiten wie J.F. Kennedy oder Richard Nixon und verändert den Lauf der Geschichte. So gibt er Elvis die Idee für seine Tanzbewegungen und John Lennon die Inspiration für sein Lied "Imagine". Zwischendurch erfährt man immer wieder von Jenny und ihrer Geschichte, wie sie von einem Vater aufgezogen wurde, der sie vergewaltigt, ihr Studium abbricht und als Sängerin in einem zwielichtigen Nachtclub nackt auftritt, als Hippie durch Amerika reist und schließlich Forrest heiratet und an einem Virus stirbt. Sie und seine Mutter haben den größten Einfluss auf Forrest, der immer trotz seiner großen Erfolge als ein wenig geistig zurückgeblieben dasteht.
4 Darstellung der Kontroverse Vietnamkrieg in Bild und Musik im Film Forrest Gump
Die Filmmusik in Forrest Gump ist eine Mischung aus eigens für den Film von Alan Silvestri komponierten Instrumentalstücken und bereits zu dem Zeitpunkt veröffentlichten Songs. Auffällig ist, dass in Momenten großer Emotionalität oder tiefer Gefühle meist die Kompositionen, in weniger starken Momenten die Songs zum Einsatz kommen. Es gibt sehr viele Stellen im Film, in denen überhaupt keine Musik läuft, sondern der Zuschauer mit den Geräuschen und der Sprache als Ton allein gelassen wird.
Wie die verwendete Musik im Einklang bzw. im Gegensatz zu Handlung und Bild steht, möchte ich an dem Abschnitt des Filmes zeigen, der sich um den Vietnamkrieg dreht, da hier die Eigenschaft der Musik als "selbstständige Mitteilungsebene" (Hickethier 2007 S. 94) am deutlichsten herauskommt. Auch wenn Forrests tatsächlicher Vietnam-Aufenthalt erst in Sequenz 25 beginnt, möchte ich schon die Vorbereitung darauf, nämlich seine Zeit bei der Army (Sequenz 20) analysieren, da er hier auch schon Bubba kennenlernt und Jenny das letzte Mal vor seiner Abreise sieht.
In den Sequenzen 20 und 21 ist nicht die Musik, sondern das Fehlen der Musik essentiell. Alles ist neu für Forrest. Und obwohl hier gut das "You Can't Sit Here" Thema kommen könnte, bleibt es aus. Die bildliche Situation ist die gleiche wie im Schulbus (Sequenz 10), aber die Musik zeigt, es ist etwas ganz anderes. Das einzige Geräusch ist der prasselnde Regen. Bei der Army, während er ausgebildet wird und Bubba ihm von Shrimps erzählt, läuft ebenso keine Musik.
Auch als er in Sequenz 22 im Bett liegt und über seine geliebte Mutter nachdenkt, ist es vorerst ruhig. Hier spielt noch keine Musik, was untypisch ist, da die Momente mit seiner Mutter sonst immer sehr emotional aufgeladen sind und durch instrumentale Musik verstärkt werden. Das Fehlen der Musik an dieser Stelle untermalt die Tristheit in der Kaserne. Forrest ist wirklich allein in diesem Moment. Ein Mitsoldat wirft ihm den Playboy zu. Während er diesen durchblättert, stellt er fest, dass seine Kindheitsfreundin Jenny darin abgebildet ist. Die Off-Stimme Forrests erzählt, dass Jenny genau wegen dieser Fotos vom College geflogen ist. Als er sich das Magazin ansieht, setzt "Hanky Panky" ein. Dieser Song, gesungen von Jeff Barry und Ellie Greenwich drückt einerseits direkt das aus, was man auch im Bild sieht, nämlich die Überraschung darüber, dass: Jenny "does the Hanky Panky"3. Andererseits veranschaulichen die Textzeilen "hey pretty baby, can I take you home, I never saw her, never ever saw her"4 etwas, was das bloße Bild und die Erzählstimme nicht sagen: Nämlich im Gegenteil zu dem schüchternen, naiven Gemüt Forrests spricht hier über die Überraschung hinweg eine machohafte Stimme, gleich seines Unterbewusstseins aus, wie hübsch doch Jenny ist, dort im Playboy. Und das, obwohl er Jenny schon nackt gesehen hat, aber, wie der Text sagt, "I never saw her". Jetzt wird es ihm bewusst, was er für sie empfindet. Sodass die einzig logische Konsequenz ist, dass er sie noch einmal sehen muss, bevor er nach Vietnam eingezogen wird, was in Sequenz 23 geschieht. Hier singt Jenny mit nichts bekleidet außer ihrer Gitarre Bob Dylans "Blowin' In The Wind". Für Forrest ist es ihre Erfüllung, denn sie ist endlich Sängerin. Für sie wiederholt sich ihre Kindheitsgeschichte. Das Lied steht einmal für Jennys Schicksal bzw. ihre Zukunft, auf das sie keine Antwort weiß ("blowin' in the wind"5 ), andererseits steht es als DAS Lied gegen den Vietnamkrieg im direkten Gegensatz zu dem Vorhaben, von dem Forrest ihr ja eigentlich berichten will. Daraufhin folgt ein Instrumentalstück "They're Sending Me To Vietnam", das durch seine Worte "Ich liebe dich" ausgelöst scheint. Die Musik ist so dezent, dass sie vom Straßenlärm zunächst übertönt wird, dann aber eine Brücke zu der Szene bildet, in der sich seine Mutter von ihm verabschiedet, sodass der Bruch mit CCRs "Fortunate Son" (Sequenz 25) noch extremer erscheint. Dies passt gut zu dem plötzlichen Bild- und riesigen Ortswechsel, der mit Sequenz 26 erfolgt. Dieser Song schafft es, dass nichts erläutert werden muss. Jeder weiß, Forrest wollte nicht nach Vietnam. Die Leute, die dort sind und kämpfen müssen, sind "no fortunate ones"6, die nicht durch ihren Titel oder ihre Väter verschont bleiben, in den Krieg zu ziehen ein Widerspruch von Bild und Musik. Man sieht den aufrecht sitzenden Forrest, dem das alles nichts auszumachen scheint, zusammen mit Bubba in einem Militärhubschrauber über die Landschaft fliegen, hört aber die Sinnlosigkeit und Verzweiflung dieses Krieges durch den absolut gegen den Vietnamkrieg gerichteten Song. Bild- und Tonebene sind entgegengesetzt.
Diesem Song folgt sehr viel dezenter und von der Qualität wie aus einem Radio, das auf dem Lager steht, der Song "I Can't Help Myself" gesungen von den Four Tops. Ein Popsong, der im Vergleich zu den harten und energischen Gitarrenklängen von CCR sehr locker und unbeschwert klingt, wie typische Radiomusik. Auch hier, nicht das, was man vom Bild oder der Handlung erwartet. Denn erstens spielt die Szene in Vietnam, weswegen Empfang von amerikanischer Musik seltsam ist, weiterhin ist es ein Liebeslied, was nicht ganz in den Kontext Krieg passt. Es spiegelt eher Forrests Gefühle wieder, der Jenny hinter sich lassen musste: "My love I cannot hide."7 Sehr interessant ist auch die Textstelle "When you snap your fingers, Or wink your eye, I come a running to you."8, denn hier wird das besungen, was Forrest machen würde, was er ständig macht: Rennen. Damit wird mit dem Song ein Leitmotiv des Films aufgegriffen. Dieses Lied schlägt gleichzeitig eine Brücke zum nächsten Titel, der direkt aus diesem hervorgeht. "Respect" von Aretha Franklin beginnt mit dem Auftreten Lieutenant Dan Taylors. Durch das gesungene "respect"9 wird schnell deutlich, dass der locker gekleidete Mann eine Autoritätsperson ist. Obwohl dieses Lied sich auch um verflossene Liebe dreht, ist das für diese Szene nicht entscheidend, sondern nur das einzelne gesungene Wort „respect“. Doch auch das widerspricht sich, zwar nicht mit dem Bild, denn Forrest und Bubba salutieren, jedoch mit dem Gesagten, nämlich, dass die beiden das unterlassen sollen, weil er sonst leichter erkannt und erschossen werden könnte.
In Sequenz 28 hört man nun wieder das Radio. Jetzt allerdings nicht nur im Hintergrund, sondern so, dass der Text gut verständlich ist. Im Lied "Sloop John B" von den Beach Boys heißt es nämlich: „Let me go home, Why don't they let me go home, This is the worst trip, I’ve ever been on“10, was wohl eine kleine Vorschau auf die Zeit gibt, die Forrest bevorsteht. Diese im "On" gespielte Musik wird sehr bewusst eingesetzt, was im deutschen Film aufgrund der englischen Sprache ein wenig zu kurz kommt. Für jemanden, der den Film in Englisch sieht, ist der Liedtext wie eine Art Sprecherstimme. Wie auch die anderen Songs ist dieses Lied alles andere als ein Soundtrack für Vietnam oder ein Kriegsgeschehen. Der härteste Bruch zwischen Kriegthematik und Musik ist Dylans bzw. Hendrix' "All Along The Watchtower". Der Song wurde von Dylan vor dem Krieg geschrieben. Somit als Titel, der im Allgemeinen die Sinnlosigkeit von Gewalt und die Hoffnung auf ein Ende ausdrückt. Als Jimi Hendrix aus dieser Folk-Ballade dann ein Jahr später einen Rocksong machte, wurde "All Along The Watchtower" in den Vietnamkontext gehoben. Dieser stark aufgeladene Song, einerseits mit dem Leid der Soldaten, andererseits mit dem Wunsch nach Ende des grundlosen Vietnamkrieges, passt natürlich zum im Film dargestellten Thema. Allerdings hebt es das Ganze aus seiner eigentlichen Deutung. Würde man nur die Bilder betrachten, wären Soldaten zu sehen, die durch den Urwald gehen. Nun weiß man durch das was vorher war, dass es sich um Vietnam handelt und dass das Platoon in Lebensgefahr ist. Es kommt aber keine typische Kriegsmusik, sondern Musik, die gegen den Krieg ist, eine abermals narrative Funktion, die die Kontroverse, die das Thema Krieg an sich bildet, aufgreift.
Als sich die Männer verstecken herrscht stille, sind keine Lieder zu hören, was die Handlung unterstützt. Denn die Soldaten sollen ruhig sein, also ist auch die Musik still. Die Entwarnung von Dan und "Soul Kittchen" von den Doors unterbricht diese Stille und verbindet die nächsten Geschehnisse, die die Soldaten erleben miteinander. The Doors sind ebenso, wie Jimi Hendrix, CCR oder Bob Dylan eine typische Rockgruppe, charakteristisch für die Zeit, die sich abgewandt haben von Krieg und v.a. den Vietnamkrieg ablehnen. Hier trifft auch das Phänomen auf, dass die Doors-Lieder, wie sie später auch noch in Sequenzen 36, 37 und 38 auftauchen, dass erst durch den Film und den Soundtrack die Songs richtig breitenwirksam bekannt wurden. Ebenso ein Liede des damaligen Zeitgeschehens ist "California Dreamin'" von The Mamas and the Papas, was in Sequenz 31 und 32 Jennys Geschichte untermalt. Das typische Hippie-Lied unterstützt ihre Handlung, ihren "California Dream"11. "For What It's Worth" von Buffalo Springfield hat eine ähnliche Geschichte, wie "All Along The Watchtower". Ursprünglich als zeitloser Song geschrieben, gelangen die starken Zeilen gegen Autoritäten oder Ungerechtigkeit im Zuge der Anti-Vietnam-Demonstrationen zu Ruhm (Brown 2009). Dieses Lied wird in Sequenz 33 gespielt, bis die Soldaten beschossen werden. Hier endet auch die Song-Musikauswahl während des Vietnamkriegs.
5 Schluss
Die Musikalische Gestaltung in Bezug auf den Vietnamkrieg ist in Forrest Gump umfasst mehr, als nur Füllen des Bildes, damit es nicht unnatürlich wirkt oder Untermalung der inneren Zustände und Emotionen der Protagonisten. Sie bewirkt vor allem eins: die Songs, die Silvestri für diesen Abschnitt des Films ausgewählt hat, zeigen, was mit einer anderen Deutungsebene gemeint ist. Silvestri greift nicht nur gängige Pop- und Rocksongs aus der Schwerpunktzeit auf, sondern kommentiert damit seine als typisch amerikanischer Vietnamkriegsfilm gedrehten Bilder soweit, dass sich die Gesamtaussage verändert. Es ist kein patriotischer Film, in dem der Held ungefragt der Held des Krieges ist. Es handelt sich, bewirkt durch die Musik, eher um eine kritische Auseinandersetzung mit der Vietnamproblematik. Die Musik gibt sogar den Schwerpunkt, ist der "opinion leader" in diesem Filmabschnitt. Hierzu hat Silvestri sowohl Musiken synchron, wie asynchron eingerichtet, sodass "Film und Pop immer mehr miteinander verschmelzen" (Stiglegger 2004 S. 128). Womit trotz all der erfüllten Merkmale des Kriegsfilms Forrest Gump eher als Antikriegsfilm einzuordnen ist. Denn die Musik spielt eine ebenso wichtige Rolle wie die Darstellung in Bild und Sprache. Sie ist Meinungsführer, und verändert den Kontext, sowie die Betrachtung der ganzen Szene dabei.
Gleichzeitig spiegelt die Musik die Zeit wieder, in der sich der Film bewegt. Er zeigt eine gewisse Kulturauffassung und musikalische amerikanische Geschichte, wie zum Beispiel durch Elvis' Auftritt oder Interpreten Namen wie Dylan, Hendrix und Forgety.
Die Musik im Film Forrest Gump hat strukturelle, narrative und kritische Funktion. Sie pointiert und kommentiert das Geschehen in Bild und Sprache auf besondere Weise. Den Film ohne Musik anzusehen, wäre fatal, da dann der ganze Vietnamkriegsabschnitt als Kriegsfilm einzuordnen wäre, was die Musik mit ihren nach Freiheit rufenden Texten und allein schon dem Genre Rockmusik, als Protestmusik, aufhebt.
Musik kann also aus einem Kriegsfilm einen Antikriegsfilm machen - ganz selbstständig.
6 Literatur- und Quellenverzeichnis
Literatur:
Adorno, Theodor W./Eisler, Hanns (2006): Komposition für den Film. Gall, Johannes C. (Hrsg.). Suhrkamp, Frankfurt a.M.
Drexler, Peter/Guntner, Lawrence (1995): Vietnam im Kino: "Platoon" (1986). In: Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M.
Hickethier, Knut (2007): Film- und Fernsehanalyse. 4. Auflage. Verlag J.B. Metzler, Stuttgart.
Kracauer, Siegfried (2005): Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Mülder-Bach, Inka (Hrsg.): 1. Auflage. Suhrkamp Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main.
Mikos, Lothar (2008): Film- und Fernsehanalyse. 2. Auflage. UVK Verlagsgesgesellschaft, Konstanz.
Monaco, James (1980): Film verstehen. Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg
Schlitt, Christine (2006): Schülerduden Musik. Das Fachlexikon von A-Z.
Redaktion Schule und Lernen (Hrsg.): 4. Auflage. Bibliographisches Institut & F.
A. Brockhaus AG, Mannheim.
Schneider, Norbert Jürgen (1989): Handbuch Filmmusik. Musikdramaturgie im Neuen Deutschen Film. München: Ölschläger 1986. Handbuch Filmmusik II. Musik im dokumentarischen Film. Verlag Ölschläger, München.
Stiglegger, Marcus (2004): Rock'n'Roll Cinema. Hermetische Welten. In: Griesenfeld, Günther (Hrsg.): Film und Musik. Schüren, Marburg.
Strübel, Michael (Hrsg.) (2002): Film und Krieg. Die Inszenierung von Politik zwischen Apologetik und Apokalypse. Leske + Budrich, Opladen.
Weigel-Klinck, Nicole (1996): Die Verarbeitung des Vietnam-Traumas im USamerikanischen Spielfilm seit 1968. In: Hoefer, Georg (Hrsg.): Aufsätze zu Film und Fernsehen. Coppi-Verlag, Alfeld/Leine.
[...]
1 "Charlie" steht für die feindlichen Truppen. Das kommt aus dem phonetischen Militär-Alphabet: Viet-Cong, also VC, Victor Charlie.
2 "opinion leader" bezeichnet in der Kommunikationswissenschaft einen Meinungsführer, der nicht nur Themen in ihrer Bedeutsamkeit untermauert, sondern auch selbst welche setzt.
3 Hanky Panky kann man sinngemäß mit Techtelmechtel übersetzten
4 Übersetzung: He schönes Mädchen, kann ich dich mit heim nehmen? Ich sah sie nie, ich sah sie nie.
5 Übersetzung: Vom Wind hinfortgetragen
6 Übersetzung: Keine Glücklichen (Leute)
7 Übersetzung: Meiner Liebe kann ich nicht entfliehen.
8 Übersetzung: Wenn du mit den Fingern schnipst, oder zwinkerst, komm ich zu dir gerannt.
9 Übersetzung: Respekt
10 Übersetzung: Lasst mich heimgehen, Warum lassen sie mich nicht heimgehen, Das ist der schlimmste Ausflug, auf dem ich jemals gewesen bin.
11 Übersetzung: California-Traum
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