Massenmedien, Manipulation und Demokratie in den Vereinigten Staaten: 9/11 und der Irak Krieg


Magisterarbeit, 2003

84 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Die Entwicklung der Massenmedien in den Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert
1.1 Wettbewerb oder globales Kartell? Die Kommerzialisierung und Globalisierung der Medien
1.2 Konsument oder Rezipient? Die Popularisierung der Medien
1.3 Ein Weg aus der Krise? Journalismus und Neue Medien

2. Demokratie und Medien: Der Prozess der politischen Meinungsbildung
2.1 Freedom of Press = Speech of Freedom? Voraussetzungen für eine funktionierende öffentliche Meinungsbildung
2.2 Modelle der Medienorganisation nach Chomsky
2.3 Propagandamodell Chomskys

3. “Manufactoring Consent“: Manipulationsprozesse in einer demokratischen Gesellschaft
3.1 Mediatisierte Politik
3.1.1 Der öffentliche Einflussbereich
3.1.2 Der politische Einflussbereich
3.2 Informationsvielfalt vs. Einseitigkeit
3.3 Regulierungen der Regierung: Die Federal Communication Commission (FCC)

4. “Politische Wellen” und die Rolle der Medien
4.1 Massenmedien und terroristische Gewalttaten
4.1.1 Die Steuerung von Entscheidungen auf politischer Ebene
4.1.2 Medien als Vermittler terroristischer Weltanschauungen
4.2 Medien und Kriegspropaganda

5. Die Berichterstattung der US-Medien zum 11. September
5.1 Manipulationsprozesse von Seiten der Medien
5.1.1 Präsentationsformen
5.1.2 Personifizierung der Opfer
5.1.3 „Reality-TV“
5.1.4 Semantik
5.2 Die Medien als Vermittler regierungspolitischer Ziele
5.3 „Project for Excellence in Journalism”

6. Die Berichterstattung der US-Medien zum Irak-Krieg
6.1 „Manufactoring Consent“: Die Kriegs-Propaganda der Amerikanischen Regierung
6.2 Pressefreiheit oder Zensur? Der „embedded journalism“
6.3 Technik als Mittel der Manipulation
6.4 „Neccessary Illusions“: Offizielle Quellen und Experten

7. „Enduring Freedom“ und „Iraqi Freedom“: US-Außenpolitik und die Sehnsucht nach Demokratie
7.1 Die Rolle der Medien im Prozess der Demokratisierung und Befreiung Afghanistans
7.1.1 „Operation Infinite Justice“: Die Koalition gegen den Terror
7.1 Die Rolle der Medien im Prozess der Demokratisierung und Befreiung Afghanistans

8. Zusammenfassung und Aussicht

9. Literatur

10. Anhang

Truth is the most valuable thing we have. Let us economize it.

Mark Twain: Following the Equator,

Pudd`nhead Wilson`s New Calendar

Vorwort

Die Idee dieser Arbeit entstand während meines Jobaufenthaltes in den Vereinigten Staaten kurz nach den Ereignissen von 9/11.

Da ich mich nach sechs Monaten in den USA an den „American Way of Life“ gewöhnt hatte und diesem auch sehr viele positive Aspekte abgewinnen konnte, führten die Reaktionen der Medien und der Regierung auf die Ereignisse von 9/11 schließlich dazu, dass meine sonst so positiven Eindrücke stark verzerrt wurden.

Die Berichterstattung der Medien entsprach ganz und gar nicht dem, was ich als nebenberufliche freie Journalistin von einer umfangreichen und objektiven Berichterstattung erwartete. Natürlich stehen zu allererst die Opfer und ihre Geschichten im Mittelpunkt der Berichterstattung und das sollen sie auch, dem stimme ich voll und ganz zu. Jedoch wurde in den Medien noch Wochen nach dem Anschlag über nichts anderes berichtet, als über die Opfer, ihre Angehörigen und potentielle Reaktionen der Regierung/des Landes auf den Anschlag. Die Hintergründe und möglichen Motive für diesen Angriff wurden jedoch in den Massenmedien mit keinem Wort erwähnt.

Bushs regelmäßige Fernsehansprachen boten gleichfalls kaum Aufschluss über Hintergründe, Motive und Täter.

Die amerikanische Regierung nutze die Medien geschickt, um bezüglich ihrer künftigen außen- und innenpolitischen Entscheidungen innerhalb der Bevölkerung größtmöglichen Konsens zu schaffen. Kurz und knapp: Je umfassender die Berichterstattung zu persönlichen Schicksalen, Opfern und Angehörigen, desto größer der „Wunsch nach Rache“ bei der Bevölkerung und desto einfacher die Rechtfertigung eines „Krieges gegen den Terror“.

Ganz ähnlich ist mein Eindruck der Medienresonanz zum Irak-Krieg: Meiner Meinung nach ist der von Medien und Politik gesteuerte Meinungsbildungsprozess in der Bevölkerung sehr ähnlich abgelaufen.

Diese Arbeit ist ein Versuch, mögliche Manipulationsprozesse von Seiten der Regierung und Medien in einer demokratischen Gesellschaft wie den Vereinigten Staaten zu untersuchen. Eine Übersicht über die Entwicklungen der Massenmedien in den letzten Jahren in den USA dient als Einstieg. Eine Analyse unterschiedlicher Werke von Autoren wie Noam Chomsky soll die Zusammenhänge zwischen Massenmedien, Manipulation und Demokratie in der Theorie erschließen. Eine Auswertung der Berichterstattung der Medien zum 11. September und dem Irak-Krieg verdeutlicht schließlich die Zusammenhänge an konkreten Beispielen. Welche Folgen diese Zusammenhänge schließlich auf die Zielländer der US-Angriffe haben, wird zum Ende der Arbeit diskutiert.

1. Die Entwicklung der Massenmedien in den Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert

„From Silicon Valley to Madison Avenue, it`s no longer a prediction or distant vision: The vaunted Information Age is here.”[1] Die computergestützte Vernetzung der Welt und der Einzug der digitalen Medien revolutionierten die Kommunikationslandschaft in den Vereinigten Staaten auf unvergleichliche Art und Weise. Mit dieser Revolution veränderte nicht nur die traditionelle Art und Weise der Berichterstattung in Radio, Fernsehen und Printmedien, sondern gleichzeitig die Medienindustrie als Ganzes. Noch nie war der Wettbewerb innerhalb der Industrie so groß wie heute, die Konsumenten so rastlos in ihrer Wahl der bevorzugten Medien. Wo es Konsumenten gibt, gibt es auch Werber. Wo sich Medien entwickeln, entwickeln sich die Gewohnheiten der Konsumenten.

Seit jeher haben die (Massen)Medien in den Vereinigten Staaten einen enormen Einfluss auf Politik, Kultur, Arbeit und Freizeit. Bis das Fernsehen während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Position eins der bevorzugten Medien rückte, waren Zeitungen, Radio und Film die Hauptinformationsquellen für die amerikanische Gesellschaft. Bis heute bleibt das Fernsehen - gemessen an Zuschauerzahl, Werbeeinnahmen oder kulturellem Einfluss - die dominante Kraft. Printmedien, Radio und Film haben eigene Nischen in der Welt der Konsumenten gefunden.

Grund für den Siegeszug des Fernsehens ist die bildliche und leicht verständliche Darstellung von Ereignissen, die umgehend und fast zeitgleich in die amerikanischen Haushalte übertragen werden und der typisch amerikanischen Forderung nach „latest information“ genügen.

Als Reaktion auf die veränderten Gewohnheiten der Konsumenten in der neuen digitalen Medienlandschaft, unterlagen die Printmedien einem Veränderungsprozess, der ihr Gesicht grundlegend wandelte. Die ursprüngliche Funktion der Printmedien als Lieferant für Hintergrundinformationen und in-depth-analysis weicht dem Anspruch der Konsumenten an die vereinfachte Darstellung komplizierter Sachverhalte: Die „neuen Zeitungsleser“ bevorzugen kurze Informationen, einfache und verständliche Texte, aufgelockert durch Farbfotos und Grafiken, die einem besseren Verständnis dienen.

1.1 Wettbewerb oder globales Kartell? Die Kommerzialisierung und Globalisierung der Medien

„What you are seeing is the creation of a global oligopoly. It happened to the oil and automotive industries earlier this century; now it is happening to the entertainment industry”[2], beschreibt Christopher Dixon, Medienanalyst bei Paine-Webber die Entwicklungen der Medien in den 90-ern. Besaßen Mediensysteme früher hauptsächlich nationalen Charakter, entwickelte sich in den letzten Jahren zunehmend eine globale und kommerzielle Medienlandschaft. Die Deregulierung der Medienindustrie, die Privatisierung des Fernsehens und neue Technologien ermöglichen es den Medienmogulen, außerhalb der Vereinigten Staaten auf den lukrativen europäischen und asiatischen Märkten Fuß zu fassen und ihre Macht auf internationaler Ebene auszuweiten. Während einer kurzen Zeitspanne schafften es die selben transnationalen Unternehmen, die die Vorherrschaft auf den amerikanischen Märkten besitzen, gleichzeitig eine Dominanz auf den globalen Märkten zu erzielen: AOL Time Warner, Disney, General Electric, News Corporation, Viacom, Vivendi, Sony, Bertelsmann, und At&T Liberty Media, deren Haupteinnahmequellen bis heute immer noch in den USA liegen, haben sich das Ziel gesetzt, innerhalb eines Jahrzehnts die Mehrheit ihrer Einnahmen aus dem globalen Markt zu schöpfen und sich damit auf den potentiellen Wachstum im Ausland zu konzentrieren, bevor mögliche Wettbewerber die Gelegenheit nutzen können.

Dieser Markt wird abgerundet durch eine kleinere Anzahl zweitrangiger Firmen wie die Kirch Group, Reuters oder Dow Jones, die den „10 Großen“ jedoch in nichts nachstehen. Sie dominieren die Märkte auf nationaler und regionaler Ebene und verfügen über Joint Ventures mit den transnationalen Unternehmen.

Gleichzeitig kämpfen neue Medienunternehmen mit unterschiedlichen politischen und sozialen Hintergründen um eine Position auf dem Markt der Giganten.

Dabei verfügen die zehn Größten über einen eindeutigen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern: Sie profitieren von „Synergien“ innerhalb der eigenen Unternehmen. Sie sind auf der einen Seite Besitzer der größten Hollywood Studios und verfügen auf der anderen Seite dank ihrer Kabelkanäle und Fernsehsender über die alleinigen Senderechte für die Filme, die in ihren Studios produziert werden. Während sich Verlagshäuser, Radio- und TV-Sender, Kabelkanäle und Musik- und Filmproduktionsfirmen vor einigen Jahren noch in unterschiedlichen Händen befanden, ist das gesamte Terrain heute unter den zehn Großen aufgeteilt worden.

Zusammengenommen beherrschen die erst- und zweitrangigen Medienunternehmen den Großteil des Marktes auf der ganzen Welt. Betrachtet man diesen Aspekt vor dem Hintergrund des Wettbewerbs ergibt sich ein seltsames Bild: So stark die Konkurrenz innerhalb der Medienindustrie auf den ersten Blick auch erscheinen mag, ist das Mediensystem in wirtschaftlicher Hinsicht kaum von Wettbewerb gezeichnet. Viele der größten Medienunternehmen besitzen Anteile anderer Medienriesen, haben gemeinsame Direktoren. Auf diese Art und Weise versichern sie sich gegen jedes Risiko, reduzieren den Wettbewerb und behalten den Profit stets in den eigenen Händen. Damit ähnelt das gesamte Mediensystem eher einem globalen Kartell als einem konkurrierenden Markt: Liberty Media besitzt Anteile an AOL Time Warner, Viacom und News Corporation, Liberty Media trägt Anteile von Vivendi Universal und At&T Corporation besitzt Anteile an News Corporation. Rupert Murdochs News Corporation ist Besitzer von FOXNews und weiteren 26 Fernsehsendern sowie der New York Post. Viacom verfügt über die Kabelkanäle UPN, CBS, MTV, MTV2, VH1, Nickelodeon, The Movie Channel, TNN, CMT, BET, sowie zu 50 Prozent über Comedy Central, über zahlreiche Radiosender, Filmproduktionsfirmen (Paramount Pictures) und Verlage (Simon&Schuster, Free Press, Scribner). Folglich konkurrieren die Medienmogule nur auf kleinen Marktsegmenten, im Großen und Ganzen sind sie jedoch Kunden des jeweils anderen – immer mit dem Ziel die eigenen kommerziellen Interessen in den Vordergrund zu stellen.

1.2 Konsument oder Rezipient? Die Popularisierung der Medien

„News organizations earn their keep by producing stories that attract audiences, and thus advertisers.“[3] So beschreibt Stratford die grundsätzliche Politik der Medien. Es ist das Ziel eines Massenmediums Profit zu machen durch den Verkauf von Werbeplatz in Zeitungen, den Verkauf von Werbeminuten im Fernsehen oder den Verkauf einer guten Story an die Öffentlichkeit. Kritisch formuliert bedeutet das, dass genau soviel berichtet wird, wie es werbefreier Raum oder Zeit zulassen.

Konnte ein Printmedium nur wenige Seiten an Inserenten verkaufen, nimmt gleichzeitig die Anzahl der Informationen ab. Sind nur wenige Minuten für Werbespots reserviert, schrumpft die Länge der Beiträge im Fernsehen.

Der Journalist findet sich dabei in einer Situation wieder, in der er einerseits die Öffentlichkeit über bestimmte Sachverhalte auf objektive Art und Weise informieren soll, andererseits jedoch gleichzeitig den wirtschaftlichen Interessen der Medienorganisation entsprechen muss. Kurz gesagt: Je mehr Augenpaare beispielsweise eine Fernsehsendung verfolgen, desto eher ist der Werber bereit, mehr für die Werbeminuten zu bezahlen. Damit sind die Journalisten dazu gezwungen, das zu berichten, was die Konsumenten als „latest information“ einschätzen. Der Rezipient einer Nachricht ist nicht mehr Leser, Hörer oder Zuschauer, sondern Konsument dessen, was ihn amüsiert oder interessiert.

Diese Popularisierung der Medien, erscheint auf den ersten Blick durchaus positiv. Es existiert kaum ein Haushalt in den Vereinigten Staaten, der nicht über den Zugang zu den unterschiedlichsten Medien verfügt. Fernsehen, Kabelfernsehen, Zeitungen, Internet und Radio rücken vordergründig immer mehr Menschen in den öffentlichen Einflussbereich.

Eine negative Konsequenz der Popularisierung ist dabei die Degeneration zur Trivialisierung der Ereignisse und die Sensationslust der Konsumenten. Die Ideale des Journalismus unterliegen dabei immer mehr dem konkurrierenden Markt; die Grenzen zwischen seriösem Journalismus und Populärkultur verschwimmen zunehmend. Boulevardjournalismus, aufwendige visuelle Techniken, Sensations-Berichterstattung und die Vermischung von Gewalt, Klatsch und Unterhaltung prägen das heutige Bild der Medien. Das Ideal eines Mediensystems, das das „öffentliche Interessen“ bedient, kann nicht von einem Kartell gigantischer Firmen kontrolliert werden.

Die drei größten Fernsehsender CBS, NBC und ABC haben beispielsweise die Mitarbeiterzahl in der Nachrichtenredaktion reduziert und die Sendezeiten für „ernsthafte“ Dokumentationen gekürzt, um mehr Sendezeit für aufwendige Nachrichtenmagazine, konsumentenfreundliche Features und „news-you-can-use“- Beiträge zu schaffen:

Lacking any necessarily conspirational intent and acting in their own economic self-interest, media conglomerates exist simply to make money by selling light, escapist entertainment. Journalism is disfigured by celebrity, gossip and sensationalism. I believe it`s the role of journalists to challenge people, not just to mindlessly amuse them. In this culture of journalistic titillation, we teach our readers and our viewers that the trivial is important[4].

So beschreibt es Carl Bernstein, früherer Mitarbeiter der Washington Post und einer der Journalisten, die die Watergate-Affäre aufdeckten, in einem Interview.

Dabei ist und bleibt die Regierung immer noch Thema Nummer 1 der Berichterstattung – mit dem Unterschied, dass sich die Themenwahl heute hauptsächlich auf Skandale wie die Lewinsky-Affäre beschränkt, die Zuschauerzahlen in die Höhe schnellen lassen. Die Sendezeit für Berichte über internationale Angelegenheiten, die auch in der Vergangenheit keine zentrale Rolle in den amerikanischen Medien gespielt haben, wurde bei einigen Sendern erneut zurückgesetzt. Durch die Schließung von Redaktionsbüros im Ausland traten zahlreiche Fernsehsender und Zeitungen die Hauptverantwortung für die Sparte Auslandsangelegenheiten an den Fernsehsender CNN ab.

1.3 Ein Weg aus der Krise? Journalismus und Neue Medien

Zu den wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre gehört sicherlich der Einzug des Internet in den Markt der Medien. Seit 1999 wurde das Internet einem rapiden Prozess der Kommerzialisierung und Erweiterung unterzogen. Schien der Wettbewerb innerhalb der unterschiedlichen Medien auf den ersten Blick erneut entfacht, stellte sich bald heraus, dass die neue Konkurrenz nur von kurzer Dauer sein sollte. Das Ende erfolgte umgehend: AOL kündigte eine Handel mit dem Medienriesen Time Warner an. „For what AOL is paying for Time Warner, it could duplicate Time Warner`s physical assets many times over. But what it needed was Time Warner`s semimonopolistic market position, which is nearly priceless”.[5]

Wird der Einzug der neuen Medien entsprechend dieser Entwicklungen oft kritisch gesehen, bringt er jedoch gleichzeitig eine Reihe positiver Effekte. Neue Techniken wie die Verknüpfung von Text, Grafiken, Videos und Bildern oder Hyperlinks zu Artikeln die mit dem Thema in Zusammenhang stehen, können einen Sachverhalt in einen größeren und umfassenderen Rahmen stellen.

Diese neue Art des Journalismus wird als „kontextualisierter Journalismus“ bezeichnet. Der Rezipient wird dazu angeregt, einen Sachverhalt durch eigenes Engagement aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, individuelle Schwerpunkte in der Informationsauswahl zu setzten und das Internet als persönliche Kommunikationsplattform zu nutzen. Als Plattform für vielfältige Ansichten und Standpunkte spricht es selbst ein globales Publikum an.

Gleichzeitig steigert das Internet die Geschwindigkeit des Informationsflusses. Updates, die in den traditionellen Medien erst am Abend oder am nächsten morgen erfolgen, stehen umgehend und kontinuierlich bereit. Damit wird das Internet auch auf Seiten der Journalisten zu einer wichtigen Informationsquelle, das neue Wege öffnet. Informationen stehen sofort zur Verfügung, Hintergründe können leichter recherchiert werden und offizielle Reden oder Beschlüsse der Regierung sind online und in schriftlicher Version verfügbar. Der „virtuelle Newsroom“ existiert ohne jegliche räumliche Grenzen. E-mail, der elektronische Zugang zu Datenbanken und die Übermittlung von Informationen über die übliche Telekommunikationsinfrastruktur ermöglichen eine Arbeit vom Ort des Geschehens ohne Umwege über die Redaktion.

2. Demokratie und Medien: Der Prozess der politischen Meinungsbildung

Es ist unstrittig, dass die Medien eine zentrale Rolle bei der politischen Meinungsbildung spielen. Aufgrund dessen ist die Behauptung legitim, dass die Pressefreiheit seit jeher als „Beschützer“ der Demokratie gilt. Die Bedeutung der Pressefreiheit ist seit der Gültigkeit des First Amendment immer mehr in den Vordergrund gerückt und räumt ihr damit einen privilegierten Platz in der Demokratie ein:

Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the government for a redress of grievances.

Traditionell ist die Presse das Instrument in einer Demokratie, das die Rolle eines neutralen Beobachters einnimmt. Mit der zunehmenden Bedeutung der Medien in der heutigen amerikanischen Gesellschaft hat die Presse eine Funktion übernommen, die der traditionellen nicht mehr ganz entspricht. Die Presse ist heute nicht mehr nur Außenstehender oder neutraler Beobachter, sie ist in der Lage, politische Entscheidungsprozesse aktiv mitzugestalten.

Im Gegensatz zu den Printmedien spielen dabei die elektronischen Medien eine weitaus zentralere Rolle. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, das bedeutet auch, dass das Fernsehen die Macht besitzt, Meinungen und Ansichten in einem Maße zu vermitteln, wie es den Printmedien nicht möglich ist. Nicht umsonst wird dem Fernsehen die Verantwortung für wachsende Gewalt oder den Realitätsverlust bei Jugendlichen zugeschrieben.

Dabei ist das Fernsehen Hauptinformationslieferant für die weniger gebildeten Schichten, während die Entscheidungsträger in der amerikanischen Gesellschaft zur Informationsbeschaffung eher auf Printmedien wie die Washington Post oder die New York Times zurückgreifen:

So the argument from power is inconclusive, for television exerts most power on the least powerful. […] Reading takes effort and active participation, but television`s messages thrust themselves upon us.[6]

2.1 Freedom of Press = Speech of Freedom? Voraussetzungen für eine funktionierende öffentliche Meinungsbildung

Die grundlegende Frage bei der Erörterung des First Amendment lautet: Können beide Grundrechte des amerikanischen Bürgers - nämlich Pressefreiheit und Meinungsfreiheit - gleichzeitig garantiert werden oder schließen sie sich aus?

Beide Grundrechte scheinen sich - wie die folgende Interpretation des First Amendment des Legal Information Institute der Cornell Law School zeigt - auf den ersten Blick kaum gegenseitig zu unterbinden.

The most basic component of freedom of expression is the right of freedom of speech. The right to freedom of speech allows individuals to express themselves without interference or constraint by the government. The Supreme Court requires the government to provide substantial justification for the interference with the right of free speech where it attempts to regulate the content of the speech. A less stringent test is applied for content-neutral legislation. The Supreme Court has also recognized that the government may prohibit some speech that may cause a breach of the peace or cause violence. The right to free speech includes other mediums of expression that communicates a message.

Despite popular misunderstanding the right to freedom of the press guaranteed by the first amendment is not very different from the right to freedom of speech. It allows an individual to express themselves through publication and dissemination. It is part of the constitutional protection of freedom of expression. It does not afford members of the media any special rights or privileges not afforded to citizens in general.[7]

Kritisch betrachtet ist der Zusammenhang zwischen Pressefreiheit und Meinungsfreiheit jedoch weitaus komplizierter. Die Meinungsfreiheit schließt die Freiheit ein, frei und ohne Einschränkungen zu kommunizieren und unterschiedliche Standpunkte zu publizieren. Die Presse scheint dieser Freiheit zur Meinungsäußerung vordergründig nicht im Wege zu stehen, sie tut es jedoch dann, wenn beispielsweise ein Leserbrief nicht veröffentlicht wird, weil er nicht dem politischen Standpunkt des Mediums entspricht.

Our interests in free speech make it plausible to speak of a fundamental right or freedom to think and speak and write and listen and read without interference; but there is no `right to publish` or right to editorial autonomy in the same sense[8].

In Liebings Worten: „Freedom of the Press is guaranteed only to those who own one.”[9]

2.2 Modelle der Medienorganisation nach Chomsky

Beleuchtet man den Zusammenhang zwischen Demokratie und Medien genauer, wir deutlich, dass die Organisation der Medien in demokratischen Gesellschaften eine zentrale Rolle spielt. Chomsky beschreibt in Neccessary Illusions[10] (21) drei Modelle der Medienorganisation: Konzernoligopole, eine staatlich kontrollierte Organisation und die demokratische Kommunikationspolitik.

Die Konzernoligopole beschränken die demokratische Beteiligung an den Medien auf fast Null. Das Modell entsteht aus der Struktur einer kapitalistischen Demokratie und herrscht aufgrund dessen auch in Gesellschaften wie den Vereinigten Staaten vor, die in diesem Sinne am weitesten entwickelt sind. Die Medienkonzentration in solchen Gesellschaften ist außerordentlich hoch, während öffentliche Radio- und Fernsehsender ihrem Umfang nach begrenzt sind. Dennoch existieren lokale oder alternative Radio- oder Fernsehsender und Zeitungen, die oftmals einen bemerkenswerten Einfluss auf die soziale oder politische Kultur ausüben und speziellen Gruppen für die Durchsetzung ihrer Ziele dienen. Trotzdem konzentriert sich die Kontrolle der Medien als Ressourcen der Meinungsbildung auf wenige Entscheidungsträger in der Gesellschaft. Aus Sicht Chomskys handelt die freie Presse (das heißt die kommerzialisierten Medienunternehmen) mit dem Ziel, die Illusionen zu verbreiten, die notwendig sind, den „Feind im eigenen Land“ zu kontrollieren. Diese globale Politik wird auch mit dem Begriff „containment“ bezeichnet, das heißt der Herstellung von Konsens innerhalb einer Gesellschaft.

Im Falle der „state controlled media“ spielt die Funktionsweise des politischen Systems eine entscheidende Rolle. Die staatstragenden Medien sind von politischen Entscheidungsträgern und Kulturmanagern abhängig. Die Kulturmanager unterliegen wiederum den Entscheidungsträgern.

Das dritte Modell Chomskys bleibt ein Modell für die Zukunft, das bisher in der Praxis kaum umgesetzt worden ist. Es bezeichnet ein sozialpolitisches System, das öffentliche Beteiligung in den Vordergrund stellt und auf die Intelligenz der breiten Massen eines Landes baut.

2.3 Propagandamodell Chomskys

Die Politik des „containment“ funktioniert nur dann, wenn die notwendigen Voraussetzungen innerhalb der demokratischen Gesellschaft gegeben sind. Dazu gehört für Chomsky[11] ein „Nachrichtenfilter“, der das jeweils „Erlaubte“ heraussiebt und abweichende Meinungen an den Rand drängt. Das Ziel dieses Informationsfilters ist die Durchsetzung vorherrschender politischer Interessen und Meinungen. Die wichtigsten Komponenten dieses „Propagandamodells“ nach Chomsky sind:

- die Größe der wichtigsten Mediengesellschaften, die Konzentration und das Vermögen ihrer Eigentümer sowie ihre Gewinnorientierung
- die Werbung als Haupteinnahmequelle der Massenmedien
- die Abhängigkeit der Medien von den Informationen, die ihnen von der Regierung, der Wirtschaft und den von diesen Machtzentren alimentierten und approbierten „Experten“ geliefert werden
- „Flaks“[12] als Mittel zur Disziplinierung der Medien.
- „Antikommunismus“ als nationale Religion und als Kontrollmechanismus

Das Modell setzt das Verständnis voraus, dass jeder Journalist versucht, seiner Arbeit mit einem hohen Maß an Professionalität zu begegnen. Diese Professionalität schließt Mut, Integrität und Unternehmergeist ein. Trotz ihrer Professionalität entsprechen die Journalisten dem Propaganda-Modell Chomskys. Hier liegt kein Widerspruch vor, sondern die Diskussion, ob es sich in ihrer Berichterstattung um die Ehrlichkeit bei der eigenen Meinung oder um die Integrität mit der Demokratie handelt. Ein Journalist wählt ein Thema aus und gibt diesem Thema allein durch die bevorzugte Wahl eine Gewichtung. Er kann unterschiedlichen Gesichtspunkte hervorheben, sie in den Rahmen des „Erlaubten“ stellen, die Grenzen einer Debatte festlegen und eine gewisse Weltanschauung vermitteln, die stark vom politischen Hintergrund geprägt ist.

Aus diesem Blickwinkel dienen die Medien laut Chomsky einem gesellschaftlichen Ziel – der Erziehung eines Staates: Wie es James Mill zu Zeiten der Ursprünge des Mediensystems in seinem Werk Liberty of the Press von 1823 ausdrückte: „to train the minds of the people to a virtuous attachment to their government“[13], in anderen Worten die Mitgestaltung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ordnung.

Die Pressefreiheit ist in sofern begrenzt, als dass die Medien eben diese soziale Rolle mit dem First Amendment übernommen haben. Supreme Court Justice Powell drückt es wie folgt aus: „No individual can obtain for himself the information needed for the intelligent discharge of his political responsibilities… By enabling the public to assert meaningful control over the political process, the press performs a crucial function in effecting the societal purpose of the First Amendment”. Negativ ausgedrückt bedeutet dies, dass die Medien die Rolle eines wachsamen Auges übernehmen, das die Immunität der Politik vor der Bedrohung durch die öffentlichen Meinung und Beteiligung schützt.

Die Tatsache, dass die Meinung der Menschen in einer demokratischen Gesellschaft stets gegenwärtig ist, verursacht laut Chomsky ein Problem, das nur gelöst werden kann, wenn die Stimme der Öffentlichkeit die richtige Sprache spricht. Die Aufgabe der Medien ist es hierbei, ihre gesellschaftliche Absicht und die damit verbundenen Aufgaben im Sinne der maßgebenden Konzeption der Demokratie zu erfüllen, in Chomskys Worten „manufacture consent, deceiving the stupid masses with `necessary illusions`, covert operations that the media and Congress pretend not to see until it all becomes too obvious to be suppressed“[14].

3. “Manufactoring Consent“: Manipulationsprozesse in einer demokratischen Gesellschaft

3.1 Mediatisierte Politik

Erfolgten politische Kampagnen früher hauptsächlich von Tür zu Tür oder im Dialog mit anderen, bildet heute die mediatisierte Politik den Kern der politischen Meinungsbildung. Meinungsbildung in ihrer aktuellen Form funktioniert kaum noch ohne die Nutzung der Medien zu politischen Zwecken. Während gewisse Aktivitäten des öffentlichen politischen Lebens wie beispielsweise Parteizugehörigkeit, Patriotismus oder Wahlen für den Einzelnen an Bedeutung verlieren, protestieren immer mehr Menschen gegen die aktuelle Politik des Landes oder gründen Bürgerinitiativen.

Diese neue Ausprägung der Demokratie fordert umso mehr das Verständnis der mediatisierten politischen Kommunikation - sowohl im politischen Prozess als auch in der Wahrnehmung der Gesellschaft und ihrer Probleme durch die Bevölkerung selbst. Dabei lautet die Frage: Wie beeinflussen die Medien den Austausch von Informationen, die zur politischen Meinungsbildung in der Bevölkerung führen? „Communication can shape power and participation in society in negative ways, by obscuring the motives and interests behind political decisions, or in positive ways, by promoting the involvement of citizens in those decisions.”[16] Daraus ergeben sich nach Bennett zwei Konzepte für der Einfluss der Medien auf Politik und Regierung:

3.1.1 Der öffentliche Einflussbereich

Der öffentliche Einflussbereich reicht vom informellen öffentlichen Leben in Cafes, Internet-Chatrooms oder Talkshows. Dort hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich auszutauschen, ihre sozialen Interessen und Konflikte öffentlich und unzensiert zur Sprache zu bringen. In der idealen Form dieses Konzeptes haben alle Zugang zu den unterschiedlichsten Formen der Kommunikation, die politisch uneingeschränkt ist und die politischen Entscheidungen der Regierung von allen Seiten durchleuchtet. Dieses Ideal ist bis heute selbstverständlich noch nie erreicht worden.

3.1.2 Der politische Einflussbereich

Ist es auf der einen Seite von enormer Bedeutung zu untersuchen, wie die Menschen ihre politische Meinung in informeller Hinsicht kommunizieren, erscheint es auf der anderen Seite wichtig sich darüber bewusst zu sein, wie die Politik die Meinung der Öffentlichkeit einschätzt. Dabei besteht ein eindeutiger Gegensatz zwischen politischen Diskussionen und Diskussionen, die die Regierung auf direkte Art und Weise betreffen.

We should not equate an Internet chat on which rifle does the best when hunting for deer with one about which candidate would do best as president or prime minister. There will always be citizens active in the policy sphere, and these political activists are the ones who will most affect how much everyone else in the society pays taxes, gasoline, health care, and much else – including rifles and hunting licenses.[17]

Trotzdem liegen aufgrund der strategischen Kommunikation der politischen Entscheidungsträger, die nur eine ausgewählte Öffentlichkeit ansprechen und andere ausschließen, viele Bereiche außerhalb der politischen Einflussnahme der Bürger. Die Kommerzialisierung der Medien spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Es hat sich gezeigt, dass der Trend der globalen Medien dahingeht, die öffentliche Meinungsbildung in den Hintergrund und kommerzielle Interessen bezüglich Unterhaltung, Lebensstil und Konsum in den Vordergrund zu rücken. In den Vereinigten Staaten sind die beiden Konzepte besonders stark ausgeprägt: Eine hoch kommerzialisierte Medienlandschaft auf der einen und hoch kommerzialisierte Kommunikationstechnologien auf der anderen Seite, zielen beide darauf ab, die politische Meinungsbildung zu steuern.

Die Medien als Instrument des öffentlichen Einflussbereiches degenerieren dabei immer mehr zu einem Instrument der Mächtigen, in den Worten Danny Schechters, Emmy-Gewinner und TV-Produzent:

Increasingly concentrated corporate ownership and hypercommercialism, along with the complicity of a political establishment that benefits from depoliticised citizenry, have effectively destroyed the autonomy and democratic capacity of journalism over the past 15 years.[18]

Die Grenzen dessen, was kommuniziert werden darf, hängen von allen möglichen Formen der Zensur ab, die Inhaber oder Werber setzten. Dabei bedienen die öffentlichen Medien aufgrund ökonomischer Ziele hauptsächlich soziale Eliten. Als Großunternehmen ist ihr Ziel der Profit, der nur mit professioneller Arbeitsweise funktionieren kann. Dabei rationieren die Medienunternehmen den öffentlichen Einflussbereich auf ein Mindestes, das heißt der Einflussbereich beschränkt sich auf Leserbriefe, spezielle Kabelkanäle oder Internetchats.

Niemand wird bezweifeln, dass die Medien - egal ob in Nachrichten- oder Unterhaltungsprogrammen - einen starken Einfluss auf die öffentliche Meinung haben. Diese öffentliche Meinung entsteht laut Bennett durch den abstrakten Inhalt einer Nachricht und der individuellen oder gesamtheitlichen Antwort auf diese Botschaft. Dabei besteht nicht nur ein Zusammenhang zwischen vermittelter Botschaft und politischen Einstellungen, sondern auch zwischen den Qualitäten der höheren politischen Ebene. Dazu gehören für Bennett[19]

- die Vielfältigkeit der Informationen sowie deren Quellen
- Die Frequenz der Wiederkehr unterschiedlicher Themen
- das Format in der politisch relevante Informationen dargestellt werden (Detailliertheit, Unterhaltungswert, Tiefe etc.)
- der Ausgleich zwischen Botschaften, die Übereinstimmung in der breiten Gesellschaft oder in individueller Hinsicht finden
- die Art und Weise, wie die Öffentlichkeit mit den durch die Medien vermittelten Botschaften umgeht und darauf reagiert

Gerade bei Nachrichtensendungen können politische Inhalte je nach Eigentümer einer Medienorganisation stark variieren. Als konkurrierende Unternehmen unterscheiden sich die Medienunternehmen in ihre Professionalität und ihren Normen. Eine Nachricht kann durch das Setzen unterschiedlicher Signale und Schwerpunkte unterschiedliche Botschaften vermitteln. In anderen Worten bedeutet dies: Die Stärke der Medien liegt in ihrer Macht, bestimmte Themen und Ansichten für eine Veröffentlichung auszuwählen und andere zu vernachlässigen. Ihre Schwäche liegt darin, dass sie stark davon abhängig sind, was von offizieller Seite zu ihnen durchdringt. Daraus entsteht das Paradox einer gegenseitigen Manipulation zwischen Medien und Politik. Dies geschieht in großem Ausmaß beispielsweise während des Wahlkampfes. Politiker setzten im Wahlkampf auf die Presse, um ihre politischen Ansichten an die Bevölkerung weiterzugeben, während die Presse auf der anderen Seite von den Politikern insofern abhängig ist, als dass sie die einzige offizielle Informationsquelle sind.

Das heißt auch, dass die mediatisierte Politik nicht nur die vorhandenen Informationen auf ihre Art und Weise formt, sondern gleichzeitig den Rezipienten im eigenen Sinne beeinflusst Der Rezipient einer Nachricht ist nur dann in der Lage, eine Botschaft richtig zu interpretieren, wenn er sich bewusst darüber ist, welchen Veränderungs- und Manipulationsprozessen eine Nachricht bis zu ihrer Veröffentlichung unterliegt.

Aus dieser gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Medien und Politik lässt sich die Konsequenz ziehen, dass die Objektivität der Presse einem Mythos gleicht. Offizielle Dokumente oder Ansprachen, die in der Presse veröffentlicht werden, sind nie objektiv; Sie sind grundsätzlich von der subjektiven Meinung des Informanten gefärbt. Die Aufgabe der Presse ist es nun, diese Ansichten unter verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten. Ob die Presse diese Aufgabe in jeder Hinsicht erfüllt, wird im folgenden ausgeführt.

3.2 Informationsvielfalt vs. Einseitigkeit

Die Medien halten nicht nur Informationen bereit, sie stellen diese Informationen gleichzeitig in eine kontextuellen Rahmen, der nicht nur Fakten liefert, sondern gleichzeitig eine Meinung vermittelt. Die Presse ist folglich ein Instrument, das “may not be successful much of the time in telling people what to think, but it is stunningly successful in telling its readers what to think about[20].

Journalisten und Produzenten funktionieren in der Welt der Medien als Instanz zwischen vorhandenen und zu vermittelnden Informationen auf der einen Seite sowie den Rezipienten auf der anderen. Sie können Informationen auf ein Mindestes reduzieren, über die Art der Berichterstattung entscheiden und die Zeitspanne, während der über ein bestimmtes Thema berichtet wird, steuern.

Sie tun dies im Auftrag der Medienunternehmen, die letztendlich festlegen, welche Nachrichten veröffentlicht werden sollen und welche nicht. Die Informationsvielfalt wird damit klar unterbunden. Bis zu ihrer Veröffentlichung durchläuft eine Nachricht zahlreiche Instanzen: „Gatekeepers allow through that material which fits a specific social, political, and economic vision of society`s components and excludes other stories which may challenge the dominant view.”[21] Diese Entscheidung der Wertigkeit einer Information wird nicht zuletzt von denen getroffen, die mit Presseveröffentlichungen oder offiziellen Ansprachen die notwendigen Informationen liefern. Ohne diese offiziellen Informationen besitzt eine Story keine Grundlage.

As long as the distribution of power is narrow and decision processes are closed, journalists will never be free of their dependence on the small group of public relations experts, official spokespersons, and powerful leaders whose self-serving pronouncements have become firmly established as the bulk of the daily news.[22]

Dabei liegt die Macht eines politischen Entscheidungsträgers nicht allein darin, dass er sich in einer gewissen Position befindet, sondern darin, dass eben diese Position ihn dazu befähigt, eine Pressekonferenz einzuberufen oder eine Pressemeldung zu veröffentlichen. „When the president – any president- says that something is news, it is news”[23], so TV-Reporter Greenfield in der TV-Sendung Nightline. Damit sind politische Entscheidungsträger dazu befähigt, absichtlich oder unabsichtlich zu manipulieren. Die von ihnen gelieferten Informationen gelangen ungefiltert und ohne Kontext zu den Rezipienten.

Um einen gewissen Grad an Objektivität zu wahren, sollen „Experten“ für bestimmte Themenbereiche den Journalisten politisch unabhängige Informationen liefern. Meist sind diese „Experten“ jedoch selbst Mitarbeiter des Informationslieferanten. Diese Abhängigkeit der Journalisten von politischen Entscheidungsträgern und „Experten“ führt schließlich dazu, dass Journalisten nicht mehr agieren sondern lediglich reagieren können.

Die mündliche Tradition der Informationsbeschaffung (Interview) birgt ein weiteres Risiko für eine objektive Berichterstattung. Die Informationsgebung hängt oft stark vom persönlichen Verhältnis zwischen Informanten und Journalisten ab. Was schließlich an die Öffentlichkeit gelangt, hat eine stark subjektive Färbung, allein aufgrund der Tatsache, das jeder Journalist mündliche Informationen unterschiedlich bewertet.

3.3 Regulierungen der Regierung: Die Federal Communication Commission (FCC)

Um Konflikten wie den oben genannten entgegen zu wirken, wurde bereits 1934 die Federal Communication Commission (FCC) gegründet, deren Aufgabe es ist, die Objektivität der Massenmedien zu wahren. Judith Lichtenberg beschreibt in ihrer Einleitung zu Democracy and the Mass Media drei abstrakte Modelle der Regulierung der Medien, die an die Fairness-Doktrin der Federal Communications Commission (FCC) angelehnt sind:[24][25]

- strukturelle Regulierungen wie Beschränkungen im Besitz, Struktur und Organisation unterschiedlicher Medienunternehmen
- Inhaltsregulierungen die entsprechend der Fairness-Doctrine festlegen, über welche Ereignisse berichtet wird und in welchem Ausmaß (z.B. unterschiedliche Standpunkte)
- Subventionen für Programme oder Materialien, die ohne Zuschüsse auf dem Markt nicht bereit gestellt werden könnten

Dabei entsprechen diese Regulierungen kaum der Realität. Viele Medienorganisationen gehören trotz struktureller Regulierungen zu riesigen Medienoligopolen, die bestimmen, was berichtet wird und was nicht. Diese Medienunternehmen werden vom Profit gesteuert, das heißt, sie versuchen das größtmögliche Publikum anzusprechen. Erscheint ein Thema zu anspruchsvoll, zu störend oder kontrovers, fällt es unter den Tisch. Nicht zuletzt spielen dabei auch mögliche Präsentationsformen eines Themas eine entscheidende Rolle: Kann ein Ereignis nur unzureichend mit aufsehenerregenden Bildern illustriert werden, verkauft es sich dementsprechend schlecht.

Zuschüsse für Programme und Materialien werden hauptsächlich dann bereit gestellt, wenn eine bestimmte Absicht dahintersteht, das heißt sie können kaum neutraler Art sein. Und letztendlich bezeichnen strukturelle Regulierungen immer eine gewisse „Auswahl“, in anderen Worten: Wer zuerst kommt malt zuerst. Die Inhaltsregulierung entsprechend der Fairness-Doctrine kann kaum garantieren, dass gewisse Sachverhalte oder Themen tatsächlich behandelt werden. Die Fairness-Doktrin sagt lediglich aus, dass Fragen, denen die Öffentlichkeit Bedeutung zumisst, abgedeckt werden sollen.

Folglich existiert keine Garantie dafür, dass alle Informationen, Standpunkte, Erklärungen oder Theorien Ausdruck finden. Zeit- und Raumbeschränkungen führen dazu, dass nur eine Auswahl solcher Informationen bereitgestellt werden kann. Was tatsächlich abgedeckt wird, bleibt hauptsächlich denen überlassen, die die Fäden in der Hand halten - Wirtschaft, Politik und Presseinstitutionen.

Aufgrund dieser Faktoren bleibt die Berichterstattung - was die Vielfalt der Standpunkte betrifft - meistens einseitig. Grund dafür sind die Medien selbst:

- sie wählen die Themen für eine Veröffentlichung aus und geben ihnen dadurch eine Gewichtung
- sie stellen diese Themen in einem Rahmen, das heißt sie beleuchten unterschiedliche Aspekte eines Themas stärker oder schwächer
- sie wählen unterschiedliche Quellen wie beispielsweise offizielle Statements, Experten etc.
- sie wählen die Form der Berichterstattung, z.B. Reportage, Feature, Meldung
- sie Verfügen über unterschiedliche Möglichkeiten, Gebrauch von Sprache zu machen (Semantik, Syntax)

4. “Politische Wellen” und die Rolle der Medien

The modern political process can be thought of as a series of cycles in which leaders, publics, and the press focus attention on a narrow number of public issues and events for a limited period of time. The initiation of these cycles, or political waves, is marked by a dramatic increase in Media coverage about an issue, an increase in public reactions by political leaders and activists concerning the topic, and an increase in discussions about the issue among the general public.[26]

Der beste Indikator für eine solche “Welle” ist sicherlich der Umfang der Berichterstattung in den Medien. Je größer der Umfang der Berichterstattung, desto größer die “Welle”. Dabei besitzen politische Entscheidungsträger durch ihre Position die Macht, solche „Wellen“ zu initiieren. Für die Entscheidungsträger ist dies ein klarer Vorteil, weil sie als Initiator einer „Welle“ das politische Klima im Zuge einer „Welle“ beeinflussen können. Die Medien auf der anderen Seite können gleichfalls von solchen „Wellen“ profitieren, weil mit wachsendem Interesse der Bevölkerung auch die Zahl der Konsumenten steigt.

Die Art und Weise wie die Medien über eine solche „politische Welle“ berichten, hat Einfluss auf die Strategie und Taktik der politischen Entscheidungsebene. Die größten „politischen Wellen“ entstehen bei politischer Gewalt – bei Terroranschlägen oder im Falle eines Krieges, in den das eigene Land involviert ist.

Eine positive Konsequenz solcher politischer Wellen ist die neu erwachte Partizipation der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen. Die Öffentlichkeit nimmt aktiv an der Politik teil, indem sie Diskussionen führt und sich mit einem Thema intensiver beschäftigt als in einer Phase der politischen Enthaltung. Gerade in einer solchen Situation der politischen Teilnahme übernehmen die Medien die Rolle, eines wichtigen Lieferanten für Hintergrundinformationen und Zusammenhänge.

Als schnelle Informationsquelle in Krisenzeiten sind die Medien diejenigen, die uns zu aller erst über Flugzeugentführungen, Terroranschläge, Katastrophen, Kriege und Wahlen auf der ganzen Welt informieren – und zwar fast Zeitgleich mit dem Ereignis. Dabei besitzen sie vor allem für die politischen Entscheidungsträger vier wichtige Funktionen, die O`Heffernan[27] (S. 38) wie folgt definiert:

- Medien dienen als sofortige, nützliche und sinnvolle Informationsquelle für politische Entscheidungsträger
- Medien bieten Hilfe bei Entscheidungsprozessen bereits in einem frühen Stadium
- Medien sind oftmals die einzige Quelle für politische Informationen in Krisenzeiten
- Medien stellen eine kritische Informationsquelle dar die unabhängiger ist, als offizielle Dokumente

Nur wenn die Medien diese Funktionen erfüllen, sind Bevölkerung und Politik in der Lage, durch die Vielfalt an Informationen eine objektive Meinung über das Geschehene zu bilden.

Meist steht jedoch bei der Berichterstattung der Medien vor allem bei Terroranschlägen das individuelle „Drama“ im Vordergrund, aus einem einfachen Grund: Solche Storys lassen sich besser verkaufen, wecken Mitgefühl in der Bevölkerung und schaffen durch diese Anteilnahme Konsens der Bevölkerung mit den Entscheidungen der Regierung.

4.1 Massenmedien und terroristische Gewalttaten

Hauptinformationsquellen im Falle eines Terroranschlags sind für Bevölkerung und Regierung grundsätzlich die elektronischen Medien und Printmedien. Die elektronischen Medien schließen Radio, Fernsehen, Kabelfernsehen und Internet ein, währen die Printmedien Zeitungen und Zeitschriften umfassen. Tägliche Nachrichten, Positionen, Interviews und offizielle Ansprachen der Regierung sind im Falle eines Anschlages Leitartikel in allen Medien. Dabei ist und bleibt das Fernsehen die Hauptinformationsquelle des gewöhnlichen Amerikaners - allein dadurch, dass es die meisten amerikanischen Haushalte erreicht. „Cable Outlets such as Cable News Network (CNN), with their news orientation and resultant ability to get reporters on the scene of a news event quickly, can afford to do in-depth coverage of terrorist events.“[28]

Graber charakterisiert die Funktionen der Medien im Falle eines Angriffs wie folgt[29]:

- Medien dienen der öffentlichen und privaten Überwachung, mit dem Ziel, die laufenden Ereignisse hervorzuheben und zu publizieren
- sie interpretieren die Konsequenzen und die Bedeutung eines Ereignisses
- sie sind Vermittler politischer Ansichten und dominanter Werte der Gesellschaft
- sie profitieren von der Sensationslust der Bevölkerung und stellen Informationen bereit, die politische Ansichten der Bevölkerung manipulieren können

Vor diesem Hintergrund sind die Medien dazu in der Lage, den Fortlauf der politischen Entscheidungen der Regierung im Zielland eines Anschlages mitzubestimmen.

4.1.1 Die Steuerung von Entscheidungen auf politischer Ebene

Bei der Frage, ob nationale oder individuelle Interessen (Opfer und Angehörige) zuerst vertreten werden sollen, befinden sich die politischen Entscheidungsträger stets in einem Dilemma. Reagieren sie militärisch auf einen Angriff, gefährden sie Opfer. Konzentrieren sie sich auf die Opfer eines Anschlags, riskieren sie mehr Gewalt und Forderungen von Seiten den Angreifer. Die Regierung hat nun die Aufgabe, persönliche Prioritäten und nationale Interessen auf die gleiche Ebene zu stellen, das heißt auf der einen Seite die Opfer und ihre Angehörigen zu schützen und auf der anderen Seite nationale Interessen zu berücksichtigen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bevölkerung in Zeiten einer Krise mehr denn je auf ihre Regierung und deren Entscheidungen vertraut.

[...]


[1] Eric P. Bucy, Living in the Information Age (Indiana: Wadsworth, 2002) xi.

[2] Emma Duncan, “Wheel of Fortune”, Economist (21.11.1998): 4.

[3] Sherman Stratford, “Smart Ways to Handle the Press”, Fortune (19.06.1989): 69.

[4] Robert W. McChesney in Bucy 2002, 138

[5] Robert W. McChesney, Rich Media, Poor Democracy: Communication Politics in Dubious Times (New York: The New Press, 2000) xxii.

[6] Judith Lichtenberg, Democracy and the Mass Media (Cambridge: Cambridge University Press, 1990) 6.

[7] (www.law.cornell.edu/constitution)

[8] Lichtenberg 1990, 107.

[9] A. J. Liebing, The Press (New York: Ballantine Books, 1964) 30/31.

[10] Noam Chomsky, Neccessary Illusions: Thought Control in Democratic Societies (Boston: South End Press, 1989) 21ff.

[11] Chomsky 1994, 1-2.

[12] negative Reaktionen auf Äußerungen oder Programme der Medien, wie beispielsweise Briefe, Prozesse, Gesetzentwürfe etc.

[13] mehr Informationen zu James Mill unter www.gincepa.newschool.edu/het/profiles/jamesmill.htms

[14] Chomsky 1989, 19.

[15] Noam Chomsky, Manufactoring Consent (Montreal: Black Rose Books, 1994).

[16] W. Lance Bennett, Mediated Politics (Cambridge: Cambridge University Press, 2001) 2.

[17] Bennett 2001, 4.

[18] Danny Schechter, The More You Watch the Less You Know (New York: Seven Stories Press, 1999) 34.

[19] Bennett 2001, 6.

[20] Bernhard Cohen, The Press and Foreign Policy (Princeton: Princeton University Press, 1963) 13.

[21] Koch 1991, 17/18.

[22] W. Lance Bennett, News: The Politics of Illusion, 2nd edition (New York: Longman, 1988) xii.

[23] Tom Koch, Journalism for the 21st Century (New York: Greenwood Press, 1991) 38.

[24] Anmerkung: Die FCC ist eine unabhängige Behörde der amerikanischen Regierung, die direkt dem Kongress untersteht. Sie wurde mit dem „Communication Act“ von 1934 gegründet und reguliert die inneramerikanischen und internationale Kommunikationsinfrastruktur einschließlich Radio, Fernsehen, und Kabelfernsehen, exklusive Printmedien. Die Fairness-Doktrin fordert beispielsweise vom Fernsehen einen sinnvollen Prozentsatz an Sendezeit für Informationen, die das öffentliche Interesse betreffen. Sie beschränkt den Besitz mehrerer Medienorganisationen. Weiter sagt sie aus, dass das Kabelfernsehen einige seiner Kanäle für die Öffentlichkeit zugänglich machen muss.

[25] Lichtenberg 1990, 12.

[26] Gadi Wolfsfeld in Bennett 2001, 226.

[27] Patrick O´Heffernan, Mass Media and Foreign Policy (Norwood: Ablex Publishing Corporation, 1991) 38ff.

[28] A. Odasuo Alali, Media Coverage of Terrorism (Newbury Park: Sage Publications,1991) 7.

[29] D. A. Graber, Mass media and American Politics, 3rd edition (Washington DC: CQ Press, 1989) 5-12.

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Massenmedien, Manipulation und Demokratie in den Vereinigten Staaten: 9/11 und der Irak Krieg
Hochschule
Universität Stuttgart  (Philosophie)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
84
Katalognummer
V18045
ISBN (eBook)
9783638224703
ISBN (Buch)
9783638728256
Dateigröße
839 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Massenmedien, Manipulation, Demokratie, Vereinigten, Staaten, Irak, Krieg
Arbeit zitieren
MA Anja Denise Biedermann (Autor:in), 2003, Massenmedien, Manipulation und Demokratie in den Vereinigten Staaten: 9/11 und der Irak Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18045

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