Die Hügelgräber-Kultur in Deutschland

Eine Kultur der Bronzezeit von etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.


Fachbuch, 2011

108 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Der Kult der »goldenen Hüte« Die Hügelgräber Kultur von etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.

Anmerkungen

Literatur

Bildquellen

Die wissenschaftliche Graphikerin Friederike Hilscher Ehlert

Der Autor Ernst Probst

Bücher von Ernst Probst

Vorwort

Eine Kultur der Bronzezeit, die in Baden Würt temberg, Bayern, im Saarland, in Rheinland Pfalz, in Hessen und in Thüringen existierte, steht im Mit telpunkt des Taschenbuches »Die Hügelgräber Kultur in Deutschland«. Geschildert werden die Anatomie und Krankheiten der damaligen Ackerbauern, Viehzüchter und Bronzegießer, ihre Siedlungen, Kleidung, ihr Schmuck, ihre Keramik, Werkzeuge, Waffen, Haustiere, Jagdtiere, ihr Verkehrswesen, Handel, ihre Kunstwerke und Religion.

Verfasser ist der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst, der sich vor allem durch seine Werke »Deutsch land in der Urzeit« (1986), »Deutschland in der Steinzeit« (1991) und »Deutschland in der Bronzezeit« (1996) einen Namen gemacht hat. Von 1986 bis 2011 veröffentlichte er mehr als 100 Bücher, Taschenbücher, Broschüren und E Books.

Das Taschenbuch »Die Hügelgräber Kultur in Deutsch land« ist Dr. Rolf Breddin, Professor Dr. Claus Dobiat, Professor Dr. Markus Egg, Dr. Rudolf Feustel, Dr. Gretel Gallay (heute Callesen), Professor Dr. Hans Eckart Joachim, Professor Dr. Albrecht Jockenhövel, Professor Dr. Horst Keiling, Dr. Joachim Köninger, Professor Dr. Rüdiger Krause, Dr. Friedrich Laux, Dr. Berthold Schmidt, Dr. Peter Schröter, Dr. Klaus Simon und Dr. Otto Mathias Wilbertz gewidmet, die den Autor bei seinem Werk »Deutschland in der Bronzezeit« unterstützt haben. Es enthält Lebensbilder der wissenschaftlichen Graphikerin Friederike Hilscher Ehlert aus Königswinter.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der dänische Archäologe

Christian Jürgensen Thomsen (1788 1865) hat 1836 die Urgeschichte

nach dem jeweils am meisten verwendetem Rohstoff in drei Perioden eingeteilt:

Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

PAUL REINECKE,

geboren am 25. September 1872 in Berlin Charlottenburg,

gestorben am 12. Mai 1958 in Herrsching. Er wirkte 1897 bis 1908

am Römisch Germanischen Zentralmuseum in Mainz. 1908 bis 1937

war er Hauptkonservator

am Bayerischen Landesamt

für Denkmalpflege in München. 1917 wurde er kgl. Professor. Reinecke teilte 1902 die Bronzezeit in die Stufen A bis D ein.

1902 sprach er von der Straubinger Kultur sowie von der Grabhügelbronzezeit und später von der Hügelgräber Bronzezeit.

Der Kult der » goldenen Hüte «

Die Hügelgräber Kultur

Etwa um 1600 v. Chr. änderten sich in weiten Teilen Europas die Bestattungssitten radikal: Statt die To ten wie in der Frühbronzezeit in Flachgräbern beizu setzen, schüttete man nun häufig über den Gräbern ein bis zwei Meter hohe Hügel auf und setzte dann nicht selten noch weitere Verstorbene darin bei. Auf diesem neuen Brauch beruht der Begriff »Hügelgräber Kultur«, den 1902 der damals am Römisch Germanischen Zen tralmuseum, Mainz, tätige Prähistoriker Paul Reinecke (1872 1958) geprägt hat. Bei der Namenswahl wurde er vermutlich durch die 1887 erschienene Publikation »Die Hügelgräber zwischen Ammer und Staffelsee« des Münchener Historienmalers und Altertumsforschers Julius Naue (1832 1907) inspiriert.

Nach heutigem Kenntnisstand war die Hügelgräber Kultur etwa ab 1600 bis 1300/1200 v. Chr. von Ost frankreich (Elsass) bis nach Ungarn (Karpatenbecken) verbreitet. Sie ist in diesem Raum mit der Mit telbronzezeit identisch und lässt sich in zahlreiche Lo kalgruppen gliedern.

Zu den im Gebiet von Deutschland vertretenen Lo kalgruppen gehören die Württembergische Gruppe1, die Oberbayerische Gruppe2, die Oberpfälzisch böhmische Gruppe3, die Rhein Main Gruppe4, die Werra Fulda Gruppe5 und die Lüneburger Gruppe (s. S. 99). Die Lokalgruppen unterscheiden sich durch die Keramik sowie bronzene Schmucktracht und Bewaffnung voneinander.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kulturen und Gruppen während der Mittelbronzezeit (etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.) in Süddeutschland und in derälteren Bronzezeit (etwa 1500 bis 1200 v. Chr.) in Norddeutschland

Die Angehörigen der süddeutschen Hügelgräber Kul tur stammen von den Menschen der Frühbronzezeit im selben Gebiet ab. Sie sind nicht eingewandert, wie der Marburger Prähistoriker Friedrich Holste (1908 1942) in einer 1953 posthum erschienenen Publikation meinte. Nach seiner Ansicht spiegelten angeblich die mittelbronzezeitlichen Fundstellen in einigen Gebieten Süddeutschlands eine andere Verbreitung als die frühbronzezeitlichen Fundorte wider. Doch später wurden viele der vermeintlichen Fundlücken durch neue Entdeckungen geschlossen.

Wie groß die damaligen Menschen waren, wird anhand von sieben Bestattungen bei Nersingen6 (Kreis Neu Ulm) in Bayern ersichtlich, die durch den Münchener Anthropologen Peter Schröter untersucht wurden. Dort erreichten die Männer eine Größe zwischen 1,60 und 1,70 Metern und die Frauen zwischen 1,52 und 1,57 Metern. Ein sechsjähriges Kind brachte es auf eine Kör perhöhe von etwa einem Meter. Als ungewöhnlich groß für jene Zeit gilt ein Mann von angeblich 1,93 Metern aus Gauingen Hochberg (Kreis Reutlingen) in Baden Württemberg. Diese Maßangabe beruht jedoch auf einer Messung des Ausgräbers bei der Grabung und nicht auf einer anthropologischen Körperhöhenschätzung.

Mit Prunk und Pomp vorgenommene Bestattungen deuten auf erhebliche gesellschaftliche Unterschiede in der Bevölkerung hin. Offenbar hat es Häuptlinge oder »Fürsten« gegeben, die großen Reichtum anhäufen konnten. Ein solcher Anführer war wohl der »Fürst« von Hagenau bei Regenstauf7 (Kreis Regensburg) in Bayern. Auch bei der übrigen Bevölkerung gab es merkliche Unterschiede zwischen arm und reich innerhalb einer Sippe sowie zwischen verschiedenen Gegenden.

Frauen wurden mit ihrem gesamten Schmuck beerdigt. Nur ihnen legte man wertvolle Bernstein und Glasperlen mit ins Grab. Der Weimarer Prähistoriker Rudolf Feustel vertritt die Ansicht, dass die bronzenen Schmuckstücke die Frauen nicht nur schmücken, sondern vor allem den Reichtum ihrer Ehemänner demonstrieren und so deren gesellschaftliche Reputation und Macht erhöhen sollten.

Feustel hat nach Untersuchungen von Hügelgräbern in Thüringen zahlreiche interessante Schlüsse über die damalige Gesellschaft gezogen. Das ausgeglichene Verhältnis der Bestattungen von Männern und Frauen sowie vereinzelte Doppelbestattungen von Mann und Frau beispielsweise deuten nach seiner Auffassung auf Monogamie hin.

In der Gesellschaft hatten anscheinend die Männer das Sagen, vermutet Feustel. Denn anders ließe es sich kaum erklären, warum unter hohem Arbeitsaufwand und sicherlich als Gemeinschaftsunternehmen fast alle Grabhügel für jeweils einen Mann errichtet worden seien. Zudem lagen fast sämtliche Männer im Zentrum und auf dem Grund des Grabhügels, während die Frauen und Kinder meist am Rand bestattet wurden. Fremde Schmuckformen in manchen Frauengräbern beweisen Einheirat von Frauen aus anderen Gegenden. So trug eine Frau, die in Neuenstein Obergeis (Kreis Hersfeld Rotenburg) in Hessen bestattet wurde, eine Radnadel und eine Fibel, die für die Lüneburger Gruppe in Niedersachsen typisch ist. Im Grab eines Mädchens von Hünfeld Molzbach (Kreis Fulda) lagen einige Schmuckstücke aus dem Maingebiet. Nach Erkennt nissen des Prähistorikers Albrecht Jockenhövel aus Münster/Westfalen dürften Frauen selten weiter als in ihre direkte Nachbargruppe eingeheiratet haben.

Mitunter sind ältere Männer nach weiblichem Ritus beigesetzt worden. Der Prähistoriker Alexander Häusler aus Halle/Saale deutete 1966 diese Bestattungen als solche von Homosexuellen und Transvestiten. Die Hügelgräber Leute sind meistens nicht sehr alt geworden. Unter den 16 Verstorbenen von Wixhausen8 (Kreis Darmstadt Dieburg) in Hessen wurde kein einziger älter als 60 Jahre und nur einer überschritt das 40. Lebensjahr. Von den neun Erwachsenen in Wixhausen waren zwei Männer und sieben Frauen. Auch die beiden Jugendlichen von dort sind weiblich, der Rest starb bereits im Kindesalter.

Auf ungünstige Lebensbedingungen deuten auch die bei Jüchsen9 (Kreis Schmalkalden Meiningen) in Thüringen entdeckten Bestattungen hin. Von sieben Männern sind fünf (71 Prozent) schon im Alter von 20 bis 35 Jahren gestorben, ein Mann wurde um die 40 Jahre alt und ein weiterer mindestens 40 bis maximal 60 Jahre.

Untersuchungen der Gebisse aus Nersingen zeigten, dass es um die Zähne häufig schlecht bestellt war. Der Mann in Grab 2 hatte alle Zähne des Oberkiefers sowie die Mahlzähne und den rechten zweiten Vormahlzahn des Unterkiefers verloren. Die wenigen noch vorhandenen Zähne waren stark abgeschliffen, und der linke erste Vorbackenzahn war von Karies befallen. Bei der Frau aus Grab 3 sind die Zähne auf der rechten Seite des Ober und Unterkiefers stärker abgekaut als links. Ihre oberen ersten Backenzähne sind von Karies geschädigt, und an etlichen Zähnen im Ober und Unterkiefer haften Zahnsteinreste. Beim Mann aus Grab 6 ist der untere zweite Vormahlzahn ausgefallen, die Schneidezähne sind relativ stark abgeschliffen, und es konnte geringer Zahnsteinbefall festgestellt werden.

Ein mindestens 14 jähriger Jugendlicher von Wilsingen10 (Kreis Reutlingen) in Baden Württemberg hat nach einer Entzündung im Oberkiefer den rechten ersten Vormahlzahn verloren. Im Unterkiefer war sein linker zweiter Vormahlzahn ungewöhnlich klein und bildete nur einen Lückenfüller zwischen dem ersten Vormahl zahn und Mahlzahn. Eine Frau aus Wixhausen hatte Überbiss.

Auch an den Skeletten sind mancherlei Krankheiten ablesbar. So litt der erwähnte Mann aus Grab 2 von Nersingen unter degenerativen Gelenk und Wirbel schäden. Ein mehr als 40 Jahre alter Mann aus Wilsin gen hatte in der Hals und Brustwirbelsäule eine Spondylitis (Wirbelentzündung). Und der ebenfalls erwähnte 40 bis 60 Jahre alte Mann aus Jüchsen muss große Arthroseprobleme gehabt haben.

Sogar Opfer von Gewalttaten sind aus einigen Hügel gräbern in Bayern und Thüringen bekannt. Es handelt es sich hierbei um Menschen, die durch Pfeilschüsse ums Leben gekommen sind. So steckte einem Toten in der Gegend des unterfränkischen Ortes Stetten11 (Kreis Main Spessart) die eingeschossene bronzene Pfeilspitze noch in einem seiner Oberarmknochen. Ob dieser Mensch an seiner Verwundung starb, ist unbekannt, weil weitere Skelettreste fehlen. Wahrscheinlich hat er diese Verletzung nicht lange überlebt.

Auf eine Tragödie lassen auch die Funde in der Grab kammer eines Hügels bei Jüchsen schließen. Dort hatte man drei männliche Tote gleichzeitig bestattet. Obwohl die Grabkammer genügend Platz bot, bettete man zwei der Männer nicht nebeneinander, sondern in entge gengesetzter Richtung übereinander. Zwischen den Skelettknochen dieser beiden Männer lagen insgesamt acht Pfeilspitzen, die ihnen wahrscheinlich den Tod gebracht haben. In einigem Abstand war in extremer Hockstellung möglicherweise gefesselt ein dritter Mann niedergelegt worden.

Nach Ansicht des erwähnten Prähistorikers Rudolf Feustel kann man darüber spekulieren, ob alle drei Männer hingerichtet worden waren, oder ob der drit te, gefesselte Mann die beiden anderen erschossen hatte. War letzterer vielleicht wegen der Bluttat zum Tode verurteilt und aus Vergeltung lebend zu seinen Opfern ins Grab gelegt worden? Zumindest sollte seine Wiederkehr aus dem Jenseits verhindert wer den.

Als weiteres Zeugnis dafür, dass Pfeil und Bogen nicht nur als Jagdwaffen, sondern auch bei Konflikten eingesetzt wurden, gilt eine Bestattung aus Klings/ Rhön12 (Wartburgkreis) in Thüringen. In diesem Fall steckte eine Pfeilspitze in einem menschlichen Rü ckenwirbel. Eine Schussverletzung in Saalfeld13 (Kreis Saalfeld Rudolstadt) in Thüringen war offenbar nicht tödlich, weil die Pfeilspitze von Knochenwucherungen umgeben ist.

Ein anderer seltener Fund beweist, dass es auch im Verbreitungsgebiet der Hügelgräber Kultur Medizin männer gab, die Schädeloperationen (Trepanationen) vornahmen. Der entsprechende Nachweis ein Schä del mit rundlicher Öffnung gelang in einem der Hü gelgräber von Lochham14 (Kreis München). Die Bronzeobjekte aus den Hügelgräbern von Lochham wurden 1938 durch den Prähistoriker Friedrich Holste als älteste Funde der Hügelgräber Kultur bezeichnet und dem so genannten Lochham Horizont zugerech net.

Die Haltung von Schafen und Funde von tönernen Spinnwirteln zum Spinnen von Wolle deuten darauf hin, dass die damalige Kleidung aus Schafwolle angefertigt wurde. Spinnwirtel kennt man aus Gräbern von Holzalfingen bei Lichtenstein und Hundersingen bei Münsingen (beide Kreis Reutlingen) in BadenWürttemberg. Die Kleidung war vielleicht teilweise mit ähnlichen Mustern verziert, wie sie auf der Oberfläche mancher Tongefäße zu sehen sind.

Das Gewand der Männer wurde durch eine bronzene Nadel zusammengehalten. Die Prähistoriker unter scheiden zwischen Kolbenkopf , Lochhals und Trompetenkopfnadeln. Bei diesen Nadeln gab es einen Trend zu bombastischen Formen, der in Häuptlings beziehungsweise »Fürstengräbern« besonders drastisch zum Ausdruck kommt. Zur Garderobe der Männer gehörte ein Gürtel aus Wolle oder Leder, der manchmal mit einem bronzenen Gürtelhaken oder blech versehen war.

Als Gürtelhaken bezeichnet man jenen Teil des Gür tels, der beim Verschließen zum Einhängen in ein anderes Teil diente. Er besteht aus einem Haken oder Dorn und einer Vorrichtung zur Befestigung am Gürtel. Beliebt waren Gürtelhaken aus Bronzedraht mit Spiralscheiben an beiden Enden. Man fand kleine Exemplare von nur zwei Zentimeter Länge, wie in Wilsingen (Kreis Reutlingen), aber auch große von 24 Zentimeter Länge, wie in Mehrstetten (Kreis Reutlin gen). Von den Gürtelhaken unterscheiden sich die nach dem gleichen Prinzip angefertigten Gürtelbleche, die ebenfalls Teil eines Gürtels aus organischem Material waren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zwei Frauen mit langärmeligen Blusen, knöchellangen Röcken, Schulter und Kopftüchern aus Schwarza (Kreis Schmalkalden Meiningen) in Thüringen eine Rekonstruktion des Weimarer Prähistorikers Rudolf Feustel von 1958

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Ende der Leseprobe aus 108 Seiten

Details

Titel
Die Hügelgräber-Kultur in Deutschland
Untertitel
Eine Kultur der Bronzezeit von etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.
Autor
Jahr
2011
Seiten
108
Katalognummer
V180554
ISBN (eBook)
9783656034513
ISBN (Buch)
9783656034698
Dateigröße
3677 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Bronzezeit, Mittelbronzezeit, Hügelgräber-Kultur, Hügelgräberkultur, Archäologie
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2011, Die Hügelgräber-Kultur in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180554

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