Der zerbrochne Krug als bekanntestes und beliebtestes Werk Heinrich von Kleists erfreut auch fast zweihundert Jahre nach seinem Tod noch das Publikum und gehört zu den am häufigsten inszenierten deutschen Dramen überhaupt (in der Spielzeit 2009/2010 beispielsweise in Berlin, Freiburg, Gemünden, Gröbming, München und Stolberg). Jedoch ist es ungeachtet seiner Popularität kein leichtes Stück und die zahlreiche Forschungsliteratur hat dabei die Texterschließung noch erschwert.
In der vorliegenden Unterrichtseinheit für die Klasse 9 (G9), die sich über vier Schulstunden erstreckt, sollen die Schüler/innen über den Einsatz dramendidaktischer Methoden erste Erfahrungen mit dem Drama sammeln und Heinrich von Kleist und sein Lustspiel kennen lernen.
Zunächst wird jedoch der Autor Heinrich von Kleist vorgestellt. Anschließend folgen die Entstehungsgeschichte sowie eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des Zerbrochnen Krugs. Daraufhin werden die im Unterricht behandelten Aufzüge (7, 11, 12 und Schluss) unter Berücksichtigung der gesetzten Schwerpunkte (auf die Figuren und die Lösung des Falls mit der Erkenntnis, dass der Richter auch der Täter ist) analysiert. Der Sachanalyse schließen sich Vorüberlegungen zur Lerngruppe, Dauer und dem Ziel der Unterrichtseinheit sowie ihrer didaktischen Begründung an, bevor ausführlich auf die einzelnen Stunden eingegangen wird. Im Fazit wird die Unterrichtseinheit reflektiert und ein Ausblick auf mögliche weitere oder alternative dramendidaktische Aufgabenstellungen gegeben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Autor: Heinrich von Kleist
3. Das Stück: Der zerbrochne Krug
3.1. Entstehung
3.3. Inhalt
3.3.1. Zusammenfassung
3.3.2. Der siebte Auftritt: Die Figuren
3.3.3. Der elfte Auftritt: Lösung des Falls „Zerbrochener Krug“
3.3.4. Der zwölfte und letzte Auftritt: Das schwierige Ende des Dramas
4. Vorüberlegungen zum Unterrichtsentwurf
4.1. Die Lerngruppe
4.2. Dauer und Ziel der Unterrichtseinheit
4.3. Didaktische Begründung
5. Die Unterrichtseinheit
5.1. Erste Stunde: Einstieg in das Thema
5.1.1. Tabellarischer Stundenverlauf
5.1.2. Kommentar
5.2. Zweite Stunde: Die Figuren des Stücks
5.2.1. Tabellarischer Stundenverlauf
5.2.2. Kommentar
5.3. Dritte Stunde: Lösen des Falls Zerbrochner Krug
5.3.1. Tabellarischer Stundenverlauf
5.3.2. Kommentar
5.4. Vierte Stunde: Zusammenfassung des Tathergangs und Schluss des Dramas
5.4.1. Tabellarischer Stundenverlauf
5.4.2. Kommentar
6. Fazit
Literaturverzeichnis Fehler! Textmarke nicht definiert.
Anhang Fehler! Textmarke nicht definiert.
1. Einleitung
Der zerbrochne Krug als bekanntestes und beliebtestes Werk Heinrich von Kleists erfreut auch fast zweihundert Jahre nach seinem Tod noch das Publikum und gehört zu den am häufigsten inszenierten deutschen Dramen überhaupt[1] (in der Spielzeit 2009/2010 beispielsweise in Berlin, Freiburg, Gemünden, Gröbming, München und Stolberg). Jedoch ist es ungeachtet seiner Popularität kein leichtes Stück und die zahlreiche Forschungsliteratur hat dabei die Texterschließung noch erschwert.[2]
In der vorliegenden Unterrichtseinheit für die Klasse 9 (G9), die sich über vier Schulstunden erstreckt, sollen die Schüler/innen über den Einsatz dramendidaktischer Methoden erste Erfahrungen mit dem Drama sammeln und Heinrich von Kleist und sein Lustspiel kennen lernen.
Zunächst wird jedoch der Autor Heinrich von Kleist vorgestellt. Anschließend folgen die Entstehungsgeschichte sowie eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des Zerbrochnen Krugs. Daraufhin werden die im Unterricht behandelten Aufzüge (7, 11, 12 und Schluss) unter Berücksichtigung der gesetzten Schwerpunkte (auf die Figuren und die Lösung des Falls mit der Erkenntnis, dass der Richter auch der Täter ist) analysiert. Der Sachanalyse schließen sich Vorüberlegungen zur Lerngruppe, Dauer und dem Ziel der Unterrichtseinheit sowie ihrer didaktischen Begründung an, bevor ausführlich auf die einzelnen Stunden eingegangen wird. Im Fazit wird die Unterrichtseinheit reflektiert und ein Ausblick auf mögliche weitere oder alternative dramendidaktische Aufgabenstellungen gegeben.
2. Der Autor: Heinrich von Kleist
Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist wurde am 18.[3] Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder als Sohn eines Stabskapitäns und späteren Majors und dessen zweiter Frau, einer geborenen von Pannwitz, geboren.
Einem der großen preußischen Offiziersgeschlechter entstammend, schien eine Laufbahn beim Militär vorherbestimmt, weshalb er mit 14 Jahren als Gefreiter Korporal einem Potsdamer Eliteregiment beitrat. 1793 wurde er dann im Rheinfeldzug gegen die französische Revolutionsarmee eingesetzt, dessen Eindrücke er in ersten Gedichten und Briefen an seine ältere Halbschwester Ulrike, mit der er zeitlebens in intensivem Kontakt stand, festhielt. Schon bald äußerte er darin Zweifel an seiner Kriegsteilnahme und seine Friedenssehnsucht und wurde, nachdem er sich entschlossen hatte, die Militärlaufbahn aufzugeben, 1799 aus der Armee entlassen.
Vom klassisch-humanistischen Bildungsideal erfüllt, strebte er ein Studium der Mathematik, Philosophie und Physik in seiner Geburtsstadt an. In dieser Zeit lernte er auch Wilhelmine von Zenge kennen, mit der er sich verlobte. Jedoch verließ Kleist nach drei Studiensemestern plötzlich Frankfurt und begab sich auf eine Reise, deren Zweck nicht eindeutig nachvollzogen werden kann.
Auf dieser Reise manifestierte sich der Wunsch, seinem Leben durch einfache, naturverbundene, körperliche Tätigkeit eine neue Richtung zu geben. Kleist zog es in die Schweiz, wo er in Bern die Bekanntschaft Ludwig Wielands, Heinrich Zschokkes und Heinrich Geßners machte und sich zum Beruf des Schriftstellers entschloss. 1802 beendete er Die Familie Schroffenstein und begann die Tragödie über den Normannenfürsten Robert Guiscard. Über die verbissene Arbeit an dem Drama, das vollkommen werden sollte, und die gesellschaftliche Isolation, erreichte er einen Tiefpunkt, der dazu führte, dass er das Verlöbnis mit Wilhelmine löste und den Wunsch äußerte, zu sterben.
Durch die Bekanntschaft Christoph Martin Wielands, der ihn in seinem schriftstellerischen Talent bestätigte, als er ihm Teile aus dem Guiskard vortrug, bekam er neuen Lebensmut. Kleists Verhältnis zu der jüngsten Tochter Wielands zwang ihn dann aber dazu, den Förderer und dessen Familie zu verlassen, woraufhin er den Sommer 1803 zusammen mit seinem Freund Ernst von Pfuel verbrachte und erste Szenen des Zerbrochnen Krugs entwarf. Doch als er sich wieder mit dem Guiskard befasste, scheiterte er erneut an dem Anspruch, mit diesem „die Tragödiendichtung von Grund auf zu erneuern und alles Bisherige zu übertreffen.“[4]
Nachdem er mit Pfuel nach Paris gereist war, verbrannte er dort im Sommer 1803 nach einem Streit alle Entwürfe des Guiskard, durchstreifte daraufhin wie wahnsinnig Frankreich und bewarb sich in der Normandie um eine Anstellung als einfacher Soldat in der französischen Armee. Er wurde nicht aufgenommen und erhielt stattdessen die Order, nach Preußen zurückzukehren. Nach einem fünfmonatigen vermutlich durch seine instabile seelische Verfassung bedingten Aufenthalt in Mainz, kehrte er nach Berlin zurück. Dort nahm er, nachdem ein Verfahren wegen Hochverrats abgewendet worden war, eine Stelle in der Staatsverwaltung an.
Im Austausch mit seinem Vorgesetzen Karl Freiherr von Stein zum Altenstein und das durch die Anstellung bedingte geordnete Leben schöpfte er neues Vertrauen, das ihn zu weiteren schriftstellerischen Tätigkeiten anregte: Während einer ab Mai 1805 begonnenen staatswissenschaftlichen Ausbildung in Königsberg vollendete er den Zerbrochnen Krug und Ampythrion sowie die Erzählung Das Erdbeben von Chili. Auch begann er die Arbeit an der Penthesilea und der ersten Fassung seiner Erzählung Michael Kohlhaas. Doch kam es ab 1806 erneut zu Stimmungsschwankungen und psychosomatischen Störungen.
Die vorrückende französische Armee zwang Kleist im Januar 1807 von Königsberg nach Berlin zu reisen, wo er zusammen mit zwei anderen ehemaligen Offizieren wegen Spionageverdachts verhaftet wurde. Als Staatsgefangener befand er sich bis Friedensschluss im Juli 1807 in einem Kriegsgefangenenlager, in dem er an der Penthesilea weiter arbeitete und die Novelle Die Marquise von O. begann.
Nach seiner Freilassung verlegte er seinen Wohnsitz nach Dresden, wo endlich „der Weg für eine schriftstellerische Laufbahn“[5] geebnet schien. 1808 brachte Kleist zusammen mit seinem Freund Adam H. Müller die Monatszeitschrift Phöbus, ein Journal für die Kunst heraus, in der er eigene Erzählungen und Fragmente seiner Dramen veröffentlichte, deren Druck aber bald wieder eingestellt wurde. Im selben Jahr entstanden auch das Käthchen von Heilbronn und die Herrmannsschlacht, in der sein „Patriotismus und ein erbarmungsloser politischer Radikalismus“[6] besonders deutlich zum Ausdruck kommen, weitere patriotische Gedichte und Schriften folgten.
Nach der Friedenserklärung am 14. Oktober 1909 versuchte er, sich wieder dem Hof anzunähern, was mit dem Tod Königin Louises im Juli 1810 scheiterte. Ende September erschien der erste Band der Erzählungen (Michael Kohlhaas, Marquise von O…., Erdbeben von Chili) sowie das Käthchen von Heilbronn, das im März uraufgeführt worden war. Auch stellte er den Prinzen von Homburg (erste Fassung) fertig und gab die Tageszeitung Die Berliner Abendblätter heraus, mit deren Bankrott ein weiterer Versuch, „sich als Journalist und Herausgeber zu etablieren und sich damit seinen Lebensunterhalt zu sichern“[7], scheiterte.
In finanzieller Not, schrieb Kleist von Februar 1811 an weitere Novellen für einen zweiten Band, der unter dem Titel Erzählungen (Die Verlobung in St. Domingo, Das Bettelweib von Locarno, Der Findling, Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik, Der Zweikampf) im August erschien. Auch die Arbeit am Prinzen von Homburg setzte er fort. Einem Gesuch um Wiederaufnahme in den Militärdienst wurde unter Vorbehalt eines erneuten Kriegsausbruchs stattgegeben.
Die zahlreichen Misserfolge und Existenznöte sowie die Enttäuschung über das nationale Versagen und die offene Verachtung seiner Familie führten ab dem Sommer zu erneuten Äußerungen seiner Todessehnsucht. Zusammen mit Henriette Vogel, die unheilbar an Krebs erkrankt war, beging er am 21. November 1811 schließlich Selbstmord.
3. Das Stück: Der zerbrochne Krug
3.1. Entstehung
In einer handschriftlichen Vorrede zum[8] Zerbrochnen Krug erklärt Heinrich von Kleist, die Entstehung des Stücks gehe auf einen Kupferstich zurück, den er vor mehreren Jahren in der Schweiz gesehen habe.
Dieser Kupferstich mit dem Titel Le juge ou la cruche cassée (1782) von Jean Jacques Le Veau lieferte das Motiv für einen literarischen Wettstreit zwischen Kleist, Ludwig Wieland und Heinrich Zschokke, den die drei 1802 in Bern zusammengekommenen Freunde beschlossen. Aber nur Kleists Drama gelangte zu „literarhistorischer Bedeutung.“[9]
Ob Kleist die Arbeit schon in der Schweiz begann, ist nicht belegt. Sicher ist jedoch, dass er die ersten drei Auftritte des Dramas seinem Freund Pfuel im Sommer 1803 diktierte, nachdem dieser behauptet hatte, Kleist könne keine Komödien schreiben. Schon zu diesem Zeitpunkt müsens ihm das Hauptmotiv und auch die Konzeption des Stücks weitgehend klar gewesen sein.
Erst während seines Aufenthalts in Königsberg 1805/06 vollendete er den Zerbrochnen Krug und verfasste wohl auch eine längere zwölfte Szene als Variant, in der er seine als „Insider des ostpreußischen Reformprojekts“[10] gewonnenen Amts- und Autoritätszweifel verarbeitete. Das Manuskript des Zerbrochnen Krugs schickte er zusammen mit dem Amphytrion im August 1806 zunächst Marie von Kleist, dann auch seinem Freund und Mitherausgeber des Phöbus Adam Müller. Dieser leitete beide Stücke im Juli 1807 an Johann Wolfgang von Goethe weiter, der als Leiter des Weimarer Theaters eine neue Komödie suchte. Goethe entschied trotz einiger Bedenken, den Zerbrochnen Krug aufführen zu lassen. Die Uraufführung am 2. März 1808 wurde jedoch kein Erfolg, wofür zwei Gründe genannt werden können: 1. Die Besetzung des Dorfrichters Adam durch den Schauspieler Heinrich Becker (der die Rolle als Tragödiendarsteller zu pathetisch vortrug) und 2. die Länge des Stücks durch die Einteilung in drei Akte, die Goethe zu verantworten hatte.
Aufgrund des Misserfolgs erschien das Stück in Buchform erst im April 1811, allerdings als stark gekürzte Fassung ohne die bereits erwähnte Vorrede. Auch die Variant wurde der gekürzten Version nur als Separatdruck angehängt.
3.3. Inhalt
3.3.1. Zusammenfassung
Die in Buchform vorliegende Fassung des Zerbrochnen Krugs ist ein in dreizehn Auftritte unterteiltes Lustspiel und erzählt die Geschichte des Dorfrichters Adam, der über seine eigenen Verfehlungen zu Gericht sitzen muss.
Während eines abendlichen Besuchs bei Eve ist Adam durch das Erscheinen ihres Verlobten Ruprecht genötigt, durch das Fenster zu fliehen. Er kann unerkannt entkommen, zerbricht bei seiner Flucht allerdings einen Krug. Eves Mutter Marthe findet den tobenden Ruprecht im Zimmer ihrer Tochter mit dem zerbrochenen Krug zu Füßen.
Nur Eve und Adam wissen, dass der Richter die junge Frau bedrängte. Diese schweigt, weil Adam damit droht, Ruprecht in den Krieg zu schicken. Bei der Gerichtsverhandlung am nächsten Morgen, zu der auch der Gerichtsrat Walter zur Revision angereist ist, möchte Marthe Rull den Täter ermitteln. Im Verlauf der Verhandlung wird deutlich, dass Adam den Krug zerbrochen haben muss. Mit Billigung des Gerichtsrats verurteilt Adam trotzdem Ruprecht. Daraufhin bricht Eve ihr Schweigen, die beiden Liebenden versöhnen sich und Adam flieht.
3.3.2. Der siebte Auftritt: Die Figuren
Mit dem siebten Auftritt beginnt die eigentliche Gerichtsverhandlung. Richter Adam verweist mit seiner Äußerung „Die werden doch mich nicht bei mir verklagen?“ (500)[11] gleich zu Beginn auf das sich noch zu enthüllende Thema des Prozesses. Er ist überrascht, Eve mit ihrer Mutter vor Gericht zu sehen und möchte von ihr den Grund ihres Kommens erfahren. Da Eve ihm diesen zunächst vorenthält und Adam fürchtet, es gehe nicht nur um einen zerbrochenen Krug, möchte er sich von der Prozessführung befreien lassen: „Die Wund' am Schienbein macht mir Übelkeiten; Führt ihr die Sach', ich will zu Bette gehn“(514f.). Hier zeigt sich ein „von Angst und Hilflosigkeit gepeinigter Adam, der schon jedes Mal aufgeben will.“[12] Diese Hilflosigkeit kulminiert in ein Bedrohen und Erpressen Eves mit dem Verweis auf das sich in seiner Tasche befindende Attest für Ruprechts Freistellung. Im anschließenden Selbstgespräch folgt ein weiterer Hinweis auf eine mögliche Täterschaft Adams: „Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm“ (546).
Auch ohne die Exposition gelesen zu haben, können an dieser Stelle Zweifel über Adams Rechtschaffenheit und Objektivität als Richter aufkommen. Es ist jedoch „sein Amt, das ihn mit einer institutionalisierten auctoritas belehnt und sein Wort zunächst als ‚über jeden Zweifel erhaben’ erscheinen läßt.“[13] Allerdings verweist das Fehlen seiner Perücke als „Zeichen seiner Würde und seiner Statthalterschaft“[14] darauf, dass seine Autorität bereits an dieser Stelle angegriffen ist und er eher als Privatmann auftritt.
Im weiteren Verlauf versucht Adam den Prozess zu seinem persönlichen Vorteil zu führen: Er legt Ruprecht vorschnell als Täter fest und würde den Prozess zum Abschluss bringen, wäre nicht der einschreitende Gerichtsrat zur Stelle (vgl. 611). Auch setzt er Eve in zweideutigen Äußerungen weiter unter Druck und versucht zum Ende sogar, ihre Aussage zu verhindern: „Als Zeugin, gnäd'ger Herr? Steht im Gesetzbuch Nicht titulo, ist's quarto? oder quinto? Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich? Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden, So zeugen Töchter ihren Müttern nicht?“ (1055-1059). Dabei beruft er sich auf das mündlich tradierte Recht (vgl. 626-629), „welches an die Nobilitas der Recht sprechenden Person gebunden ist und durch sie garantiert wird.“[15]
Eves Drängen, „dem Unglückszimmer zu entfliehen“ (502) weist gleich zu Beginn darauf hin, dass ihr an einer Täterfindung nicht gelegen ist. Sie schweigt zunächst zu dem Tathergang. Erst als ihre Mutter aussagt, Eve hätte ihr gegenüber am Abend geschworen, dass Ruprecht den Krug zerbrochen habe, stellt sie richtig: „Nichts schwor ich, nichts euch – […] Nein! Das lügt ihr“ (782ff.).
Marthe Rull bringt die Angelegenheit des zerbrochenen Krugs vor Gericht. Dabei geht es ihr aber nicht nur um die Sachbeschädigung, sondern vielmehr um den guten Ruf ihrer Tochter: „[D]ie Vehemenz, mit der Marthe ihre Klage führt, [wirkt] irritierend unangemessen und gibt Anlaß zur Spekulation. […] Es scheint unwahrscheinlich, daß es ihr nur um die auf der Bühne liegenden Scherben geht.“[16] Sie geht davon aus, dass Ruprecht Eve in ihrer Kammer aufsuchte, den Krug zerbrach (und womöglich auch Eves Unschuld raubte) und nun die Tochter nicht mehr heiraten möchte. Als Beweis für Ruprechts Täterschaft verlässt sie sich auf ihre Tochter als Zeugin, die ihr am Abend bestätigte, dass er den Krug zerbrach. Als Eve sich vor Gericht weigert, ihre Aussage zu beschwören, muss sie befürchten, dass doch ein Anderer bei ihrer Tochter gewesen sein könnte und ihre Tochter „in den Ruf eines sittenlosen Mädchens käme, das mehrere Liebhaber gleichzeitig habe und deshalb öffentlich angeprangert werde[n] [müsse].“[17]
[...]
[1] Heimböckel, Dieter: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel. In: Kindlers Literaturlexikon. Band 9. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Stuttgart/Weimar 2009, S. 138.
[2] Sowinski, Bernhard: Heinrich von Kleist, Der zerbrochne Krug. Oldenbourg Interpretationen mit Unterrichtshilfen. München 1994, S. 7.
[3] Die folgenden Informationen sind der Biografie von Rudolf Loch entnommen: Kleist. Eine Biographie. Göttingen 2003.
[4] Loch, S. 181.
[5] Loch, S. 284.
[6] Ebd., S. 324.
[7] Loch, S. 380.
[8] Der Text folgt, wenn nicht anders vermerkt, dem Kommentar in: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel. Mit einem Kommentar von Axel Schmitt. Frankfurt am Main 2006, S. 119-129.
[9] Kleist, S. 121.
[10] Loch, S. 236.
[11] Die Versangaben der Primärliteratur folgen direkt im Text und stammen aus: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel. Mit einem Kommentar von Axel Schmitt. Frankfurt am Main 2006.
[12] Fülleborn, Ulrich: Die frühen Dramen Heinrich von Kleists. München 2007, S. 82.
[13] Kempen, Anke van: Die Rede vor Gericht. Prozeß, Tribunal, Ermittlung: Forensische Rede und Sprachreflexion bei Heinrich von Kleist, Georg Büchner und Peter Weiss. Freiburg im Breisgau 2005, S. 46.
[14] Kempen, S. 68.
[15] Ockert, Karin: Recht und Liebe als symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien in den Texten Heinrich von Kleists. St. Ingbert 2005, S. 58.
[16] Kempen, S. 50
[17] Sowinski, S. 53.
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.