Eyda Machins Roman "Passerelles" - Eine Erzähltextanalyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

24 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Über die Autorin

3. Resümee des Inhalts

4. Erzähltextanalyse
4.1. Gliederung
4.2. Zeit
4.2.1. Die erzählte Zeit der Rahmenerzählung
4.2.2. Die erzählte Zeit der Binnenerzählung
4.3. Modus und Stimme

5. Der Roman zwischen Autobiographie und Fiktion

6. Persönliche Stellungnahme

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Gegenstand dieser Arbeit ist der Roman Passerelles von Eyda Machin, den die Autorin während eines längeren Krankenhausaufenthalts begann. Er enthält sowohl autobiographische als auch fiktive Elemente, womit sich die Autorin einer noch relativ jungen Darstellungsform bedient, die in letzter Zeit an Popularität gewonnen hat, der Autofiktion.

Wie genau die Autorin ihren Roman gestaltet, auf welche Art und Weise er dargestellt wird, ob eine Unterscheidung der fiktiven und realen Momente möglich ist und ob über die Gestaltung Rückschlüsse auf die Gattung Autofiktion gezogen werden können, soll durch die Erzähltextanalyse überprüft werden, die im Mittelpunkt dieser Arbeit steht. Dabei wird auf die auf Genette basierenden, von Martinez/Scheffel weiterentwickelten Kategorien Zeit, Modus und Stimme zurückgegriffen.[1]

Zunächst wird aber die Autorin kurz vorgestellt (Punkt 2) und der Roman zusammengefasst (Punkt 3). Dann folgt die Erzähltextanalyse (Punkt 4), mit den Unterpunkten Zeit (Punkt 4.2.) sowie Stimme und Modus (Punkt 4.3.), denen eine Gliederung der Erzählung in Abschnitte voran gestellt ist (Punkt 4.1.). Anschließend wird unter Punkt 5 untersucht, ob durch die in der Erzähltextanalyse gewonnenen Erkenntnisse eine Tendenz in Richtung Autobiographie oder Fiktion besteht, bzw. welche Merkmale es für die Gattung Autofiktion gibt. Bevor in einem Fazit (Punkt 7) die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst werden und ein Ausblick gegeben wird, nehme ich noch persönlich Stellung zu dem Roman (Punkt 6).

2. Über die Autorin

Eyda Machin, geboren 1945 in La Havana, Kuba[2], verließ 1966 ihre Heimat aufgrund des Castro-Regimes. Sie lebte ein Jahr in den USA als parolee, bis sie 1967 nach Venezuela ging. Da die kubanischen Behörden ihr nicht gestattet hatten, Dokumente mitzunehmen und sie somit keinen Nachweis über ihr Abitur besaß, wiederholte sie dieses zunächst. Anschließend studierte sie an der Universität Maracaibo Französisch und Englisch und erhielt nach ihrem Abschluss einen Lehrstuhl für Französisch (Literatur, Übersetzung, Linguistik). 1978 kam sie mit einem Stipendium nach Frankreich, wo sie ihren Magisterabschluss in Linguistik machte. 1982 bekam sie für ihre Auseinandersetzung mit dem Thema „Die Frau und das Schreiben“ den Doktortitel. Seit 1992besitzt siedie französische Staatsbürgerschaft und lebt in Paris.

Eyda Machin kehrte zweimal nach Kuba zurück, 1997 und 1998. 2003 setzte sie sich für die Freilassung von 78 Journalisten ein, die in Kuba inhaftiert worden waren. Zusammen mit anderen Aktivisten organisierte sie während eines Jahres wöchentliche Demonstrationen vor der kubanischen Botschaft in Paris. Aufgrund dieser Aktion und der Veröffentlichung von Passerelles muss sie nun bei einer erneuten Einreise nach Kuba mit Verfolgung rechnen, weshalb sie nicht mehr dorthin zurückkehren wird, solange die Diktatur besteht.

Neben ihrer Arbeit als Autorin und Fotografin ist sie auch als Übersetzerin tätig und hat den Vorsitz der 1990 von ihr gegründeten kulturellen Vereinigung „livres et lieux“ inne.

Bisher hat sie drei Gedichtbände (Los Invasores de la Soledad 1987, Soy mucho mas/Je suis beaucoup plus/Ich bin viel mehr 2005, Dans la voix du silence/En la voz del silencio 2008), einen Fotoband (Murmures du Monde/Murmullos del mundo 2008) und den zuletzt erschienenen Roman Passerelles/Pasarelas (2008) publiziert.

3. Resümee des Inhalts

Nach einer Knieoperation und Oberschenkelfraktur zu einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt gezwungen, nimmt die Erzählerin Nina die körperliche Gefangenschaft zum Anlass, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Die dabei evozierten Erinnerungen führen sie zurück in ihre Kindheit und Jugend auf Kuba, ihre Auswanderung in die USA, nach Venezuela und schließlich nach Frankreich. Sie erzählt von der Liebe, von Freundschaft und ihren Reisen nach Russland, England, Ägypten, Polen, Deutschland und in die Türkei. Unterbrochen werden die Erzählungen vom Krankenhausalltag, der von Physiotherapie, Behandlungen und Untersuchungen geprägt ist, aber auch von Ausflügen nach Salzburg und zu den Schlössern der Loire sowie durchdie Besuche und Anrufe von Freunden und Verwandten und ihren eigenen Überlegungen zu Freundschaft, Liebe, Freiheit und der Situation Kubas.

4. Erzähltextanalyse

4.1. Gliederung

Eine Gliederung in Abschnitte bietet sich[3] durch die fragmentartige Form des Romans an, da dadurch die Analyse der Zeit, der Stimme und des Modus erleichtert wird und ein Überblick über den Inhalt der einzelnen Passagen gegeben werden kann. Dadurch ist eine Vernetzung der einzelnen Geschichten besser möglich. Die vorgenommene Einteilung orientiert sich dabei u. a. an den von der Autorin vorgenommenen Absätzen. Da die Gliederung aber sehr umfangreich ist, ist sie dem Anhang beigefügt und kann so im Bedarfsfall (bei der Analyse) nachgeschlagen werden.

4.2. Zeit

Bei der Analyse der Zeit soll untersucht werden, in welcher Ordnung das Geschehen vermittelt wird und welche Dauer seine Darstellung beansprucht.[4]

Die Erzählzeit des Romans beträgt 112 Seiten und bei der erzählten Zeit können zwei Ebenen unterschieden werden: Die Rahmenerzählung, in der alle Ereignisse rund um die neunmonatige Rekonvaleszenz der Protagonistin wiedergegeben werden und die Binnenerzählungen, in denen Ereignisse von der Kindheit bis in die Zeit kurz vor dem Krankenhausaufenthalt dargestellt werden. Zwar können einige wenige Abschnitte nicht eindeutig einer der beiden Ebenen zugeordnet werden oder innerhalb eines Abschnitts wird zwischen Rahmen- und Binnenerzählung gesprungen, trotzdem erscheint eine grobe Unterscheidung sinnvoll.

4.2.1. Die erzählte Zeit der Rahmenerzählung

Der Zeitraum im Krankenhaus umfasst neun Monate (vom Winter bis zum Ende des Sommers), was wie folgt nachvollzogen werden kann: Gleich zu Beginn wird erwähnt, dass der Krankenhausaufenthalt bereits sechs Monate dauert (ce cauchemar qui dure déjà depuis six longs mois, S. 10)[5], später sind es sieben Monate (le rituel se répète […] depuis sept mois, S. 18) zum Schluss dann acht Monate (ce cauchemar qui durait depuis huit mois, S. 94). Und im nächsten Satz wird durch eine Vorausdeutung auch das Ende des Krankenhausaufenthalts angekündigt: Encore un mois et j’accoucherai de ma liberté (S. 94). Die Vorausdeutung ist zukunftsgewiss, da die Erzählung in der Tat mit der Entlassung der Erzählerin am Ende des Sommers (vgl. S. 120) endet. Diezukunftsgewisse Vorausdeutung ist dabei nach Martinez/Scheffel „an die Perspektive eines Erzählers gebunden, der sozusagen über dem Geschehen steht und eine zeitliche Position jenseits der in der erzählten Geschichte umfassten Zeit einnimmt.“[6]

Durch den Beginn der Erzählung, in dem die Erzählerin, durch einen Krankenhausaufenthalt zur Untätigkeit verdammt ist und beschließt, ihre Geschichte niederzuschreiben (Moi, confinée aujourd’hui entre les quatre murs d’une chambre d’hôpital, je me décide finalement à griffoner ces quelques lignes sur cette page blanche, S. 9), wird zunächst der Eindruck eines Tagebucheintrags vermittelt. Dadurch wird die Vorstellung unterstützt, die Autorin sei die Ich-Erzählerin.

Die Zeitangaben vom 6. bis 9. Monat sind dann zwar chronologisch und viele Passagen sind auch ohne konkrete Zeitangaben aufgrund ihres Inhalts als chronologisch zu bewerten (z. B. die fête de la musique, S. 13), allerdings finden sich auch Passagen, bei denen (nach mehrmaligem Lesen bzw. am Ende der Erzählung) nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob sie an die erzählte Zeit anknüpfen oder zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt stattfinden. Exemplarisch soll hier die Erzählung zu den ersten Dusch- und Schwimmerlebnissen genannt werden. Gleich zu Beginn erwähnt die Erzählerin: Aujourd’hui […] je pourrai prendre ma première douche (S. 14). Zwei Seiten später wird auf dieses Erlebnis Bezug genommen: Vendredi dernier, j’ai vécu un évènement heureux. J’ai pu découvrir les joies de la piscine. […] Pour la première fois depuis six longs mois (S. 16). Allerdings wird später dieses Ereignis erst angekündigt: Encore un mois d’attente pour mériter cette piscine! (S. 84).

Bei anderen Einschüben ist es aufgrund der Jahreszeit oder durch Zeitangaben (z. B. der Valentinstag S. 21) eindeutig, dass sie zu einem anderen, in dem Fall früheren Zeitpunkt stattgefunden haben müssen, auch wenn der Leser durch die Verwendung des Präsens vermittelt bekommt, dass sich das Geschehen momentan abspielt. Diese Episoden sind somit als Rückwendungen zu sehen, über die der Rezipient mehr über die ersten Monate des Krankenhausaufenthalts, die Komplikationen etc. erfährt. Die Tempora geben dem Rezipienten dabei keinen Hinweis auf die Zeitstufe, auf der das Ereignis stattfindet. Zwar werden die meisten Abschnitte, die der Rahmenerzählung zuzuordnen sind, im Präsens erzählt, bei den Einschüben wird aber sowohl das Präsens alsauch Formen der Vergangenheit (Rückblenden) und Zukunft (Vorausblenden) verwendet. Trotzdem ist es möglich, die meisten Abschnitte der Rahmenerzählung zusammen zu fügen, so dass die wichtigsten Ereignisse zu einer chronologisch geordneten Gesamthandlung rekonstruiert werden können.

Bei einer Erzählzeit von neun Monaten ist es unverzichtbar auf Mittel der Zeitraffung zurückzugreifen. Tatsächlich bedient sich die Autorin des zeitraffenden Erzählens in den meisten der Passagen, auch Zeitsprünge (z. B. Une semaine plus tard, S. 94) kommen häufig vor. Diese Darstellungsform entspricht aber der eines realen Tagebuchschreibens, da auch hier nicht zeitdeckend erzählt, sondern vielmehr zusammengefasst wird und oftmals mehrere Tage oder gar Monate ausgespart werden.

[...]


[1] Martinez, Martin/Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. München 2005.

[2] Die biographischen Daten wurden über ein Interview mit der Autorin im Jahr 2010 und die Seite http://www.livres-et-lieux.com/ll/articles.php?lng=fr&pg=40 (vom 14.03.2010) zusammengetragen.

[3] Siehe Anhang.

[4] Vgl. Martinez/Scheffel, S. 30.

[5] Die Seitenangaben der Primärliteratur folgen direkt im Text und stammen aus: Machin, Eyda: Passerelles. Valencia 2008.

[6] Martinez/Scheffel, S. 37.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Eyda Machins Roman "Passerelles" - Eine Erzähltextanalyse
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,3
Jahr
2010
Seiten
24
Katalognummer
V180984
ISBN (eBook)
9783656037415
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eyda, machins, roman, passerelles, eine, erzähltextanalyse
Arbeit zitieren
Anonym, 2010, Eyda Machins Roman "Passerelles" - Eine Erzähltextanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180984

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