Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Definition
2. Geschichte der Streetwork
2.1 Entwicklung derStreetwork
2.2. USA
2.3. Deutschland
3. Forschungsgegenstand
3.1 Theoretische Grundlagen
3.1.1 Ziele und Aufgaben der Streetwork
3.1.2 Methoden
3.1.3 Prinzipien
3.1.4 Rahmenbedingungen
3.1.5 Qualitätssicherung
3.2 Rechtliche Grundlagen
4. Aktualität
4.1 Was ist off road kids?
4.2 Finanzierung und Träger
4.3 Arbeitsfelder und Ziele
5. Fazit
Einleitung
In der vorliegenden Hausarbeit werde ich eine Methode der sozialen Arbeit näher erläutern. Streetwork (übersetzt Straßenarbeit), ist eine Lebenswelt nahe Sozialarbeit, da streetworker nicht in einer Institution arbeiten, sondern im Lebensumfeld ihrer jeweiligen Zielgruppen.
Im ersten Kapitel gebe ich eine kurze Definition des Begriffes „streetwork“. Die Definition gibt einen ersten Eindruck, was ein streetworker ist und wo die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen.
Im zweiten Kapitel gehe ich auf die Geschichte des streetworking's ein. Eine nähere Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung der mobilen Jugendarbeit halte ich für wichtig, da es Hintergrundwissen vermittelt und zum Verständnis der heutigen Situation beiträgt.
Das dritte Kapitel, der Forschungsgegenstand, beleuchtet weitere Aspekte des streetworking's. Ich gehe auf die theoretischen und rechtlichen Grundlagen näher ein. Bei den theoretischen Grundlagen fokussiere ich die Ziele, Aufgaben, Methoden, Prinzipien, Rahmenbedingungen sowie die Qualitätssicherung.
Im vierten Kapitel stelle ich ein aktuelles Projekt des streetworking's vor. Das Projekt heißt „off road kids“. Es werden in mehreren großen deutschen Städten Straßenkinder betreut.
Im fünften Kapitel werde ich die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammenfassen. Außerdem werde ich Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen ziehen, welche Schritte in meinen Augen für die Weiterentwicklung der streetworking's notwendig sind.
Das Ziel der Hausarbeit ist es, einen Überblick der mobilen Jugendarbeit zu geben.
1. Definition Streetwork
Streetwork, auch mobile Jugendarbeit genannt, ist eine Lebenswelt nahe Sozialarbeit, deren Arbeitsfeld meistens Urban und in der Regel Stadtteil orientiert ist. Streetworker arbeiten nicht in Räumlichkeiten von Institutionen, wie zum Beispiel das Jugendamt, sondern streetworker begeben sich dorthin, wo die zu betreuenden Zielgruppen leben. Das Umfeld in denen sich diese Zielgruppen aufhalten sind sehr oft Jugendzentren, Bahnhöfe, Parks oder auch das Rotlicht-Milieu. Eins haben alle Zielgruppen gemeinsam, der größte Teil des Soziallebens findet auf der Straße statt. Bei den Zielgruppen handelt es sich meistens um sozial benachteiligte und gefährdete Jugendliche, die häufig ein gestörtes Verhältnis zu Ihren Familien haben und oft von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Michael Galuske sieht das Hauptmerkmal der streetwork darin begründet, dass ,, der Klient nicht wie gewöhnlich den Sozialarbeiter aufsuche, sondern dieses Verhältnis umgekehrt wird, der streetworker gehe auf den Klienten zu.“[1] Somit nähert sich der streetworker bestimmten Zielgruppen und Ihrem Lebensumfeld an, die durch die Hilfe von Institutionen nicht erreicht werden. „Genau in diese begebe sich der streetworker jedoch nun, da er die Gruppen an ihren typischen Treffpunkten aufsuche.“[2]
Aufgrund der Annäherung zu den Zielgruppen bestimmt nicht mehr eine Behörde den Hilfeprozess, sondern die Regeln und Strukturen der jeweiligen Szene in der sich der Klient bewegt. „Ein streetworker müsse diese Rahmenbedingungen akzeptieren und sich auf sie einstellen.“[3] In einer Einrichtung, wo die Tätigkeit in einer Räumlichkeit stattfindet, bieten sich nicht viele Möglichkeiten bei bestimmten Situationen individuell zu agieren oder zu reagieren. Die Arbeit eines Streetworkers lebt aber ganz besonders von dieser Freiheit der Individualität „Das Vorgehen bei der streetwork ließe sich somit im Vergleich zu anderen Methoden nicht gleichermaßen gut planen und kontrollieren.“[4]
Basierend auf Vertrauen und Freiwilligkeit werden Chancen zur Problembewältigung angeboten. Im Mittelpunkt steht der Jugendliche unter Einbeziehung seines Lebensumfeldes. Das Ziel der mobilen Jugendarbeit ist es die psychische, soziale und materielle Situation der betreuten Jugendlichen zu verbessern, im optimalen Fall die Jugendlichen dahin zu bringen, das sie Ihr Leben selbstständig positiv gestalten können.
2. Geschichte der Streetwork
2.1 Entwicklungen des Streetwork
Bei der Frage nach dem Ursprung des streetworking's findet man in den Literatur zwei unterschiedliche Thesen. Wenn man von der Definition der streetworking's ausgeht, wie wir sie heute kennen, als „Teil der Jugendpflege, mit lokaler Autonomie, als Angebot an alle Jugendlichen, getragen von Prinzipien wie Mitbestimmung und Freiwilligkeit sowie als kommunikativer Raum zwischen Jugendlichen und Jugendarbeiter“[5] so ist der Ursprung 1967 zu finden. Vor 1967, also frühere Formen der mobilen Jugendarbeit, werden als Vorläufer angesehen.Diese Einordnung halte ich persönlich für nicht richtig, da sich in der Geschichte des streetworking's schon früher Projekte finden, die mit heutigen Projekten nach aktueller Definition weitgehend zu vergleichen sind. Daher bin ich der Ansicht, dass der „Beginn der mobilen Jugendarbeit Mitte der 1920er Jahren in der USA zu finden ist.“[6]
2.2 USA
Mitte der 1920er Jahre entwickelten amerikanische Sozialwissenschaftler und Sozialarbeiter das Konzept der mobilen Jugendarbeit (aufgrund der hohen Jugendkriminalität in den Großstädten) in der Chicagoer Schule. „Die soziologische Chicagoer Schule bezieht sich auf die Forschungsarbeit, die seit dem frühen 20. Jahrhundert am Institut für Anthropologie und Soziologie an der University of
Chicago betrieben wurde.“[7] Es wurden Themen behandelt wie zum Beispiel: Stadtsoziologie, Minderheiten und Subkulturen. Der Begründer der Chicagoer Schule war unter anderem der Soziologe William Isaac Thomas.
In den USA entwickelten so genannte „area-worker“ Programme im Rahmen der Gemeindearbeit für Jugendbanden ( street gangs ). „ Losgelöst von ihren Einrichtungen suchten sie kriminell handelnde Jugendgruppen auf der Straße oder an den Treffpunkten der Jugendlichen auf.“[8] Der methodische Ansatz der „area- worker“ lag nicht darin die Jugendbanden zu zerschlagen, wie es zuvor erfolglos versucht worden ist, sondern hatte eine Resozialisierung delinquent handelnder Jugendliche im Gruppenkontext als Ziel. Davon ausgehend entstanden die ersten Streetwork-Projekte unter Einbeziehung des Gemeinwesens und unter Berücksichtigung des Gruppenkontextes der Jugendbanden. „Diese wurden in den 1930er Jahren durch Clifford Shaws „Chicagoer Area Project (CAP) weiterentwickelt.“[9] Das Chicagoer Area Project wurde von dem Soziologen Clifford Shaw und seinem Kollegen Henry Mc Kay auf Grundlagen von ihnen durchgeführten Untersuchungen gegründet. Projekte auf diesen Grundlagen werden heute noch in Stadtteilen mit hoher Kriminalitätsrate durchgeführt.
Im Jahr 1927 verwies der Chicagoer Soziologe Frederic M. Thrasher auf zwei alternative Möglichkeiten bei der Arbeit mit delinquenten Jugendlichen. „ Der Jugendliche muss entweder vollkommen den Einfluss der Bande entzogen werden oder die Bande selbst muss resozialisiert werden“[10] Frederic M. Trasher kritisiert, dass die zweite Methode, die gesamte Bande zu resozialisieren, nicht akzeptiert beziehungsweise ignoriert wurde. Man ging von einem schädlichen Einfluss der Bande auf den einzelnen Jugendlichen aus, beziehungsweise einem Entstehungsmilieu für Jugendkriminalität im Allgemeinen.
2.3 Deutschland
Trotz der unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sind die deutschen Projektformen mobiler Jugendarbeit nicht weit von dem Klassiker „Chicagoer Area Project“ entfernt.
Wie in den USA, trat auch in Deutschland die Jugendkriminalität im Zusammenhang mit Jugendbanden auf. Die ersten deutschen Ansätze der mobilen Jugendarbeit sind vor den 1920er Jahren zu finden. Jedoch hinterließen sie kaum Spuren. Bereits 1911 wurde das Projekt Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost (Kurz: SAG) vom Sozialpädagogen Friedrich Siegmund-Schultze gemeinsam mit seiner Frau gegründet. Die „Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost ist ein Nachbarschaftshilfe- und Siedlungsprojekt in einem der ärmsten Stadtteile Berlins am schlesischem Bahnhof.“[11] Studenten und Akademiker suchten die Kinder in den Elendsvierteln auf um zu helfen und zu lernen.
In der Zeit der Weimarer Republik (1919 - 1933) bildeten sich so genannte „wilde Cliquen“. Zu deren Aufnahmeritual meistens auch kriminelle Tätigkeiten, wie zum Beispiel Diebstahl, Vandalismus und Boxkampf gehörten. Die wilden Cliquen stellten eine Form der solidarischen Lebensbewältigung mit gleichaltrigen und gleich betroffenen Jugendlichen dar. Mitglieder der wilden Clique nutzen ihre berufliche und soziale Perspektivlosigkeit aus, um sich frei entfalten zu können. Meistens kamen sie aus dem Arbeitermilieu. „Ehrenamtliche Gassenarbeit wurde von Pastoren und Fürsorgerinnen, sowie in der karitativ motivierten Milieuarbeit und der offenen Jugendfürsorge der Weimarer Republik“[12] getätigt. Die Macht Ergreifung durch Adolf Hitler 1933 bereitete der Entwicklung der offenen Jugendarbeit in Deutschland vorerst ein Ende.
Nach dem zweiten Weltkrieg (1947/1948) waren viele Menschen obdachlos. „Mehr als 1,5 Millionen junge Menschen verwaist oder Halbwaisen. 2 Millionen waren heimatlos und 500.000 Jugendliche ohne Arbeit oder Ausbildung. Vor diesem Hintergrund wurden schon frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um die Not der Jugend zu lindern. Neben dem Aufbau von Jugend-, Sozial- und Arbeitsbehörden in Ländern und Gemeinden gründeten sich erste Jugendnotdienste, die heutigen Jugendmigrationsdienste, die sich im Besonderen um arbeits-, berufs- und heimatlose Jugendliche kümmerten.“[13] Die offene Jugendarbeit wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht nach Deutschland gebracht. Im Rahmen des "German Youth Activities Program” wurden über 300 Heime eröffnet, die zuerst von amerikanischen Jugendoffizieren geleitet wurden. Ziel dieser Einrichtungen war es die Jugendlichen von der Straße zu holen, den Jugendlichen eine Unterkunft zu bieten und sie mit Kleidung zu versorgen. Ab 1947 wurden diese Einrichtungen nach und nach in deutsche Hände übergeben. Die offene Jugendarbeit ging seitdem nach und nach zurück, andere Konzepte wurden als effektiver eingeschätzt. Die German Youth Activities Program Heime wurden somit dann auch nach und nach geschlossen, da es keinen Bedarf mehr zu geben schien.
Aus den übrigen Heimen beziehungsweise Einrichtungen wurden Heime der offenen Tür. Der Schwerpunkt der Arbeit wurde nun verstärkt auf pädagogisch wertvolle Freizeitgestaltungen gestützt in Form von Programmen, Freizeitgestaltung und Kursen. Somit soll den Jugendlichen der Übergang zum Erwachsen werden erleichtert werden.[14]
Das oben genannte Konzept wurde vor allem von Jugendlichen angenommen, die aus der Mittelschicht kamen. Die jugendlichen aus der Unterschicht haben die Heime der offenen Tür gemieden oder aber wurden von der Struktur des Angebotes ausgegrenzt. Aufgrund dieser Ausgrenzung überlegte man in den 1950er Jahren, ob man die Strukturen und das Konzept der Heime der offenen Tür ändert, um auch die Jugendlichen der Unterschicht erreichen zu können.[15]
Leider blieb es nur bei den Überlegungen, denn bis in die 1960er Jahre fanden wenige, kaum nennenswerte, Veränderungen statt. Die Anzahl der Einrichtungen für Jugendsozialarbeit stiegen zwar auf mehrere Tausend in den Bundesländern, aber es wurde weiterhin an alten Konzepten festgehalten, so dass viele Jugendliche diese Einrichtungen nicht nutzten. Das hielt bis ende der 1960er Jahre an.Ende der 1960er Jahre veränderte sich die Gesellschaft. Es kam zu wachsendem Wohlstand und somit auch zu einer steigenden Konsumorientierung. Parallel dazu begannen große Teile der Jugend zu rebellieren. Angeführt von Studentengruppen wurde die deutsche Vergangenheit hinterfragt. Die Jugendlichen vertraten radikale, meist linke Ideen und inszenierten oder beteiligten sich an politischen Aktionen. Aufgrund des Wohlstandes hatten die Jugendlichen viel mehr Möglichkeiten ihre Freizeit zu gestalten, ihnen wurde viel mehr geboten. Trotz Wohlstands gab es unter den Jugendlichen eine latente und stetig steigende Unzufriedenheit mit den Gesellschaftlichen Verhältnissen. Die Gegenbewegungen zum bürgerlichen Wohlstandmilieu waren verschiedenste Richtungen von Alternativen Lebensmodellen und politischen Ausrichtungen bis hin zum linken Terror in den 1970er Jahren.[16]
Aufgrund dieser doch extremen Veränderungen, änderte man das Konzept der offenen Jugendarbeit zu Jugendclubs. In den Jugendclubs wurden keine Kleingruppenarbeiten praktiziert, sondern es wurden gemeinsame Aktivitäten angeboten wie zum Beispiel: Kunst, Musik und kulturelle Veranstaltungen. Man legte mehr Wert auf Geselligkeit.
Trotz der Änderung des Konzepts blieben einige charakteristische Merkmale der offenen Jugendarbeit erhalten. Die Offenheit für alle, Mitbestimmungsmöglichkeiten und die Orientierung an den Bedürfnissen und kulturellen Interessen der Jugendlichen.[17] Somit war die einzige Veränderung, dass aus Kleingruppen eine gesellige Gruppenarbeit geworden war.
Die 1960 er Jahre waren unter anderem auch durch die Studenten-, Schüler- und Lehrlingsbewegung geprägt. Diese Bewegungen waren politisch vielschichtig die die herrschenden Verhältnisse der 1950er und 1960er Jahre radikal kritisierten und bekämpften. Aufgrund dieser Bewegungen entstand Ende der 1960er Jahre die Jugendzentrumsbewegung. Im ländlichen Raum gab es nur wenige Einrichtungen für offene Jugendarbeit. Die Forderung hier etwas zu tun wurde immer lauter.
Die Jugendlichen hatten viel Wert darauf gelegt die Jugendzentren in eigener Regie, zu verwalten. Von Seiten der Kommunalverwaltung konnte dem nicht entsprechen, beziehungsweise es konnten den Jugendlichen keine Räume zur Verfügung gestellt werden. Eine der daraus folgenden Reaktion der Jugendlichen war das besetzten von leer stehenden Häusern. Damit erreichten die Jugendlichen an manchen Orten die von ihnen erwünschte Autonomie. Andernorts wurden solche Aktionen mit Hilfe der Polizei unterbunden oder beendet. Als Alternative zur Autonomie blieb das Gründen von Vereinen und das bestellen hauptamtlicher Mitglieder um sich mit den Gemeinden und Kommunen zu einigen.[18] Das wurde in der Zeit als das kleinere Übel betitelt, aber in den 1980er Jahren bewahrte es viele Jugendzentren davor zu verschwinden.
Ende der 1960er Jahre gab es immer mehr Schlagzeilen über Jugendkriminalität. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch kein „professionelles“ streetworking. In der Praxis der Jugendhilfe war auch das Wort „streetwork“ noch relativ unbekannt. Die Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen fand noch als Heimerziehung statt. Eine offene und ambulante Jugendarbeit die Stadtteil bezogen war gab es zu der Zeit nur in den USA.
Das sollte sich mit Professor Doktor Walther Specht ändern. Er hatte an der Evangelischen Fachhochschule Hannover Sozialwesen studiert und im Anschluss einen sechsmonatigen Aufenthalt in den USA absolviert. Dort lernte Professor Doktor Walther Specht Streetwork kennen. Im Herbst 1967 kam Professor Doktor Walther Specht wieder zurück nach Freiburg, wo er eine Anfrage erhielt, ob er Interesse daran hätte in dem neu entstandenen Stadtteil Freiberg eine offene Form der evangelischen Jugendhilfe zu beginnen. Das war der Beginn der streetwork in Deutschland. Professor Doktor Walther Specht versuchte in Stuttgart und im Freiburger Stadtteil Freiberg mit Jugendlichen Kontakt aufzunehmen die auffällig, gefährlich oder/und gefährdet waren. Diese Jugendlichen waren wie auch heute auf Straßen und Plätzen, vor Kneipen und Bahnhöfen u.s.w. zu finden.Diese mobile Jugendarbeit nannte man zu der Zeit noch soziale Gruppenarbeit oder soziale Jugendarbeit und entwickelte sich in dem Stadtteil Freiberg sehr positiv.19 Somit entstand die erste Einrichtung mobiler Jugendarbeit im diakonisch-karitativen Raum Stuttgart. Man kann sagen, das Professor Doktor Walther Specht der Vater der streetwork in Deutschland ist.Als Beispiel: Während der Stadterweiterung in den 1960er Jahren wurden in den Randgebieten Stuttgarts viele Neubau- und Hochhaussiedlungen gebaut. Dabei wurde die soziale Infrastruktur vernachlässigt. In diesen Siedlungen mangelte es an Angeboten für Kinder und Jugendliche. In der Öffentlichkeit machten die Jugendcliquen immer mehr negative Schlagzeilen und wurden von den Hilfeeinrichtungen nicht erreicht. Ein großes Problem war, das die Hilfeeinrichtungen nicht an den Brennpunkten präsent waren und die Jugendlichen selber sich keine Hilfe von außen holen wollen. Die Situation eskalierte immer mehr, so dass man sich dazu entschied nach der Methode des streetworking's mit kriminellen, aggressiven und gefährdeten Jugendlichen direkt in ihrem Milieu zu arbeiten. „Unter fachlicher Anleitung der Caritas Stuttgart und der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart 1970 zur Gründung der "Gesellschaft für soziale Jugendarbeit Stuttgart". Das neu entstandene Trägergebilde hatte nun eine wesentlich breitere und vor allem eine ökumenische Basis gewonnen: In einem gemeinsamen christlichen Auftrag entwickelten sechs Kirchengemeinden und die beiden lokalen kirchlichen Wohlfahrtsverbände nicht nur eine starke Trägergemeinschaft, sondern auch ein neues, modernes und bis heute hochaktuelles Jugendhilfekonzept.“20
1972 erweiterte man die Beratungstätigkeit und begann mit den Überlegungen, wie man mit der problematischen Zielgruppe der Drogenabhängigen und kriminellen Jugendlichen umgehen soll. Man fand aber kein zufriedenstellendes Konzept. Das Ziel war es die Jugendlichen zu erreichen, die man über die bestehenden Einrichtungen noch nicht erreicht hatte. Es sollte einer weiteren Ausgrenzung dieser Jungendlichen entgegen gewirkt werden.[21]
In den 1980er Jahren kam es in der Bundesrepublik Deutschland zu einem bundesweiten Ausbau der streetworker. Die Gründe hierfür waren unterschiedlich. Gewalt, Kriminalität, Drogen und Rechtsextremismus sind Beispiele dafür. Nach dem Fall der Mauer 1989 sind in den fünf neuen Bundesländern im Rahmen des Aktionsprogramms gegen Gewalt (AgAG) 1992 die ersten Einrichtungen mobiler Jugendarbeit entstanden. Das Konzept etablierte sich vor allem im Bundesland Sachsen.[22] Die Aufgabe dort war es vor allem Angebote für Kinder und Jugendliche zu erstellen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Anfang der professionellen streetwork 1920 in Amerika lag und in Deutschland dank Herrn Doktor Walther Specht in Freiberg 1967. Die Grundidee der aufsuchenden Jugendarbeit aberfindet sich in Deutschland zurZeit des ausgehenden Kaiserreichs.
3 Forschunqsqeqenstand
3.1 Theoretische Grundlaqen
Im traditionellen Sinne versteht man unter streetwork einen niedrigschwelligen und aufsuchenden Ansatz. Streetwork wird vor allem dadurch definiert, dass der streetworker die Zielgruppe oder Person aufsucht und nicht wie bei anderer Institutions bezogener Sozialer Arbeit, wo die Logik des Handelns aus den gegebenen institutionellen und räumlichen Strukturen entwickeln werden muss und somit das Interesse der Klienten eingeschränkt ist.[23] Anhand der Geschichte der streetwork lässt sich erkennen, dass das „entsprechende Verfahren vorrangig in der Arbeit mit Problem belasteten und problematischen Sozialräumen, vor allem aber als problematisch angesehene Zielgruppe Anwendung fand“[24] und bis heute so stattfindet.
3.1.1 Ziele und Aufgaben der Streetwork
Die erste und wichtigste Aufgabe eines streetworkers ist den ersten Kontakt zu der jeweiligen Szene aufzunehmen. Drei verschiedene Ansätze und Strategien lassen sich zusammenfassen:
- defensiv: Streetworker/in nimmt zuerst die Rolle als Beobachter ein und signalisiert gleichzeitig seine Offenheit für Gespräche. Dabei ist es aber wichtig, den Sinn seiner Anwesenheit klar zustellen um somit Spekulationen zu verhindern.
- Offensiv: Streetworker/in gehen zu den Jugendlichen und erklären ihnen wer sie sind, was sie wollen und stellen den Jugendlichen die Arbeit vor.
- Indirekt: Der Kontakt entsteht durch eine dritte Person, zum Beispiel durch den Besitzer eines Kiosks, wo die Jugendlichen oft sind.
Die oben genannten Strategien sind für streetworker/in wichtige Anforderungen, die eine ständige Herausforderung bedeuten.[25]
Das Schwierigste ist zu den Jugendlichen ein so genanntes „Kontaktnetz“ aufzubauen und dieses dann zu erhalten.[26] Dies könnte zum Beispiel erreicht werden, wenn die Gruppe den sreetworker/in als nützlich empfindet. Dabei helfen auch Sachleistungen wie zum Beispiel Kleidung, warme Mahlzeit oder auch mal einen Euro. Davon ausgehend kann dann Versucht werden, das Hilfeangebot auf psychosozialer Beratung zu erweitern. Dabei ist es aber wichtig dem Jugendlichen zu vermitteln, dass er hierfür an eine andere Hilfsstelle weitergeleitet wird, man aber trotzdem immer der erste Ansprechpartner bleibt. Streetworker/Innen müssen Allrounder sein, da die sich mit verschiedensten Problemen auskennen müssen. Wie zum Beispiel Schulprobleme, Rechtsprobleme und Wohnungsprobleme.[27]
Zu den Aufgaben eines Streetworkers gehört auch das Kontakt halten zu anderen Institutionen ( Schule, Arbeitsamt, Wohnungsamt u.s.w. ) mit dem der Jugendliche zu tun hat. Indem er ein Netz spannt zwischen dem Jugendlichen und den Institutionen ist er dann auch nützlich für die Gruppe, die er betreut. Somit ist er dann in der Lage zwischen beiden Seiten zu vermitteln und sie bei der Wahrnehmung der Hilfsangebote zu unterstützen. Die Begleitung zu den verschieden Institutionen und Behörden gehört auch zum Aufgabenbereich eines streetworker's. Indem er sich für seine Jugendlichen einsetzt versucht er die gegeben Möglichkeiten und die Bedürfnisse seiner Klienten anzupassen.[28]
[...]
[1] vlg. Galuske, Michael (2009), Methoden der Sozialen Arbeit: Eine Einführung, 8. Auflage, Weinheim, Juventa, Seite268
[2] ebd. Seite 268
[3] ebd. Seite 270
[4] ebd.Seite 271
[5] vgl.: Deinet, Ulrich und Sturzenhecker, Benedikt (1998), Handbuch Offene Jugendarbeit, München, Votum Verlag, Seite 418
[6] vgl.: www.rdk-wien.at/leitbild
[7] vgl.: www. wikipedia.org/wiki/Chicagoer_Schule_(Soziologie)
[8] vgl.: Specht, Walter (2010): Mobile Jugendarbeit im globalen Wandel, Publikationsreihe der Internationalen Gesellschaft für Mobile Jugendarbeit, Dokumentation des 9. Internationalen ISMO Symposiums in Stuttgart, Seite 44-47
[9] vgl.: http://www.chicagoareaproject.org/about-us
[10] vgl.: Specht, Walther (1979): Jugendkriminalität und mobile Arbeit, Neuwied, Stettner, Seite 39f
[11] vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Siegmund-Schultze
[12] vgl.: Thole, Werner(2000): Kinder- und Jugendarbeit Eine Einführung, Juventa, Weinheim und München, Seite 130
[13] vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Jugendsozialarbeit#Geschichte
[14] vgl.: Deinet, Ulrich und Sturzenhecker, Benedikt (1998), Handbuch Offene Jugendarbeit, München, Votum Verlag Seite 421
[15] vgl.: ebd. Seite 421
[16] vgl.: Siegfried, Detlef (2008): Sound der Revolte: Studien zur Kulturrevolution um 1968, Weinheim und München, Juventa Verlag, Seite 56f
[17] vgl.: Deinet, Ulrich und Sturzenhecker, Benedikt (1998), Handbuch Offene Jugendarbeit, München, Votum Verlag Seite 421f
[18] vgl.: ebd. Seite 422f
[19] vgl.: http://www.lag-mobil.de/cms/index.php?page=geschichte
[20] vgl.: ebd.
[21] vgl.: ebd.
[22] vgl.: Simon, Titus(1997): Streetwork und mobile Jugendarbeit in Europa, Münster, Votum Verlag, Seite 98
[23] vgl.: Galuske, Michael (2011): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 9., erg. Weinheim: Juventa, Seite 291
[24] vgl.: ebd. Seite 291
[25] vgl.: ebd. Seite 272
[26] vg.: ebd. Seite 272
[27] vgl.: ebd. Seite 270
[28] vgl.: ebd. Seite 272f