Die Rolle des historischen Jesus in der Christologie des Karl Barth


Hausarbeit, 2005

28 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Jesus als Christus – Wahrer Mensch, wahrer Gott?
2.1 Das Problem der Leben – Jesu – Forschung
2.2 Leben und Wirken Jesu oder: „Der charismatische Wundertäter Jesus“
2.3 Der Tod Jesu
2.4 Kann Jesus historisch betrachtet werden? Kerygmatik und Historik

3. Vom Christus zur Christologie

4. Die Christologie des Karl Barth

5. „Das Wort ward Fleisch“
5.1 Vorstellen des Textauszuges
5.2 Wie beschreibt K. Barth Jesus anhand des Textes?

6.Welche Rolle spielt der historische Jesus in der Christologie Karl Barths?

7. Resümee

8. Bibliographische Angaben

1. Einleitung

Karl Barth gilt als einer der bedeutenden Theologen des 20. Jahrhunderts. Seine Christologie hat sehr viele Theologen beeinflusst. Nicht nur solche die seine Ansichten teilten, sondern auch solche, die ihm kritisch oder ablehnend gegenüberstanden[1]. Aber was für eine Christologie vertrat Karl Barth? Und welches Bild hatte er von Jesus Christus?

Es mag von Jesus Christus ganz unterschiedliche Auffassungen geben, „von der Annahme Jesu als historischer Figur, obgleich zum Christus des Glaubens mythisiert, bis zur Leugnung des historischen Jesus.“[2] Aber muss der auferweckte und erhöhte Christus des Glaubens in festem Zusammenhang mit dem Jesus der Geschichte gesehen werden?

„Es gehört [wohl] zur Eigenart des christlichen Glaubens, dass sein entscheidender Bezugspunkt ein Mensch der Geschichte ist, der auch Gegenstand historischer Forschung darstellt.“[3] Jesus ist also „nicht nur eine für die Ursprünge des christlichen Glaubens maßgebliche Gestalt, sondern dessen zentraler Gegenstand und Inhalt (…). Christen glauben an Jesus, und das heißt, sie setzten – weithin unreflektiert – voraus, in ihm ganz und ohne Abstriche all das vorgegeben und verkörpert zu finden, was Christentum ausmacht.“[4] Ein historisches Hinter – und Nachfragen ist also für den Christlichen Glauben um seiner Modernität willen weitgehend unumgänglich.

Ausgangspunkt der Christlichen Theologie ist das Bekenntnis der Kirche zum dreieinigen Gott und so muss diese sich fragen wie dieses Bekenntnis, im Sinne des Jesus von Nazareth als menschgewordenen Sohn Gottes heute weiter verantwortet werden kann. „Im Bekenntnis zu Jesus Christus [handelt es sich also] um das Bekenntnis zu einer Gestalt der Geschichte (…), die naturgemäß auch historischem Fragen zugänglich ist und angesichts derer sich der Glaubende – und ebenso die glaubende Kirche – dem allgemeinen historischen Bewusstsein, das unser Schicksal ist, nicht entziehen kann und darf.“[5] Man kann also sagen, dass eine Christologie vor der verantwortlichen Aufgabe steht sich nicht um die Ergebnisse historischer Forschung herumzudrücken.[6] Dabei sollte man aber die historische Forschung nicht als bloße Gefahr des Glaubens sehen. „Der ‚historische’ Jesus – nicht der himmlische Christus – findet für gegenwärtiges Verstehen und Lebensgefühl eine bemerkenswerte Resonanz.“[7]

In dieser Hausarbeit möchte ich herausfinden, ob der „historische Jesus“ eine Rolle in der Christologie Karl Barths spielt und vor allem welche.

Um eben dies herauszufinden, werde ich zu Beginn der Arbeit das Problem des historischen Jesus beleuchten, sein Leben nach heutigen Forschungsergebnissen vorstellen und darlegen, wie aus Jesus von Nazareth, Jesus Christus und daraus eine Christologie wurde.

Des Weiteren werde ich in einem kurzen Abschnitt die Christologie Karl Barths beschreiben, um dann anhand eines Textauszuges herauszufinden wie er Jesus beschreibt, um dann konkret auf die Rolle des historischen Jesus bei Karl Barth einzugehen.

In einem abschließenden Resümee werde ich die wesentlichen Punkte der Arbeit noch mal zusammenfassen und werde zu diesen selbst Stellung beziehen.

2. Jesus als Christus – Wahrer Mensch, wahrer Gott?

2.1 Das Problem der Leben – Jesu – Forschung

Als Leben – Jesu – Forschung „bezeichnet man die seit der Aufklärung betriebene wissenschaftliche Erforschung des Lebens des historischen Jesus.“[8] Sie beschränkt sich auf Daten, Verhaltensweisen, Ereignisse und Zeitumstände, die der Wissenschaft als weitgehend gesichert gelten. Aufgrund der ihr vorliegenden Daten und Fakten, kann die Forschung einen äußeren Rahmen des Leben Jesu bestimmen und sie könnte ein Bild von der Persönlichkeit Jesu entwerfen. Außerdem kann sie nach den Vorstellungen und Absichten fragen, die Jesus mit seinem Auftreten verbunden hat.[9] Grundsätzlich will die historische Forschung herausfinden, wie etwas wirklich gewesen ist. Es ist also ihr Ziel Vorgänge, Gestalten und Personen der Vergangenheit möglichst umfassend und objektiv darzustellen. In diesem Fall das Leben Jesu, auch mit politischen und wirtschaftlichen Hintergründen, sowie den Menschen beziehungsweise die Person Jesus auf den sich eine Weltreligion stützt. Gerade seit dem 18. Jahrhundert hat sich die Frage nach dem historischen Jesus mehr und mehr verschärft und die Forschung konnte mit immer neueren Methoden auch neue Kenntnisse gewinnen.[10]

„Dennoch hat auch der jetzige Stand der Erkenntnis an verschiedenen Stellen hypothetischen oder vermutenden Charakter.“[11]

Viele behaupten Jesus sei keine historische Person gewesen, im besten Falle vielleicht eine wirkliche Person, welche Illusionen und Märchen „zum Opfer gefallen“ ist. Manchen ist seine historische Beweisbarkeit auch überhaupt nicht wichtig, sie beziehen sich auf sein Wesen, dem sie die Funktion einer repräsentativen Person, ähnlich den Göttern des griechischen Altertums, zuschreiben.[12] „Bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts galten die Evangelien einfach als das, was sie augenscheinlich sind: eine Beschreibung von Person, Leben und Lehre des Jesus von Nazaret, niedergeschrieben von Augenzeugen oder deren Begleitern, historisch genau, authentisch und wahrheitsgetreu.“[13] Der heutige Stand der Forschung hat diese Annahme aber eindeutig widerlegt, worauf ich später zu sprechen komme. Ebenso die Annahme Jesus als historische Person hätte es nie gegeben. „Gegenüber (…) [diesem] immer wieder erhobenen Vorwurf, dass es keine historische Person namens Jesus von Nazareth gegeben habe, muss man deutlich sagen, dass nach den Kriterien historischer Forschung die Existenz des Menschen Jesus von Nazareth durchaus klar bezeugt ist.“[14]

Aber woher kommt die Verunsicherung hinsichtlich der Frage nach dem historischen Jesus?

„Für das Judenchristentum war, (…) der Wundertäter, Lehrer und Prophet und der Messias Jesus wichtiger als die Predigt vom Auferstandenen. Anders war es schon sehr früh in den christlichen hellenistischen Gemeinden, die von griechischen Juden gegründet worden waren und überwiegend aus Nichtjuden bestanden: dort wurde vor allem die Erlösung durch den gekreuzigten und auferstandenen Christus gepredigt.“[15] Die Forschung sah Jesus jedoch lange Zeit „losgelöst“ von seinem jüdischen Ursprung, wofür es unterschiedliche Motive geben mag die sich vermutlich den jeweiligen auch politischen Umständen zuschreiben lassen und berücksichtigte demnach die zeitgenössischen jüdischen Quellen nicht. „Als eindeutig ‚echt’ galten demnach nur jene Elemente der Jesusüberlieferung, die mehr oder weniger aus dem Rahmen des zeitgenössischen Judentums (oder dem, was man dafür hielt) herausfielen. Das Resultat war ein vom Judentum gelöster Jesus, und damit eine zeit- und ortlose Kunstfigur.“[16] Dies hat die Forschung zu lange zu wenig berücksichtigt. Sie betrachteten zuallererst das Einmalige und Besondere an Jesus. „Erst in jüngster Zeit ist die Jesusforschung aus dieser Engführung ausgebrochen. Ein wesentlicher Grund dafür war die Vertiefung der Kenntnisse des zeitgenössischen Judentums.“[17] Man kann also annehmen, dass dieses lange Zögern in Bezug auf die Nutzung brauchbarer zeitgenössischer Quellen eine Begründung der Verunsicherung bei der Frage nach dem historischen Jesus ist.

Ein weiterer Grund kann sein, dass die Evangelien des Neuen Testaments schon lange nicht mehr als authentisch und historisch genau gelten. „Die Frage nach dem ‚historischen’ Jesus ist nicht die Weise, wie die Heilige Schrift nach Christus fragt.“[18] Die Texte sind wohl eher Glaubenszeugnisse und keine Sachberichte. Trotzdem sind die mit wichtigsten Quellen über Jesus die vier Evangelien, Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Die christlichen Zeugnisse „entstammen [aber] einem Kulturkreis, in dem der Zugang zu Vergangenem wesentlich durch mündliche Überlieferung erfolgte. (…) [Dies] ließ Raum für erzählerische Ausschmückungen und Ergänzungen, für Steigerungen von Einzelzügen, in manchen Fällen auch für Übertragung von Motiven, Worten und Erzählungen ursprünglich anderer Herkunft auf Jesus.“[19] Man konnte nachweisen, dass das Matthäus- (verfasst zwischen 80 und 100 n. Chr.), sowie das Lukas- Evangelium (verfasst zwischen 70 und 90 n. Chr.) als Quelle das Markusevangelium (verfasst zwischen 64 und 70 n. Chr.) benutzt haben. Diese Hypothese ist allgemein anerkannt als „Zweiquellentheorie“. Da sich das Matthäus- und Lukas- Evangelium aber auch häufig in ihrem Wortlaut ähneln, der über das Markusevangelium hinausgeht, nimmt man an, dass beide eine weitere und gleiche Quelle nutzten. Diese Quelle wird als „Spruch – oder Logienquelle“ kurz „Q“ bezeichnet.[20] „Bei dieser Vorlage, die hauptsächlich Redenstoff aus Jesu Verkündigungen enthalten haben muss und daher auch den Wandlungsprozessen der mündlichen Tradition stärker ausgesetzt war, handelt es sich vermutlich um eine schriftliche, in griechischer Sprache verfasste Quelle, die allerdings als literarisches Werk nicht erhalten ist.“[21]

Aufgrund der Ähnlichkeit der drei Evangelien spricht man auch von den „synoptischen Evangelien“.

Das Johannisevangelium ist hingegen ein eigenständiges Werk, welches um circa 100 n. Chr. entstanden ist. „Johannes stellt die Gestalt Jesu ebenso konsequent wie einseitig aus jener Perspektive dar, die nach urchristlicher Überzeugung den Glaubenden durch das nachösterliche Wirken des Heiligen Geistes erschlossen worden ist (…). Von daher ist der Quellenwert des Johannesevangeliums für die Geschichte Jesu sehr viel niedriger als der der Synoptiker anzusetzen.“[22]

Aufgrund dieser Erkenntnisse, verlor man die anfangs für absolut glaubwürdig gehaltenen Evangelien als sichere historische Quelle. Selbstverständlich sind sie auf keinen Fall unbrauchbar, sondern nach wie vor in der Leben- Jesu- Forschung wichtig. Aber auch hieraus konnte eine Verunsicherung bei der Frage nach dem historischen Jesus entstehen.

Man konnte heute jedoch in manchen Bereichen durch weitere Forschungen dieser Verunsicherung entgegenwirken. Das Jesus aus Nazareth eine historische Person war, kann nicht mehr abgestritten werden.

„Das Studium der Christologie umfasst den ganzen historischen Jesus, und von dieser Perspektive her erklärt die Theologie, dass Jesus (…) unter den Menschen gelebt hat. (…) Wenn man Jesus (…) verstehen will, so muss man seine menschliche Umgebung und seine Beziehungen in Betracht ziehen. (…) Will man (…) [Jesus] ernst nehmen, so kommt man nicht umhin, ihn im Rahmen menschlicher Geschichte zu sehen.“[23] Was soll man darunter verstehen? Es soll wohl aussagen, dass Jesus „ein Mensch wie du und ich“ war. Jemand der schlief, aß und trank. Gerne in Gesellschaft anderer Menschen war und Feste feierte. Er konnte über das Versagen der Leute weinen, oder wenn er von seinen Jüngern enttäuscht wurde. Er konnte zornig oder ungehalten werden. Er vertrat seine religiösen Einstellungen gegenüber dem Judentum, er war offen für die Probleme von anderen, empfand Schmerz und war bereit zu vergeben. Will man noch mehr über diesen Menschen Jesus erfahren, muss man sich mit Hilfe der Ergebnisse der Leben- Jesu- Forschung seine Herkunft, seine Lebensumstände und sein Wirken genauer ansehen. Man schafft also den „äußeren Rahmen“ wie oben erwähnt, um das Bild Jesu innerhalb dieses Rahmens deutlicher erkennen zu können.

2.2 Leben und Wirken Jesu

oder: „Der charismatische Wundertäter Jesus“ [24]

a) Was kann man über die Geburt und die Herkunft Jesu sagen?

„An keinem anderen Punkt werden die Evangelien den Erwartungen moderner biografisch orientierter Geschichtsschreibung so wenig gerecht wie mit ihren Aussagen über Herkunft, Entwicklung und Frühzeit Jesu.“[25] Trotzdem kann man das Geburtsjahr Jesu recht genau bestimmen. Es fällt in die Zeit des römischen Kaisers Augustus (27 v. Chr. – 14. n. Chr.) und des Königs Herodes (37 v. Chr. – 4. v. Chr.) und wird auf das Jahr 4 – 6 v. Chr. geschätzt.[26]

[...]


[1] Vergleiche Härle, W.; Wagner, H. (Hg.) : Theologenlexikon – Von den Kirchenvätern bis zur Gegenwart, München 1987, 2. Auflage, S. 39.

[2] O`Gray, John F.: Das menschliche Antlitz Gottes, Olten 1983, S. 79.

[3] Kühn, Ulrich: Christologie, Göttingen 2003, S.117 – 118.

[4] Roloff, Jürgen: Jesus, München 2000, 3. Auflage, S. 7 – 8.

[5] Kühn, aaO. (Anmerkung 4) S.282.

[6] Vergleiche Kühn, aaO. (Anmerkung 4) S. 52.

[7] Kühn, aaO. (Anmerkung 4) S.102.

[8] Christophersen, A.; Jordan, S. (Hg.): Lexikon Theologie – Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2004, S. 195.

[9] Vergleiche Schierse, F. J.: Christologie, Düsseldorf 1979, 2. Auflage, S. 20.

[10] Vergleiche Christophersen, A.; Jordan, S. (Hg.), aaO. (Anmerkung 12), S. 195 – 196.

[11] Kühn, aaO. (Anmerkung 4), S. 284.

[12] O`Grady, aaO. (Anmerkung 2), S.69.

[13] O`Grady, aaO. (Anmerkung 2), S.69.

[14] Lachmann, R.; Adam, G.; Ritter, W. (Hg.): Theologische Schlüsselbegriffe. Biblisch – Systematisch – Didaktisch, Göttingen 1999, 2. Auflage, S. 169.

[15] Flusser, D.: Jesus, Hamburg 1968, 3. Auflage, S. 12.

[16] Roloff, aaO. (Anmerkung 5), S. 32.

[17] Roloff, aaO. (Anmerkung 5), S. 32.

[18] Kühn, aaO. (Anmerkung 4), S. 256.

[19] Roloff, aaO. (Anmerkung 5), S. 12.

[20] Vergleiche Stamer, U.: Abiturwissen – Jesus Christus, Stuttgart 1993, 9.Auflage, S. 9.

[21] Stamer, aaO. (Anmerkung 24), S. 9.

[22] Roloff, aaO. (Anmerkung 5), S. 22.

[23] O`Grady, aaO. (Anmerkung 2), S. 156.

[24] Flusser, aaO. (Anmerkung 19), S. 58 – 59.

[25] Roloff, aaO. (Anmerkung 5), S. 54.

[26] Vergleiche Lachmann, R.; Adam, G.; Ritter, W. (Hg.), aaO. (Anmerkung 18), S. 169, sowie Rademacher, C.: Wer war Jesus? In: GEO, 01 Januar 2004, S. 146.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Rolle des historischen Jesus in der Christologie des Karl Barth
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
28
Katalognummer
V181111
ISBN (eBook)
9783656039051
ISBN (Buch)
9783656038863
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl Barth, Jesus, historischer Jesus, Jesus Christus, Christologie, wahrer Mensch, wahrer Gott
Arbeit zitieren
Merle von Uslar (Autor:in), 2005, Die Rolle des historischen Jesus in der Christologie des Karl Barth, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181111

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