Gewaltprävention an Schulen. Dargestellt am Projekt "People's Theater"


Vordiplomarbeit, 2003

51 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt:

Einleitung

Gewalt an Schulen

Gewalt an Schulen in Form von Fremdenfeindlichkeit

Gewaltprävention

Gewaltprävention an Schulen

Die zwölf Grundformen der Gewaltprävention nach Lothar R. Martin
Grundform 1: „Raum geben – Schulleben ermöglichen“
Grundform 2: „Frustration abbauen – Regeln achten – Fairness üben in Sport und Spiel
Grundform3: „Miteinander reden – Einander verstehen“
Grundform 4: „Interagieren – Identität fördern“
Grundform 5: „Medienkonsum – Durch Medien lernen“
Grundform 6: „Werte bilden – Moralisch handeln“
Grundform 7: „Projekte durchführen – Lernen durch tun“
Grundform 8: „Gemeinschaft fördern – Gemeinsinn entwickeln“
Grundform 9: „Konflikte bewältigen – Konfliktfähig werden“
Grundform 10: „Mit Tätern umgehen – Gewalt entmachten“
Grundform 11: „Kooperieren – Vernetzen“
Grundform 12: „Menschen und Schöpfung achten – In Würde leben“

Das gewaltpräventive, soziale Projekt „People’s Theater“

Ziel und Konzept der Show von „People’s Theater“

Resonanz und Erfahrungen an den Schulen über und von „People’s Theater“

Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

Weitere Hilfsmittel

Anhang

Einleitung

Gewalt ist ein Phänomen, welches die Menschheit seit jeher begleitet hat. Sie „ist allgegenwärtig und prägt die Geschichte der Menschheit. Sie findet in den verschiedensten Ausprägungen statt“ (Varbelow 2000, S. 13). Mit dieser sehr allgemein gehaltenen Feststellung hat Dirk Varbelow grob umrissen, wie gross das Ausmass ist, welches Gewalt erreichen kann.

Die vorliegende Arbeit jedoch will nicht soweit gehen. Sie beschäftigt sich zunächst vielmehr mit einer groben Darstellung von Gewalt an Schulen, wobei auf die verschiedenen Ursachen, die Täter-Opfer-Problematik und die verschiedenen Ausprägungen von Gewalt kurz eingegangen wird. Speziell thematisiert wird hierbei auch Fremdenfeindlichkeit als Form von Gewalt. Der Grund dafür ist wohl die weite Verbreitung des Rechtsextremismus in Einwanderungsland Deutschland. Fremdenfeindlichkeit ist fast zu einem alltäglichen Bestandteil des Lebens geworden. So habe ich mich entschlossen, diese spezielle Form von Gewaltanwendung kurz separat zu thematisieren.

Den grössten Teil der Arbeit bildet die Gewaltprävention speziell an Schulen. Hierfür konnte ich die Ausführungen von Lothar R. Martin über seine „Zwölf Grundformen der Gewaltprävention“ verwenden, die meiner Ansicht nach eine gute Grundlage für auszuführende Projekte bilden, weil sie nicht nur wiederum kurz auf die Ursachen von Gewalt innerhalb und ausserhalb des schulischen Rahmens eingehen, sondern auch theoretische Ansätze zur Prävention als Schlussfolgerung daraus anbieten. Ferner werden an konkreten Beispielen und Vorschlägen auch die praktische Umsetzung dargestellt.

Beim letzten Teil der Arbeit über das Projekt „People’s Theater“ in Offenbach soll eine konkrete und sehr besondere Art und Weise vorgestellt werden, wie Gewaltprävention an Schulen mit Elementen des Theaters aussehen kann. Ich hoffe vor allem, dem Leser das Projekt näherzubringen, weil es indirekt und vielleicht unbeabsichtigt an die zwölf Grundformen der Gewaltprävention angelehnt ist.

Gewalt an Schulen

Die intensive Diskussion über Gewalt in unserer Gesellschaft, insbesondere intensiviert durch die gewalttätigen Übergriffe auf Asylbewerber und Ausländer, hat auch Gewalt an Schulen wieder stärker in die Öffentlichkeit treten lassen. Die Veränderungen an den Schulen hinsichtlich der Gewalt sind spürbarer und sichtbarer geworden. Die Formen körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt haben sich bei einer (bis jetzt) kleineren Gruppe von Schüler/innen verdichtet. (vgl. Bründel 1995, S. 41)

Die Erscheinungsformen von Gewalt in der Schule haben ein breites Spektrum. Sie reichen von Disziplinlosigkeit im Unterricht über verbale und physische Attacken Lehrern und Mitschülern gegenüber bis hin zu Diebstahl, Raub und Erpressung und Auseinandersetzungen zwischen Jugendgangs und Schlägereien mit ausländischen Jugendlichen, um nur einige zu nennen. Aus Angst, selbst ein Opfer der Gewalt zu werden, haben sich deshalb auch viele Jugendliche bewaffnet und dies in zunehmendem Masse, wie von Lehrer/innen berichtet wird. Auch sexistische Gewalt ist häufig eine vorherrschende Form. Diese drückt sich vorwiegend gegen Mädchen aus, sowohl seitens der Schüler als auch der Lehrer und reicht von beleidigenden sexuellen Anspielungen bis hin zur Nötigung von sexuellen Handlungen und erzwungenem Geschlechtsverkehr.

Es ist nicht leicht, objektiv festzustellen, inwieweit die Gewalt an Schulen zugenommen hat, denn selten dringt Information darüber an die Öffentlichkeit ausserhalb der Schule. Dies ist nur der Fall wenn seitens der Eltern darauf gedrängt wird oder die Schulleitung sich besonders machtlos fühlt. Demnach ist die Forschung auf diesem Gebiet auf Befragungen von Schülern und Lehrern angewiesen. In einer Studie von Ferstl, die Bründel (1995) erwähnt, wurden Schüler/innen sowie Lehrkräfte dazu befragt. Angegeben wurde hierbei, dass insbesondere die Verrohung im Umgangston der Schüler und das Herabsetzen sehr zugenommen hat. Tätliche Auseinandersetzungen kamen dabei auch vor, 14% der befragten Schülerinnen und Schüler waren dabei schon oft in solche Auseinandersetzungen verwickelt gewesen, bei denen es sich oft um Faustkämpfe gehandelt hatte. Jedoch gaben davon 7% an, auch Waffen und waffenähnliche Gegenstände benutzt zu haben. (vgl. Ferstl 1993 in: Bründel 1995, S. 43)

Diese Betrachtung und auch weitere zeigen einen geschätzten, erweiterten Ausmass in der Veränderung der Gewalt an Schulen. Viele Lehrer haben angegeben, dass sich bei den Formen von Gewalt selbst nicht sehr viel geändert habe, jedoch sei es zu einer Verrohung der Gewalttaten gekommen, die Schüler kennen keinen „Ehrenkodex“ mehr und die Hemmschwelle hat sich weiter nach unten verlagert. Dies führt natürlich zu einer Beunruhigung der Schüler und Lehrer gleichermassen. Schüler fühlen sich in der Schule nicht mehr besonders geschützt und sehen sich nach anderen Schutzmöglichkeiten um. Sie greifen dann zur Selbstverteidigung die oft im Tragen von Waffen oder dem Erlernen von Kampfsportarten ihren Ausdruck findet. Lehrkräfte berichten ausserdem auch von einer steigenden Anzahl von extrem schwierigen Kindern und zunehmenden brutalen, körperlichen Übergriffen in der Schule, wobei auch das Aufschaukeln verbaler Aggressionen eine grosse Rolle spielt und übelste Beschimpfungen und Beleidigungen nicht unwesentliche Erscheinungen hierbei sind. Die Täter sind meistens Jungen und leistungsschwache Schüler die versuchen, durch aggressive Taten Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Diese Täter sehen Gewalt als Medium, um sich Anerkennung zu verschaffen. Das Mitbringen von Waffen wird häufig verharmlost und als Grund wird notwendige Selbstverteidigung angegeben.

In der Schule herrscht in dieser Hinsicht das Gesetz des Stärkeren und körperlich schwächere Schüler können sich nicht behaupten. Die Opfer sind meist sensible und ängstliche, meist jüngere Schüler als der Täter, die wenig Selbstvertrauen besitzen und verspottet werden. (vgl. Bründel 1995, S. 45)

Der Besuch der Schule ist das vorherrschend prägende Merkmal in der Jugendzeit und die Zeit in der Schule ist mit der Jugend nahezu identisch. Was in der Schule passiert ist massgebend für die persönliche Entwicklung der jugendlichen Persönlichkeiten. Obwohl die Schule nicht unbedingt alle Ursachen und Anlässe für Gewalttätigkeit und Aggression beherbergt, sonder diese auch in verschiedenen anderen Bereichen wie Familie, Freizeit, Gewaltverherrlichung in den Medien oder in den Konsequenzen der Arbeitslosigkeit der Jugendlichen zu suchen sind, trägt sie durch ihre Strukturierung oft zu deren Entstehung und Umsetzung bei. In ihrer jetzigen Form und Ausprägung fördert die Schule die individuellen Entwicklungsbedürfnisse der Schüler nur höchst unzureichend. „Gerade weil bei den gegenwärtig überwiegenden Lern- und Lehrformen von den Schülerinnen und Schülern kaum ein praktischer Anwendungsbezug zum Leben hergestellt werden kann, ist die Schule eine Instanz, die die Kinder und Jugendlichen in ihrer Selbstverwirklichung und der Entfaltung ihrer subjektiven Möglichkeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten eher behindert als fördert.“ (Bründel 1995, S. 45) Trotzdem hat die Schule noch immer im Leben eines Jugendlichen einen hohen Stellenwert und auch in den Familien ist es so. Dort dreht sich alles primär um Leistungen in der Schule, die eine grosse Bedeutung haben. Schlechte Zeugnisse oder das Wiederholen von Klassen sind in den meisten Familien katastrophale Ereignisse. Psychisch aufgefangen werden die Schüler/innen zuhause also nicht. Vielmehr kommt zum schulischen Versagen auch noch emotionale Belastung seitens der Familie als Zusatz. Diese tritt meist als Mischung aus Manipulation, Druckausübung und Strafandrohung auf. Aggression und Gewalt kann in diesem Sinne als Ventil gesehen werden, durch dass die Schüler in der Schule ihren „Frust ablassen“ oder auch als Verteidigungs- und Kompensationsmechanismus gegen die psychischen und sozialen Verunsicherungen. (vgl. Bründel 1995, S. 46)

Oft bildet aggressives Verhalten den Endpunkt einer langen Belastungskette. Die gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen und der gesellschaftliche Rahmen sind beispielsweise ungünstig. Leistungsversagen, häufige Versetzungsgefährdungen, Klassenwiederholungen, das Zurückbleiben hinter den eigenen und/oder den elterlichen Erwartungen bilden oft diese Kette. Gewalt kann hier als Enttäuschungsreaktion interpretiert werden und versucht, diese Belastungen zu kompensieren. Das Ausmass an delinquentem Verhalten steigt ausserdem dann noch einmal an, wenn die Jugendlichen nach ihrer Leistungsidentifizierung in der Schule aufgeteilt werden. Diejenigen, für die die Schule wichtig ist, neigen bei Misserfolg eher zu aggressivem Verhalten als die, denen die Schule nicht so wichtig ist. Dasselbe gilt dann auch für die spätere Erfolgsorientierung. Je höher die gesteckten Ziele, desto aggressiver ist das Verhalten bei Misserfolg bei zu Aggression neigenden Schülern. (vgl. Bründel 1995, S. 47)

Rein schulische Risikofaktoren tragen ebenfalls und zusätzlich zur Entstehung von Gewalt in der Schule bei. Entfremdung von der Schule ist ein solcher Faktor. Bei permanentem Versagen in den Leistungen in der Schule kommt es häufig vor, dass Schüler sich von der Schule abwenden, von ihr entfremden und sich durch dieses Versagen abgewertet fühlen. Das erzeugte geringe Selbstwertgefühl durch die zusätzliche oben angesprochene emotionale Belastung zuhause und die Überzeugung ungerecht behandelt zu werden resultieren in eine mangelnde Zukunftsperspektive und all diese Fakten zusammen kreieren eine Basis für gewalttätiges und aggressives Verhalten. Eine weitere fördernde Tatsache von Gewalt in der Schule ist ferner eine chaotische innere und äussere Struktur der Schule. Grosse Schulklassen und Schuleinheiten tragen oft zu Anonymität und Isolation des Einzelnen bei und werden allgemein schon als ungünstige Ausgangsbedingungen gesehen. Ist zusätzlich noch die Schulorganisation unübersichtlich und nicht strukturiert, fehlt der Informationsaustausch, wissen die Schüler nicht, an wen sie sich wenden können und haben sie keine Bezugspersonen, so ist eine chaotische interne und auch externe Struktur an der Schule ein weiterer Beitrag zum Nährboden für Gewaltbereitschaft.

Aber auch Lehrer spielen hier eine wesentliche Rolle, sowohl in den Beziehungen unter sich als auch in Bezug auf die Schüler. Wenn es unter dem Kollegium der Lehrkräfte keine ausreichende Kooperation besteht, es also Streit, Rivalitäten oder Konkurrenz gibt, spüren das Schüler sehr genau und testen, bis zu welchem Punkt es eine zumindest prinzipielle Einigung in wichtigen pädagogischen Themen und Fragen gibt. Schüler sind sehr gut in der Lage, Uneinigkeiten auszunützen und die Lehrkräfte dadurch gegeneinander auszuspielen. Auch unterschiedliches Vorgehen der Lehrer bei Strafen fordert eine Übertretung der Grenzen heraus und lässt die Lehrkräfte ihre Autorität verlieren. Auch die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler hat einen wesentlichen Einfluss. Je schlechter die einzelnen Beziehungen zwischen einem Lehrer und seinen Schülern sind, desto schlechter ist das Gesamtgefühl in der Schule. Wenn Schüler sich dann ungerecht behandelt fühlen und bemerken, dass der Lehrer sein Handeln bewusst gesteuert hat, dann ist eine Neigung zu Gewalt da und zwar viel stärker als bei Schülern, die es nicht so erleben. (vgl. Bründel 1995, S. 49)

Befragt man Schüler und Lehrer gleichermassen nach dem Ausmass von Gewalt, dann ist es wiederum interessant zu sehen, dass es in diesem Punkt wesentliche Gemeinsamkeiten gibt. Beide empfinden Gewalt in der Schule und unter Jugendlichen als Problem. Beide scheinen die Erfahrung gemacht zu haben, dass es bestimmte Schulen gibt, an denen Gewalt schon immer ein allgemein hohes Ausmass hatte und andere Schulen, an denen das Niveau vergleichsweise niedrig war. Generell sehen sowohl Schüler als auch Lehrer in den letzten Jahren einen Anstieg an Gewalt vor allem von Seiten „rechts“ orientierter Jugendlicher und Gruppen. Sowohl Schüler als auch Lehrer sehen, wie oben bereits kurz erwähnt, eine steigende Gewaltbereitschaft und zugleich sinkende Hemmschwelle für Gewalttaten mit gleichzeitig zunehmender Bewaffnung. Dabei erleben Schüler und Lehrkräfte in den neuen Bundesländern Aggression und Gewalt im Alltag „vielfach bedrückender, massiver und extremer als [...] Schüler und Lehrer der alten Bundesländer.“ (Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 91)

Insgesamt erscheint den Schüler/innen jedoch die Gewalt ausserhalb der Schule als grössere Bedrohung als die innerhalb der Schule. Sie wird als härter, bedrohlicher und brutaler geschildert, vor allem wenn Gewalt in Jugendbanden und Cliquen angesprochen wird (wobei häufig rechte Gruppen erwähnt werden). Auch berichten, wie bereits kurz angesprochen, weit mehr Jungen als Mädchen von Gewalt und gewalttätigen Übergriffen. Sie sind meistens sowohl Täter als auch Opfer von Gewalt sowohl innerhalb als auch ausserhalb des schulischen Rahmens. Dies passiert vor allem wenn sie jünger sind. Gewalt scheint in den niedrigeren Jahrgangsstufen schneller zu eskalieren, während mit zunehmendem Alter und sozialer Reife die Gewalt seltener vorkommt und abnimmt. Konflikte werden gemieden oder vermehrt kommunikativ geregelt. (vgl. Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 92)

Ferner konnten Würtz und Mitarbeiter in ihrer Studie durch ihre Umfragen an Schülern und Lehrern feststellen, dass Probleme mit Gewalt mehr an Haupt- und Sonderschulen als an Gymnasien oder Berufsschulen auftreten. Der Typus der Schule ist jedoch nicht der einzige Faktor. Zusätzlich kommen Schüler in Haupt- und Sonderschulen aus Wohngegenden mit gehäuften sozialen Problemen, entstammen oft zerrütteten Familienverhältnissen (z.B. Alleinerziehende Elternteile, hohe Arbeitslosigkeit) und Gewalt spielt so eine grössere Rolle in ihrem Alltag. Dementsprechend stellen sich die Kinder und Jugendlichen auf diese Alltagssituation beispielsweise durch Cliquenbildung und Bewaffnung ein. Die befragten Lehrer an den verschiedenen Schulen jedoch zeichnen ein Bild welches darauf schliessen lässt, dass Gewalt ein schulabhängiges Problem ist. So geben Lehrkräfte an Gymnasien hauptsächlich über ein relativ geringes Gewaltvorkommen an ihren Schulen Auskunft, währen Berufsschullehrer ein höheres Gewaltvorkommen ausserhalb des schulischen Rahmens ihrer Schüler vermuten. Auch differenzieren sie im Gewaltpotential der Schüler zwischen den einzelnen nach Ausbildungsgängen. Ein weiterer interessanter, schulabhängiger Faktor sind schulspezifische Konstellationen. So vermuten befragte Lehrkräfte von kleineren Schulen mit überschaubaren Schülerzahlen und funktionierenden sozialen Kontakten dass das Gewaltaussmass niedriger ist, im Gegensatz zu jenen Lehrern, die an Schulen in Grossstädten und Ballungsgebieten unterrichten, wo oft ganze Stadtviertel als soziale Brennpunkte gelten mit beispielsweise hoher Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Armut und fehlenden Freizeitangeboten und wo konzentriertere Gewalt in Erscheinung tritt. (ebd.)

In der Schule passiert die Gewalt vorrangig in den Pausen oder im Sportunterricht aber auch im normalen Unterricht. Gewaltauslöser sind hierbei aggressive Mitschüler aber auch Lehrkräfte, die sich den aggressiven Mitschülern gegenüber hilflos fühlen und entsprechen mit Wut reagieren. Auch die Unterrichtsstrukturen fördern nach Meinung der Schüler einerseits Lustlosigkeit und Langeweile, andererseits jedoch auch Konflikt- und Aggressionspotentiale. (vgl. Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 93)

Im Bereich ausserhalb des schulischen Rahmens eskaliert die Gewalt meistens von Seiten aggressiver Cliquen in bestimmten Wohnvierteln, städtischen Problemgebieten, sowie auch bestimmten Treffpunkten der Jugendlichen (Kneipen, Discotheken) nach Meinung der Schüler. Diese wird als gefährlicher gesehen, weil hier die Aggression meist von Gruppen ausgeht, deren Hemmschwellen bei ohnehin schon aggressiv gestimmten Tätern durch Alkohol oder sonstige Drogen weiter gesenkt ist, oft Waffen eingesetzt werden, Gewalt of spontanter Natur ist und Hilfe von Dritten überwiegend nicht zu erwarten ist. Lehrer haben hingegen oft wenig oder keine Kenntnis von der Gewalt ausserhalb der Schule und zentrieren Gewalt innerhalb des schulischen Rahmens viel mehr. Es ist interessant, noch zu beobachten dass, im Gegensatz zu ausserschulischer Gewalt, die Gewalt in der Schule eher von Einzelnen ausgeht als von einer Gruppe. Der eingeschränkte Wahrnehmungshorizont der Lehrer erscheint insofern problematisch, als dass er das wahre Ausmass von Gewalt unter den Schülern richtig wahrnimmt. (vgl. Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 95)

Typische „Täter“ und „Opfer“ werden sowohl von Lehrern als auch von Schülern ähnlich beschrieben. Dies sind offenbar immer dieselben Schüler, selten kommt es vor, dass immer andere aggressiv handeln. Typische Merkmale solcher Schüler, wie von Lehrern und Schülern beschrieben, sind auffallende Leistungsschwäche, Disziplinlosigkeit und überwiegend sind die typischen „Täter“ männlich. Zusätzlich kommen auch noch ein schwieriger Familienhintergrund und generelle Verhaltensstörungen hinzu. Auch sind sie oft sozial benachteiligt und möchten durch gewalttätiges Verhalten auf sich aufmerksam machen. Eine weitere, zahlenmässig ansteigende Gruppe von Schülern kommt aus dem „mittleren Lebensbereich“ und hat eigentlich intakte Familien und sozial relativ gute Verbindungen in den Klassengemeinschaften. Diese Schüler haben nach Aussage der befragten Lehrer oft Kontakt zu zweifelhaften Gruppen und Subkulturen ausserhalb der Schule und neigen deshalb zu Aggressionen und Gewalt. Sozialhistorische Defizite bestimmen oft das aggressive Verhaltensmuster der „schwierigen“ Schüler. Die verbale Aggression wurde zum Teil sehr verinnerlicht. Diese Schüler haben es oft nicht gelernt, Konflikte verbal auszutragen sondern lassen ihn eskalieren und reagieren daraufhin schnell und handfest auf Provokationen. (vgl. Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 97)

Ausserhalb der Schule sind es Jugendcliquen die viel Aggressivität verbreiten, insbesondere sind rechts orientierte Jugendliche nach Meinung der Schüler eine nicht zu verachtende Quelle von Gewalt, denn viele Jugendliche aus dem mittleren Lebensbereich, die frustriert und perspektivlos sind, aber auch solche mit Problemen im eigenen Heim schliessen sich diesen Gruppen an. Sie finden demnach, obwohl vielleicht die Familien teilweise als „intakt“ gelten zu wenig Akzeptanz in ihren herkömmlichen sozialen Lebenswelten und wollen so diesen Mangel mit Ansehen und Geltung in der Gruppe kompensieren. Drogen und Alkohol spielen überdies auch eine nicht unermessliche, wenn nicht gar grosse Rolle in diesen gewaltbereiten Gruppen. Hier handelt es sich, so Würtz/Hamm/Willems/Eckert, oft um Haupt- und Sonderschüler die Leistungsschwächen aufweisen und somit wenig Bestätigung im schulischen Umfeld finden. Sie „retten“ sich dann in diese Jugendgruppen (z.B. Skinheads, Hooligans, „Linke“ oder auch Cliquen von Ausländern) und finden dort eine Art Ersatzfamilie. Sie suchen Loyalität, Zusammenhalt und Solidarität und werden in diesen Gruppen meistens fündig. Der Druck der andererseits innerhalb der Gruppe vor sich geht, erschwert es dann diesen „Mitläufern“ von ihrem aggressiven Verhalten wieder loszukommen. (vgl. Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 98)

Aus der Sicht der Lehrer sind die „Täter“ oftmals auch „Opfer“ gewesen oder haben eine doppelte Rolle und sind beides. Beide Rollen schliessen einander nicht aus, obwohl die meisten Schüler bei den Befragungen selten aus der Täterperspektive erzählen, sondern aus der des Opfers. Schüler/innen die nur Opfer sind, sind of schwächere, jüngere oder kleinere Schüler/innen und fallen äusserlich auf (z.B. durch Hautfarbe, Sprachbehinderung, altmodische Kleidung oder Dickheit) und sind ebenfalls schlecht in die Klassengemeinschaft integriert (Aussenseiter, Einzelgänger oder Ausländer). Typisch für solche Opfer ist die fehlende Entwicklung von Freundschaften. Die Betrachtung aus Schüleraugen variiert nicht sonderlich: Als Opfer werden meistens solche Schüler gesehen, die durch irgendetwas „nerven“ also beispielsweise „Streber“ oder solche die entweder durch ruhiges oder aber auch durch hyperaktives Verhalten auffallen und anderen dadurch einen Anlass zur Provokation liefern. Dies trifft weitestgehend auf den schulischen Rahmen zu. Ausserhalb davon kann, nach Beschreibung von (vorwiegend männlichen) Schülern, jeder zum Opfer werden. Jugendliche geraten oft zufällig in einen Konflikt oder eine Auseinandersetzung, weil Jugendcliquen sich aufgrund ihres Bekleidungsstils beispielsweise provoziert fühlen und ihr aggressives Verhalten dadurch rechtfertigen. (vgl. Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 98)

Wie aber fühlen sich die Lehrer angesichts dieses Ausmasses von Gewalt? Die Studie von Würtz/Hamm/Willems/Eckert (1996) offenbart eine grosse Unsicherheit und Hilflosigkeit seitens der Lehrkräfte. Sie fühlen sich der Aggression nicht gewachsen. Vor allem die Unübersichtlichkeit der meisten Tatsituationen werden beklagt. Tatmotive und –anlässe lassen sich oft nur schwer rekonstruieren und die verschiedenen Rollen nur schwer identifizieren. Auch das fehlende Unrechtsbewusstsein vieler Schüler, die als Täter agieren und deren Gleichgültigkeit und Brutalität in der körperlichen Gewalt erscheinen den Lehrern besorgniserregend. Erfahrungsgemäss ist es oft so, dass sich andere Schüler lieber aus dem Konflikt heraushalten, statt schlichtend einzugreifen. Begründet werden diese Verhaltensweisen von Seiten der Schüler damit, dass es sicherer ist, sich herauszuhalten und abzuwarten, als einzugreifen und möglicherweise selbst ein Opfer zu werden. Die Lehrer führen dies meist auf mangelnde oder falsche Erziehung der Eltern zurück und sehen darin ein kontraproduktives Handeln seitens der Eltern. Die Autorität der Lehrkräfte werde zuwenig durch Eltern unterstützt und die Aggressionen der Schüler noch zusätzlich angefacht, wenn die Schüler von den Eltern aufgefordert werden „sich nichts gefallen zu lassen, auf ihr Recht zu pochen oder sich zur Wehr zu setzen.“ (Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 100) Vermutet werden dann Probleme in der Familie, wobei die Eltern oft wenig Einblick in den Familienalltag gewähren lassen und sich gegen professionelle Hilfe durch Erziehungsberater oder psychologische Betreuung zur Wehr setzen. In einer selbstkritischen Betrachtung des Kollegiums sehen die Lehrkräfte, dass ausserdem intern eine mangelhafte Auseinandersetzung mit dem Problem besteht. Oftmals steht das Kollegium nicht geschlossen hinter einer Entscheidung und es gibt erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Lehrern. Ängste werden nicht genug ausgesprochen und Erfahrungen nicht genügend ausgetauscht. Ferner sehen es die Lehrer auch oft nicht als ihre Aufgabe an, soziale Arbeit zu leisten. Sie fühlen sich nicht entsprechen ausgebildet und stehen wegen vordergründiger, schulischer Strukturen auch unter Zeitdruck. Diese Verhaltensweisen werden auch von den Schülern beobachtet und als hilflose Reaktionen bewertet. (vgl. Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 101)

Gewalt an Schulen in Form von Fremdenfeindlichkeit

Ein besonderes Problem, auf das sowohl Schüler als auch Lehrer besonders eingegangen sind, ist die Fremdenfeindlichkeit, die einen wesentlichen Teil der Konflikte und Aggressionen in der Schule stellt. Beide haben eine Zunahme in der Fremdenfeindlichkeit registriert. Während die Schüler jedoch einen allgemeinen Anstieg in der Fremdenfeindlichkeit beobachten, sehen Lehrer eher bezogen auf die Schule „vor allem den periodischen Wechsel zwischen der Zu- und Abnahme von fremdenfeindlichen Haltungen und ausländerfeindlichen Stereotypen in Zusammenhang mit dem jeweiligen Ausländeranteil an den Schulen.“ (Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 103) Lehrkräfte differenzieren innerhalb der Fremdenfeindlichkeit zwischen ideologisch fundierter rechter Gesinnung und ablehnenden Haltungen und Vorurteilen gegenüber Fremden, Ausländern und gesellschaftlichen Randgruppen. Sie gehen davon aus dass die erstere Gruppe eher selten ist und dass die überwiegende Mehrheit der fremdenfeindlichen Schüler der zweiten Kategorie angehört. Obwohl Haupt- und Sonderschulen die grösste Gewaltbereitschaft durch Fremdenfeindlichkeit zeigen, ist diese, wie auch generell die Gewalt an Schulen, schulspezifisch verschieden zu betrachten. Es gibt kein vereinheitlichtes Bild. Spezifische regionale Strukturen und der spezielle schulische Kontext sind hier wichtige Faktoren. Beispielsweise spielt der Ausländeranteil in der Region eine wichtige Rolle sowie auch die Grösse des Einzugsbereichs der Schule und die Eingliederung der Ausländer in den Schulbetrieb. Insbesondere Hauptschullehrkräfte sehen die Integration von Ausländern als grösste Herausforderung an, denn zumeist werden die Kinder aus Asylbewerberheimen kurzfristig den Hauptschulen zugewiesen und müssen dann irgendwie integriert werden. In Sonderschulen ist es die Gefährdung der Fremdenfeindlichkeit zumeist eine andere. „Einfache Wahrheiten reizen die Schüler, denn sie werden von ihnen begriffen“, (Würtz/Hamm/Willems/Eckert 1996, S. 105) wobei aber nach Erfahrung der befragten Lehrkräfte keine Verbindung zu politischen Ideologien hergestellt wird.

Für Berufsschullehrer ist die Bedeutung der Ausländerfeindlichkeit bei ihren Schülern eher im ausserschulischen Bereich zu suchen. Gerade Berufsschüler sehen in den Ausländern auch eine Konkurrenz um den Arbeitsplatz und erfahren diese unmittelbar in ihren konkreten Berufsplänen. Innerhalb der Schule sehen sie eher eine bewusste Konfliktvermeidung mit ausländischen Schülern und halten sich mit fremdenfeindlichen Meinungen zurück. Die Schüler schalten bei sich anbahnenden Auseinandersetzungen lieber ab und versuchen den Konflikt zu umgehen, was aber nichts an ihrer Einstellung gegenüber den Ausländern ändert. Lehrkräfte an Berufsschulen sehen durch die knappe Zeit und den Umfang des Lehrplans wenig Möglichkeiten, auf die Probleme der Schüler einzugehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Gewaltprävention an Schulen. Dargestellt am Projekt "People's Theater"
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
51
Katalognummer
V18118
ISBN (eBook)
9783638225281
Dateigröße
718 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewaltprävention, Schulen, Dargestellt, Projekt, People, Theater
Arbeit zitieren
Dominik Schreiner (Autor:in), 2003, Gewaltprävention an Schulen. Dargestellt am Projekt "People's Theater", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18118

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