Die historische Exkursion - Sinn und Bedeutung des alternativen Unterrichtkonzepts und seiner Erforschung


Essay, 2011

9 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Literaturlage

III. Walter Ziegler
III.I. Definition
III.II. Sinn und Möglichkeiten – Realbegegnung

IV. Bernd Hey
IV.I. Definition
IV.II. Sinn und Möglichkeiten - »Excurrere«

V. Das Problem der Realisierbarkeit

VI. Abschlussbeurteilung

VII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Mit dem Ende der 1970er Jahre begann die »historische Exkursion« als geschichtsdidaktischer Forschungsgegenstand an Bedeutung zu gewinnen.[1] Dies ist grundlegend auf die Bemühungen zweier Forscher zurückzuführen. Walter Ziegler und Bernd Hey näherten sich der Thematik erstmals von didaktischer Seite. Wissenschaftler wie Waltraud Schreiber und Ulrich Mayer entwickelten in der jüngeren Vergangenheit zwar ihre eigenen Definitionen, bezogen sich jedoch immer wieder auf das in den 1970er Jahren gelegte Fundament. Fest steht somit die Wichtigkeit der Grundlagenarbeit Zieglers und Heys. Doch wie sieht dieses Fundament aus und lassen sich in der Forschung Weiterentwicklungen dessen erkennen? Ist es überhaupt sinnvoll Exkursionen verstärkt im Geschichtsunterricht einzusetzen?

Dies zu untersuchen, wird meine Aufgabe in dieser Arbeit sein. Zu Beginn der ersten beiden Abschnitte meiner dreigeteilten Arbeit werde ich, unter Berücksichtigung neuerer Forschung, Zieglers und Heys Definitionen untersuchen. Danach möchte ich mich jeweils mit Sinn und Möglichkeiten historischer Exkursionen auseinandersetzen. Zuerst anhand des Faktors der Realbegegnung und als zweites anhand des von Hey geprägten Begriffs »Excurrere«. Im dritten Abschnitt werde ich darstellen, warum die verstärkte Nutzung der historischen Exkursion im Geschichtsunterricht heutzutage schwer zu realisieren ist.

II. Literaturlage

1977 veröffentlichte Walter Ziegler seinen 17-seitigen Aufsatz »Die historische Exkursion«. Ein Jahr später folgte Bernd Hey, dessen Arbeit den Titel »Die historische Exkursion. Zur Didaktik und Methodik des Besuchs historischer Stätten, Museen und Archive« trägt und mit 214 Seiten ein gesamtes Buch füllt. Während es sich Ziegler im Stadium des »ersten Entwurfes« zur Aufgabe machte Bedeutung und Möglichkeiten aufzuzeigen,[2] war es Heys Anliegen, die historische Exkursion zu einer eigenständigen Organisationsform im Unterricht zu entwickeln.[3] Die Ausbildung der Thematik zu einem geschichtsdidaktischen Forschungsgegenstand geht damit einher.

III. Walter Ziegler

III.I. Definition

Walter Ziegler (*1937 in Reichenberg – heute Liberec, Tschechien)[4] legte die erste bedeutende didaktische Arbeit über die historische Exkursion vor. Anhand verschiedener Beispiele bayerischer Monumente und Stätten beschreibt er das alternative Unterrichtkonzept, um abschließend dessen Sinn und Bedeutung zu untersuchen.

Der Aufsatz beginnt mit seiner Definition des Begriffs,[5] welcher man drei Beschreibungskriterien entnehmen kann: Die Reise zum ursprünglichen Ort des Geschehens, die historische Erkenntnis, sowie die Vor- und Nachbereitung.

Mit dem ursprünglichen Ort des Geschehens ist ein Gedanke gemeint, der in der jüngeren Forschung zum Begriff »historische Stätte« weiterentwickelt wurde. In ihrem Aufsatz »Geschichte lernen an historischen Stätten: die historische Exkursion« von 2004 setzt sich Waltraud Schreiber[6] intensiv mit diesem Begriff auseinander. So definiert sie die historische Stätte als Ort, an dem sich geschichtliche Ereignisse (sichtbar) niedergeschlagen haben. Des Weiteren gibt er Strukturen wieder, die Rahmenbedingungen für menschliches Handeln und Leiden waren.[7] Ausgeschlossen wird demnach der Besuch von Museen und Archiven, da die historischen Zeugnisse dort aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen werden.

Mit Hilfe des Kriteriums der »historischen Erkenntnis« grenzt Ziegler die Exkursion gegenüber der bloßen Betrachtung einer Stätte ab. Schreiber verfolgt diesen Gedanken weiter, indem sie fordert, dass man die »Sprache der Quellen« kennen muss.[8] Nur durch die Ausbildung dieser ist es möglich, zu einer historischen Erkenntnis zu gelangen. Sprache steht stellvertretend für alle Informationen, über die ein Lernender verfügt, die es ihm ermöglichen, eine Stätte in ihrem ursprünglichen Zusammenhang zu erschließen. Demzufolge das, was die Stätte erst zu einer historischen Stätte gemacht hat. Der Betrachtende sieht diese aber nicht unvoreingenommen und in ihrem ursprünglichen Zustand. Ganz im Gegenteil wird ihm häufig »fertige Geschichte« präsentiert und er erblickt eine durch die Zeit veränderte Stätte. Die Sprache der Quellen zu »sprechen« bedeutet also, diese Störfaktoren erkennen und ausschalten zu können. Dies gelingt, wenn man über historisches Basiswissen, Fachbegriffe und strukturelles Wissen verfügt.[9]

Durch gründliche Vor- und Nachbearbeitung der Exkursion – Zieglers dritten und letzten Kriterium – sollen dem Teilnehmer diese »Werkzeuge« an die Hand gegeben werden. Der selbstständige und vor allem kritische Umgang mit historischen Stätten ist das Ziel. Arbeiten nachfolgender Forscher ließen diesem Punkt große Bedeutung zukommen. Das Wiederholen der essentiellen Bedeutung[10] und das Aufstellen von »Kompetenzkatalogen«[11] verdeutlichen dies.

III.II. Sinn und Möglichkeiten – Realbegegnung

Da sie die Motivation der Schüler fördert, bietet die Exkursion einen sinnvollen Kontrast zu dem von Papierarbeit und Frontalunterricht dominierten (Hoch-) Schulalltag.[12] Keine noch so gute bildliche Darstellung kann die körperliche Wahrnehmung eines Ortes – das Lernen mit allen Sinnen – ersetzen. Historische Stätten besitzen tatsächlich eine »Aura«[13] des Geschichtlichen, Erfahrbaren oder Exemplarischen, welche nur durch die Realbegegnung zu erleben ist. Durch die Fremdartigkeit dieser Begegnung mit einer geschichtlichen »Aura« im Unterricht ist dem Lehrenden mindestens die Aufmerksamkeit der Teilnehmer gewiss. Diese erhöhte Aufmerksamkeit in Interesse und Begeisterung umzuwandeln, obliegt der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Lehrenden.

Im Idealfall sollte es der Wunsch eines Lehrers sein, seinem Schüler geschichtliche Themen oder Unterrichtsstoffe so zu vermitteln, dass sich der Schüler ohne Zwang selbst dafür interessiert. Die historische Exkursion als Unterrichtsform garantiert durch ihre Andersartigkeit einen Einstieg in die Entwicklung dieses Interesses. Ziegler sieht es als das Ziel der Exkursion, das Geschichtsinteresse des Lernenden zu steigern.[14] Folgerichtig beendet er seinen Aufsatz mit der Aussage, »dass die Begegnung mit dem originalen geschichtlichen Monument […] für den Geschichtsunterricht dringend notwendig ist.«[15]

IV. Bernd Hey

IV.I. Definition

Bernd Hey (*1943 in Bielefeld, †2011 ebenda)[16] beschäftigt sich in seiner 1978 veröffentlichten Arbeit als erster im Umfang eines kompletten Buches mit der Thematik der historischen Exkursion. Ohne Zweifel kann er als der Geschichtsdidaktiker bezeichnet werden, der sich am intensivsten mit der Thematik auseinandergesetzt hat.

Auch Hey beginnt seine Arbeit mit einer Definition,[17] anhand welcher sich der Unterschied zwischen seinem und Zieglers Verständnis ausmachen lässt. Wo der Reichenberger den Besuch von Museen oder Archiven durch das Kriterium des ursprünglichen Ortes ausschließt, definiert der Bielefelder allgemein jede Bildungsreise zu einem Ort, an dem sich historische Zeugnisse befinden als historische Exkursion. Das einfache »Excurrere«[18] aus dem Schulgebäude sieht Hey als das zentrale Kriterium der historischen Exkursion an. Nachfolgende Historiker würdigen zwar wiederholt Heys Arbeit im Bereich der historischen Exkursion, schließen sich aber größtenteils Zieglers präziseren Definition an.[19] In seiner späteren Forschung näherte sich Hey ebenfalls der Position Zieglers.[20]

IV.II. Sinn und Möglichkeiten - »Excurrere«

Als nicht weiter bestimmtes Definitionskriterium kann das »Excurrere« also nicht dienen, da es zu allgemein gefasst ist. Trotzdem stellt das Verlassen des Schulgebäudes einen wichtigen Grund zur Schülermotivation dar. Der Besuch einer historischen Stätte kommt einer »natürlichen« Lernsituation – sich die Umwelt durch Beobachtungen und Erfahrungen erschließen – weitaus näher als herkömmlicher Unterricht. Diese Lernform fühlt sich freier und infolgedessen besser an. Schon das Fehlen schulischer Strukturen wie Stundenplan, Pause, 45-Minuten-Zeitbegrenzung oder Frontalunterricht trägt dazu bei. Auch die Zusammenarbeit von Schülern und Lehrer ist außerhalb des Schulgebäudes freier gestaltbar. Dementsprechend ist Hey zuzustimmen, wenn er schreibt, dass die Fülle möglicher Arbeitsformen zur Motivation der Exkursionsteilnehmer bei der »Arbeit vor Ort« beiträgt.[21]

[...]


[1] Hey, Bernd, Exkursionen, Lehrpfade und alternative Stadterkundungen, in: Bergmann, Klaus, Assmann, Aleida (Hg.), Handbuch der Geschichtsdidaktik, Seelze-Velber 51997, S. 727-728.

[2] Ziegler, Walter, Die historische Exkursion, in: Hasch, Rudolf (Hg.), Landesgeschichte und Exkursion im Geschichtsunterricht, Donauwörth 1977, S. 109.

[3] Hey, Bernd, Die historische Exkursion. Zur Didaktik und Methodik des Besuchs historischer Stätten, Museen und Archive, Stuttgart 1978 (Anmerkungen und Argumente zur historischen und politischen Bildung, 19) S. 11.

[4] 1977 – Historiker an der Universität Regensburg und später Professor für Bayerische Landesgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

[5] »Jede Art von Besichtigung geschichtlich aussagekräftiger Überreste an ihrem geschichtlichen Ort [...], vorausgesetzt, daß diese Besichtigung der historischen Erkenntnis dient und vom Fachhistoriker […] geplant, durchgeführt und in das Unterrichtsgeschehen planvoll, durch Vorbereitung und Vertiefung eingebaut wird.« (Ziegler, Walter, Die historische Exkursion, S. 109.)

[6] 2004 – Professorin für Theorie und Didaktik der Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

[7] Schreiber, Waltraud, Geschichte lernen an historischen Stätten: die historische Exkursion, in: Schreiber Waltraud (Hg.), Erste Begegnungen mit Geschichte. Grundlagen historischen Lernens, Neuried 2004 (Bayerische Studien zur Geschichtsdidaktik, 1) S. 629.

[8] Schreiber, Waltraud, Geschichte lernen an historischen Stätten, S. 637.

[9] Ebd., S. 639.

[10] Etwa Waltraud Schreiber: »Unstrittig erfordern Exkursionen vom Lehrer eine aufwendige Planung: die Auswahl geeigneter Exkursionsziele, die eigene Vorbereitung […], die Vor- und Nachbereitung im Unterricht.« (Schreiber, Waltraud, Geschichte lernen an historischen Stätten, S. 636.)

[11] Etwa Ulrich Mayer: Der Lernende sollte »Bewertungen beurteilen können«, Stätten »in historische Kontexte einordnen können«, »das Prinzip der Geschichtlichkeit erkennen lernen«, »Gestaltung als Informationsquelle erkennen lernen«, »Funktionen erschließen lernen«, »Bindung von Geschichte an den Raum erkennen lernen« und »historische Phänomene 'in den Blick nehmen'«. (Mayer, Ulrich, Historische Orte als Lernorte, in: Mayer, Ulrich (Hg.), Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht. Klaus Bergmann zum Gedächtnis, Schwalbach am Taunus 2004, S. 399.)

[12] Das Potenzial der Motivationsförderung führte Ulrich Mayer (2004 – Professor für Geschichtsdidaktik an der Universität Kassel) 2004 in seinem Aufsatz »Historische Orte als Lernorte«, auf fünf Faktoren zurück: Realität, Permanenz, Originalität, Authentizität und Historizität der Stätten. (Mayer, Ulrich, Historische Orte als Lernorte, S. 392-395.)

[13] Schreiber, Waltraud, Geschichte lernen an historischen Stätten, S. 645.

[14] Ziegler, Walter, Die historische Exkursion, S. 112.

[15] Ebd., S. 120.

[16] 1978 – Historiker an der Universität Bielefeld und später Leiter des landeskirchlichen Archivs Nordrhein-Westfalen.

[17] »Die historische Exkursion ist eine Organisationsform des historisch-politischen Unterrichts, die ein bestimmtes Thema durch die Arbeit an und mit (möglichst) originalen historischen Zeugnissen außerhalb der Schule erschließt.« (Hey, Bernd, Exkursionen, Lehrpfade und alternative Stadterkundungen, S. 728.)

[18] Schreiber, Waltraud, Geschichte lernen an historischen Stätten, S. 635.

[19] Etwa Waltraud Schreiber: »Wenn es das Ziel des Geschichtsunterrichts ist, die Schüler zum reflektierten Umgang mit Vergangenheit zu befähigen, wenn Überreste, die in die Gegenwart hineinragen, lebensweltlich ein wichtiges Motiv für die Zuwendung zur Geschichte sind, dann gewinnen historische Exkursionen eine Bedeutung, die weit über den Motivationswert des Ex-currere hinausreicht.« (Ebd. S. 635-636.)

[20] Schreiber, Waltraud, Geschichte lernen an historischen Stätten, S. 635.

[21] Hey, Bernd, Exkursionen, Lehrpfade und alternative Stadterkundungen, S. 728.

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Die historische Exkursion - Sinn und Bedeutung des alternativen Unterrichtkonzepts und seiner Erforschung
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Institut für Didaktik der Geschichte)
Veranstaltung
Vom Tatort zum Geschichtsort – außerschulische Lernorte
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
9
Katalognummer
V181215
ISBN (eBook)
9783656042587
ISBN (Buch)
9783656042716
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Exkursion, Unterricht, Didaktik, Historische Exkursion, Geschichte, Bernd Hey, Waltraud Schreiber, Ulrich Mayer, Methodik, Walter Ziegler, Historisch, Stätte, historische Stätte, Erkenntnis, Realbegegnung, Excurrere, Kritisch, Lebenswelt, Lebensweltlich, Empirisch, Schule, Umstritten, Debatte, Realisierbarkeit
Arbeit zitieren
Dominik Poos (Autor:in), 2011, Die historische Exkursion - Sinn und Bedeutung des alternativen Unterrichtkonzepts und seiner Erforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181215

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