Devianz im sozialen Wandel


Hausarbeit, 2011

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition des sozialen Wandels
2.1 Grundtrends sozialen Wandels
2.2 Funktion des sozialen Wandels

3 Devianz im sozialen Wandel
3.1 Geschlechter
3.2 Devianz am Beispiel von Homosexualität
3.3 Antibabypille
3.4 Kindesmissbrauch

4 Fazit

1 Einleitung

Im Laufe des Seminar „Devianz und Sozialverhalten“ haben wir uns unter anderem mit sozialen Normen, abweichendem Verhalten sowie Sexualität beschäftigt. Diese Themen sollen in dieser Hausarbeit nochmals aufgeführt und in Verbindung gebracht werden – allerdings unter dem Einbezug des sozialen Wandels. Dieser spielt deshalb eine solch wichtige Rolle, weil sich durch ihn Menschen, Einstellungen und Normalitätsvorstellungen ändern. Lebenssituationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt undenkbar waren, können zu einem anderen Zeitpunkt alltäglich werden. Bildungswege, die in einem bestimmten Augenblick nur für einige Bevölkerungs-schichten zugänglich waren, können plötzlich für alle Menschen zugänglich gemacht werden. Rollenverteilungen, die selbstverständlich zu sein schienen, werden angezweifelt und geändert.

Das Ziel dieser Hausarbeit liegt darin, einige dieser Veränderungen zu beschreiben und herauszufinden, warum sie stattfinden. Außerdem soll geklärt werden, ob die Menschheit den sozialen Wandel überhaupt benötigt. Die Arbeit soll den Leser zum Nachdenken anregen, vor allem darüber, warum sich Dinge verändern und wie die Menschen die Veränderungen sehen sollen- positiv oder negativ.

Der soziale Wandel vollzieht sich seit vielen Jahren, sodass er unser Leben ständig verändert. Aus diesem Grund sollen in dieser Hausarbeit folgende Fragen geklärt werden:

- Was ist sozialer Wandel und wie beeinflussen die Grundtrends des Wandels das Leben der Menschen?
- Was ist die Funktion des sozialen Wandels und ist diese unabdingbar?
- Was ist Devianz und wie veränderte sich diese im Laufe des sozialen Wandels?

2 Definition des sozialen Wandels

Im Jahr 1922 wurde der Begriff des sozialen Wandels in die Soziologie von W.F. Ogburn eingeführt, um althergebrachte Begriffe wie ,,Evolution" , „Dynamik“, „Umwälzung“, „Untergang“ oder ,,Fortschritt" zu ersetzen. Diese Begriffe wurden als wertgeladen eingestuft, die charakteristische Muster sozialer Veränderungen zu implizieren schienen.[1]

Ende des vergangenen Jahrhunderts definierte Weymann den sozialen Wandel folgendermaßen:

„In der heutigen Soziologie wird sozialer Wandel (...) als Veränderung in der Struktur eines sozialen Systems definiert. Sozialer Wandel ist auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen zu beobachten, auf der Makroebene der Sozialstruktur und Kultur, auf der Mesoebene der Institutionen, korporativen Akteure und Gemeinschaften, auf der Mikroebene der Personen und ihre Lebensläufe. (...) Ein exemplarischer Fall sozialen Wandels ist der Zusammenbruch der DDR, ihr Beitritt zur Bundesrepublik und die noch laufende Transformation der neuen Bundesländer als Folge des Beitritts. (…)

Mit dem Begriff des sozialen Wandels ist der Begriff der Sozialstruktur eng verbunden. (…) Als Sozialstruktur werden z.B. Strukturen sozialer Ungleichheit vergleichend beschrieben: Haushaltseinkommen, Wohnverhältnisse, Schichten und Milieus, Bildung und Ausbildung, Beruf und Arbeit, Gesundheit, Familien und Lebensgemeinschaften (…).“ [2]

Es bedeutet also, dass man immer dann vom sozialen Wandel spricht, wenn sich soziale Systeme und Strukturen verändern. Diese Veränderungen vollziehen sich jedoch nicht nur in gesellschaftlichen Strukturen, sondern auch in Organisationsmustern, Lebenssituationen und sozialem Gefüge.

Hradil erweitert die Definition, indem er sagt, dass sozialer Wandel als relative, nachhaltige und verbreitete aber nicht notwendige Veränderung gesellschaftlicher Strukturen angesehen werden kann.[3] Wenn man diese Definition in Betracht zieht, ist der soziale Wandel etwas, das nicht unbedingt gebraucht wird. Stimmt diese Aussage? Warum gibt es ihn dennoch immer wieder? Mit sozialem Wandel war wohl immer der Wunsch verbunden, diesen zu erklären und zu verstehen, ihn zu bewerten und ihn möglichst zu steuern.[4] Nachfolgend soll versucht werden diese Frage zu beantworten.

2.1 Faktoren sozialen Wandels

Im Meyers Lexikon wird sozialer Wandels als „qualitative und quantitative Veränderungen [...], denen Gesellschaften im Ganzen, gesellschaftliche Teilbereiche, aber auch kollektive und individuelle Wertorientierungen im Rahmen historischer, ökonomischer und sozialer Entwicklungen unterworfen sind“[5] beschrieben.

Die Ursachen sozialen Wandels können nicht nur innerhalb einer Gesellschaft liegen, sondern auch von außen an sie herangetragen werden. Als innere Faktoren zählen beispielsweise Konflikte über Macht oder Landbesitz innerhalb einer Gesellschaftsstruktur, Prozesse der Modernisierung, starke demographische Veränderungen oder ideologische Veränderungen in Politik oder Wirtschaft. Äußere Faktoren sind unter anderem Klimaveränderungen oder aber auch kulturfremde Entdeckungen und Erfindungen. Im Prozess des sozialen Wandels lassen sich hin und wieder innere Gründe schwer von äußeren abgrenzen, da Modernisierung beispielsweise als innergesellschaftlicher Prozess betrachtet werden kann, dessen Antrieb von außen kam, gegebenenfalls durch den Kontakt mit fremden Kulturen oder aufgrund der Besitzergreifung von einer Staatsmacht durch eine andere Staatsmacht.[6]

2.2 Grundtrends sozialen Wandels

Rainer Geißler benennt 12 Grundtrends sozialen Wandels, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen:[7]

1. Leistungs- und Wohlstandsgesellschaft (Die wirtschaftlichen Antriebe der kapitalistisch-liberalistischen Marktwirtschaft lösten in Verbindung mit einer kollektiven Volksvertretung eine einmalige, sich zu einem späteren Zeitpunkt abschwächende und auch temporär auf sehr hohem Niveau rückläufige Steigung von Existenzniveau und Massenkonsum aus. Diese waren mit großem sozialem Schutz für eine große Bevölkerungsmenge verbunden. Sie kamen fast allen Volksschichten zugute und hatten unter anderem den weitgehenden Zerfall der Arbeiterklasse zur Folge.)
2. Wissens- und Bildungsgesellschaft (Verwissenschaftlichung, Technisie-rung und aufsteigende Schwierigkeiten innerhalb der Gesellschaft waren die strukturellen Gründe einer fortdauernden Weiterbildung der Bürger mit starken Auswirkungen auf viele Bereiche des sozialen Lebens.)
3. Industrielle Dienstleistungsgesellschaft (Aufsteigende Leistungsfähigkeit, Wirtschaftswachstum und andere Einflüsse des soziokulturellen Wandels übertrugen den Schwerpunkt von Arbeit und Wertschöpfung verstärkt vom primären und sekundären auf den tertiären Leistungssektor. Dabei war ein großer Teil der Dienstleistungen direkt oder indirekt mit der Warenproduktion verknüpft.)
4. Umschichtung nach oben und höhere Aufwärtsmobilität bei fortbestehenden Mobilitätsbarrieren (Bildungsausbreitung und Tertiärisierung hingen mit einer Umlagerung nach oben zusammen: die Zahl der durchschnittlichen und höheren Positionen nahm zu, die der unteren Positionen nahm ab. Die Ausdehnung in den mittleren und oberen Bereichen der Positionsanordnung übte einen partiellen Sogeffekt auf mittlere und untere Schichten aus, vergrößerte deren Aufstiegsmöglichkeiten und die Aufwärtsmobilität. Schichttypische Mobilitätshindernisse bestanden jedoch in beachtlichem Ausmaß weiterhin.)
5. Lockerung und Pluralisierung des Schichtgefüges (Unterschiedliche soziokulturelle Umgestaltungen wie Pluralisierung, Individualisierung und aufsteigende Ortsunabhängigkeit lösten die Zusammenhänge von Soziallagen und Subkulturen sowie Lebensmöglichkeiten auf, wobei die Schichten bestehen blieben.)
6. Pluralistische Funktionseliten mit eingeschränkter Macht (Der „strukturierte Pluralismus“ von Oberschichten mit pluralistisch und einesteils auch demokratisch eingeschränkter Macht in unterschiedlichen sozialen Funktionsgebieten war Folge der wirksamen Einteilung und eingeschränkter Selbstbestimmung der verschiedenen sozialen Teilgebiete.)
7. Vertikale soziale Ungleichheiten (Schichttypisch unterschiedliche Lebensmöglichkeiten im Hinblick auf Einkommen, Vermögen und Bildung blieben erhalten, auch wenn diese teilweise verkleinert, unverändert oder aber vergrößert wurden. Da parallel der durchschnittliche Lebensstandard der Qualifizierung außerordentlich anstieg, wurde die gesellschaftspolitische Bedeutsamkeit geringer. Ein gewisses Ausmaß gesellschaftlicher Ungleichheit war die Basis für die gesellschaftswirtschaftliche Leistungskraft und Wohlstandsdynamik der Bevölkerung.)
8. Dynamische, sozial zersplitterte Randschichten bzw. 85-Prozent-Gesellschaft (Der steigende Reichtum konnte die gesellschaftliche Randschicht derjenigen Bevölkerung, die an oder unter der verhältnismäßigen Armutsgrenze leben muss und sich nicht angemessen am Leben der Kerngesellschaft beteiligen kann, nicht abschaffen. Seit über zwanzig Jahren breitet sich Armut wieder verstärkt aus. Ein großer Risikofaktor für die Armut war die strukturelle Arbeitmarktkrise. Eine zweite gesellschaftliche Randschicht von ethnischen Minderheiten wie Gastarbeiter und Einwanderer standen vor erheblichen Integrationsproblemen. Durch starke Zerstreuung, große Veränderung sowie Neigungen zur Absonderung und Teilnahmslosigkeit entwickelten die Randschichten kein autonomes politisches Rückgrat.)
9. Verringerung der sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern (Während vertikale Ungleichheiten Bestand haben, vermindern sich geschlechtscharakteristische Unterschiede zunehmend. Dies geschieht vor allem im Bildungswesen, in der Arbeitswelt und der Politik, am wenigsten aber im Familienleben. Die verminderten Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern rücken dagegen stärker ins Bewusstsein einer sensibilisierten Gesellschaft.)
10. Durchsetzung und Verlust des Monopols der bürgerlichen Familie sowie Lockerung und Differenzierung der Formen des privaten Zusammenlebens (Die Reichtumsgesel1schaft erschuf die finanzielle Basis zur unwiderruflichen Verbreiterung der bürgerlichen Familie in al1en Schichten. Diese bekam seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts verstärkt Konkurrenz durch andere Möglichkeiten des privaten Zusammenlebens, blieb allerdings weiterhin Vorbild für die Bevölkerungsmasse. Allerdings veränderte sie ihre Form, da die Zahl der Kinder abnahm, weil Kinder eine höhere Eigenständigkeit gegenüber den Eltern erlangten, sich die Konzentration der Frau auf die Familie entspannte und straffe Formen des familiären Zusammen-gehörigkeitsgefühls sich veränderten.)
11. Geburtenrückgang - steigende Lebenserwartungen – Alterung (Niedrige Geburtenzahlen und erhöhte Lebenserwartungen waren die typischen Kennzeichen der natürlichen Bevölkerungsentwicklung im Laufe der Modernisierung. Sie ließen die Gesellschaft demographisch altern, machten eine Veränderung der öffentlichen Sicherungssysteme unentbehrlich und bewirkten einen dauerhaften Bedarf an Arbeitsmigranten.)
12. Multiethnische Gesellschaft (Das erhebliche Wohlstands- und Vergütungsniveau hatte eine Sogwirkung auf die Menschen in Gesellschaften mit schlechteren Lebensbedingungen. Als Folge daraus eröffnete sich die Gelegenheit, die negativen Folgen der natürlichen Bevölkerungsbewegung durch Einwanderungen auszugleichen. So ging eine monoethnische Gesellschaft nach und nach in eine Einwanderungsgesellschaft über.)

2.3 Funktionen des sozialen Wandels

Laut Samuel N. Eisenstadt sind „ allen menschlichen Gesellschaften Wandlungstendenzen inhärent, denn für ihre Grundprobleme gibt es keine allgemeinen, endgültigen Lösungen. (…) Zweitens sind spezifische Wandlungsprozesse einer bestimmten Gesellschaft eng verknüpft mit den besonderen Eigenschaften ihrer institutionellen Struktur…[8]

So geht Eisenstadt davon aus, dass es in einer Gesellschaft immer wieder zu Problemen kommt, die nur durch den sozialen Wandel gelöst werden können. Das bedeutet, dass Menschen den sozialen Wandel brauchen, um überleben zu können, er also unabdingbar ist.

G. C. Homans verweist bei der Erklärung des sozialen Wandels auf Neil Smelsers und sein Buch „Social Change in the Industrial Revolution“.[9] In diesem Buch erklärt Smelsers, dass ein soziales System aus miteinander verknüpften Rollen, die er als Einheiten bezeichnet, besteht. Hinzu kommt auch, dass alle Handlungen innerhalb dieses Systems vom Gleichgewichtsprinzip abhängig sind. Je nach Art des Gleichgewichts verändern sich die Einheiten: bei Gleichgewichtsstabilität kehren die

Einheiten in ihre ursprüngliche Position zurück. Wenn das Gleichgewicht nicht vollkommen ist, passen sich nur einzelne Einheiten an, andere aber nicht. Bei einer Instabilität des Gleichgewichts wandeln sich die Einheiten in ein neues Gleichgewicht um oder lösen dieses komplett auf.[10]

Hier lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zu der Erklärung von Eisenstadt feststellen: einerseits ist Smelsers auch davon überzeigt, dass sozialer Wandel eine Art Problemlösung darstellt, andererseits geht er davon aus, dass dieser sich nicht stetig vollzieht, da sich die Einheiten auch im Gleichgewicht befinden können.

[...]


[1] Vgl. Zapf, W. (1979), S.11

[2] Weymann, A. (1998), S.14

[3] Vgl. Hradil, S. (2004), S.53

[4] Vgl. Weymann, A. (1998), S.11

[5] Meyers Lexikon (2007)

[6] ebd.

[7] Vgl. Geißler, R. (2002), 436ff.

[8] Zapf, W. (1979), S.75f

[9] Vgl. ebd. S.103

[10] ebd.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Devianz im sozialen Wandel
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
17
Katalognummer
V181219
ISBN (eBook)
9783656042570
ISBN (Buch)
9783656042709
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Devianz, abweuchendes Verhalten, Sozilogie, Homosexualität, Sozialer Wandel, Geschlecht, Antibabypille, Kindesmissbrauch
Arbeit zitieren
Alla Ujkanovic (Autor:in), 2011, Devianz im sozialen Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181219

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