Die Bedeutung der Wortbildung und ihre Auswirkungen auf den Wortschatz am Beispiel romanischer Sprachen


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe

Inhalt

0. Einleitung

1. Allgemeine Grundlagen zur Wortbildung
Wortbildung als morphologisch-strukturelles Verfahren
Ansätze in der Wortbildung: Generativismus und Strukturalismus
Die Rolle der Motivation
Wortbildungsmodell und Wortbildungsprodukt
Lexikalisierung
Wortbildungsbedeutung und Wortschatzbedeutung
Wortbildungssemantik
Wortbildung und Flexion

2. Wortbildung und Wortschatzerweiterung
Vorbemerkungen
Wortbildung mit Wortschatzerweiterung
Derivation
2.2.1.1 Semantische Regeln der Derivation
Konversion
Komposition
Wortschatzerweiterung ohne Wortbildung
Wortschöpfung
Erbwörter und Entlehnungen
Wortbildung mit relativer Wortschatzerweiterung
Wortkürzung
Produktive Wörter

3. Zusammenfassende Betrachtung

Literatur

0. Einleitung

Fragt man sich, wie das Sprachsystem funktioniert, so gelangt man zu der Erkenntnis, dass es sich um eine Kombination und ein Ineinandergreifen von einzelnen sprachlichen Einheiten handelt. Aus Lauten setzen sich Wörter zusammen, aus Wörtern wiederum Sätze, und schließlich werden ganze Sätze zu einem Text zusammengefügt.

Wird das Wort selbst analysiert und, soweit möglich, in seine Bestandteile zerlegt, spricht man von der Morphologie und Wortbildung. Sie umfasst die Formenlehre, das heißt die Flexionslehre und die Wortartenlehre, daneben auch die Wortbildungslehre. Während die Flexion verschiedene Formen desselben Wortes konstituiert (z.B. frz. je parle, nous parlons), entstehen durch Wortbildung neue Wörter.

Die Wortbildung ist sprachspezifisch unterschiedlich ausgeprägt. So verfügen zum Beispiel die romanischen Sprachen, die in der vorliegenden Arbeit als Veranschaulichung verwendet werden, über ein reiches Reservoir von Derivationsverfahren.

Die Arbeit untergliedert sich in zwei größere Teile. Zuerst werden allgemeine Grundlagen der Wortbildung aufgezeigt. Aufgrund der unzähligen Aspekte, die im Fall der Wortbildung behandelt werden könnten, habe ich mich auf einige wenige Punkte beschränkt. Eingehen werde ich auf die Wortbildung als Verfahren, dabei soll auch die Begriffsdefinition im Vordergrund stehen. Ein anderer zu behandelnder Punkt werden die beiden entscheidenden Ansätze sein, die sich in der Sprachwissenschaft im Hinblick auf die Wortbildung entwickelt haben. Des weiteren möchte ich auf die Begriffe der Motivation, des Wortbildungsmodells und der Lexikalisierung eingehen und versuchen zu klären, welche Rolle sie für die Wortbildungsmorphologie spielen. Darauf folgen dann Ausführungen zur Wortbildungssemantik und der Abgrenzung der Flexion zur Wortbildung.

Der Schwerpunkt des zweiten Teils der Arbeit befasst sich mit der Frage, wie stark die Wortbildung mit einer Erweiterung des Wortschatzes korrespondiert. Sie soll demnach eine Antwort auf die Frage geben, ob jede Wortbildung eine Lexikalisierung mit sich zieht. Wann kommt es bei der Wortbildung zu einer Erweiterung des Wortschatzes und wann nicht? Kann man Wortbildung überhaupt noch als einen Bereich der Morphologie und nicht vielmehr als einen der Lexikologie sehen? Somit besteht der zweite Teil in einer Beschreibung der Wortbildungsverfahren und ihrer Auswirkungen auf den Wortschatz. Mit einigen zusammenfassenden Betrachtungen werde ich die Arbeit sodann schließen.

Anzumerken sei noch, dass ich für die folgenden Ausführungen die Definition der Wortbildung von Marchand zugrunde lege: „Word-formation is that branch of the science of language which studies the patterns on which a language forms new lexical units, i.e. words.“1 Damit ist bereits ein wichtiger Aspekt der Arbeit vorweggenommen, nämlich, dass der Wortbildung eine “Zwischenstellung” zwischen Grammatik und Lexik zukommt.2

1. Allgemeine Grundlagen zur Wortbildung

1.1 Wortbildung als morphologisch-strukturelles Verfahren

Die Prägung einer neuen Benennungseinheit geschieht mittels verschiedener Verfahren auf semantischer, syntaktischer oder morphologisch-struktureller Ebene.3 Jeder der drei Prozesse greift dabei auf bereits vorhandenes Sprachmaterial zurück. Ich möchte kurz genauer auf diese einzelnen Verfahren eingehen:

Das semantische Verfahren beinhaltet die Veränderung der Bedeutung eines Ausgangelementes. Dabei können auch Veränderungen in der Orthographie und der Flexion auftauchen. In einem neueren Wörterbuch findet man z.B. verschiedene Begriffe anders definiert als in einem älteren. In diesem Fall liegt die Homonymisierung vor, d.h. es existieren zwei gleichlautende Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung.4 Ein Beispiel dafür wäre das französische Wort souris.

Im Rahmen des syntaktischen Verfahrens steht der Wortartwechsel im Vordergrund. Dieser ist verbunden mit der Entstehung neuer Wörter. Die Begriffsklassen verändern sich. Substantiviert man z.B. das italienische Wort grande, erhält man grandezza. Die Begriffsklassenveränderung vollzieht sich in diesem Fall von durch den Wechsel von einer Eigenschaft zu einer Substanz.5

Von Wortbildung im eigentlichen Sinne spricht man beim morphologisch-strukturierten Verfahren. Dabei wird in die formale Struktur eines Wortes eingegriffen. Diese Eingriffe sind gekoppelt an semantische und syntaktische Prozesse. Die zentralen Mechanismen wie Komposition oder Derivation werden im zweiten Teil der Arbeit näher beschrieben.

1.2 Ansätze in der Wortbildung: Generativismus und Strukturalismus

Ausgehend von der Tatsache, dass es in der Wortbildung um das „Prozesssystem“6 als solches, jedoch auch um die Menge, die sich aus solchen Prozessen ergibt, geht, kann man in der Sprachwissenschaft zwei Ansätze unterscheiden, die sich für die Wortbildung als entscheidend herausgestellt haben und in den Arbeiten der einzelnen Autoren, die sich mit der Wortbildung beschäftigen, wiederspiegeln: der generative und der strukturalistische Ansatz.

Der strukturalistische Ansatz geht statisch und rein deskriptiv vor, d.h. es geht ihm um die analytische Ermittlung der Wortstruktur. Bei diesem Ansatz erkennt man das Wort als reines Morphemgefüge. Im Gegensatz dazu legt die generative Wortbildungstheorie den Schwerpunkt mehr auf die Beschreibung der Prozesse als solche, die bei der Wortbildung von ganz bestimmten Basisformen ausgehen und durch eine Tiefenstruktur neue Wortformen ergeben. Generativisten fragen also nach der Dynamik: Wie wird etwas erzeugt, wie kommt es zustande (in unserem Fall hier Wörter)? Aus diesem Grund könnte man sagen, dass es sich bei letzterem um den kreativeren Ansatz der Wortbildung handelt.7

Im Großen und Ganzen tendieren die Sprachwissenschaftler zu einer verstärkten generativen Betrachtung, bei der die Wortbildung eindeutig als ein Verfahren, ein Prozess, angesehen wird und der Perspektive der Analyse die der Synthese vorgezogen wird.8

1.3 Die Rolle der Motivation

Um den Begriff der Motivation zu klären, empfiehlt es sich davon auszugehen, dass jedes sprachliche Zeichen eine materielle Gestalt und Bedeutung hat, d.h. es ist morphologisch-relevant und in diesem Fall motiviert.9 Für die Wortbildung bedeutet dies nun, dass „semantische Beziehungen zwischen den Zeichen auf paradigmatischer Ebene zustande kommen“.10

Dies lässt sich anhand eines Beispiels am besten verdeutlichen: die grammatischen Formen des französischen Worts renverser, je renverse, il a renversé usw. sind ebenso wie das Lexem renversement durch die Beziehungen zwischen ihren Morphemen paradigmatisch miteinander verbunden.

Solche Morphemverbindungen, denen jeder, welcher der jeweiligen Sprache mächtig ist, die richtige Bedeutung zuordnen kann, nennt man motiviert, d.h. sie sind in der formalen und inhaltlichen Beschaffenheit durchschaubar, aus sich selbst verständlich.11

Ein anderes Beispiel dafür ist das italienische Wort capostazione.12 Das Kompositum ist motiviert, unmotiviert sind dagegen die einzelnen Bestandteile capo und stazione. Die Bedeutungen dieser Wörter muss man nämlich entweder wissen oder im Lexikon nachschlagen.13

Ob es sich bei einem Wort um Motivation handelt oder nicht kann man also daran feststellen, wie durchsichtig die Struktur des Wortes ist, d.h. ist nicht klar, wie es gebildet ist, aus welchen Bestandteilen es sich zusammensetzt, so ist es nicht motiviert. Im Lauf der Sprachgeschichte können ursprünglich motivierte Wörter, d.h. Wörter, die durchsichtig waren ihre Motivation verlieren, ihre Struktur lässt sich dann nicht mehr in klare Segmente zerlegen.14 In diesem Fall spricht man von Demotivierung.15

1.4 Wortbildungsmodell und Wortbildungsprodukt

„Das Wortbildungsmodell ist eine stabile Struktur, die über eine verallgemeinerte lexikalisch-kategoriale (designative) Bedeutung verfügt und geeignet ist, mit verschiedenem lexikalischen Material ausgefüllt zu werden.“16 Vereinfacht bedeutet die Aussage von Stepanowa, dass Wortbildungsmodelle bestimmte Strukturschemen sind, nach welchen Reihen gleichstrukturierter Wortbildungsprodukte mit unterschiedlichem lexikalischem Material erzeugt werden können.17

Beispiele solcher Strukturschemen im Französischen und Italienischen sind18:

a) Verbstamm und Adjektivsuffix – able: utiliser -> utilisable (frz.)
b) Verbale Präfixbildung mit pré- : venir -> prévenir (frz.)
c) Nomenbildung mit –tór-: vincere -> vincitore (it.)

Wenn man die Liste der möglichen Modelle ergänzt, merkt man bald, dass Wörter nicht einfach beliebig aus willkürlich ausgewählten Morphemen zusammengesetzt sind, sondern dass sie den Wortbildungsmodellen unterliegen und so an feste Kombinationsregeln gebunden sind.19 Fasst man all diese Regeln zusammen, nach denen in einer bestimmten Sprache Morpheme zusammengesetzt werden können, spricht man von der Wortgrammatik einer Sprache.20 Durch eine bestimmte Wortbildungsregel wird das Produkt der Wortbildung in eine bestimmte Klasse der Wortarten eingeführt: Nomina, Adjektive, Verben oder Adverbien.21 Wortbildungsprodukte fungieren sodann als „Wörter eines Wortschatzes“, d.h. sie haben nun eine Wortschatzbedeutung (siehe Kapitel 1.5.1).

1.5 Lexikalisierung

Eine geeignete Definition für den Begriff der Lexikalisierung zu finden, stellt sich als schwierig heraus.22

Nachdem sich die Wortbildung nun also nach bestimmten Modellen vollzogen hat, sind gegebenenfalls neue Wörter in den allgemeinen Gebrauch einer Sprache eingegangen. Diesen Vorgang stelle ich unter den Begriff der Lexikalisierung, gelange demnach zu der Auffassung, dass es sich um einen diachronischen Prozess handelt.23 Die Wörter, welche durch den Prozess der Wortbildung entstanden sind und als solche neue Phänomene oder Objekte in der Welt bezeichnen, nennt man Neologismen.24 Sie gelten nun als fester, unauflösbarer Bestandteil des Wortschatzes. Das ist das Ergebnis der Lexikalisierung. Haspelmath unterscheidet die Neologismen von möglichen, d.h. nicht unbedingt realisierten Wörtern und nennt sie „occasionalisms“.25 Auf diese möglichen Wörter gehe ich im Kapitel über die Produktivität (2.4.2) genauer ein.

Die Bildung der Neologismen kann, wie wir ebenfalls später noch sehen werden, mit Mitteln der eigenen Sprache geschehen oder aber durch die Heranziehung fremdsprachlicher Entlehnungen.

Bei der Lexikalisierung handelt es sich um ein etwas weitreichenderes Phänomen, bei dem Diskrepanzen der verschiedenen Autoren deutlich werden. Dies will ich im folgenden kurz erläutern.

Nach Coseriu handelt es sich bei der Lexikalisierung nämlich nicht nur um das Ergebnis der Wortbildungslehre, vielmehr sollte jede „wiederholte Rede“, d.h. das Zustandekommen von ganzen Syntagmen in ständiger Wiederholung als Lexikalisierung bezeichnet werden. Demnach übernehmen die syntaktischen Kombinationen für Coseriu dieselbe Funktion wie die Wortbildungsprodukte: sie werden Einheiten des Wortschatzes.26 Andere Autoren sehen solche „Reden“ als freie Kombinationen an, die nicht in den Sprachbesitz übergehen. Diese Aufgabe übernehmen nur Wörter, die aufgrund der Wortbildung „global verfügbar“ gemacht und in den Wortschatz einer Sprache eingehen sollen.27 Dass durch den Bezug auf eine ständige Wiederholung der diachronische Aspekt stark in den Vordergrund gestellt wird, erkennt man auch an der Definition der Lexikalisierung von Lipka: “Unter Lexikalisierung verstehe ich die Erscheinung, dass einmal gebildete komplexe Lexeme bei häufigem Gebrauch dazu tendieren, eine einzige lexikalische Einheit mit spezifischem Inhalt zu werden“.28 Andere Autoren, wie zum Beispiel Bauer differenzieren etwas vage zwischen Institutionalisierung und Lexikalisierung.29 Noch eine weitere Theorie besagt, dass geschaffene Wortbildungen einen Bedeutungswandel erfahren können und diese „spezifische Schaffung von Bedeutung in der Wortbildung“ ebenfalls unter den Begriff der Lexikalisierung fällt.30

1.5.1 Wortbildungsbedeutung und Wortschatzbedeutung

An dieser Stelle soll nun ein bedeutender Aspekt der Lexikalisierung hervorgehoben werden, nämlich derjenige der Wortschatzbedeutung, die sodann von der Wortbildungsbedeutung abgegrenzt wird.31 Wortschatzbedeutung kann man parallel auch als eine Bezeichnung für Wörterbucheinträge verstehen.32 Durch die Wortschatzbedeutung wird ausgedrückt, dass Wortbedeutungen, die durch Wortbildung geschaffen werden spezifisch sein müssen. Diese Tatsache, dass „singuläre Bedeutungen“ entstehen, fällt ihrerseits wieder unter den Begriff der Lexikalisierung.33 Nur auf diese Weise erfüllen Wortbildungsprodukte auch die ihnen zugesagte Funktion. Die Wortschatzbedeutung muss von der Wortbildungsbedeutung unterschieden werden, bei der es darum geht, dass man bei der Wortbildung zunächst von allgemeinen, abstrakten Wortbedeutungen ausgeht, die nach bestimmten Regeln gebildet werden.34 Lässt sich einer Wortbildungsart ein gleichbleibendes Schema der Semantikkonstruktion zuordnen, wird dies eben auch als Wortbildungsbedeutung bezeichnet. So werden auch Fälle „regelmäßiger Lexikalisierung“ unter einen Begriff gefasst.35 Wo nun genau die Grenzen zwischen Wortbildungsbedeutung und Wortschatzbedeutung liegen, erfahren wir jedoch nicht.36

1.5.2 Wortbildungssemantik

Die Bedeutung ist, wie wir im Rahmen der Lexikalisierung sehen, ein unverzichtbarer Bestandteil der Wortbildungslehre. Hierzu sei auf Franz Rainer verwiesen, der mit seiner spanischen Wortbildungslehre betont, dass „in der Wortbildung Inhalte vorliegen, die durch Formen ausgedrückt werden“.37 Franz Rainer setzt sich in diesem Fall stark mit der Wortbildungstheorie von Coseriu auseinander38. Dabei lehnt er eine direkte Verbindung von Inhalt und Form ab, allerdings bleibt so offen, wie das Problem von Form und Inhalt bewerkstelligt werden soll.39 Traditionell geht Rainer von einer Form aus und stellt semantische Fragen in Abhängigkeit von den morphologischen. Eine „ausschließlich semantische Morphemdefinition“, d.h. eine Definition laut der ein Morphem als ein Element mit Ausdruck und Inhalt bestimmt wird, lehnt er ab.40 So wird deutlich, dass die Semantik von Rainer vernachlässigt wird. Hierbei sei noch erwähnt, dass Rainer einen stark generativen Ansatz verfolgt (vergleiche Kapitel 1.2). Andere Autoren stellen die Semantik nicht hinter die Morphologie, sondern betonen, dass der Sinn eines Wortes gleichzeitig mit seiner morphologischen Struktur entsteht.41

An dieser Stelle könnte man eventuell auch auf die Auswirkungen eingehen, welche die Wortbildung semantisch gesehen auf die Syntax hat. Oft wird sie nämlich als ein Spezialfall der Syntax angesehen.42 Allerdings werde ich mich nicht genauer damit beschäftigen und schließe mich Lüdtke an, der sagt: „die Frage der Syntax von Ableitungen ist kein Teil der Wortlehre mehr, sondern ein Teil der Wortgruppen- und Satzlehre“.43

1.6 Wortbildung und Flexion

Im Allgemeinen wird die Flexion von der Wortbildung unterschieden.44 Allerdings herrscht noch immer Unsicherheit darüber, ob die beiden Bereichen getrennt werden sollten.45

Flexion wird definiert als Beugung bzw. als Wortformenbildung. Sie untergliedert sich in Deklination und Konjugation, die in Kürze noch genauer erläutert werden. Durch die Flexion wird keine Veränderung der Wortgrundbedeutung vorgenommen. Die Flexionslehre und die Wortbildungslehre unterscheiden sich demnach auf folgende Weise: in der Flexionslehre werden die Formen der Wörter beschrieben. Dagegen untersucht die Wortbildungslehre, wie aus vorhandenen sprachlichen Mitteln neue Wörter hervorgehen, z.B. it. lavare -> lavatore. So wird im Gegensatz zur Flexion durch die Prozesse der Wortbildung wie Derivation (Ableitung, s. Kapitel 2.2.1) und Komposition (Zusammensetzung, s. Kapitel 2.2.3) eine veränderte Wortbedeutung hervorgerufen.

„Die Flexion verändert die Wortform, was dazu dient, das Verhältnis des betreffenden Wortes zu anderen Wörtern im Satz auszudrücken.“46 Deklination stellt dabei die Beugung der Substantive, Adjektive und Pronomina nach Genus und Numerus dar47, während die Konjugation die Verba nach Person, Tempus, Numerus, Genus und Modus beugt. Es gibt wohl auch fließende Grenzen zwischen dem Prozess der Flexion und dem der Wortbildung. Einen solchen Grenzfall stellt die Komparation der Adjektive dar. Die Regelmäßigkeit der Bildung verleitet dazu, die Adjektivkomparation mit der Bildung der Flexionsformen gleichzusetzen. Auch die Tatsache, dass die Komparation die Wortgrundbedeutung nicht verändert, lässt diesen Schluss logisch erscheinen. Am französischen Beispiel demonstriert sei dies: grand, plus grand, le plus grand. Ausnahmen wie bon(ne), meilleur(e), le (la) meilleur(e) setzen die Annahme außer Kraft, dass die Adjektivkomparation wegen ihrer regelmäßigen Bildung mit den Flexionsformen gleichzusetzen ist. Handelt es sich nun um Wortbildung oder Flexion? Meiner Meinung nach ist keine genaue Zuordnung möglich.

[...]


1 MARCHAND, H. (1969): The categories and types of present-day English word-formation. 2nd ed. München: Beck, 70.

2 HUNDSNURSCHER, F. (1977): „Zur Rolle der Wortarten im System der Perzeptionswörter“, in: BREKLE, H.E. / KASTOVSKY, D. (Hgg.) (1977a): Perspektiven der Wortbildungsforschung, Bonn: Bouvier, 83-97, hier: 83.

3 FLEISCHER, W. (2000): „Die Klassifikation von Wortbildungsprozessen“, in: BOOIJ, G./ LEHMANN, Ch./ MUGDAN, J. et al. (Hgg.) : Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung, Bd.I, Berlin: De Gruyter (= BURKHARDT, A./ STEGER, H./ WIEGAND, H.E. (Hgg.): Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (HSK), Bd.17.1 und 17.2), 1. Halbband, 886-897, hier: 886f.

4 STEIN, A. (1997): Einführung in die französische Sprachwissenschaft, Stuttgart: Metzler, 63.

5 FLEISCHER, W./ BARZ, I. (1995) : Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache, Tübingen: Niemeyer, 7.

6 BREKLE, H.E./ KASTOVSKY, D. (1977b): „Wortbildungsforschung: Entwicklung und Positionen“, in: BREKLE/ KASTOVSKY (1977a), 7-19, hier: 7.

7 KÜRSCHNER, W. (1977): „Generative Transformationsgrammatik und die Wortbildungstheorie“, in: BREKLE/ KASTOVSKY (1977a), 129-139; MOTSCH, W.: „Ein Plädoyer für die Beschreibung von Wortbildungen auf der Grundlage des Lexikons“, in: BREKLE/ KASTOVSKY (1977a), 180-202, hier: 188.

8 LÜDTKE, J. (2001): „Morphologie II. Wortbildungslehre“, in: HOLTUS, G./ METZELIN, M./ SCHMITT, C. (Hgg.): Lexikon der Romanischen Linguistik (LRL), Bd. I, 1, Tübingen: Niemeyer, 765-781, hier: 766.

9 THIELE, J. (1993): Wortbildung der französischen Gegenwartssprache. 3rd ed. Leipzig: Langenscheidt, Verlag Enzyklopädie, 13.

10 Ebd., 14.

11 RAINER, F. (1993): Spanische Wortbildungslehre, Tübingen: Niemeyer, 16ff.

12 SEEWALD, U. (1996): Morphologie des Italienischen, Tübingen: Niemeyer, 111.

13 FLEISCHER/ BARZ (1995), 11.

14 SEEWALD (1996), 40.

15 SCHPAK-DOLT, N. (1992): Einführung in die französische Morphologie, Tübingen: Niemeyer, 40.

16 STEPANOWA, M.D. (1973): Methoden der synchronen Wortschatzanalyse, München: Hueber, 109.

17 FLEISCHER/ BARZ (1995), 53.

18 GECKELER, H.: „Zur Frage der Lücken im System der Wortbildung“, in: BREKLE/ KASTOVSKY (1977a), 70-82, hier: 76 ff.

19 SEEWALD (1996), 39.

20 SCHWARZE (1995): Grammatik der italienischen Sprachen, Tübingen: Niemeyer, 486.

21 Ebd., 488.

22 LÜDTKE (2001), 771 ff.

23 LIPKA, L. (1979): „Zur Lexikalisierung im Deutschen und Englischen“, in: LIPKA, L./ Günther, H. (Hgg.) (1981): Wortbildung, Darmstadt: WBG, 119-132, hier: 131.

24 SEEWALD (1996), 38.

25 HASPELMATH, M. (2002): Understanding Morphology. London: Arnold, 39.

26 COSERIU, E. (1978): „Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes“, in: GECKELER, H. (Hg.) (1978): Strukturelle Bedeutungslehre, Darmstadt: WBG, 218-223.

27 BREKLE./ KASTOVSKY (1977b), 14.

28 LIPKA, L. (1977): „Lexikalisierung, Idiomatisierung und Hypostasierung als Probleme einer synchronischen Wortbildungslehre“, in: BREKLE/KASTOVSKY (1977a), 155-165, hier: 155.

29 BAUER, L. (1983): English Word-formation, Cambridge: University Press, 48.

30 LACA, B. (1986): Die Wortbildung als Grammatik des Wortschatzes. Untersuchungen zur spanischen Subjektnominalisierung, Tübingen: Narr, 133-134.

31 LÜDTKE (2001), 768ff; RAINER (1993), 132.

32 LÜDTKE, J. (1994): „Wortbildungssemantik“, in: STAIB, B. (Hg.): Wortbildungslehre, Münster: Lit, 113-137, hier:131.

33 LACA (1986), 133-134.

34 LÜDTKE (2001), 771.

35 LÜDTKE (1994), 119.

36 Ebd., 134.

37 RAINER (1993), 131f.

38 COSERIU, E. (1977): „Inhaltliche Wortbildungslehre (am Beispiel des Typs ‚coupe-papier’), in: BREKLE/ KASTOVSKY (1977a), 48-62, hier: 52.

39 RAINER (1993), 118.

40 Ebd., 128.

41 CORBIN, D. (1991) : La formation des mots. Structures et interprétations, Lille : Presses Universitaires de Lille, 9.

42 GROTE, M. (1987): Generatives Lexikon und autonome Wortbildungsprozesse, Göttingen: Georg-August Universität zu Göttingen (Dissertation), 19.

43 LÜDTKE, J. (1978): Prädikative Nominalisierungen mit Suffixen im Französischen, Katalanischen und Spanischen, Tübingen: Niemeyer, 61.

44 ZWANENBURG, W. (1990): „Französisch: Wortbildung“, in: HOLTUS, G./ Metzelin, M./ Schmitt, C. (Hgg.): Lexikon der Romanischen Linguistik (LRL), Bd. V, 1, Tübingen: Niemeyer, 72-77, hier: 72.

45 GROTE (1987), 6.

46 LYONS, J.(1995) : Einführung in die moderne Linguistik, 8.ed., München, 198.

47 Anmerkung: In den romanischen Sprachen gibt es seit der Entwicklung aus dem Lateinischen keine Kasusveränderung mehr

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung der Wortbildung und ihre Auswirkungen auf den Wortschatz am Beispiel romanischer Sprachen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar: Einführung in die Morphologie der romanischen Sprachen
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V181327
ISBN (eBook)
9783656045342
ISBN (Buch)
9783656047575
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, wortbildung, auswirkungen, wortschatz, beispiel, sprachen
Arbeit zitieren
M.A. Christine Koch (Autor:in), 2005, Die Bedeutung der Wortbildung und ihre Auswirkungen auf den Wortschatz am Beispiel romanischer Sprachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181327

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