Das am Anfang des 20. Jahrhunderts etwa 9000 Einwohner umfassende Städtchen Zabern
(franz. Saverne) am Fuße der Vogesen gelegen, keine zwei Stunden Bahnfahrt von Straßburg
entfernt, war im Kaiserreich außerhalb des Elsass nahezu unbekannt1. Dieser Ort sollte einem
Vorfall den Namen geben, der ihn ins Rampenlicht der nationalen und internationalen
politischen Bühne am Vorabend des Ersten Weltkrieges katapultieren sollte.
Diese als „Zabern-Affäre“ bekannt gewordenen Vorgänge hätten sich auch an anderer Stelle
des Deutschen Reiches ereignen können, gewannen aber besonders deshalb an Brisanz, weil
sie sich in einer besonders heiklen politischen Peripherieregion, nämlich dem erst 1871
„zurückgekehrten“ Reichsland Elsass-Lothringen, abspielten.
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel zunächst den Weg dieses „Krisenherdes“2 nach
Deutschland und dessen verfassungspolitische Entwicklung ab 1871 zu skizzieren, um die
Sonderposition zu verdeutlichen, in der sich die Bewohner Elsass-Lothringens befanden.
Danach soll sich die Darstellung der Ereignisse und Auswirkungen von Zabern anschließen,
die Lenin im November 1913 zu folgender Aussage veranlassten:
„Es gibt in der Politik Vorfälle, durch die das Wesen einer bestimmten Ordnung der Dinge
irgendwie schlagartig, aus einem verhältnismäßig geringfügigen Anlass, mit ungewöhnlicher
Wucht und Deutlichkeit zutage tritt.“3
Ob der Zabern-Affäre wirklich eine solch modellhafte Bedeutung zukommt wird zu klären
sein. Des Weiteren soll überprüft werden, ob die fast ausschließlich resignierende Bewertung
der Geschichtsschreibung angebracht ist oder ob sich nicht auch positive, auf eine
zunehmende Parlamentarisierung am Ende des Kaiserreiches hinweisende Aspekte finden
lassen. Die zeitgenössische Sicht auf die Vorfälle in Zabern und die Rolle des Militärs in der
Gesellschaft sollen abschließend die im Bildanhang zur Verfügung gestellten Karikaturen
verdeutlichen.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- A Einleitung
- B Hauptteil
- I Das Reichsland Elsass-Lothringen
- 1.1 Die Anfänge des Reichslandes
- 1.2 Das Reichsland unter der „Zivildiktatur“ 1871-1874
- 1.3 Der Landesausschuss – Das Reichsland auf dem Weg zur Autonomie?
- 1.4 Reformierung des Reichslandes 1879 – Die Statthalterverfassung
- 1.5 Die Verfassungsreform von 1911
- 1.6 Die Beziehung der reichsländischen Bevölkerung zum Deutschen Reich
- II Die Zabern-Affäre
- 2.1 Der Kasernenhofskandal
- 2.2 Der Flaggenvorfall
- 2.3 Die Lage eskaliert
- 2.4 Die Zabern-Affäre im Reichstag
- 2.5 Forstner und Reuter auf der Anklagebank
- III Folgen und Bewertung der Zabern-Affäre
- 3.1 Auswirkungen auf Elsass-Lothringen
- 3.2 Auswirkungen auf das Reich
- 3.3 Zabern als Verfassungskrise des Kaiserreiches
- 3.4 Zabern als Parlamentarisierungschance des Kaiserreiches
- C Schluss
- D Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht die Zabern-Affäre von 1913/1914 im Reichsland Elsass-Lothringen. Zunächst wird die Entwicklung des Reichslandes von seiner Annexion durch das Deutsche Reich im Jahr 1871 bis zu den Vorfällen in Zabern dargestellt. Anschließend werden die Ereignisse in Zabern und deren Folgen, sowohl für das Reichsland als auch für das gesamte Deutsche Reich, analysiert. Die Arbeit fragt insbesondere danach, ob die Affäre als Verfassungskrise des Kaiserreiches verstanden werden kann und ob sich in ihren Auswirkungen positive, auf eine zunehmende Parlamentarisierung des Kaiserreiches hinweisende Aspekte finden lassen.
- Die Entwicklung des Reichslandes Elsass-Lothringen von 1871 bis 1913
- Die Hintergründe und Ereignisse der Zabern-Affäre
- Die Folgen der Affäre für Elsass-Lothringen und das Deutsche Reich
- Die Zabern-Affäre als Verfassungskrise des Kaiserreiches
- Die Zabern-Affäre als Parlamentarisierungschance des Kaiserreiches
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- A Einleitung: Diese Einleitung stellt die Zabern-Affäre als ein wichtiges Ereignis in der deutschen Geschichte dar, das Einblicke in das politische System des Kaiserreichs und die Sonderposition des Reichslandes Elsass-Lothringen gibt.
- B Hauptteil:
- I Das Reichsland Elsass-Lothringen: Dieser Abschnitt beschreibt die Entstehung des Reichslandes Elsass-Lothringen nach dem Deutsch-Französischen Krieg und die Entwicklung seiner Verfassungsstrukturen von der "Zivildiktatur" bis zur Reform von 1911. Die komplexe Beziehung der Bevölkerung des Reichslandes zum Deutschen Reich und die Schwierigkeiten der Integration werden dargestellt.
- II Die Zabern-Affäre: Dieser Abschnitt schildert die Ereignisse in Zabern, angefangen mit dem Kasernenhofskandal und dem Flaggenvorfall, über die Eskalation der Situation bis hin zum Reichstag und den Gerichtsprozessen gegen die Beteiligten.
- C Schluss: Der Schluss resümiert die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit und diskutiert die Bedeutung der Zabern-Affäre für die deutsche Geschichte und die aktuelle Integrationsdebatte.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Zabern-Affäre, Reichsland Elsass-Lothringen, Verfassungskrise, Parlamentarisierung, Militär, Zivilgesellschaft, Integration, Deutsch-Französischer Krieg, Kaiserreich, Reichslandkonstrukt, Kulturkampf, Militärjustiz, Reichsverfassung, Bundesrat, Reichstag, Statthalter, Landesgesetzgebung, Selbstverwaltung, Nationalismus, Germanophobie, Militarismus, Staatsrecht.
- Citation du texte
- Martin Mehlhorn (Auteur), 2011, Die Zabern-Affäre 1913/1914 im Reichsland Elsass-Lothringen als Verfassungskrise und Parlamentarisierungschance, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181349