Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung
II Totenreich- und Elysiumsdarstellungen
1. Totenreich- und Elysiumsdarstellung bei Homer
1.1. Das Totenreich Homers
1.2. Homerisches Elysium
2. Totenreich- und Elysiumsdarstellung bei Hesiod
2.1. Hesiods Tartaros
2.2. Die Insel der Seligen
3. Platons Seelenlehre
3.1. Platons Jenseitssystem
3.2. Das Jenseitsgericht
3.3. Das platonische Himmelreich
3.4. Die Seelenwanderung
3.5. Der platonische Tartaros
III Fazit
V Grafikverzeichnis
VI Quellenverzeichnis
VII Literaturverzeichnis
I Einleitung
„ Der Tod öffnet der dahinscheidenden Seele nicht die Tore zur Hölle und Verdammnis, sondern er schließt sie hinter ihr.“[1]
Die Vorstellung des Jenseits beschäftigt die Menschen schon seit sie existieren. Grund hierfür ist wahrscheinlich die Tatsache, dass der Tod unausweichlich für den Menschen als sterbliches Wesen ist. Doch so ungewiss die Situation nach dem Tod ist, so vielfältig sind auch die Vorstellungen vom Leben nach dem Tod, wenn es überhaupt dergleichen gibt. Da es keine absolute Wahrheit gibt, konnten sich viele verschieden Überzeugungen entwickeln, verändern und neu konstruieren. Daher möchte ich in dieser Arbeit einen kleinen Auszug von Jenseitsvorstellungen anbieten, um den Wandel vom Glauben und der Vorstellung an das Jenseits innerhalb weniger Generationen deutlich zu machen. Ich werde zunächst die Schilderungen Homers über das Totenreich und sein Elysium in der Odyssee und der Ilias darstellen und dann mit Hesiods Tartaros und seinen Inseln der Seligen in der Theogonie und in Werke und Tage fortfahren. Da beide noch in der gleichen Tradition stehen, stelle ich ihnen abrundend Platons Seelenlehre in der Gorgias und im Phaidon gegenüber, welche sich deutlich von Homer und Hesiod abgrenzt. Mit seiner revolutionären Idee von der Seelenwanderung bereitet er den Boden für unsere heutige christliche Auffassung von der Trennung von Körper und Seele und von einem Leben nach dem Tod.
Als Grundlage meiner Arbeit benutze ich Werke von Homer, Hesiod und Platon, sowie Literatur von L. Radermacher, Rainer Foß und einen Zeitschriftenartikel von Christoph Horn.
II Totenreich- und Elysiumsdarstellungen
1. Totenreich- und Elysiumsdarstellung bei Homer
1.1. Das Totenreich Homers
In der Überlieferung von Homer wird von einem Totenreich berichtet, welches an dem Okeanos[2] liegt, im Einflussgebiet der Kimmerier.[3] Die Kimmerier sind ein Volk, welches an der Schwarzmeerküste von der Donau bis zur Krim und in Südrussland leben und durch Überfälle auf Kleinasien bekannt geworden ist.[4] Das Jenseits ist ein düsteres Schattenreich, wo ewige Finsternis herrscht. Der Mensch kann nur durch die Führung eines Gottes zu diesem gelangen.[5] Jedoch ist die Bestattung des Sterblichen Grundvoraussetzung, damit die Seelen zur Ruhe kommen können.[6] Im Erebos, dem Chaos entwachsenen Reich der Schatten und Vater von Aither, Hemera und Charon, verweilen die Seelen, welche ihre menschliche Gestalt behalten.[7] Diese Seelen sind jedoch nur Ebenbilder (eidolon) der irdischen Gestalten und haben keinerlei Fähigkeiten mehr die ein Sterblicher auf Erden besitzt. Dennoch sind die Seelen fähig zu leiden und die Sehnsucht nach dem Leben zu entwickeln.[8] Persephone[9] und Hades, der Sohn von Kronos und Rheia, haben die Herrschaft über diese Seelen inne.[10] Das Totenreich ist von den Flüssen Acheron, Kokytos, Pyriphlegethon, Styx, acherusischen See und Lethestrom umgeben. Aus dem Unterweltstrom des Vergessens, der Lethestrom, trinken sowohl die kürzlich Verstorbenen, um sich nicht mehr an ihr Leben zu erinnern, als auch die Seelen, die wieder zu Sterblichen werden, um die Erinnerung an die Unterwelt auszulöschen.[11] Die Seelen müssen zudem vor ihren Richter treten. Dieser entscheidet, ob die Seele in den Tartaros, der tiefste und düsterste Schlund in der Unterwelt,[12] oder ins Elysium, der Ort der Seligen,[13] dürfen. Das Totenreich gilt als trostloser und düsterer Ort, sodass die Vorstellung des Todes mit Grauen und Ablehnung verbunden wird.[14]
1.2. Homerisches Elysium
Nach dem Tod der Sterblichen entscheidet ein Richter, ob die Seele des Verstorbenen in den Tartaros oder ins Elysium einziehen darf.[15] Die Seelen leben dann im Jenseits, bis in die Ewigkeit.[16] Homer bettet die Elysiumsdarstellung in die Prophezeiung des Proteus an Menelaos ein.[17] Das Leben im Elysium, welches jenseits der Erde ist, scheint in einem paradiesischen Licht.[18] Die Insel der Seligen wird zudem mit idealistischen Beschreibungen von Landschaften geschmückt, wie beispielsweise der Darstellung des Olymps[19], der Insel Syrie[20], dem Garten von Alkinoos[21], sowie des Grottengebietes der Kalypso[22]. Die Seelen der Verstorbenen verweilen unsterblich an diesem, durch leichte Lebensweise gekennzeichneten, Ort.[23] Das Elysium existiert zeitlich parallel zum Diesseits und ist nicht vergleichbar mit dem verlorenen Paradies des Alten Testaments.[24] Die religiöse Hoffnung auf ewiges Leben für den Menschen, sowie die Hoffnung im Jenseits den Ausgleich für die Leiden im Diesseits zu erlangen, wird bei Homer jedoch nicht bestätigt.[25] Homers Schilderung vom Elysium und dem Leben an diesem Ort beschreibt grundsätzlich paradiesische Bedingungen, ist jedoch nicht in religiösem Kontext zu setzen und besitzt lediglich literarische Funktion.[26] Die Beschreibung beruht ausschließlich auf der Gegenwart und lässt keinen Blick in die Zukunft, auf die Situation nach dem Tod, zu.[27]
2. Totenreich- und Elysiumsdarstellung bei Hesiod
2.1. Hesiods Tartaros
Im Gegensatz zu den Erzählungen des Homers, welche Heldengeschichten sind, beschreibt Hesiod die Entwicklung und die Prozesse der Welt und ordnet diese in ein größeres Gefüge ein. Er möchte eine schlüssige Weltordnung unter der Herrschaft des Zeus entwickeln.[28] Daher rührt es, dass Kräfte, welche nicht in das System passen und gegen dieses Gefüge streben beispielsweise die Titanen, nachvollziehbar abgesondert von dem Ordnungsgefüge angesiedelt werden müssen.[29] Dabei darf dieser besondere Bereich nicht außerhalb des Machtzentrums des Zeus liegen, damit es zu keiner gefährlichen Gegenmacht kommen kann. Aus diesem Grund nimmt die Beschreibung des Tartaros und der geographischen Lage bei Hesiod eine wichtige Rolle ein.[30] Der Tartaros ist ein finsterer Ort „tief unter der Erde“[31]. Es gibt keine Möglichkeit dem Jenseits zu entfliehen, gleich einem Gefängnis.[32] Hades und Persephone herrschen, wie bei Homer, über dieses düstere Reich.[33] Am Eingang des Tartaros wacht ein „greulicher Hund“[34], welcher jedem Sterblichen Eingang in das Schattenreich gewährt, aber auch jede Flucht unterbindet.[35] Das Gesamtbild des Totenreichs wird in einem sehr negativen und düsteren Licht gezeigt, lässt jedoch auch Spielraum für Interpretationen. Zum einen kann der Tartaros als der Gegenspieler der Ordnung dargestellt werden. Es ist ein Gegenspieler, der zur Gefahr für Zeus werden kann, als das personifizierte `Böse´ in der Welt. Man kann das Totenreich aber auch als eine Art abgeschlossener Schutzraum für die Welt vor dem Negativen hervorheben.[36] Nichtsdestotrotz muss man Hesiod zugestehen, dass er als erster, durch sein planvolles Einsetzen der Jenseitsbilder, zu einer in sich stimmigen Jenseitsdarstellung gelangt, mit dem Ziel die Weltherrschaft des Zeus zu untermauern.[37]
2.2. Die Inseln der Seligen
Vergleichbar mit den Schilderungen des Elysiums von Homer ist die Beschreibung von den Inseln der Seligen bei Hesiod.[38] Dort leben die mythischen Helden, welche im „Metallgeschlechtermythos“[39] bis in die Ewigkeit vorkommen. Es ist ein Ort jenseits Erde, welcher durch Leichtigkeit und einem unbeschwerten Leben geprägt ist.[40] Auf den Inseln der Seligen leben die Heroen, Menschen in der `Gerechten Stadt´, sowie gesondert, nach Hesiod, das Goldene Geschlecht.[41] Eine große Auffälligkeit ist, dass die Menschen der goldenen Epoche, die zur Zeit Kronos lebten, ein leidloses Leben führen, mit Göttern gleichgesetzt werden und sterben.[42] Das goldene Geschlecht besiedelt jedoch keinen externen Ort, sondern wird zur Vergangenheit gezählt.[43] Die Heroen führen ebenfalls ein leidloses Leben, werden jedoch nicht mit Göttern gleichgesetzt und erhalten drei Mal im Jahr Früchte zum leben.[44] Die Menschen in der `Gerechten Stadt´ dagegen müssen für ihr Wohl selbst sorgen und Früchte anbauen.[45] Wie bei Homer, existieren die Inseln der Seligen zeitgleich zum Diesseits.[46] Ebenfalls wird bei Hesiod die Frage, was nach dem Tod passiert, ausgeklammert und die Unterscheidung zwischen Büßer und Seligen noch nicht vorgenommen.[47] Hesiod zielt letzten Endes mit seiner Darstellung von den Inseln der Seligen auf den Kontrast zwischen den paradiesischen Zuständen im Jenseits und der hesiodischen Gegenwart auf Erden ab und übt somit indirekt Kritik an seiner Zeit.[48]
[...]
[1] Waldemar Bonsels
[2] Okeanos: „Titan, Sohn des Uranos und der Gaia. Als Ringstrom (circumvagus, Hor.epod.16,41) umfließt er die Erdscheibe. Er nahm seine Schwester Tethys zur Gattin und zeugte mit ihr außer vielen Flüssen und Seen die 3000 Okeaniden. “ , in: Pompeion. URL: http://www.pompeion.de/pompeion.htm (09.01.2009)
[3] L. Radermacher, Das Jenseits im Mythos der Hellenen. Untersuchungen über antiken Jenseitsglauben, Bonn 1903, S.10
[4] Herod.4,12
[5] Radermacher, Jenseitsglauben. S.10
[6] Rainer Foß, Die Ausbildung der Jenseitsvorstellung bei den Griechen bis Plato, Phil. Diss. Kiel 1994. S.39
[7] Radermacher, Jenseitsglauben. S.10
[8] Ebd. S.11
[9] „ Persephone ist Göttin der Vegetation und Königin der Unterwelt, Tochter des Zeus und der Demeter, die Hades als seine Gattin in die Unterwelt entführt. Demeter sucht sie auf der ganzen Erde: erfolglos, bis Helios ihr die Wahrheit offenbart. Da Persephone in der Unterwelt schon von einem Apfel gegessen hat, kann Demeter sie nicht mehr auf Dauer an die Oberwelt zurückholen. Sie erreicht aber bei Zeus, dass Persephone nur ein Drittel des Jahres im Hades verbleiben muss (es ist die Zeit, während der die Saat unter die Erde versenkt ist), zwei Drittel darf sie zu ihr an die Oberwelt zurück (die Zeit der Vegetation). Bei den Eleusinischen Mysterien drückte sich die Wiederkehr der Persephone als Hoffnung auf eine Auferstehung nach dem Tode aus.“, in: Pompeion. URL: http://www.pompeion.de/pompeion.htm (09.01.2009)
[10] Radermacher, Jenseitsglauben. S.11
[11] Hes.theog.227
[12] Hom.Il.8,13f
[13] Hor.epod.16,41
[14] Radermacher, Jenseitsglauben. S.11
[15] Hom.Od.4,561f
[16] Foß, Jenseitsvorstellung. S.29
[17] Hom.Od.4,471f
[18] Foß, Jenseitsvorstellung. S.29
[19] Hom.Od.6,43f
[20] Hom.Od.15,403f
[21] Hom.Od.7,113f
[22] Hom.Od.5,63f
[23] Foß, Jenseitsvorstellung. S.29
[24] Ebd. S.30
[25] Ebd. S.31-32
[26] Ebd. S.33
[27] Foß, Jenseitsvorstellung. S.34
[28] Foß, Jenseitsvorstellung. S.19
[29] Ebd.
[30] Ebd. S.21
[31] Hes.theog.720
[32] Hes.theog.732
[33] Hes.theog.767
[34] Hes.theog.769
[35] Hes.theog.770f
[36] Foß, Jenseitsvorstellung. S.20
[37] Foß, Jenseitsvorstellung. S.20
[38] Hes.op.166
[39] Foß, Jenseitsvorstellung. S.29
[40] Ebd.
[41] Hes.op.109
[42] Hes.op.112,116,121
[43] Foß, Jenseitsvorstellung. S.30
[44] Hes.op.170-172
[45] Hes.op.231
[46] Foß, Jenseitsvorstellung. S.30
[47] Ebd. S.34
[48] Ebd. S.32