Leseprobe
Er war nicht gesellschaftsfähig, bei Frauen unbeliebt, war finanziell abhängig, konnte keine Kontakte zur Gesellschaft herstellen, geschweige denn sie halten und war unfähig eine Familie zu gründen. „Doch als Maler fand er ein Mittel, dem Chaos der Wirklichkeit eine -seine- Ordnung entgegenzusetzen.“[1] Erst nach seinem Tod bekam er die Anerkennung, die ihm zu Lebenszeiten entsagt war und heute erzielen seine Werke auf Auktionen in der ganzen Welt Preise bis zu mehreren Millionen Euro.
700 Briefe an seinen Bruder Theo fügen sich zu einem aufschlussreichen Lebensbericht und einer detailreichen Dokumentation seines ungewöhnlich produktiven Schaffens (750 Gemälde und 1600 Zeichnungen). Sie belegen seine moralische Integrität und sind von beachtlichem literarischem Niveau. Sein Werk, das an der Schwelle des späten Impressionismus zur Moderne steht, wirkte besonders nachhaltig auf die Malerei des Fauvismus und Expressionismus.
Die Rede ist von Vincent Willem van Gogh.
Zunächst möchte ich einen kurzen Überblick über das Leben des Vincent van Gogh geben, dann das Verhältnis von Wirtschaft und Kunst kurz erläutern bis ich zu einem Resümee sowie einer persönlichen Stellungnahme komme.
Vincent van Gogh wurde am 30.März 1853 im niederländischen Dorf Groot-Zundert geboren. Er war der Älteste von 5 Kindern des protestantischen Pastors, Theodorus van Gogh und von Anna-Cornelia. Vincent van Gogh hatte 3 Schwestern, sowie 2 Brüder. Besonders zu seinem Bruder Theo hatte van Gogh ein sehr enges Verhältnis. 1861 besuchte Vincent van Gogh eine Dorfschule in Zundert. Später erhielt er zu Hause von einer Gouvernante Unterricht, bis er 1864 ein Internat in Jan Provily und 2 Jahre später die staatliche Internatsschule in Tilburg besuchte. Mit 14 Jahren kehrt er nach Zundert zurück. Dort bleibt er ein Jahr, bis er eine Anstellung in Den Haag bei der Pariser Bildergalerie Goupil & Cie. bekommt. 1873 kauft Vincents Vater ihn vom Militärdienst frei. Im Mai desselben Jahres wird Vincent in eine Londoner Filiale von Goupil versetzt. Dort verliebt er sich in die 19jährige Eugénie. Diese Liebe scheitert, da Eugénie schon verlobt ist und Vincent kehrt zu seinen Eltern, die mittlerweile in Helvoirt wohnten, zurück. 1874 arbeitete er wieder im Stammhaus Goupil in Paris, kehrt aber nach London zurück, bis er 1975 endgültig nach Paris versetzt wird. In der darauf folgenden Zeit vernachlässigt Vincent seine Arbeit immer mehr und besucht stattdessen mit seinem Freund, Harry Gladwell, Galerien und Museen. Im April 1875 wird Vincent aufgrund seines Kommentars, der Bilderhandel sei ein organisierter Diebstahl, entlassen. Vincent van Gogh verlässt darauf hin Paris und nimmt eine Stelle als Hilfslehrer und Erzieher in einem Schulheim in Ransgate an. Dort gibt Vincent trotz seiner mäßigen Kenntnisse Französisch- und Deutschunterricht. Im November kehrt er nach Holland zurück. Dort bekommt er durch seinen Onkel einen Job in einer Bücherei. Zu dieser zeit fühlt dich van Gogh sehr der Theologie verbunden. Aus diesem Grund macht er bei seinem Onkel Johannes Vorstudien für sein späteres Theologiestudium. Im Juli 1878 gibt er dieses Vorhaben resigniert auf. Zitat von Vincent van Gogh: "Muss man so viel wissen, um Gottes Wahrheit zu vermitteln?"[2]. Ende August schafft er die Aufnahme in einer kleinen Evangelistenschule in Laeken bei Brüssel, um dort als Missionar ausgebildet zu werden. Doch auch dort scheitert er während seiner Probezeit. In seinen Briefen an seinen Bruder Theo zeigt sich nun eine rege Begeisterung für die Kunst. Trotzdem bricht er nach Pâturages in die Borinage als Apostel auf. 1879 darf Vincent im Auftrag für das Brüsseler Evangelisationskomitee für 6 Monate in Wasmes als Laienprediger und Krankenpfleger in der Borinage (ein belg. Kohlenrevier) arbeiten. 1879 beginnt van Gogh intensiv zu zeichnen. Es ist aber gleichzeitig die Zeit in der Vincent monatelang ohne Ziel, ohne Arbeit und ohne Geld herumirrt. Sein Bruder Theo fängt an ihn finanziell zu unterstützen. 1880 entschließt sich Vincent endgültig Maler zu werden. Im Oktober zieht Vincent nach Brüssel und studiert an der Kunstakademie anatomisches und perspektivisches Zeichnen. Er schließt Freundschaft mit dem Maler Anton von Rappard. Zu dieser Zeit entstehen Zeichnungen, Detailskizzen und Studien von Bildern von Jean-François Millet. Diese Zeichnungen sind durch einen süßlichen Realismus gekennzeichnet: arbeitende Bauern in einem dunklen, Melancholie verbreitenden Farbton. Vincent versucht dabei seine eigene Gefühlslage auf die Zeichnung zu übertragen. Um bei seinen Eltern zeichnen zu können, verlässt er Brüssel im April 1881. Vincent zeichnet nun vor allem Landschaften. Er verliebt sich in seine Cousine Cornelia Adriane Vos , die zu Besuch ist. Leider weist auch sie ihn ab und nicht einmal das Verbrennen seiner Hand durch eine Lampenflamme, als Liebesbeweis, kann sie erweichen. Im Dezember 1881 erlernt Vincent in Paris bei seinem Vetter, dem Landschaftsmaler Anton Mauve, die Grundlagen der Aquarell- und Ölmalerei. 1882 entstehen unter Mauves Anleitungen Vincents erste Ölbilder. In Den Haag hat Vincent dann sein eigenes Atelier und verkauft seine ersten Zeichnungen, die er unter anderem für seinen Onkel Cornelius, der einige Zeit seine einzige Einnahmequelle ist, anfertigt. Durch seine Unfähigkeit Kontakt zu Menschen zu halten, zerstreitet er sich mit seinen Malerkollegen. Im Februar 1883 verschlechtert sich Vincents Gesundheitszustand. Im September trennt er sich von seiner prostituierten Freundin Clasina Maria, mit der er 1 Jahr lang zusammen war und entschließt wieder zu seinen Eltern zu ziehen. Hier entstehen rund 200 Gemälde, sowie zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen. Später gibt er auch Malunterricht. Durch einen Schlaganfall stirbt sein Vater am 27.März 1885. Van Goghs Bilder werden in Den Haag beim Farbhändler Leurs in zwei Schaufenstern ausgestellt. Im Januar 1886 besucht Vincent eine Malerei- und Kunstklasse an der königlichen Kunstakademie, lehnt jedoch das akademische Lernprinzip strikt ab. 1886 geht Vincent zurück nach Paris und wird finanziell von seinem Bruder Theo unterstützt, durch welchen er auch viele Impressionisten kennen lernt, wie z.B. Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley, Camille Pissaro, Edgar Degas, Paul Signac oder Georges Seurat. Vincent schließt sogar Freundschaft mit Pissaro: „ Dieser Mensch ist entweder verrückt oder er lässt uns alle weit hinter sich.“[3] In der Pariser Zeit entstehen ungefähr 200 Bilder, 3 Bilder van Goghs werden auf dem Pariser Salon des Artistes Indépendants ausgestellt. Vincents Mutter zieht aus ihrer Heimat weg. Die zurückgelassen Bilder von Vincent werden von einem Trödelhändler aufgekauft und der Rest verbrannt. Vincent lernt weitere Künstler kennen, darunter auch Gauguin. 1888 verlässt Vincent Paris und zieht nach Arles, wo er zusammen mit Gaugin malt und wohnt. Nach zwei Monaten kommt es zu heftigen Auseinandersetzung zwischen den beiden, weil sie unterschiedlicher künstlerischer Meinung sind. Vincent schneidet sich daraufhin ein Ohr ab. 1889 kommt er in die Nervenheilanstalt Saint-Rémy-de-Provence. Er leidet an Schlaflosigkeit und Halluzinationen. Als Ursachen des Leidens von Vincent werden Epilepsie, Trunkenheit, Schizophrenie und die Spannungen mit Gauguin vermutet. Ende Dezember versucht sich Vincent bei einem Anfall mit Farbe zu vergiften, stellt aber trotzdem im Januar 1890 sechs Bilder auf der Ausstellung der Gruppe Les Vingt in Brüssel aus. Im Februar verkauft Vincent das Gemälde Der rote Weinberg für 4000 France an Anne Doch. Es war das einzige Gemälde, was er je selbst verkauft hat. Im März erwirken aufgebrachte Bürger eine Internierung für den fou roux, den Rothaarigen Verrückten, und sein Haus mit allen Bildern wird kurzfristig von der Polizei geschlossen. ,,Ich bin bereit, die Rolle eines Wahnsinnigen auf mich zu nehmen, obwohl ich ganz und gar nicht die Kraft für eine solche Rolle habe."[4] Dieses Zitat zeigt Vincents tiefe Krise. Vincent malt nun hauptsächlich die Gegen der Anstalt, wo es überwiegend Weizenfelder, Weingärten und Olivenhaine gibt. Dabei dient der Lebensraum Natur oft als Motiv für seine Bilder. Da die Irrenanstalt sehr monoton und dunkel ist und Vincent deprimiert, sieht er Malen als Gegenmaßnahme an. Die Arbeit ist für Vincent wie ein Ventil und dient als Vorbeugung gegen seine Anfälle. Finanzielle Unterstützung erhält Vincent jetzt von seinen anderen Geschwistern. Im April räumt Vincent sein Haus und stellt fest, dass alle zurückgelassenen Bilder durch ein Hochwasser beschädigt sind. Allein die Kunst hält Vincent jetzt noch am Leben und einen Monat vor seinem Tod entsteht das Getreidefeld mit Raben im Juni 1890. Das Bild gibt am besten die Stimmung jener Tage wieder, dass durch Traurigkeit und äußerste Einsamkeit geprägt ist.
Ohne seinen Bruder hätte es aber diese Kunst nicht gegeben, denn Vincent wäre kaum in der Lage dazu gewesen. Theo hatte aber in Zwischenzeit selbst große Probleme und somit stellte sich auch Vincents Existenzgrundlage in Frage. Alle Kontakte waren kaputt und er hatte keine Hoffnung eine Arbeit zu finden. Damit ging ein singuläres Künstlerleben zu Ende, das sich mit keinem anderen vergleichen lässt. Vincent wagte eine Synthese aus Leben und Kunst, wie es kaum ein Künstler in der Neuzeit gewagt hat.
Vincent sucht schon früh Trost in der Malerei, litt aber trotzdem an seiner Welt und zerbrach an ihr. Mit der Kunst gelingt es Vincent seine eigene, neue, farbige und bewegte Welt zu schaffen, die alles enthielt, was er vom Dasein wusste.
Am 23.Juli schreibt Vincent den letzten Brief an Theo, denn vier Tage später schießt er sich während eines Spazierganges in die Brust. Am 29.Juli 1890 erliegt Vincent seinen Verletzungen.
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[1] Walther, Ingo : Van Gogh (1853-1890) Vision und Wirklichkeit; Benedikt Taschen Verlag, 1999, S.7
[2] Brandt, Paul: Sehen und Erkennen, Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1968, S.259
[3] Pissaro, Camille in Walther: Van Gogh-Vision und Wirklichkeit, Benedikt Taschen Verlag 1999, S.55
[4] Brandt, Paul: Sehen und Erkennen, Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1968, S.259