Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Hausarbeit
2 Begriffsdefintion der Kernbegriffe
2.1 Der Begriff Krise
2.2 Das moderne Verständnis von Solidarität
3 Die Krise in Europa
3.1 Wie kam es zur Krise – was war der Auslöser?
3.2 Die Griechenlandkrise
3.3 Ist die Krise überstanden? Was sind die Folgen der Europakrise?
4 Die Positionen der Mitgliedstaaten
4.1 Deutschland und seine Rolle in der EU
4.2 Die französische Position
4.3 Wo liegen die Unterschiede - wo gibt es Kompromissmöglichkeiten?
5 Wie könnte es mit der Europäischen Union weitergehen?
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Eurokrise ausgelöst von der Griechenlandkrise hatte und hat weitreichende Folgen für alle europäischen Mitgliedsstaaten. Nun steht Europa vor der Herausforderung, etwas Grundlegendes zu ändern und die Schwachstellen der EU auszubessern. Es ist notwendig, sich mit der Frage nach europäischer Solidarität auseinanderzusetzten und zu klären, inwieweit diese in der EU stattfinden soll.
Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Solidarität? Bei dem Terminus Solidarität handelt es sich um ein Prinzip, welches auf Zusammengehörigkeit beruht, d.h. die gegenseitige Verantwortung und Verpflichtung. Man kann auf Basis einer gemeinsamen politischen Überzeugung, einer wirtschaftlichen oder sozialen Lage solidarisch handeln.
Solidarisch Handeln meint, man hilft dem anderen aus der Gemeinschaft und drückt auf diese Weise die eigene Solidarität für ihn aus. Europäische Solidarität beruht nach Böckenförde ebenso auf einem gewissen Maß an Gemeinsamkeit, d.h. es sollte ein gemeinsames Wir-Gefühl bzw. eine gemeinsame Identität vorhanden sein, denn nur auf diese Weise kann er auch zur Anerkennung gemeinsamer Verantwortung, Einstandspflichten und wechselseitiger Leistungsbereitschaft kommen. Wie steht es um die Solidarität in Europa und welche Rolle spielen hierbei die beiden Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich? Beide Länder verfolgen unterschiedliche europäische Politikkonzepte, aber wie können diese miteinander verknüpft werden. Können beide Länder eine wegweisende Rolle in der EU übernehmen?
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich einerseits mit der Krise in Europa und andererseits mit den Positionen der Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich. Ferner geht es darum, darzustellen, wie es mit der Europäischen Union weitergehen könnte.
1.2 Aufbau der Hausarbeit
Im ersten Kapitel werden die Kernbegriffe definiert, insbesondere geht es hierbei um die Termini Krise und Solidarität – immer in Bezug auf die Eurokrise bzw. die europäische Solidarität.
Das anschließende zweite Kapitel dreht sich um die Krise in Europa. Hierbei geht es darum, aufzuzeigen was die Auslöser bzw. Ursachen für die Krise waren. Des Weiteren werden die wesentlichen Aspekte der Griechenlandkrise dargestellt und es soll analysiert werden, ob die Krise bereits überstanden ist und was die Folgen für Europa sind.
Die Positionen der beiden Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich sind Gegenstand des dritten Kapitels. Dabei wird zunächst auf Deutschland und seine Rolle in der EU eingegangen, bevor die französische Position durchleuchtet wird. Anschließend werden noch die Unterschiede und Kompromissmöglichkeiten der europäischen Positionen der beiden Länder dargestellt.
Im fünften Kapitel geht es darum zu skizzieren, wie es mit der Europäischen Union weitergehen könnte, bevor im Fazit erläutert wird, wie solidarisch Europa sein sollte.
2 Begriffsdefinition der Kernbegriffe
2.1 Der Begriff Krise
Was bedeutet der Begriff Krise in der politischen Theorie und was wird mit diesem Terminus im Zusammenhang mit Europa verstanden? Der Begriff Krise kommt aus dem Griechischen und bedeutet beurteilen, messen, streiten oder entscheiden (vgl. Ritter/Gründer 2007: 15151). Eine Krise bedeutet auch immer gleichzeitig die Chance, durch eine Diagnose oder mittels Kritik etwas Neues zu beeinflussen bzw. einen anderen Weg einzuschlagen (vgl. ebd.: 15157). Der Begriff Krise erschien zum ersten Mal im medizinischen Bereich (vgl. ebd.: 15166). Hierbei wird der entscheidende Wendepunkt im Laufe einer Krankheit als Krise bezeichnet (vgl. ebd.: 15167). In jedem Fall wird der Begriff verschiedenartig verwendet (vgl. Koselleck 2004: 626).
Der Begriff Krise wurde in der Neuzeit so weit verallgemeinert, dass er zum Dauerbegriff für die Geschichte überhaupt wurde – ein sogenannter geschichtsimmanenter Übergangsbegriff (vgl. ebd.: 627). Denn je nach Lage hat der Begriff Krise als Indikator auf eine Entscheidung drängende Situation gedient (vgl. ebd.: 629). Philosophisch betrachtet, treibt die Kritik die Krise voran, indem sie deren geschichtliche Richtung durchschaut (vgl. ebd.: 637). Es ist abhängig vom rechten Urteil über die Geschichte, ob die zu entscheidenden Probleme in Staat, Kirche und Gesellschaft auch real gelöst werden können (vgl. ebd.: 637f.). Demnach ist die Krise ein geschichtsphilosophischer Reflexionsbegriff, welcher auf eine bewusste Vollstreckung kritisch aufweisbarer Tendenzen angelegt ist (vgl. ebd.: 638). Auch sind Krisen vielschichtiger, verwickelter und auch sprunghafter und sich plötzlich äußernd (vgl. ebd.: 639). Eine Variante der Krise ist die sogenannte Wirtschaftskrise. Bereits nach 1854 trat die Dominanz der Ökonomie in einer Krise vollends zu Tage (vgl. ebd.: 643). Somit gewann auch der ökonomische Krisenbegriff im Vergleich mit dem politischen und geschichtlichen Begriff stringent an Bedeutung (vgl. ebd.: 644). Vor allem sind es immer wieder die Wirtschaftskrisen die heutzutage die meisten Folgen und Auswirkungen auf die Bürger haben.
Alles in allem hat der Begriff auch heute noch eine enorme Bedeutungsvielfalt und bleibt ein Schlagwort, welches nur in einigen wissenschaftlichen Kontexten vollständig erklärt werden kann (vgl. ebd.: 647). In fast allen Zusammenhängen bedeutet Krise einen Übergang (vgl. ebd.: 648). Vor allem die Politikwissenschaft ist bemüht, den Begriff zu operationalisieren und etwa gegen den Konflikt abzugrenzen (vgl. ebd.: 649). Der Begriff Krise ist einerseits anschlussfähig aber auch anschlussbedürftig und andererseits sinnpräzisierend und auch sinnsuchend (vgl. ebd.: 649).
Nach Habermas scheint eine Krise immer auch etwas Objektives zu sein (vgl. Habermas 1976: 304). Nach seiner Definition wird mit dem Begriff Krise immer die Vorstellung einer objektiven Gewalt verbunden, welche einem Subjekt ein Stück von seiner Autonomie wegnimmt, über welche er normalerweise verfügt (vgl. ebd.: 304). Und „die Lösung der Krise bringt für das verstrickte Subjekt eine Befreiung“ (ebd.. 304f.). Die wohl größte Krise in unserer heutigen Zeit sieht Habermas in der fortwährenden Legitimationskrise, durch die die spätkapitalistische Gesellschaft mittels Legitimationszerfall gefährdet ist (vgl. ebd.: 328). Habermas vertritt die Meinung, dass der Staat dem Legitimationsproblem nur entgehen kann, wenn er es schafft, das administrative System unabhängig zu machen von der legitimierenden Willensbildung (vgl. ebd.: 318). Denn eigentlich müsste auch für die administrative Planung ausreichend legitime Macht zur Verfügung stehen (vgl. ebd.: 317). Habermas sieht die Gefahr einer Legitimationskrise darin, dass sobald die „Ansprüche auf systemkonforme Entschädigungen schneller steigen als die disponible Wertmasse, oder wenn Erwartungen entstehen, die mit systemkonformen Entschädigungen nicht befriedigt werden können“ (ebd.: 320).
2.2 Das moderne Verständnis von Solidarität
Was genau verbirgt sich aus der Sicht der politischen Theorie hinter dem Begriff Solidarität und in diesem Zusammenhang hinter dem Terminus europäische Solidarität? Wie sieht das moderne Verständnis von Solidarität aus?
Prinzipiell gehört der Begriff Solidarität zur Kategorie der universellen sozialen Werte (vgl. Bieber 2002: 41). Denn Solidarität bzw. die Bereitschaft zur Solidarität stellt einen Grundwert für ein auf Demokratie sowie Recht basierendes Gemeinwesen (vgl. ebd. 41). Und den Kern von Solidarität innerhalb einer Gemeinschaft bildet die tatsächliche Bereitschaft, die Probleme und das Anliegen anderer ebenso wie die eigenen wahrzunehmen und anzuerkennen sowie sich bereitzuerklären, an dem Schutz von ihnen mitzuwirken (vgl. ebd.: 46). Somit nimmt man auch gleichzeitig mögliche Nachteile hin, weil das Wohlergehen anderer Personen bzw. Personengruppen im Vordergrund steht (vgl. ebd.: 46). Somit basiert Solidarität auf einem Gefühl natürlicher Zusammengehörigkeit der Mitglieder einer Gemeinschaft (vgl. Hartwig 2005: 160). Aber Solidarität kommt nicht nur zum Tragen, wenn es um gemeinsame Interessen geht, sondern auch um gemeinsame Probleme (vgl. ebd.: 160). Denn Solidarität bedeutet auch, dass den Mitgliedern einer Gemeinschaft, bestimmte Pflichten auferlegt worden sind (vgl. ebd.: 160). Ebenso ist Solidarität kontextgebunden und begrenzt (vgl. ebd.: 161). Und Solidarität benötigt die Wahrnehmung einer Wir-Perspektive bzw. ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Mitgliedern einer Gemeinschaft (vgl. ebd.: 161). Politische Solidarität steht immer im Zusammenhang mit den beiden Zielen Sicherheit und Gemeinwohl (vgl. ebd.: 163).
Ähnlich definiert Böckenförde den Begriff Solidarität, denn für ihn handelt es sich hierbei allgemein „um eine gewisse Verbundenheit von Menschen untereinander und ihre Angewiesenheit aufeinander“ (Böckenförde 2009: 17). Zugleich geht es bei Solidarität aber auch darum, füreinander einzustehen, was eng mit einem positiven Tun in Verbindung steht, welches man für andere erbringt – unabhängig davon, ob es sich um einzelne Personen oder um eine Gemeinschaft handelt (vgl. ebd.: 17).
Was ist nun aber mit europäischer Solidarität gemeint? Wo beginnt und wo endet sie? Böckenförde sieht hinsichtlich Europa den Trend, dass es sich auf zwei verschiedene Europa hin entwickelt: „ein engeres, zu politischer Einheit verbundenes und ein weiteres, nur markt-ökonomisch verbundenes Europa“ (ebd.: 19). Auch bei der europäischen Solidarität muss diese auf das Zusammenleben in seiner gesamthaften, die einzelnen Bereiche übergreifende Dimension abzielen (vgl. ebd.: 20). Des Weiteren ist es nötig, dass ein gewisses Maß an Gemeinsamkeit vorhanden ist, insbesondere hinsichtlich gewisser Grundsätze des gemeinsamen Zusammenlebens (vgl. ebd.: 20). Eine Voraussetzung sieht Böckenförde demnach auch darin, dass ein gemeinsames Wir-Gefühl existiert bzw. eine gemeinsame Identität vorhanden ist, denn nur auf dieser Basis kann es zur Anerkennung gemeinsamer Verantwortung, Einstandspflichten und wechselseitiger Leistungsbereitschaft kommen (vgl. ebd.: 21).
Was sind die Bedingungen für das Entstehen und Festigen von europäischer Solidarität? Eine Bedingung wäre der gemeinsame kulturelle Boden, der in der Realität zwar vorhanden ist, aber in vielfach-differenzierter Form (vgl. ebd.: 25). Aber das Zusammengehörigkeitsgefühl als ein Europa bzw. die gemeinsame Identität muss sich erst noch bilden (vgl. ebd.: 25). Auch existiert Europa als Wertegemeinschaft bereits, denn hierunter wird die „Anerkennung und Realisierung einer freiheitlichen, auf die Anerkennung der Menschenrechte beruhenden demokratischen und rechtsstaatlichen politischen Ordnung und Lebensform“ verstanden (ebd.: 26). Denn diese Gemeinsamkeit stellt die entscheidende Voraussetzung für eine mögliche politische Union Europas dar (vgl. ebd.: 26). Schlussendlich ist für den Aufbau einer politischen Solidarität noch der entscheidende politische Wille der Beteiligten nötig (vgl. ebd.: 27). Nur wenn Europa auch von den europäischen Bürgern gewollt wird, dann kann eine gemeinsame Verbundenheit und Identität entstehen, aus der schließlich auch eine politische Solidarität hervorgeht (vgl. ebd.: 27).
Was aber wird unter dem modernen Verständnis von Solidarität verstanden? Nach Andreas Wildt handelt es sich bei Solidarität um eine engagierte Handlung oder Handlungsbereitschaft einer Person gegenüber einer anderen Person, wenn gilt, dass die beiden durch Gefühle der Zusammengehörigkeit oder Mitgefühl miteinander verbunden sind, dass die Motivation von der Person teilweise altruistisch ist, dass die Person seine Handlung als Hilfe in einer Notsituation der anderen Person interpretiert, dass diese Notsituation als moralisches Problem verstanden wird, und zwar als Ursprung einer Verpflichtung, dass die Person glaubt, dass er selbst moralisch verpflichtet ist, so zu handeln und die Person nicht glaubt, dass die andere Person ein Recht auf diese Hilfe hat (vgl. Wörterbuch der Philosophie .). Somit lebt nach Wildt die Solidarität vor allem von der Kooperation und der wechselseitigen Anerkennung der Mitglieder einer Gruppe als gemeinsam Handelnde oder gemeinsam Betroffene (Zoll 2000: 13).
[...]