Die Scientology Organisation

Vorstellung der Sekte und sozialdarwinistische Einflüsse in der Ideologie


Hausarbeit, 2009

31 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhalt

0. Einleitung

1. Vorstellung der Scientology Organisation
1. 1. Gründung von Scientology
1.2. L. Ron Hubbard: Eine umstrittene Persönlichkeit
1.3. Der Aufbau des Menschens bei Scientology
1.4. Praktiken der Gehirnwäsche

2. Sozialdarwinistische Elemente in der Ideologie der Scientology Organisation
2.1. Das Leistungs- als Glücksprinzip
2.2. Der Selektions- und Elitegedanke
2.3. Der Daseinskampf und die damit verbundene Konkurrenz
2.4. Der Übermensch
2.5. Das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft
2.6. Die Legitimation von Gewalt

3. Fazit

4. Quellenangaben
4.1. Literaturverzeichnis
4. 2. Internetquellen

0. Einleitung

Scientology ist eine der größten und umstrittensten Sekten der Welt. Viele Menschen haben sich mit dem Phänomen dieses Glaubens beschäftigt und zahlreiche Bücher und Artikel darüber geschrieben. Dabei bildet Scientology eine eigene, in sich geschlossene Welt, die für Außenstehende schwer einzusehen und zu verstehen ist. Um dem Phänomen Scientology auf den Grund zu gehen, ist es zuerst nötig, sich mit der Entstehungsgeschichte des Kultes und mit dem Gründer Lafayette Ronald Hubbard (kurz: L. Ron Hubbard) zu beschäftigen. Außerdem ist es wichtig, den Grundzügen der Lehre, also das Verständnis der Welt, der menschlichen Psyche und der moralischen Wirklichkeit von Scientology einige Aufmerksamkeit zu widmen und sich die Techniken, wie neue Mitglieder geworben und indoktriert werden, anzuschauen. Erst dann ist es überhaupt möglich, tiefer in die Glaubenswelt und ihre Bezüge zu wissenschaftlichen Arbeiten und Theorien, z.B. denen von Darwin, einzudringen.

Die Idee zu einer sozialdarwinistischen Analyse der Scientology Organisation wurde uns von Norbert Potthoff geliefert, einem ehemaligen aktiven Mitglied der Scientology Organisation. Dieser berichtet eindrucksvoll in seinem Erfahrungsbericht „Im Labyrinth der Scientology“ darüber, wie er zunächst beinahe unbemerkt durch eine nette Familie, mit der er geschäftlich Kontakt hatte, an Scientology herangeführt wurde. Anfangs sei er von den Methoden fasziniert gewesen, es hätten sich in seinem Leben positive Entwicklungen eingestellt und er sei überzeugter Scientologe geworden. Potthoff urteilt über Scientology nach dem Ausstieg, die Sekte sei „eine totalitäre sozialdarwinistische Organisation und keine Religion. Sie hat absolut nichts von einer Kirche. Sie ist auf Unterdrückung und Ausnutzung angelegt“1. Des Weiteren bestätigt er den Bezug von sozialdarwinistischen Autoren wie Spencer und Bacon in Ron L. Hubbards Schrift „Dianetik“. Er fährt fort, dass ein aktiver „Technodarwinismus“ bei Scientology stattfinde, der die Theorien von Burrhus Frederic Skinner, einem Vertreter des deskriptiven Behaviorismus, mit Ansätzen der utilitaristischen Philosophie, kapitalistischem Gedankengut und radikalem Sozialdarwinismus verknüpfe. „Technodarwinismus“ - so Potthoff weiterhin – „sei eine Bezeichnung für eine pseudo-sozialwissenschaftliche Denkrichtung Ende des 20. Jahrhunderts, die die universelle biologische Evolutionstheorie von Charles Darwin auf die Gesellschaft übertrage“2. Beim Technodarwinismus handele es sich um eine Weiterentwicklung des aus dieser Evolutionstheorie entstandenen Sozialdarwinismus. Das Recht des Stärkeren werde nach dem Technodarwinismus mit einem angeblich wissenschaftlich determinierten Endziel des Menschen verknüpft (Clear und Clear-Gesellschaft). Diese wissenschaftlich bestimmte Vorgabe (Ideal) könne nur durch Einhaltung unveränderlicher Normen (Technologie) erreicht werden. Dazu müsse der einzelne Mensch „freiwillig“ auf seine (unveräußerlichen!) Rechte, auf individuelle Vorstellungen, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung verzichten, festgelegte Verfahren (Technologie) sollen also ein festgelegtes Ziel (Leistung und Macht) erreichbar machen. Die Scientology Organisation (SO) verfolge mit ihrer Forderung nach Einhaltung Hubbards Standardtechnologie für Potthoff genau diesen Weg. Jede Abweichung, auch die geringste, bezeichne Hubbard bereits als „kriminell“. Hubbard bilde mit seiner Forderung nach totaler Erfüllung seiner technischen Regeln die Gegenposition zur Anarchie, eben den Totalitarismus. Scientology strebe damit nach Potthoff eine totalitäre Machtübernahme an. Diese Absicht sei schon jetzt im inneren Gedankengefüge der Gruppierung als Ziel vorhanden - so Potthoff abschließend.3

In unserer Arbeit konzentrieren wir uns auf die sozialdarwinistischen und utilitaristischen Bezüge Scientologies, da diese unserer Meinung nach bis jetzt von der Literatur über Scientology (außer bei Potthoff) vernachlässigt worden sind. Wir untersuchen nach einer Einführung in die Entstehungsgeschichte, die Methoden und die Ideologie Scientologies die Überschneidungen im Bereich der Ideologie der SO mit den zentralen Aspekten der sozialdarwinistischen Lehren. Unser Ziel ist es hierbei, aufzuzeigen, wieviel von diesen veralteten und in der Praxis als menschenverachtend erwiesenen Lehren sich in der Scientology Organisation wiederfinden und vor dieser Parallelität zu warnen.

1. Vorstellung der Scientology Organisation

1. 1. Gründung von Scientology

Im Jahr 1950 veröffentlichte der bis damals vor allem als Science-Fiction-Autor bekannte L. Ronald Hubbard sein Buch „Dianetik“. Dieses sollte der Beginn eines neuen Kultes sein, der sich in den späteren Jahren zu einer der umstrittensten Sekten der Welt herauskristallisierte. Das Buch „Dianetik, The Modern Science of Mental Health“ (auf deutsch: „Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit“) wurde innerhalb der ersten sechs Monate über 150.000-mal verkauft.4 Dieses Werk, welches Hubbard innerhalb weniger Tagen USA-weit berühmt machte, hielt sich 28 Wochen lang auf den Bestsellerlisten der New York Times und wurde bis heute nach Scientology-Angaben über 20 Millionen mal verkauft. Selbst in Deutschland wurde angeblich bis 2003 mehr als 1 Millionen Exemplare verkauft.5 In den kommenden fünf Jahren nach der Erscheinung von Hubbards Buch wurde in den USA eine Reihe von Gruppen gegründet, welche an die Lehren von L. Ron Hubbards glaubten. Zur selben Zeit (1953) ließ Hubbard das Markenzeichen „Church of Scientology“ eintragen und etwa ein Jahr später gründete er die erste richtige Scientology Kirche in Kalifornien. Der Begriff Scientology ist eine Zusammensetzung aus lateinischen „scire“ (Wissen) und dem griechischen „λόγος“, was Lehre bedeutet.6 Hubbard nannte Scientology jedoch eine „angewandte religiöse Philosophie“. „Religiös“ weil sich Scientology laut Hubbard mit dem geistigen Wesen des Menschen beschäftigt.7 Nicht einmal zehn Jahre, nachdem „Dianetik“ veröffentlicht wurde, war Scientology nicht nur in den ganzen USA, sondern auch in Europa und Australien verbreitet.

Hubbard schreibt in seinem Buch, endlich den Grund aller menschlichen Probleme erkannt zu haben und stellt fest, dass fast alle Krankheiten psychosomatisch begründet seien. Daraus schlussfolgert er, dass jeder in der Lage ist, sich selbst zu heilen (daher lehnt die Scientology-Organisation auch radikal alle Psychologen bzw. Psychiater sowohl generell medizinisches Eingreifen ab). Das Neuwachsen von verkümmerten Gliedmaßen, die Heilung von gebrochenen Knochen, das Verschwinden von Altersfalten und sogar die Steigerung der Intelligenz seien möglich. Alles sei leicht zu erlernen, ohne komplizierte Bücher zu lesen und das Beste, so Hubbard über seine Methode: „Sie funktioniert“.8 Diese Aussagen und Versprechen machten Hubbards „Dianetik“ vor allem in der kapitalistisch geprägten USA, in der die Anforderung an den menschlichen Körper und Geist in Bezug auf eine mögliche Karriere sehr hoch sind, äußerst populär. Doch nicht nur da, sondern auch in Europa entstanden Gruppen von Intellektuellen, Wissenschaftlern, Schauspielern und Science-Fiction-Autoren, die sich Hubbards Bewegung anschlossen. Allerdings entdeckten diejenigen, die genauer recherchierten, sehr schnell, dass Hubbards Dianetik nichts Neues enthielt, sondern bereits in der Wissenschaft vorhandene Kenntnisse wiedergab (z.B. Selbstheilungskräfte des Menschen) und diese mit religiösen Heilsversprechen verknüpfte - Hubbard bekleidete es nur mit einem neuen Fachjargon. „Dianetik“ bekam trotz großen Erfolgs gleichzeitig schroffe Ablehnung von Seiten der Wissenschaft. Schon im selben Jahr erschienen unzählige Kritiken über die Lehre Scientologies. Der Physiker und Nobelpreisträger Isaac Isidor Rabi beschrieb „Dianetik“ als ein Buch, das mehr Versprechen und unbewiesene Behauptungen enthält als jedes andere Druckwerk seit der Erfindung des Buchdrucks.9

Doch warum schrieb L. Ron Hubbard dieses Werk, welches später die Grundlage für die Lehren von Scientology bildete? Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Hubbard vor der Veröffentlichung von „Dianetik“ vollkommen mittellos und verschuldet war. Er gab damals selbst zu: „Ich habe hohe Schulden und konnte bisher auch keinen Job finden“.10 Doch seinen Optimismus und kreative Ideen verlor er nie. Als Science-Fiction-Autor und ausgezeichneter Hypnotiseur war Hubbard schon lange fasziniert von psychischen Phänomenen und den Rätseln des Lebens11 und studierte diese. Mehrmals behauptete er öffentlich, dass er Visionen habe. Mit „Dianetik“ realisierte er aber wohl keine Vision, sondern ein anderes Ziel. Denn wie sein Schriftstellerkollege Lloyd Eshbach in seiner Autobiographie schreibt, vertraute ihm Hubbard einst an: „Ich würde gerne eine Religion gründen. Denn dort ist das Geld“.12 Es liegt also nahe, dass er in dem Hobby, sich mit den Überirdischen und physischen Phänomenen zu beschäftigen, eine einträchtige Geldquelle sah und gezielt die Gründung einer Religion vorantrieb. Wird sein späterer Werdegang betrachtet, ist es jedoch nicht auszuschließen, dass Hubbard auch an Teile seiner Lehre selbst glaubte. Beides zusammen könnte also der Grund für die Gründung von Scientology gewesen sein.

1.2. L. Ron Hubbard: Eine umstrittene Persönlichkeit

Am 24. Januar 1986 verstarb der Gründer und Held der Scientology Organisation und ihrer Mitglieder, Lafayette Ronald Hubbard, an einem Schlagunfall im Alter von 74 Jahren in Kalifornien. Den ganzen Tag lang wurden Scientologen durch ihre Kirchen zusammen gerufen, um von einem „großen und aufregenden Ereignis“ zu erfahren. Jetzt war Gewissheit geworden, was sie vermutet hatten: Der Vater der Scientology, die Quelle ihrer Ideologie und der für Scientologen „größte Humanist“13 dieses Planeten, war tot. Das Wort „tot“ allerdings wurde kein einziges Mal an diesem Abend verwendet. Die Nachricht wurde von einem kleinem Mann in weißer Uniform verkündet. Er sagte:

„L. Ron Hubbard habe seine Forschungen auf der Erde beendet, um sie anderswo weiterzuführen: die Suche nach dem präzisen Weg zur Unsterblichkeit. Seine Körper behinderte ihn bei der Arbeit, die er nun außerhalb dessen Grenzen weiterführt, er habe ihn daher absichtlich verlassen, nachdem er ihm nicht mehr nützlich war“.14

Doch wie hat dieser Mensch geschafft, so viele zu begeistern und den Status eines gottgleichen Helden zu erlangen? Um diese Frage zu beantworten, ist es nötig, sich das Leben von L. Ron Hubbard genauer anzuschauen.

Die Untersuchung des tatsächlichen Lebens des Scientology-Vaters ist sehr kompliziert. Natürlich nicht, weil es wenige schriftlich festgehaltene Daten darüber gibt, sondern im Gegenteil: Seit 50 Jahren versucht Scientology jedes einzelne Detail von Hubbards Leben zu veröffentlichen. Doch problematisch ist, dass viele der Einzelheiten von Hubbards Biographie nicht zueinander, geschweige zu den Fakten passen.15 Es ist schwer zu trennen, was in seinem Fall tatsächlich geschehen ist, und was erfunden wurde, um den Mythos um seine Person aufzubauen.

Fest steht, dass L. Ron Hubbard am 13. März 1911 im US-Bundesstaat Nebraska geboren wurde. Laut Scientology wuchs L. Ron Hubbard dann bei seinem Großvater auf einer Rinderfarm in Montana auf und konnte schon reiten, bevor er laufen konnte. In seinem ersten Roman „Buckskin Brigades“, der 1938 erschien, berichtet Hubbard über die Schwarzfuß-Indianer und behauptet, ein Blutsbruder des Schwarzfuß-Indianers Pikuni gewesen zu sein. Doch die Wahrheit sieht wohl ganz anders aus. Der Historiker und Journalist Frank Nordhausen schreibt in seinem 2008 erschienenem Werk „Scientology. Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will“, dass Hubbard in seiner Kindheit nur ab und zu bei seinem Großvater, der Veterinär und später Kohlenhändler war und eine Kuh und vier Pferde besaß, zu Besuch gewesen ist und auch keinen Blutsbruder gehabt habe. Dies ist leicht zu beweisen, denn die Schwarzfuß-Indianer kennen diese Art von Verbindung gar nicht.16 Viele ähnliche Legenden finden sich bei Scientology über das Leben von Hubbard. Die jeweiligen Unterlagen über das Leben von Hubbard, die diese Behauptungen belegen oder widerlegen könnten, sind entweder verschwunden oder werden von Scientology streng geheim gehalten.

Nur wenige der Biographien, die seit dem Ende der 80er Jahren vorliegen, scheinen halbwegs glaubhaft zu sein. Diese räumen mit vielen der Mythen und Legenden auf. Zum Beispiel bauen viele der späteren Lehren Hubbarts auf seine Reisen durch die Welt auf. Damit verbunden ist die Behauptung, dass Ron Hubbard schon im Alter von 14 nach China aufbrach und mehrere Jahre mit Reisen durch ganz Asien verbrachte. Dort soll er sich intensivst mit den Aspekten des Menschen und religiösen Aspekten beschäftigt haben.17 F. Nordhausen stellt in seinem Buch „Scientology“ allerdings fest, dass nicht alle dieser Reisen stattgefunden haben und Hubbard auch in seinen Tagebüchern nichts von tiefen Einsichten schildert.18 Daher ist davon auszugehen, dass diese Erzählungen später erfunden wurden, um die Herkunft von Hubbards Weisheiten plausibel zu machen.

Auch über die Ausbildung von Hubbard gibt es unterschiedliche Ansichten. Laut Scientology studierte er zwischen 1930 und 1933 an vier Universitäten, hat Abschlüsse in Mathematik und technischen Wissenschaften erlangt und es sogar zum Doktor der Philosophie und zum Nuklearphysiker gebracht.19 Es gibt allerdings keinen Nachweis darüber, dass Hubbard ein abgeschlossenes Studium besaß. Er studierte, bekam aber nach Nordhausen sogar eine akademische Strafe wegen mangelnden Lernens und hat sein Studium im Fach Maschinenbau 1931 abgebrochen.20 Seine Doktortitel hatte er wahrscheinlich gekauft und auf diesen dann später, als Kritik darüber laut wurde, verzichtet.21 Die Behauptungen von Scientology über Hubbards Studien und Titel sind also reine Propaganda zu nennen.

Doch trotz Mangel an akademischen Titeln war Hubbard ohne Zweifel eine sehr intelligente Person. Als Autor war er fähig, innerhalb von wenigen Wochen einen Roman zu schreiben. Seine erste Science-Fiction Geschichte veröffentlichte Hubbard 1938 und kurz drauf erschien sein erster Roman „Buckskin Brigades“. Bereits hier träumte Hubbard von übernatürlichen Kräften wie z.B. der Überwindung von Raum und Zeit.22

Während des 2. Weltkriegs war Hubbard bei der Marine, und hat nach Dokumenten der Navy, entgegen der Mythen bei Scientology, die ihn als verletzten und wundergeheilten Kriegsveteranen feiern, wohl nie an der Front gedient.23

Nach dem 2. Weltkrieg lebte Hubbard von seinen Schreibkünsten und suchte nach einer neuen Perspektive in seinem Leben. Diese fand er, als er als gefragter Ratgeber und Redner, nach der Veröffentlichung von „Dianetik“ in der Gründung, Erweiterung und Betreuung der Scientology Organisation.

1.3. Der Aufbau des Menschens bei Scientology

Der Mensch ist bei Scientology in drei wichtige Elemente aufgeteilt: „Thetan“, Sinn bzw. Verstand und Körper.

„Thetan“ ist ein von Hubbard erfundenes Wort, das sich von dem greichischem Buchstaben „θ“ („Theta“) ableitet. Es entspricht der menschlichem Seele oder dem Geist, verkörpert das ursprünglich Gute, allwissende, den nichtmaterialen Kern der menschlichen Kreativität. 24 Der Thetan wird von Scientology als unsterblich gesehen und verlässt, genau wie beim Buddhismus, nach dem Tod den sterblichen Körper und sucht sich eine neue Hülle. Der Thetan kann sich, laut Hubbard, sowohl im Menschen (genauer: innerhalb des Kopfes) als auch außerhalb des menschlichen Körpers aufhalten. Jedoch bleibt er ständig mit dem Körper in Verbindung und kontrolliert ihn.25

Der menschliche Sinn bzw. Verstand ist für Scientology wie eine große Datenbank. Auf diese Datenbank werden nicht nur sämtlicher Erlebnisse eines Mensches während der gesamten Lebensdauer aufgezeichnet, sondern diese Aufzeichnungen gehen sogar bis zu 350 Milliarden Jahre zurück. Denn auch die frühen Leben des Thetans werden aufgezeichnet. Der Sinn und Verstand sind für Hubbard lediglich eine Marionette des Thetans, der dadurch seinen Körper kontrolliert.26 Der Verstand kann eingeteilt laut Hubbard in den „analytischen“ und den „reaktiven“ Verstand eingeteilt werden, wobei der „analytische“ Verstand den perfekten, potentiell total auschöpfbaren Verstand darstellt, der „reaktive“ Verstand jedoch von sogenannten „Engrammen“, traumatischen Erlebnissen, blockiert wird, die den menschlichen Erfolg behindern. 27

Der Körper ist für Hubbard nur „eine Kohlenstoff-Sauerstoff-Maschine“. Er schreibt wenig über ihn. In „Dianetik“ erwähnt er lediglich, dass diese Maschine mit 37° C am besten funktioniert und als physisches Zubehör des Thetans dient. Durch den Körper ist der Thetan erkennbar, den dieser als Kommunikationszentrum benutzen kann.28

Des Weiteren teilt Hubbard die Menschheit in „soziale“ (ca. 80% der Menschheit) und „antisoziale“ Persönlichkeiten (ca. 20% der Menschheit, Beispiele: Adolf Hitler, Drogendealer) ein. Soziale Menschen haben die Fähigkeit, ihre Thetane freizusetzen, sind also theoretisch von der Scientology Organisation missionierbar; bei antisozialen Persönlichkeiten ist dies nicht der Fall. Die antisozialen Personen müssen zerstört werden, denn sie tragen zum Ende der Menschheit bei, schreibt Hubbard. 29

1.4. Praktiken der Gehirnwäsche

Von Gegnern wird Scientology immer wieder vorgeworfen, dass die Praktiken, die angewandt werden, um neue Mitglieder zu überzeugen, schon weit über simple Manipulation hinausgehen und eine regelrechte Gehirnwäsche darstellen.30 Tatsächlich entwickelte Scientology eine Vielfalt von Techniken, um die übermenschlichen und so genannten „ursprünglichen Fähigkeiten“ des Thetan wieder zu erlangen. Um diese Fähigkeiten zu erreichen, muss die Person zunächst von der Stufe eines „Preclears“ zum „Clear“ aufsteigen. Jana Jacobi, die selbst eine Aussteigerin von Scientology ist, beschreibt dies so: „Ein Clear ist jemand, der seine reaktive Bank geklärt, also komplett gelöscht hat […] sein Verhalten ist völlig rational und logisch.“ 31

Eine verbreitete Technik, dies zu erreichen, ist die so genannte „Dianetik-Auditingtechnik“, durch die Person körperlich und geistig gereinigt werden kann.32 Mithilfe eines „E-Meters“ werden Eigenschaften herausgefiltert, an denen gearbeitet werden muss. Das „E-Meter“ ist eine Maschine, die ähnlich wie ein Lügendetektor funktioniert und anzeigt, wo beim „Preclear“ etwas nicht in Ordnung ist, d.h. etwas Traumatisches oder Unmoralisches vorliegt. Dies wird mithilfe des statischen Feldes, welches den Körper umgibt, gemessen.

Diese Methode, die ähnlich eines radikalen psychoanalytischen Seminars abläuft, wird von kritischen Quellen und offiziellen Gutachten als höchstgefährlich beschrieben.33 Bei solchen Sitzungen verspricht Scientology seine Kunden Macht, Erfolg, Karriere und sogar Unsterblichkeit, wenn es ihnen gelingt, sich entsprechend der Lehre zu verändern. Doch das Ziel dieser Techniken ist nicht die Erfüllung der Wünsche der Kunden, sondern ein Machtgewinn der Scientology Organisation durch Hörigkeit der Kunden.34 Hierbei werden gezielt Denkweisen, die nicht zu Scientology passen, als falsch deklariert und umstrukturiert.

Ist es einem Menschen gelungen, ein „Clear“ zu werden, kann er acht verschiedene Stufen einer OT-Skala erreichen, die ihn zu einem „frei operierenden Thetan“ macht, der dann nicht mehr an Materie, Zeit und Raum gebunden ist.35 Dazu gibt es, wie auch schon um „Clear“ zu werden, einen fest vorgegebenen Weg. Die sogenannten Erfolge werden in Statistiken nachgewiesen, die darstellen, wieviel Geld und Macht seit dem Eintritt in die Scientology Organisation erwirtschaftet wurde.36 Diese ausgefeilte Technik, Menschen gezielt zu verändern, wird von vielen als Gehirnwäsche angesehen. Denn Scientology versucht, die Menschen nach dem Weltbild Hubbards zu formen und gibt ihnen dabei vor, welche Eigenschaften wünschenswert seien, und welche nicht. In Hubbards Schriften gilt z.B. Nächstenliebe oder auch Solidarität als Schwäche und Eigenschaft der Verlierer. Außerdem sind in der Scientology Kirche Begriffe wie „Soziales Engagement“ und „Nächstenliebe“, wie es sie bei einer christlichen Kirche gibt, fremd. Hier geht es mehr um Geld als Religion. 37 Dieses macht deutlich, dass Scientology auch als eine Religion der Gierigen, die mittels der Religion erfolgreich und reich werden wollen, ist. Also kann Scientology als eine Religion der Sieger bezeichnet werden, in der Schwächen keinen Platz haben.38

Doch auch die Sieger sind bei Scientology dann letztendlich Verlierer, denn sie werden der Sekte hörig, wenn sie es nicht schaffen, rechtzeitig auszusteigen. Die scientologischen Psychotechniken und Manipulation der Seele machen sie süchtig, ohne dass die Opfer davon etwas mitbekommen. Viele Scientology-Aussteiger bestätigen, dass sich mit dem Einstieg in die Sekte das Leben radikal verändert.39 Sie existierten auf einmal in einer Parallelwelt, in der sich zwar die gleichen Menschen befinden, aber ganz andere Regeln herrschen. Die Einsteiger müssen, um „clear“ zu werden, zu ganz anderen Menschen werden. Der Weg zum „frei operierenden Thetan“ wird bei Scientology nur durch teure Seminaren (teilweise bis zu 50.000 Dollar für die gesamte Scientology-Hierarchie40 ) und Beratungen möglich. Dabei geben viele der Opfer ihr gesamtes Vermögen aus und machen große Schulden. Aus der Sekte auszusteigen, ist oft unmöglich, ehemalige Mitglieder, die sich gegen die Scientology gewendet haben, werden in „Boot Camps“ geschickt, in denen sie unter menschenunwürdigen Bedingen wiedereingegliedert werden oder verschwinden spurlos.41 Die Aussteiger, die es trotz allem geschafft haben wie Norbert Potthoff oder J. Jacobi haben oft nicht nur die Jahre verloren, in denen sie nur für die Sekte lebten, sondern sie stehen oft auch völlig mittellos da. Außerdem werden sie von Scientology weiterhin bedrängt oder belästigt.42

[...]


1 http://www.derwesten.de/nachrichten/news-56843323/detail.html

2 http://www.ingo-heinemann.de/Scientology-eine-verfassungsfeindliche-Bestrebung-STMI-Bayern-1998.pdf

3 Vgl. Potthoff, S. 201-303

4 Vgl. T. Voltz, S. 59

5 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 183f.

6 Vgl. N. Bohn, S. 170 f.

7 Vgl. J. Jacobi, S. 22

8 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 183ff.

9 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 184

10 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 182

11 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 182

12 Nordhausen et al, S. 183

13 F. Nordhausen et al, S. 173

14 F. Nordhausen et al, S. 173

15 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 175

16 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 176

17 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 176

18 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 176

19 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 176 f.

20 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 177

21 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 176

22 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 178

23 Vgl. F. Nordhausen et al, S.178 ff.

24 Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, S.10 ff.

25 Vgl. J. Jacobi, S. 13 f.

26 Vgl. J. Jacobi, S. 14

27 Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, S.10 ff.

28 Vgl. J. Jacobi, S. 18

29 Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, S.10 ff.

30 FOCUS Nr. 22

31 J. Jacobi, S. 20

32 Vgl. J. Jacobi, S. 18 ff.

33 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 138

34 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 139

35 Vgl. J. Jacobi, S. 28 ff.

36 Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, S.10 ff.

37 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 139

38 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 139

39 Vgl. F. Nordhausen et al, S. 139 ff.

40 http://www.ingo-heinemann.de/Ethik-Befehl-Grundlagen.htm#tot

41 http://www.ingo-heinemann.de/Ethik-Befehl-Grundlagen.htm#tot

42 Vgl. T. Voltz, (1997), S. 29 ff.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die Scientology Organisation
Untertitel
Vorstellung der Sekte und sozialdarwinistische Einflüsse in der Ideologie
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Sozialwissenschaft)
Veranstaltung
Evolution, Darwin, Darwinismen im 19. Jhdt
Note
2,0
Autoren
Jahr
2009
Seiten
31
Katalognummer
V182334
ISBN (eBook)
9783656059097
ISBN (Buch)
9783656058953
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Scientology, Darwin, Sozialdarwinismus, Ron L. Hubbard
Arbeit zitieren
Katharina Rothe (Autor:in)Samad Sharif (Autor:in), 2009, Die Scientology Organisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182334

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