Chinas Seltene Erden. Ein Beispiel für die Umkehrung polit-ökonomischer Abhängigkeiten


Seminararbeit, 2011

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhalt

Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Abkürzungen

Abstract

1 Einleitung

2 Seltene Erden - eine Bestandsaufnahme
2.1 Definition und Eigenschaften
2.2 Abbauverfahren
2.3 Vorkommen und Importabhängigkeit

3 Aufstieg Chinas zum Quasi-Monopolisten

4 Die Schattenseiten des Booms

5 Wie China seine Marktmacht zu nutzen versteht
5.1 Chinas restriktive Exportpolitik
5.2 Der Griff zur absoluten Marktkontrolle
5.3 Seltene Erden als politökonomische Waffe

6 Lösungsansätze und Zukunftsstrategien
6.1 Rohstoffdiplomatie, Handelspolitik und Entwicklungshilfe
6.2 Erschließung neuer Rohstoffquellen

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Tabellen

Tabelle 1: Weltweite Förderung von Seltenen Erden 2009*

Tabelle 2: Entwicklung der chinesischen Exportquoten

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Seltene Erden Reserven nach Ländern

Abbildung 2: Übersicht über Minenproduktionen sowie weitere Vorkommen

Abbildung 3: Dudley Chart - Nachfrage und Angebot an SEO in Tonnen pro Jahr

Abbildung 4: Preisentwicklung von ausgewählten „billigen“ SEO

Abbildung 5: Preisentwicklung von ausgewählten „teuren“ SEO

Verzeichnis der Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

Wer heute über Schlüsseltechnologien in Wirtschaft und Militär verfügen will, der kommt an Seltenen Erden nicht vorbei. China ist es bei der Versorgung mit dem begehrten Rohstoff ge­lungen, eine Quasi-Monopolstellung zu erlangen. Die Industriestaaten sind heute hochgradig importanhängig von den Nachschublieferungen aus dem Reich der Mitte. Ein Umstand, den die Volksrepublik zunehmend für ihre politischen wie wirtschaftlichen Zwecke zu nutzen versteht, wodurch unsere westlichen Volkswirtschaften zusehends unter Druck geraten. Eine langfristige Strategie, mit der es gelang Ressourcenreichtum in wirtschaftliche Überlegenheit umzuwandeln, hat China zum weltführenden Hersteller und Verarbeiter von Seltenen Erden gemacht. Neben Investitionen in Bildung und Forschung sind es jedoch auch Lohndumping und Umweltverschmutzung, die Chinas Vorsprung sichern. Eine zunehmend restriktive Ex­portpolitik verschärft diese Probleme noch, zielt allerdings auch primär darauf ab, die chinesische Vormachtstellung in diesem Industriezweig auszubauen. Entsprechende Risiken bestehen für das rohstoffarme Europa, welches neben der Erkundung neuer Rohstoffquellen insbesondere Fortschritte bei der Ressourceneffizienz machen muss.

1 Einleitung

Kaum ein anderer Rohstoff hat in den letzten Jahrzehnten für die wirtschaftliche Entwicklung der Industriestaaten so an Bedeutung gewonnen wie Seltene Erden. Unser moderner Lebens­stil wäre ohne sie ebenso wenig möglich wie Schlüsseltechnologien in Industrie, Energie­gewinnung und Militär. Im auffälligen Kontrast zu der Bedeutung dieses wertvollen Boden­schatzes für die westlichen Industrieländer steht deren nahezu vollständige Abhängigkeit von Importen aus China. Welche weitreichende Folgen damit verknüpft sind, wurde Politik und Wirtschaft erst Ende des vergangenen Jahres schlagartig klar, als China seine Ausfuhrquoten für Seltene Erden drastisch kürzte und damit nicht nur in Deutschland, sondern bei Rohstoff­importeuren rund um den Globus die reale Angst vor einer Versorgungskrise weckte.

Nachfolgende Analyse geht der Frage nach, wie es dem Reich der Mitte, einem langjährigen Entwicklungsland, gelingen konnte, die polit-ökonomsichen Abhängigkeiten auf dem Gebiet der Seltenen Erden binnen drei Jahrzehnten vollständig ins Gegenteil zu verkehren. Dabei spannt die Arbeit einen Bogen von grundlegenden Informationen zu dem begehrten Rohstoff über eine detaillieret Betrachtung des chinesischen Aufstiegs in diesem Industriezweig bis hin zur Untersuchung der jüngsten chinesischen Handelspolitik. Außerdem sollen die Probleme beleuchtet werden, die sich sowohl für die Volksrepublik als auch für die westlichen Staaten aus der momentanen Situation heraus ergeben. Dass Europa in Zukunft bei der Sicherstellung einer zuverlässigen Rohstoffversorgung - nicht nur, aber vor allem in Bezug auf Seltene Erden - zum Umdenken gezwungen ist und neue Wege beschreiten muss, zeigen schließlich die abschließend skizzierten Lösungsansätze.

2 Seltene Erden - eine Bestandsaufnahme

Wer sich mit Seltenen Erden genauer beschäftigt, der stößt früher oder später unweigerlich auf China und dessen dominierende Rolle auf dem internationalen Markt für diesen Rohstoff. Zunächst erscheint es allerdings angebracht einen genaueren Blick auf das zu werfen, was sich genau hinter dem sich doch seltsam anmutenden Namen „Seltene Erden“ verbirgt. Daher sollen nachfolgend erst Eigenschaften und Abbaumethoden des Rohstoffes vorgestellt werden, bevor ein Blick auf dessen globale Verteilung, die nationalen Produktionsvolumina und den daraus resultierenden Handelsströmen geworfen wird.

2.1 Definition und Eigenschaften

Unter den Begriff der Seltenen Erden subsumiert man insgesamt 17 Metalle. Ihrer einzig­artigen atomaren Struktur Rechnung tragend, kommt ihnen im Periodensystem eine eigne Gruppe zu. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Scandium, Yttrium und Lanthan sowie die im Periodensystem auf das Lanthan folgenden 14 Elemente, auch als Lanthanoide be- zeichnet.[1] Neben ihrer chemischen Kategorisierung lassen sich die Metalle allgemein in zwei unterschiedliche Gruppen einteilen. So wird zwischen leichten und schweren Seltenen Erden unterschieden, wobei erstere häufiger vorkommen, letztere aber für Hochtechnologien von größerer Bedeutung sind[2]. Entdeckt wurde der Rohstoff gegen Ende des 18. Jahrhunderts in seltenen Mineralien aus schwedischen Gruben. Einzelne Metallelemente konnten aus diesen Mineralien in Form ihrer Oxide isoliert werden, diese Sauerstoff-Verbindungen wurde damals als „Erden“ bezeichnet, was dem Rohstoff seinen irreführenden Namen verlieh[3]. Seltene Erden sind nämlich nicht nur keine Erden, sie sind geologisch betrachtet auch nicht selten. In geringen Konzentrationen lassen sie sich nahezu überall in der Erdkruste finden, wobei Metalle wie Yttrium, Neodym und Cer weitaus häufiger vorkommen als Blei. Selbst die seltensten stabilen Lanthanoide, Lutetium und Thulium sind verglichen zu Gold noch über 100-mal häufiger in der Erde aufzufinden.[4] Allerdings variieren Seltene Erden, die mit­einander vergesellschaftet sind und daher nur zusammen abgebaut werden können, stark in ihrer Konzentration. Am häufigsten vertreten sind sie in den Mineralien Bastnäsit und Monazit, aber selbst hier ist die relative Häufigkeit der verschiedenen Metalle fundortsspezi­fisch und damit von Erzvorkommen zu Erzvorkommen unterschiedlich. Die Suche nach Lagerstätten, welche einen wirtschaftlich rentablen Abbau garantieren, gestaltet sich daher bereits aufgrund der natürlichen Gegebenheiten als schwierig, die aufwendigen und kost­spieligen Veredelungsverfahren noch nicht mit inbegriffen.[5] Trotz dieser Widrigkeiten lohnt die Förderung, denn der Rohstoff ist heiß begehrt.

Ohne Seltene Erden wäre unser moderner Lebensstil nicht möglich. Im Alltag begegnen sie uns versteckt und schmal dosiert in vielen Konsumgütern wie Smartphones, Plasma- und LCD Bildschirmen, Computerfestplatten, Leuchtdioden oder Digitalkameras.[6] Ihre spezielle atomare Beschaffenheit verleiht ihnen bevorzugte Eigenschaften und macht sie für zahlreiche Hightech Anwendungen unverzichtbar. So bilden sie in Verbindung mit anderen Metallen starke und trotzdem leichtgewichtige Magnete, außerdem besitzen sie wertvolle optische Eigenheiten wie Fluoreszenz oder die Ausstrahlung von kohärentem Licht.[7] Industriell werden Seltenerdmetalle sowie deren Salze neben Lasermaterialien, Farbpigmenten und Glas­farbstoffen auch als Legierungssätze, in Poliermitteln, Kondensatoren oder Katalysatoren verwendet, wobei sich diese Aufzählung noch nahezu nach Belieben fortsetzen lässt[8]. Essenziell ist die Bedeutung der Seltenen Erden auch als strategische Ressource in der Waffenindustrie. Von Navigationssystemen für Kampfpanzer oder neuartigen Hybridan­trieben in Marineschiffen über die Steuerungselektronik für Kampfjets, Drohnen und Satelliten bis hin zu Radar- und Raketenlenksystemen, Präzisionswaffen sowie reaktiver Panzerung - in nahezu jedem modernen Waffensystem scheinen diese Metalle verbaut zu sein.[9] Doch damit nicht genug, auch die Entwicklung von grünen Schlüssel- und Zukunfts­technologien hängt in entscheidendem Maße von der Verfügbarkeit dieses Rohstoffes ab. Ohne Lanthan keine Batterien für das Elektroauto, ohne Scandium und Yttrium keine Fest- oxid-Brennstoffzellen. Zur Herstellung von Windkraftgeneratoren wird Neodym benötigt und selbst Energiesparlampen kommen nicht ohne Europium, Terbium oder Gadolinium aus.[10] Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass diese 17 Metalle moderne Technologien in den unterschiedlichsten Industriezweigen ermöglichen, die ohne sie überhaupt nicht oder nur mit geringerer Leistungsfähigkeit möglich wären.[11] Auf dem Weg in das Zeitalter der er­neuerbaren Energien kommen die Industrienationen an Seltenen Erden nicht vorbei. So stellt auch die Europäische Kommission (EU-Kommission) in einem eigens zur Rohstoffver­sorgung verabschiedeten Strategiepapier fest: „Ohne diese Metalle wird der EU [Europäische Union] die Umstellung auf nachhaltige Produktion und umweltfreundliche Produkte nicht gelingen. Sie sind unerlässlich für innovative Umwelttechnologien zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Senkung der Treibhausgasemissionen.“[12]

2.2 Abbauverfahren

Ironischerweise gestaltet sich die Gewinnung der Seltenen Erden alles andere als umwelt­verträglich. So sind entsprechende Verfahren um die Erdenmetalle zu extrahieren und zu Ver­edeln nicht nur kompliziert und kostenintensiv, sondern auch hoch giftig für die Umwelt. Zunächst werden dabei Eisenerze, in denen entsprechende Mineralien wie Bastnäsit enthalten sind, an geeigneten Stellen durch gewöhnliche Abbaumethoden aus dem Boden entnommen. In dieser Form enthält das Erz neben dem Seltenerdfluorcarbonat auch noch weitere un­brauchbare Mineralien, weshalb anschließend das Rohmaterial durch Zerkleinerungsprozesse zu einem feinen Sand bzw. Schlick zermalen wird. So gelingt es, die einzelnen Mineralkörner voneinander zu lösen. Erst das anschließende Flotationsverfahren ermöglicht die endgültige Trennung des Bastnäsits von anderen Mineralien. Während dieses Prozesses wird der Schlick unter Hinzugabe chemischer Schaumbildner in luftdurchströmte Tanks gefüllt. Blasen bilden sich, an denen das feinkörnige Bastnäsit haften bleibt, sodass das Mineral in seiner Rheinform als Schaum an der Oberfläche des Flotationsbades abgeschöpft werden kann. Die Isolation der Seltenen Erden erfolgt dann wiederum in einem speziellen Trennverfahren durch Auswaschen der Metalle unter Hinzunahme von Schwefelsäure, Nitratsalzen und weiterer Chemikalien. Jedes Element verlangt dabei seinen eigenen Extraktionsvorgang, wobei manche Seltenerd­metalle durch weitere Prozesse nochmals aufbereitet werden müssen, um ihren idealen Rein­heitsgrad zu erlangen. Sind die Elemente schließlich erfolgreich separiert, haben sie die Form von Oxiden, die getrocknet, gelagert und anschließend zur weiteren Verarbeitung verschifft werden können.[13]

Der geschilderte Gesamtprozess vom Erzabbau bis zur Oxidherstellung dauert zehn Tage, wobei mit der Produktion einer Tonne an Seltenen Erden rund 2.000 Tonnen an Rückständen einhergehen. Darin enthalten sind giftige Abfälle, unter anderem in Form von Schwer­metallen, Säuren und Fluoriden sowie teilweise radioaktive Materialien, die wiederum in künstlich errichteten Teichen gelagert werden.[14] Ohne entsprechende Vorkehrungen und Kontrollen sind Umweltschäden vorprogrammiert, was der Blick nach China bestätigt. Dort, in der Provinz Innere Mongolei, befindet sich nördlich von Baotou gelegen das größte Tage­bau-Bergwerk für Eisenerze und Seltene Erden der Welt.[15] In der Mine Bayan Obo wurden zeitweise bis zu 45 Prozent der Weltproduktion an Lanthanoide gefördert, mittlerweile ist dadurch ein Giftsee von zwölf Kilometer Länge entstanden, voll mit umweltschädlichen Chemikalien sowie von Tonnen radioaktiven Thoriums - ein trauriger Weltrekord. Die mit dem Abbau von Seltenen Erden einhergehende Gefahr des Austritts der Giftstoffe in den Luft- und Wasserpfad ist hier schon längst zur bitteren Realität geworden. Das Land im Umkreis der Mine ist inzwischen hochgradig verseucht. Nicht nur Tiere verenden aufgrund von Mutationen, auch hat in den Dörfern rings um Bayan Obo, die nur zögerlich evakuiert werden, die Zahl der an Krebs Erkrankten signifikant zugenommen. Von dem erhöhten Lungenkrebsrisiko der Minenarbeiter, die täglich giftigen Staub inhalieren, ganz zu schwiegen.[16] Doch auch außerhalb Chinas führt der hohe Zeit- und Kostendruck, dem die Bergbauindustrie unterliegt, immer wieder zu schweren Umweltschäden und Projekten mit inakzeptablen Umweltstandards. Beispiele dafür gibt es auch in Europa, so verwüstete erst im letzten Jahr der Dammbruch in einem ungarischen Aluminiumoxid-Werk einen ganzen Land­strich mit Bauxitschlamm, während Pläne für eine integrierte Uran- und Seltene Erden­Förderung in Grönland die Speicherung giftiger Rückstände in einem natürlichen See mit direkter Meeresverbindung vorsehen.[17]

2.3 Vorkommen und Importabhängigkeit

Nach Schätzungen der US-amerikansichen Geological Survey aus dem Jahr 2010 belaufen sich die weltweiten Reserven aller Seltene Erden-Oxide (SEO), die ökonomisch genutzt werden könnten, auf 99 Mio. Tonnen.[18] Abbildung 1 auf Seite sechs bietet Aufschluss darüber, wie sich diese auf einzelne Länder verteilen. Mit 36 Mio. Tonnen oder umgerechnet einem Anteil von 36 Prozent verfügt China bei Weitem über die größten Bestände, wobei 2009 sein geschätzter Anteil an den Reserven weltweit mit fast 58 Prozent noch um das Anderthalbfache höher ausfiel.[19] Mit deutlichem Abstand folgen die GUS-Staaten (19 Mio. Tonnen) und auf dem dritten Platz die USA mit Reserven in Höhe von 13 Mio. Tonnen respektive einem Anteil von 13 Prozent.

Abbildung 1: Seltene Erden Reserven nach Ländern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: USGS (2010), S. 129.

*Andere Staaten: Brasilien, Malaysia, Kanada, Grönland, Südafrika, Malawi u.a.

Größere Vorkommen werden außerdem noch in Australien und Indien vermutet während auch

Staaten wie Kanada, Südafrika, Vietnam und Brasilien in ihrem Erdreich über entsprechende Depots verfügen.[20] Aus europäischer Perspektive interessant erscheinen außerdem die in schwedischem Boden lagernden 500.000 Tonnen an Seltene Erden Reserven und selbst in Sachsen werden derzeit Möglichkeiten zum Abbau des bereits in den Siebziger Jahren nahe Storkwitz entdeckten Vorkommens, welches geschätzt rund 41.600 Tonnen an SEO umfassen und über hohe Anteile des begehrten Yttriums verfügen sollen, geprüft[21]. Auf das globale Ressourcenpotenzial bezogen erscheinen diese kleineren Vorkommen allerdings marginal, insbesondere wenn man noch in Betracht zieht, dass zukünftig der jährliche Bedarf allein in der deutschen Industrie von Experten auf mindestens 50.000 Tonnen geschätzt wird[22]. Bringt bereits Abbildung 1 deutlich die starke geografische Konzentration des Rohstoffes zum Aus­druck, setzt sich diese Tendenz unter Hinzunahme der tatsächlichen Förderquoten, für das Jahr 2009 zusammengestellt in Tabelle 1 auf Seite sieben, weiter fort. Von den legal ge­förderten gut 123.700 Tonnen weltweit lieferte China allein 120.000 Tonnen, was einemüberwältigenden Anteil von 97 Prozent entspricht.[23] Die momentane Weltjahresproduktion ist damit noch weitaus einseitiger verteilt, wie es die Konzentration der Reserven bereits ver­muten lässt. Derzeit gelangen kaum Seltenerdmetalle auf den Weltmarkt, die nicht aus chinesischen Minen stammen.[24]

Tabelle 1: Weltweite Förderung von Seltenen Erden 2009*

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: USGS (2010), S. 129.

*Nicht berücksichtigt sind die illegale Produktion chinesischer Minen sowie das kleinere Produktionsvolumen der GUS-Staaten.

Die wichtigsten Importeure von Seltenen Erden, Japan, die USA und Europa bezogen im Jahr 2008 jeweils ca. 90 Prozent ihrer Einfuhren aus China.[25] „Die EU ist bei Hochtechnologie­metallen wie [...] seltene Erden [...] hochgradig importabhängig.“,[26] gibt folglich auch die EU-Kommission zu bedenken. An anderer Stelle ist sogar von einer „kritische [n] Abhängigkeit der EU“ die Rede.[27] Aufgrund des weltweit steigenden Bedarfs (mindestens zehn Prozent Wachstum jährlich) und der in jüngster Zeit zunehmend restriktiven Exportpolitik Chinas scheinen Versorgungsengpässe vorprogrammiert, so wird bis 2014 eine Verknappung bei bis zu sieben Elementen (Dysprosium, Europium, Lanthan, Neodym, Praseodym, Terbium und Yttrium) prognostiziert.[28] Bereits Ende 2010 waren aufgrund der vorübergehend stark ge­drosselten chinesischen Exporte einige Unternehmen in Deutschland von akuten Lieferaus­fällen betroffen, was Harald Elsner, Geologe an der im Oktober 2010 gegründeten Deutschen Rohstoffagentur, schon als den „Beginn einer Versorgungskrise“ bezeichnete.[29] Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund ihrer fundortsspezifischen Zusammensetzung, das Angebot an verschiedenen Seltenerdmetallen sich nicht mit ihrer industriellen Nachfrage deckt.[30] Sowohl die EU als auch die USA stufen Seltene Erden als kritischen Rohstoff ein, das heißt, Ver­sorgungsengpässe bei diesem Rohmaterial fallen stärker ins Gewicht als bei anderen Werk­stoffen und richten erhöhten volkswirtschaftlichen Schaden an. Unter diesen kritischen Roh­stoffen wiederum schätzt die EU das Versorgungsrisiko bei Seltenen Erden mit Abstand am höchsten ein.[31]

Nicht verschwiegen werden sollte, dass die steigenden Preise für Seltenerdmetalle zu einer Vielzahl neuer Förderungsprojekten außerhalb Chinas geführt haben. Eine Entwicklung, die generell das Potenzial birgt, Importabhängigkeiten zu verlagern und Chinas Einfluss auf dem Markt zurückzuschrauben. Abbildung 2 bietet neben den laufenden Minenproduktionen mit klarer Schwerpunktsetzung auf China auch einen Überblick über geplante Förderstätten und derzeit wirtschaftlich ungenutzte große Vorkommen. Am weitesten fortgeschritten sind dabei die Projekte zur Widereröffnung der Mountain Pass Mine in den USA, welche 2012 die Produktion aufnehmen soll sowie die Errichtung einer neuen Förderstätte am Mt. Weld, Australien, mit Weiterverarbeitung des Rohstoffes in Malaysia. Weitere Unternehmungen sind u.a. geplant in Kanada, Vietnam, der Mongolei und Indien[32].

Abbildung 2: Übersicht über Minenproduktionen sowie weitere Vorkommen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Öko-Institut (2011), S. 1.

Jedoch bestehen große Hürden, die es neuen Akteuren schwer machen werden, auf dem Markt für Seltene Erden überhaupt Fuß zu fassen. Neben bereits angesprochenen unterschiedlichen Verfahrenstechniken für jedes Erzvorkommen, den Umweltproblemen und hohen Kapital­kosten zur Errichtung der notwendigen Infrastruktur, bestehen nur langfristig große Gewinn­aussichten. So kann von Planung bis zur Produktionsaufnahme der Mine ein Jahrzehnt ver­gehen, der Aufbau einer unabhängigen Versorgungskette kann gut 15 Jahre in Anspruch nehmen[33]. Hinzu kommt ein konsumentenspezifisches Marketing, da der Rohstoff nicht an Börsen gehandelt wird, und noch weitaus schwerwiegender die begrenzte Fachexpertise außerhalb Chinas in einer Branche, die von eben diesem Land mit seinen niedrigen Inputkosten dominiert wird.[34] So ist beispielsweise der Betreiber der Mountain Pass Mine in Kalifornien, Molycorp Minerals, dazu gezwungen, die dort gewonnenen SEO zur Weiterver­arbeitung nach China zu transportieren, weil das entsprechende Know-how in den USA nicht(mehr) zur Verfügung steht[35]. Die Frage drängt sich auf, wie unsere Industrienationen von einem Staat, der lange Zeit als Entwicklungsland gegolten hat und dessen Förderanteil 1980 noch lediglich zehn Prozent der Weltproduktion ausmachte, auf dem Gebiet dieser wichtigen Ressource so abhängig werden konnten.[36]

3 Aufstieg Chinas zum Quasi-Monopolisten

Von Anfang der 1950er bis Mitte der Achtziger Jahre waren es noch die USA, welche in diesem Industriezweig in Produktion und Forschung weltweit führend waren. Dieser Umstand ergab sich in erster Linie als Nebenprodukt des Kalten Krieges, denn auf der Suche nach Uran war man im Mountain Pass auf große Vorkommen an Seltenen Erden gestoßen, sodass bereits in den frühen Fünfzigern mit dem Abbau begonnen werden konnte. In den folgenden zwei Jahrzehnten entwickelte sich die Mountain Pass Mine zum führenden Lieferanten von Europium, einem Seltenerdmetall, welches damals insbesondere in den neu aufkommenden Farbfernsehern zur Erzeugung roten Lichts eingesetzt wurde und auf welches die Wissen­schaft ihren Fokus gerichtet hatte. Der Minenbesitzer Molycorp investierte Millionen in Ab­bau und Forschung und blieb bis in die Siebziger Jahre der weltweit größte Produzent von Seltenen Erden[37]. Zwar hatte China bereits in den Sechziger Jahren Pläne zur Nutzen­maximierung des Minengebiets in Bayan Obo entworfen, an technischen Fähigkeiten bleib das Land allerdings noch für Jahrzehnte den amerikanischen Produzenten unterlegen.

Nichtsdestotrotz schien die Staatsführung in Peking früh erkannt zu haben, welche Möglich­keiten der Ressourcenreichtum des Landes auf dem Gebiet der Seltenen Erden bot und begann konsequent in den Ausbau ihrer Produktion zu investieren. Technisches Personal wurde an­gestellt, effizientere Veredelungsverfahren entwickelt und neue Technologien auf diesem Ge­biet erforscht. Gefördert durch die Unterstützung der Zentralregierung boomte bald Abbau, Raffinerie und Erforschung von Seltenen Erden in China, während in den USA der akademische Fokus bereits weitergezogen war.[38] So stieg mit dem wachsenden globalen Konsum auch das chinesische Produktionsniveau überdurchschnittlich stark an, zwischen 1978 und 1989 betrugen die jährlichen Wachstumsraten in der Förderung der Seltenerd­metalle durchschnittlich 40 Prozent, was China zum größten Hersteller von Seltenen Erden machte.[39] Von Ende der Achtziger bis über die Neunziger Jahre hinaus überschwemmten dann chinesische Exporte den globalen Markt für Seltene Erden. Ein jäher Preisabsturz, der westliche Produzenten konkurrenzunfähig machte, war die Folge. Bald war es China, das dank Lohndumping und laxen Umweltstandards die Versorgung dominierte während Anbieter wie Molycorp aus dem Wettbewerb ausscheiden mussten. 2002 schließlich schloss die Mountain Pass Mine endgültig ihre Pforten, das chinesische Überangebot verbunden mit strengeren Umweltauflagen als Folge eines Umweltskandals Mitte der Neunziger, bei dem chemisch und radioaktiv belastetes Abwasser in die Umwelt austrat, hatten die Produktion in den USA unrentabel gemacht.[40] Was der einstige politische Führer der Volksrepublik, Deng Xiaoping, bereits 1992 mit den Worten „There is oil in the Middle East; there is rare earth in China,“[41] angedeutet hatte und Jiang Zemin sieben Jahre später wie folgt konkretisierte: „Improve the development and application of rare earth, and change the resource advantage into economic superiority.”[42], war Realität geworden: China war faktisch zum Monopolisten in der Herstellung der begehrten Metalle aufgestiegen und sollte es in der Folge verstehen, die neu gewonnene Marktmacht zu seinen Gunsten einzusetzen.

Hatten die USA bereits bei der Herstellung von Seltenerdmetallen China das Feld überlassen müssen, kam es im weiteren Verlauf auch zu einer schleichenden Ablösung des amerikanischen Führungsanspruchs bei nachgelagerten Industriezweigen wie der Magnet­produktion. Noch 1986 hatte General Motors nach der Erfindung eines neuartigen Magnet­pulvers, basierend auf Neodym, das Tochterunternehmen Magnequench gegründet. Zu diesem Zeitpunkt allerdings befanden sich die Preise für Seltene Erden bereits im freien Fall, wodurch auch die Magnetindustrie verstärkt unter Preisdruck geriet und viele US-Hersteller schließen mussten oder aber ihre Produktion nach China verlagerten.[43] 1995 wurde Magnequench von einem Konsortium aus zwei chinesischen Unternehmen und einem amerikanischen Investor übernommen, nachdem China den auf die Übernahme aufmerksam gewordenen US-Behörden versichert hatte, den Standort des Unternehmens für mindestens fünf Jahre in Indiana zu belassen. 2002 dann, unmittelbar nach Ablauf der Frist, wurde das in der Magnetforschung führende Unternehmen vollständig nach China abgezogen, was wie Kent Garber betont als „part of a ‘detailed strategy‘ to control rare earth“ angesehen werden kann.[44] Fakt ist, dass mit Magnequench nahezu der gesamte Technologiezweig aus den USA verschwunden ist. 1998 hatten die führenden Industrieländer USA, Japan und die EU noch 90 Prozent der Weltproduktion an Permanentmagneten inne, von 1996 bis 2006 betrug das jähr­liche Wachstum Chinas in diesem Industriesektor über 30 Prozent, wobei sich in diesem Zeit­raum der Gesamtoutput der Branche verfünfzehnfacht hat. 2007 verzeichneten 130 große Neodym-Eisen-Bohr-Magnet Hersteller ihren Hauptsitz in China, während die Zahl der US- Arbeiter in der High-Performance-Magnetindustrie innerhalb von zehn Jahren um 80 Prozent gefallen ist.[45] Auch hier hat sich folglich der Markt in weniger als einem Jahrzehnt einem vollständigen Führungswechsel unterzogen. Keine einzige amerikanische Firma produziert heute noch Neodymmagnete, die für Windturbinen, Smart Bomben und vieles mehr benötigt werden.[46]

Im Gegensatz dazu hat China seinen Ressourcenreichtum dazu genutzt, in der heimischen Wirtschaft ganze Innovationscluster anzusiedeln, die vom Abbau über Extraktion und Ver­edelung bis hin zur Weiterverarbeitung von Seltenen Erden reichen. Sie bilden eine not­wendige Voraussetzung für Fortschritt, der wirtschaftlich-technische Ballungszentren benötigt und nur schwerlich in Isolation zustande kommt.[47] Im akademischen Bereich erfreuen sich Seltenerdmetalle größtem Interesse. So sichern vier Laboratorien mit unterschiedlichen, sich ergänzenden Forschungsschwerpunkten Chinas wissenschaftlichen Vorsprung bezüglich Seltenen Erden, wobei sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsbezogene Forschung betrieben wird. Das 1963 errichtet Baotou Research Institut of Rare Earth ist auf seinem Gebiet die größte Forschungseinrichtung weltweit. Ergänzt werden diese Institutionen von zwei wissenschaftlichen Zeitschriften, die sich ausschließlich mit dem Rohstoff be­schäftigen, was ebenfalls einzigartig ist auf der Welt.[48] Insgesamt zeigen diese An­strengungen, dass China sein Führungsanspruch rund um den Bereich der Seltenen Erden mehr zu verdanken hat, als lediglich niedrigen Löhnen und umweltbelastenden Produktions­standards. Trotzdem brachte der Boom in diesem Industriesektor einige oft hausgemachte Probleme mit sich, welche das Land bis heute vor große Herausforderungen stellen und nicht verschwiegen werden dürfen.

[...]


[1] Deutscher Bundestag (2010), S. 1, EC (2010a), Annex V, S. 160 sowie Garber (2009).

[2] Hurst (2010), S. 3 sowie Öko-Institut (2011), S. 1.

[3] Deutscher Bundestag (2010), S. 1 sowie Sandalow (2010), S. 2.

[4] Deutscher Bundestag (2010), S. 1 sowie Hurst (2010), S. 3f.

[5] Hurst (2010), S. 4 sowie EC (2010a), Annex V, S. 160.

[6] Deutscher Bundestag (2010) S. 1, Garber (2009), Hurst (2010), S. 1 sowie Öko-Institut (2011), S. 1.

[7] Sandalow (2010), S. 2.

[8] Deutscher Bundestag (2010), S. 1 sowie ausführlich EC (2010a), Annex V, S. 161f. Einen guten Überblick über die Haupteinsatzgebiete von Seltenen Erden findet sich außerdem bei Öko-Institut (2011), S. 5.

[9] Anon. (2010a), Hsu (2010) sowie Hurst (2010), S. 1.

[10] Deutscher Bundestag (2010), S. 1, Liebrich (2010a), S. 1, Mayer-Kuckuk (2010), Sandalow (2010), S. 3f. sowie Öko-Institut (2011), S. 5f., hier insbesondere auch zur Bedeutung der Seltenen Erden für eine umwelt­freundliche Energiewirtschaft.

[11] Deutscher Bundestag (2010), S. 1.

[12] EC (2010b), S. 3.

[13] Zum Abbauvorgang vgl. Hurst (2010), S. 4f.

[14] Hurst (2010), S. 5 und S. 17 sowie Öko-Institut (2011), S. 2f.

[15] Bork (2010), S. 3f. sowie Hurst (2010), S. 16f.

[16] Eine ausführliche Schilderung der Missstände findet sich bei Bork (2010), S. 3f., ebenfalls dazu Hurst (2010), S. 16-18. Zu den Gefahren im Allgemeinen vgl. Öko-Institut (2011), S. 2f.

[17] Liebrich (2010b), S. 1 sowie Öko-Institut (2011), S. 3.

[18] USGS (2010), S. 129. Vgl. dazu auch EC (2010a), Annex V, S. 160 sowie Öko-Institut (2011), S. 1. In Deutscher Bundestag (2010), S. 1 ist von knapp 100 Mio. Tonnen die Rede.

[19] USGS (2010), S. 129. Zu den Daten von 2009 vgl. Korinek and Kim (2010), S. 10.

[20] USGS (2010), S. 129. Vgl. dazu auch Deutscher Bundestag (2010), S. 1f. sowie Öko-Institut (2011), S. 2.

[21] Deutscher Bundestag (2010), S. 2 sowie EC (2010a), Annex V, S. 161.

[22] Liebrich (2010a), S. 3.

[23] EC (2010a), Annex V, S.160, Korinek and Kim (2010), S. 9 sowie USGS (2010), S. 129.

[24] Korinek and Kim (2010), S. 9f. sowie Öko-Institut (2011), S. 2.

[25] EC (2010a), Annex V, S. 160 sowie Öko-Institut (2011), S. 4.

[26] EC (2010b), S. 3, eigene Hervorhebung.

[27] Ebd., S. 2.

[28] Garber (2009), Korinek and Kim (2010), S. 22 sowie Öko-Institut (2011), S. 6.

[29] Anon. (2010c).

[30] So besteht momentan ein erhöhter Bedarf an Lanthan für Akkumulatoren, Neodym und Dysprosium für Hochleistungsmagnete sowie an Erbium und Yttrium für Leuchtstoffe. Vgl. Dazu Deutscher Bundestag (2010), S. 2.

[31] EC (2010a), S. 23. Zur Einschätzung des europäischen Versorgungsrisikos ausführlich ebd., S. 33-38 sowie EC (2010a), Annex V, S. 160. Zu den USA vgl. Hsu (2010).

[32] Deutscher Bundestag (2010), S. 2, EC (2010a), Annex V, S. 161, Hsu (2010) sowie Öko-Institut (2011), S. 2.

[33] EC (2010a), Annex V, S. 163 sowie Hsu (2010).

[34] EC (2010a), Annex V, S. 163, Garber (2009) sowie Korinek and Kim (2010), S. 20.

[35] Garber (2009) sowie Hsu (2010).

[36] Deutscher Bundestag (2010), S. 2.

[37] Garber (2009).

[38] Garber (2009) sowie Hurst (2010), S. 5f. und S. 11.

[39] Garber (2009) sowie Hurst (2010), S. 5f. und S. 11.

[40] Garber (2009) sowie Hurst (2010), S. 11.

[41] Hurst (2010), S. 11.

[42] Ebd.

[43] Garber (2009).

[44] Zitat: Garber (2009) sowie allgemein Hurst (2010), S. 12f.

[45] Garber (2009) sowie Hurst (2010), S. 13.

[46] Garber (2009).

[47] Ebd.

[48] Dazu ausführlich Hurst (2010), S. 8-10.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Chinas Seltene Erden. Ein Beispiel für die Umkehrung polit-ökonomischer Abhängigkeiten
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Politik und Entwicklung außerhalb der OECD-Welt)
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
33
Katalognummer
V182467
ISBN (eBook)
9783656065333
ISBN (Buch)
9783656065500
Dateigröße
725 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
chinas, seltene, erden, beispiel, umkehrung, abhängigkeiten
Arbeit zitieren
Thomas Rohm (Autor:in), 2011, Chinas Seltene Erden. Ein Beispiel für die Umkehrung polit-ökonomischer Abhängigkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182467

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Titel: Chinas Seltene Erden. Ein Beispiel für die Umkehrung polit-ökonomischer Abhängigkeiten



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