Die Regional Economic Communities der Afrikanischen Union – Probleme und Chancen im „Spaghetti Bowl“


Seminararbeit, 2010

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die SADC - Geschichte und Aufbau
2.1 Entscheidende Probleme und Chancen

3. Die IGAD - Geschichte und Aufbau
3.1 Entscheidende Probleme und Chancen

4. Die ECOWAS - Geschichte und Aufbau
4.1 Entscheidende Probleme und Chancen

5. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Das Netzwerk der zwischenstaatlichen und überregionalen Beziehungen und Verträgen innerhalb von Afrika ist von kaum zu überschauender Vielfalt und Komplexität geprägt, was diesem System auch den Titel „Spaghetti Bowl“ eingebracht hat. Dieses komplexe Netzwerk, welches ja eigentlich Integration und Kooperation auf dem afrikanischen Kontinent steigern soll, wirkt aufgrund der mannigfaltigen Vertragsverpflichtungen, die teilweise auch widersprüchlich sind, aber letztlich integrationshemmend. Einen Ausweg aus diesem Dilemma soll eine Fixierung auf die von der AU anerkannten Regional Economic Communities (RECs) bieten, welche auch einen Kern der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur bilden. Diese anerkannten RECs sind: die Arab Maghreb Union (UMA), Common Market for Eastern and Southern Africa (COMESA), Community of Sahel-Saharan States (CEN-SAD), East African Community (EAC), Economic Community of Central African States (ECCAS), Economic Community of West African States (ECOWAS), Intergovernmental Authority on Development (IGAD) sowie die Southern African Development Community (SADC). Einige dieser RECs, wie z.B. COMESA, sind aufgrund ihrer schieren regionsüberschreitenden Größe nicht geeignet, eine hohe integrative Kraft zu entfalten. Diese Arbeit wird sich daher exemplarisch auf die drei am Besten bekannten und regional beschränkten RECs SADC, ECOWAS und IGAD beschränken. Ich werde diese drei Organisationen kurz in Geschichte und Struktur vorstellen und dann als jeweiligen Schwerpunkt auf die Herausforderungen, Probleme und Chancen dieser Organisationen eingehen. Am Ende werde ich mit einem vergleichenden Fazit schließen und bewerten, welche REC die besten Zukunftsperspektiven besitzt. Aus theoretischer Sicht bietet es sich an, diese Organisationen mit Hilfe der Regional Security Complex Theory der Kopenhagener Schule zu betrachten, da es sich bei diesen RECs im Prinzip um institutionalisierte RSCs handelt. Aufgrund des Umfangs dieser Arbeit ist mir eine explizite Einbindung der Theorie nicht möglich, ich werde allerdings auf Aspekte der Kopenhagener Schule bei meiner Bewertung zurückgreifen. Hierbei werde ich mich insbesondere der Agenda und Stabilität der jeweiligen Ankerstaaten widmen. Zuerst möchte ich im Folgenden die SADC näher betrachten.

2. Die SADC

Die südafrikanische SADC-Region bildet einen klassischen, unipolaren RSC mit Südafrika in seinem Zentrum. Der Hauptgrund für die südafrikanische Dominanz ist in der geschichtlichen Entwicklung zu sehen. Südafrika wurde viele Jahrzehnte vor allen anderen Staaten im südlichen Afrika unabhängig und konnte in dieser Zeit eine erhebliche wirtschaftliche und militärische Stärke aufbauen, welche von den angrenzenden Staaten bis heute nie aufgeholt werden konnte (vgl. Buzan; Waever 2003; 234). Mit dem Beginn der Unabhängigkeit der bisherigen Kolonien und dem Zusammenbruch des rhodesischen Apartheidsregimes Ende der 1970er Jahre wurde Südafrika zunehmend in der Region isoliert, ohne das die angrenzenden Staaten jedoch ein machtpolitisches Gegengewicht formen konnten. Bis zum Ende der Apartheid in Südafrika blieb die heutige SADC-Region eine klassische „conflict formation“, was sich auch in einer Vielzahl südafrikanischer Militärinterventionen zeigte (vgl. ebd). Als Versuch einer Gegenkraftbildung gründeten die Frontlinienstaaten 1980 die SADCC (Southern African Development Conference) als intergouvernementale Organisation, um vor Allem die wirtschaftliche Übermacht Südafrikas zu brechen. Erst mit dem Zusammenbruch des Apartheidsregimes wandelte sich der südafrikanische RSC relativ schnell zu einem security regime, was auch zu einer Umbildung der anti-Apartheidsorganisation SADCC (Southern African Development Conference), zur neuen SADC unter Einschluss Südafrikas im Jahre 1992 führte (vgl. ebd.; 235). Wichtige erklärte Ziele der SADC sind der Abbau von Zollschranken, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Entwicklungszusammenarbeit und Generierung von Sicherheit (vgl. SADC Website 2011). In den 1990er Jahren zeigten sich auch erste Tendenzen der SADC sich zu einer Security Community zu entwickeln, was an den Interventionen in Lesotho und Mosambik gut zu erkennen ist. Trotz dieser vielversprechenden Ansätze und den auf dem „human security“ Begriff fußenden Sicherheitsverständnis der SADC gelang es nicht, diesen Trend fortzusetzen. Südafrika unter Mbeki begann an der Schwelle zum neuen Jahrtausend sich verstärkt nach innen auszurichten und nach außen vor allem symbolische Politik zu betreiben. Die Securisierung sozialer und gesellschaftlicher Fragen wie z.B. AIDS trug ein übriges zur beinahe schon solipsistischen Innenwendung Südafrikas bei (vgl. Buzan, Waever 2003; 236ff.). Auch die „quiet diplomacy“ gegenüber Simbabwe ordnet sich nahtlos in dieses Schema ein.

Die Grundgliederung der SADC zum heutigen Tag (April 2011) ähnelt vom Aufbauprinzip dem anderer intergouvernementale Organisationen und stellt sich wie folgt dar: An der Spitze steht der „Summit“, also das jährliche Treffen der Staats- und Regierungschefs der SADC (vgl. SADC Website 2011), auf welchem nach dem Einstimmigkeitsprinzip die Leitrichtung der Organisation sowie die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten entschieden wird. Das zweite wichtige Organ stellt der „Council of Ministers“ dar, der als ständiges Gremium die Gipfeltreffen vorbereitet und die Akzeptanz möglicher Entscheidungen im Vorfeld sondiert (vgl .ebd.). Des Weiteren gibt es noch das Sekretariat, welches für die Überwachung und Kontrolle des Integrationsprozesses, sowie das Micromanagement der einzelnen Programme zuständig ist. Das Sekretariat ist das eigentliche Arbeitsorgan der SADC, wobei es allerdings stark durch die Vorgaben des SADC-Gipfels eingeschränkt ist. Das Organ for Politics, Defence and Security (OPDS), welches die Keimzelle einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik darstellen soll, sowie das SADC- Tribunal, welches zwar schon 1992 gegründet wurde, aber erst 2005 seine Arbeit aufnahm, sind bislang ohne nennenswerte politische Bedeutung geblieben (vgl. ebd.). An diesem Organisationsaufbau erkennt man bereits, dass es extrem schwierig für die SADC ist, wichtige und vor Allem kontroverse Entscheidungen zu treffen. Dieses und andere Probleme werde ich im nächsten Abschnitt weiter thematisieren.

2.1 Entscheidende Probleme und Chancen

Eine der größten Herausforderungen für die SADC ist das Schwache, nahezu rein intergouvernementale und auf Einstimmigkeit ausgelegte Institutional Design. Es ist fast eine Unmöglichkeit bei weitreichenden Entscheidungen so verschiedene Staaten wie Südafrika, Botswana, Madagaskar, Zimbabwe und die Demokratische Republik Kongo unter einen Hut zu bekommen. Auch haben viele SADC Mitgliedsstaaten, besonders die autoritäreren, kein Interesse an einem Kompetenztransfer hin zu einem mehr supranationalen Konstrukt mit eigener Sach- und Entscheidungskompetenz. Aber auch die demokratischen Staaten wollen ihre erste vor einigen Jahrzehnten gewonnene politische Autonomie und Unabhängigkeit nicht schon wieder abtreten. Hinzu kommt, dass Südafrika als unbestrittene Führungsmacht im südlichen Afrika auch als „Hausherr“ der SADC gesehen wird. Somit wird eine Stärkung der SADC und ein möglicher Kompetenztransfer hin zu SADC als Kompetenzabgabe an Südafrika gewertet und als solcher abgelehnt. Paradoxerweise ist die südafrikanische Praxis komplett gegenteilig. Anstatt die eigene Macht auf den gesamten SADC-Raum zu projizieren, wendet sich Südafrika verstärkt nach innen, um zuerst die Probleme im eigenen Land zu lösen. Durch diese Innenwendung verliert der südafrikanische RSC und die SADC seinen notwendigen Impulsgeber für eine konsequente Weiterentwicklung (vgl. Prys 2008; 7ff.). Ein weiteres politisches Hemmnis ist die Verflechtung mit weiteren Elementen des „afrikanischen Spaghetti Bowls“ wie der Southern African Customs Union (SACU) oder der COMESA.

Wichtige länderspezifische Problemfälle finden sich vor Allem in Madagaskar, Zimbabwe und der Demokratischen Republik Kongo. Mit der Suspendierung der SADC-Mitgliedschaft von Madagaskar nach dem Staatsstreich 2009 und der ablehnenden Haltung gegenüber einer weiteren Mitgliedschaft seitens der madagassischen Militärregierung scheint sich dieser Problemfall für die SADC von selbst zu erledigen (vgl. International Crisis Group 2010b; 1ff.) . Aufgrund der Insellage Madagaskars ist außerdem ein übergreifen der madagassischen Krise auf angrenzende Staaten im südlichen Afrika relativ unwahrscheinlich.

Die Situation in Zimbabwe ist dafür weitaus relevanter. Durch die autoritär- repressive Politik Mugabes, sowie einiger völlig misslungenen Wirtschafts- und Landreformen, wurde Zimbabwe sowohl wirtschaftlich als auch humanitär an den Rand des Abgrundes manövriert. Erst mit den Wahlen im Jahr 2008 begannen politische Veränderungen, welche in einer Beteiligung der MDC und ihrem Vorsitzenden Tsvangirai im Rahmen des Global Political Agreement gipfelten (vgl. The Times 2008). Seit diesem Zeitpunkt ist es dieser Regierung der Nationalen Einheit, welche freilich nach wie vor von Mugabe als Präsident geleitet wird, gelungen, in einigen Gebieten die Infrastruktur voran zu bringen, die Inflation auf ein beherrschbares Niveau zu bringen und ein höheres Maß an Sicherheit zu erreichen. Die Bemühungen dieser Regierungen stehen unter der Aufsicht und Beratung der SADC und auch Südafrikas, wobei häufig Verfehlungen seitens Mugabe geduldet werden (vgl. International Crisis Group 2010; 2ff.). Trotz alledem wird Südafrika nach wie vor nicht dem Anspruch einer regionalen Führungsmacht gerecht. Da sich die Situation allerdings verbessert und auch eine starke, organisierte Opposition im Land vertreten ist, gibt es Anlass zu vorsichtigem Optimismus, dass nach der Ära Mugabes (welche aufgrund seines hohen Alters sehr zeitnah vorüber sein kann) ein geordneter Übergang hin zu demokratischen Reformen und nachhaltiger Entwicklung verwirklicht werden kann.

Das aus meiner Sicht größte Problem befindet sich im äußersten Norden der SADC und dürfte aus theoretischen Gründen auch gar nicht Teil dieser Organisation sein, da die Demokratische Republik Kongo eigentlich einen eigenen, zentralafrikanischen RSC konstituiert. Aufgrund seiner enormen Größe, dem seit Jahrzehnten in verschiedenen Landesteilen, aber insbesondere dem Osten anhaltenden Bürgerkrieg, der schwachen Staatlichkeit, der der Einmischung sowohl angrenzender lokaler als auch globaler politischer und wirtschaftlicher Akteure und nicht zuletzt der Unfähigkeit der UN-Truppen die Kivu-Region zu befrieden, bleibt der Kongo ein in weiten Teilen gescheiterter Staat. Die einzelnen Problemfelder sind weit zu umfassend, um sie hier darzulegen.

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Regional Economic Communities der Afrikanischen Union – Probleme und Chancen im „Spaghetti Bowl“
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Internationale Politik)
Veranstaltung
Ausgewählte Probleme der Region
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
18
Katalognummer
V182469
ISBN (eBook)
9783656067368
ISBN (Buch)
9783656067726
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
regional, economic, communities, afrikanischen, union, probleme, chancen, spaghetti, bowl
Arbeit zitieren
Marcel Lossi (Autor:in), 2010, Die Regional Economic Communities der Afrikanischen Union – Probleme und Chancen im „Spaghetti Bowl“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182469

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