Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der ehemaligen Sowjetunion haben das Machtgefüge in der internationalen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg über mehr als 45 Jahre hinweg bestimmt und geprägt. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts reklamierten die USA die Rolle der alleinigen Supermacht für sich und stellen auch die Kommandostrukturen der NATO zunehmend in ihren eigenen Dienst. Russland hingegen sah sich nach dem Zerfall der UdSSR immensen Schwierigkeiten gegenüber, seine Transformation im Innern voranzubringen und zugleich seine Position innerhalb des euroatlantischen Sicherheitsgefüges neu zu definieren.
Das von der NATO 1995 konkret formulierte Projekt einer Ausdehnung ihres Vertragsgebietes auf die Staaten Mittel- und Osteuropas wurde zum Gegenstand ernsthafter diplomatischer Konflikte mit der Russischen Föderation. Mehrere Initiativen, die russischen Zweifel zu zerstreuen, konnten die anhaltende Verunsicherung Moskaus über die Expansion der westlichen Militärallianz kaum verringern. Es erscheint daher insgesamt fraglich, ob eine NATO-Osterweiterung als alleiniges, übergeordnetes Zielkriterium für den Aufbau ganzheitlicher Sicherheitsstrukturen in Europa gelten kann.
In der vorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich der Ausbau der NATO-Strukturen umsetzen ließe, ohne dabei die sicherheitspolitischen Interessen und Vorbehalte Moskaus außen vor zu lassen. Wie könnte etwa eine Einbindung der NATO-Osterweiterung in einen mehrdimensionalen, interinstitutionell "abgesicherten" Ansatz gelingen?
Eine Darstellung der historischen Entwicklung des transatlantisch russischen Verhältnisses nach 1989/90 widmet sich einführend der Evolution des europäischen Sicherheitsumfelds seit dem Ende des Warschauer Paktes. Es folgt eine Erläuterung der Erweiterungsstudie der NATO (1995), der sich im Verlauf der Kosovo-Krise (Frühjahr 1999) zuspitzenden Konfliktlage sowie der neuen Impulse, die das Ost-West-Verhältnis durch die Terrorangriffe des 11. Septembers 2001 erhalten hat. Der darauf folgende Abschnitt befasst sich mit der zweiten Runde der NATO-Osterweiterung und kontrastiert die Positionen beider Seiten. Abschnitt 4 behandelt schließlich mögliche Alternativprogramme und Begleitkonzepte, die auf NATO-Ebene sowie durch die Beiträge anderer Akteure und Institutionen zum Zuge kommen könnten, um den Interessen Russlands im Angesicht der angekündigten weiteren NATO-Erweiterung stärker Rechnung zu tragen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historische Entwicklung des transatlantisch-russischen Verhältnisses nach 1989/90
- Das europäische Sicherheitsumfeld nach dem Ende des Warschauer Paktes
- Die Perzeption der veränderten internationalen Sicherheitslage innerhalb der Russischen Föderation
- Die interne Transformation der NATO nach dem Ende des Ost-West-Konflikts im Angesicht der „neuen Bedrohungen“
- Die Study on Enlargement 1995: Konfrontation und Annäherung in beständigem Wechsel
- Die Kosovo-Krise als Testfall: Wie viel Dissens verträgt die „stabile Partnerschaft“ zwischen Russland und der NATO?
- Zunahme der Spannungen infolge des Konflikts
- Wege einer erneuten Annäherung
- Neue Impulse nach dem 11. September 2001: Renaissance der konstruktiven Zusammenarbeit?
- Das europäische Sicherheitsumfeld nach dem Ende des Warschauer Paktes
- Die zweite Runde der NATO-Osterweiterung: Probleme und Positionen
- Vorbehalte und Sicherheitsinteressen der russischen Seite
- Standpunkte der NATO-Mitgliedstaaten
- Wege aus der „Enlargement Trap“: mögliche Ansätze zur Neugestaltung einer europäischen Sicherheitsarchitektur
- Forcierter Wandel innerhalb der NATO als praktikabler Lösungsansatz?
- Der „mehrdimensionale Weg“: denkbare Beiträge weiterer Institutionen im Rahmen einer integrierten europäischen Sicherheitspolitik
- Exkurs: Theoretische Implikationen eines mehrdimensional-institutionellen Ansatzes
- Fazit: Eine erweiterte NATO im Institutionen-Gleichgewicht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, ob und inwieweit sich der Ausbau der NATO-Strukturen unter Berücksichtigung alternativer und begleitender Vorstellungen zur Neugestaltung einer europäischen Sicherheitsarchitektur umsetzen ließe, ohne dabei die sicherheitspolitischen Interessen und Vorbehalte Moskaus außen vor zu lassen. Dabei untersucht die Arbeit, wie eine Einbindung der fortschreitenden NATO-Osterweiterung in einen mehrdimensionalen, interinstitutionellen „abgesicherten“ Ansatz gelingen könnte und welche konkreten Perspektiven solche integrativen Konzepte europäischer Sicherheitspolitik bieten.
- Historische Entwicklung des transatlantisch-russischen Verhältnisses nach dem Ende des Kalten Krieges
- Die sicherheitspolitischen Interessen und Vorbehalte Russlands gegenüber der NATO-Osterweiterung
- Mögliche Ansätze zur Neugestaltung einer europäischen Sicherheitsarchitektur, die die Interessen Russlands berücksichtigen
- Die Rolle verschiedener Institutionen und Akteure bei der Gestaltung einer kooperativen Sicherheitspolitik in Europa
- Theoretische Implikationen eines mehrdimensionalen, interinstitutionellen Ansatzes
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Analyse der historischen Entwicklung des transatlantisch-russischen Verhältnisses nach dem Ende des Kalten Krieges, um den russischen Widerstand gegen die NATO-Osterweiterung zu verstehen. Dabei werden insbesondere die Veränderungen im europäischen Sicherheitsumfeld, die Perzeption der neuen Sicherheitslage in Russland und die Transformation der NATO beleuchtet. Das Kapitel beleuchtet zudem die „Study on Enlargement“ von 1995 und ihre Auswirkungen auf die NATO-Russland-Beziehungen sowie die sich in der Kosovo-Krise zuspitzende Konfliktlage. Darüber hinaus wird die Renaissance der konstruktiven Zusammenarbeit nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 diskutiert.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der zweiten Runde der NATO-Osterweiterung und analysiert die Positionen und Bedenken sowohl der russischen Seite als auch der NATO-Mitgliedstaaten. Es werden die russischen Vorbehalte und Sicherheitsinteressen im Kontext der NATO-Expansion erläutert und die Standpunkte der NATO-Mitgliedstaaten zu diesem Thema dargestellt.
Im letzten Kapitel werden schließlich mögliche Ansätze zur Neugestaltung einer europäischen Sicherheitsarchitektur untersucht. Dabei werden sowohl ein forcierter Wandel innerhalb der NATO als auch der „mehrdimensionale Weg“ mit dem Beitrag weiterer Institutionen im Rahmen einer integrierten europäischen Sicherheitspolitik diskutiert. Dieses Kapitel schließt mit einem Exkurs zu den theoretischen Implikationen eines mehrdimensional-institutionellen Ansatzes.
Schlüsselwörter
NATO-Osterweiterung, Russland, transatlantisches Verhältnis, europäische Sicherheitsarchitektur, Sicherheitspolitik, Interessen, Vorbehalte, Konfrontation, Annäherung, Kooperation, mehrdimensionaler Ansatz, interinstitutionelle Zusammenarbeit.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Pol., MSc (IR) Jan-Henrik Petermann (Autor:in), 2002, NATO-Osterweiterung – mit oder gegen Russland?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182613