Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Untersuchungsgegenstand und Vorgehensweise
1.2 Verwendete Literatur und Forschungsstand
2. Alliierte Medienpolitik nach 1945
2.1 Alliierte Medienpolitik in den westlichen Besatzungszonen
2.2 Die Medienpolitik in der Sowjetischen Besatzungszone: 12 Der Wiederaufbau der deutschen Filmindustrie
2.3 Der Wiederaufbau der westdeutschen Filmindustrie
2.4 Trümmerfilme
3. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der Kinematografie West- und Ostdeutschlands
3.1 Die westdeutsche Filmindustrie nach Gründung der Bundes- republik
3.2 Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit im westdeutschen Film
3.3 Von Vertriebenen und Kriegsgefangenen - die Aufarbeitung der Kriegsfolgen im jungen bundesdeutschen Film
3.4 Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit im ostdeutschen Film
3.5 Der Aufbaufilm der DDR
4. Schluss
Literatur:
1. Einleitung
Die Ahndung und Aufarbeitung von Systemunrecht, gehört zu den ältesten und grundlegendsten Aspekten in der Politik überhaupt. Jeder politische Sys- temwechsel geht einher mit der Kritik an den vorangegangenen Trägern der Macht und ihrer Regierungsform; dabei ist es unerheblich, ob der System- wechsel durch eine Revolution, eine Reformation, oder eine äußere Macht herbeigeführt wurde. Spätestens nach dem vollzogenen Machtwechsel muss sich jede neue Regierung mit der Frage auseinandersetzen, wie mit den ab- gesetzten Trägern der Macht und ihren Opfern zu verfahren ist.
Die tatsächliche Aufarbeitung von systembedingtem Unrecht reicht je- doch über die Aufgaben der Politik und Justiz hinaus, sie liegt in der Verant- wortung der gesamten Gesellschaft und kann sich über Generationen hin- ziehen. Karl Jaspers formulierte diese Verpflichtung folgendermaßen:
Wir fühlen etwas wie Mitschuld für das Tun unserer Familienangeh ö rigen. Diese Mitschuld ist nicht objektivierbar. Jede Weise der Sippenhaftung würden wir verwerfen. Aber wir sind doch geneigt, weil gleichen Blutes, uns mitgetroffen zu fühlen, wenn einer aus unserer Familie Unrecht tut, und darum auch geneigt, je nach Lage und Art des Tuns und der vom Unrecht betroffenen, es wiedergutzumachen, auch wenn wir moralisch und juristisch nicht haften.1
1.1 Untersuchungsgegenstand und Vorgehensweise
Mit 817,5 Millionen Kinobesuchern - allein in den westdeutschen Lichtspiel- häusern - erreichte das Kino 1956 so viele Zuschauer wie nie zuvor.2 Ange- sichts dieser enormen Anziehungskraft, drängt sich die Frage auf wie der deutsche Film der Nachkriegszeit den Nationalsozialismus aufarbeitete und seine politischen und gesellschaftlichen Folgen bewertete. Der Film verkör- pert dabei, sofern er sich denn mit dem Nationalsozialismus auseinander- setzt, das gesellschaftliche Produkt der Vergangenheitsbewältigung;3 gleich- zeitig nahm er jedoch seinerseits wieder Einfluss auf die öffentliche Meinung.
Um die Funktion des Films bei der Aufarbeitung systembedingten Un- rechts zu analysieren wird sich die vorliegende Arbeit vor allem auf die west- deutsche Nachkriegszeit konzentrieren, um die gewonnenen Erkenntnisse anschließend mit den Entwicklungen der Sowjetischen Besatzungszone, bzw. der Deutschen Demokratischen Republik zu vergleichen. Zu diesem Zweck werden zunächst die Rahmenbedingungen des Wiederaufbaus der Filmin- dustrien in den Besatzungszonen und den beiden deutschen Staaten be- trachtet werden. Thematisiert werden hierbei unter anderem die unterschied- lichen Interessen, die der Medienpolitik der Militärregierungen zugrunde la- gen und deren Auswirkung auf die deutsche Kinematografie.
Der Erläuterung des Hintergrundes folgt die Vorstellung der ersten Gehversuche des Nachkriegsfilms, des so genannten Trümmerfilms, seiner Besonderheiten und seinen wichtigsten Repräsentanten. Alles ist eingebettet in eine sozialethische Analyse, der Filmwelt der Bundesrepublik sowie der Deutschen Demokratischen Republik. Den inhaltlichen Schwerpunkt wird hierbei die cineastische Aufarbeitung des Nationalsozialistischen Vergan- genheit und seiner Folgen bilden. Während sich der Betrachtung der Aufar- beitung der NS-Vergangenheit im bundesrepublikanischen Kino, ein Exkurs über die Darstellung von Vertriebenen und Kriegsgefangenen anschließt, bietet sich Betrachtung für die DDR-Produktionen nicht an. Im Gegensatz zu der Bundesrepublik, die die Aufnahme von Millionen Flüchtlingen, Kriegsge- fangenen und Vertriebenen meistern musste, verließen die Menschen der SBZ/DDR ihre Heimat scharenweise. Da die Darstellung der Flucht in den Westen einem politischen Offenbarungseid gleichgekommen wäre, wurde dieses Thema in den staatlichen Filmproduktionen tabuisiert. Ähnlich verhielt es sich mit den Kriegsgefangenen, da eine öffentliche Diskussion dieser Problematik zwangsläufig eine Konfrontation mit dem sozialistischen Bruder- rung der Vergangenheit verstanden, sondern als theoretische Auseinandersetzung mit (in diesem Fall) dem Nationalsozialismus. Vergangenheitsbewältigung ist ein Sammelbegriff für teils sehr unterschiedliche Methoden und Projekte, jedoch mit den sich gegenseitig bedingenden Zielen die Geschichte allgemein oder in Bezug auf be- stimmte Ereignisse aufzuarbeiten und diese Aufarbeitung dann durch eine Erinne- rungskultur im Bewusstsein zu halten. Durch die sich hieraus ergebenden sehr zahl- reichen Bedeutungsebenen, hat sich bisher noch keine konsensfähige Definition ge- bildet. http://de.wikipedia.org/wiki/Vergangenheitsbew%C3%A4ltigung staat provozieren musste.4 Diesem Problem Rechnung tragend, folgt dem Kapitel der Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich eine Erörterung des sozialistischen Aufbaufilms, die wiederum für die Mediengeschichte der Bundesrepublik unrelevant ist.
1.2 Verwendete Literatur und Forschungsstand
Beim Verfassen der vorliegenden Arbeit galt es, Werke aus den Bereichen der Ethik, der Kunst und der Geschichte zusammenzuführen, um eine mög- lichst umfassende Einsicht in den untersuchten Themenkomplex zu gewin- nen.
Den geistigen Ausgangspunkt bildet die, auf einer Vorlesungsreihe basierende Schrift Die Schuldfrage5 von Karl Jaspers, die sich philosophisch mit den verschiedenen Formen der Schuld am Nationalsozialismus, sowie den Konsequenzen, die sich aus dieser Schuld ableiten lassen, analysiert.
Daneben fand eine Fülle von medienwissenschaftlicher Literatur Ver- wendung, aus an dieser Stelle die Jerzy Toeplitz’ mehrbändiges Werk Ge- schichte des Films 6 und Harro Segebergs Aufsatzsammlung Mediale Mobil- machung II, Hollywood, Exil und Nachkrieg 7 hervorgehoben werden sollen. Toeplitz, der von 1957-1968 Rektor der bedeutenden Filmhochschule in Lód war, gelang es künstlerische Strömungen, sowie technische und hand- werkliche Entwicklungen in seiner Darstellung der Kinematografie zu verei- nen, ohne dabei jedoch den Blick auf die sozialen und politischen Zusammenhänge zu verlieren.
Harro Segebergs Aufsatzsammlung muss aus mehreren Gründen hier Erwähnung finden: Zum einen stellt das 2006 erschienene Werk den aktuellen Forschungsstand dar, zum anderen decken die Aufsätze von Gabriele Clemens, Knut Hickethier, Detlef Kannapin und Thomas Burger wesentliche Aspekte der Mediengeschichte der Nachkriegszeit in einer Detailgenauigkeit ab, wie sie in der deutschen Literatur kaum zu finden ist.
2. Alliierte Medienpolitik nach 1945
Der Zusammenbruch des Dritten Reiches hatte auch die deutsche Kinema- tografie in Mitleidenschaft gezogen: Die Ateliers und Produktionsanlagen wa- ren beschädigt oder gar vernichtet, die Mitarbeiter waren über alle Besat- zungszonen zerstreut und die übrig gebliebenen Einrichtungen hatten auf Grund des Strom- und Kohlemangels die Produktion eingestellt. Es war nicht absehbar, wann - oder ob - es wieder aus deutscher Produktion stammende Filme geben würde. Fast schien es, als sollte der Kulturreferent des ameri- kanischen Sektors, Peter van Eyck, Recht behalten, der Anfang 1946 erklär- te, in den nächsten fünf Jahren würden in Deutschland ausschließlich Ameri- kaner Filme drehen.8
Die Siegermächte waren sich einig darüber, dass man sich nicht mit der militärischen Sicherung Deutschlands9 begnügen dürfe, wie man es nach 1918 getan hatte, sondern die Umerziehung des deutschen Volkes in Angriff nehmen müsse, um eine pazifistische und demokratische Gesellschaft in Deutschland zu errichten. Wenngleich die unterschiedlichen Vorstellungen von einer demokratischen Gesellschaft und der Zukunft Deutschlands zu un- überwindbaren Spannungen zwischen den Alliierten führten, bestand - zu- mindest in der unmittelbaren Nachkriegszeit - ein Konsens darüber, dass ei- ne Umerziehung nur durch die Konfrontation der Bevölkerung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus zu erreichen war. Bereits unter der na- tionalsozialistischen Diktatur, hatte der Film eine große Rolle als Propagan- dainstrument gespielt.10 Die Alliierten hatten die manipulative Kraft des Me- diums erkannt und suchten diese nun für sich zu nutzen. Durch den Einsatz des Films ließ sich ein breites Publikum erreichen und somit zum Beispiel über die Massenvernichtungen aufzuklären, während man mit regional be- grenzten Aktionen, wie beispielsweise im Konzentrationslager Buchenwald,11 nur auf einen geringen Teil der Bevölkerung einwirken konnte. So wurden unmittelbar nach dem Krieg in allen Besatzungszonen Dokumentarfilme über die Konzentrationslager gezeigt, die jedoch bis zum Herbst 1946 wieder aus den deutschen Kinos verschwanden.12 Mit der Ausstrahlung dieser Filme wurden in der Regel zwei Ziele verfolgt: Zum einen sollte den Betrachtern die Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus vor Augen geführt und somit gleichzeitig die Besatzungspolitik legitimiert werden, zum anderen wurde darauf abgezielt, „den deutschen Zuschauer eine Mitschuld eingestehen zu lassen“13.
Seit Herbst 1945 besetzten die vier Besatzungsmächte das Komitee Informationswesen des Alliierten Kontrollrats, um gemeinsame Strategien in der Kultur- und Medienpolitik zu erarbeiten. Zu den gemeinsamen Aufgaben gehörten zum Beispiel die Zensur deutscher Filme, die Vorführung von so genannten Nazigräuelfilmen oder die Erstellung einer gemeinsamen Wo- chenschau für alle vier Besatzungszonen. Bereits im folgenden Jahr wurden jedoch unüberwindbare Interessenkonflikte, vor allem zwischen der anglo- amerikanischen und der sowjetischen Seite, spürbar, die bis zum März 1948 eine solche Dimension erreichen sollten, dass die Sowjetunion schließlich ih- re Mitarbeit im Kontrollrat aufkündigte.14 Somit scheiterte eine langfristige Zusammenarbeit in der Medien- und Kulturpolitik an den ideologischen Unterschieden innerhalb des Zweckbündnisses.
2.1 Alliierte Medienpolitik in den westlichen Besatzungszonen
Maßnahmen im Kulturbereich, die auf die Umerziehung (Re-education) der Deutschen zielten, waren von Anfang an integraler Bestandteil der Besat- zungs- oder Deutschlandpolitik der einzelnen Besatzungsmächte. Sie wur- den seit 1942/43 auf höchster Ebene geplant und hatten im Rahmen der Nachkriegspolitik verschiedene Funktionen zu erfüllen: So war die Kulturpoli- tik zum Beispiel Teil der alliierten Sicherheitspolitik.15 Selbstverständlich war die Kulturpolitik nicht das einzige Mittel, durch das auf die Bevölkerung ein- gewirkt werden sollte. Neben Presse und Film sollten auch Schulen, Hoch- schulen und die Erwachsenenbildung in den Dienst der Re-education gestellt werden.16 Bereits 1942/43 wurde das britische Instrument der psychologi- schen Kriegsführung, das Political Warfare Executive (PWE), in Zusammen- arbeit mit dem Außen- (Foreign Office) und dem Kriegsministerium (War Of- fice) mit der Ausarbeitung von strategischen Planungen für den Kulturbereich beauftragt. Zu diesem Zweck wurde das German-Sub-Committee gegründet, welches aus Mitgliedern der PWE, der BBC und des Informationsministeri- ums bestand. Dieses Komitee erarbeitete einige Entwürfe zu Presse, Rund- funk, Literatur und Film, welche zur Grundlage der Kulturpolitik im britischen Sektor werden sollten.17
Parallel zu den Entwicklungen in Großbritannien wurde auf amerikani- scher Seite 1942 das Office of War Information (OWI) gegründet, das im Rahmen einer psychologischen Kriegsführung auch Strategien bezüglich der Kulturpolitik in Deutschland erarbeitete. Ab 1944 entwickelte sich eine inten- sive Zusammenarbeit zwischen den britischen und amerikanischen Stäben und Ministerien, die auch in der Nachkriegszeit auf ministerialer Ebene und in den Kontrollkommissionen weitergeführt wurde. Während die Kooperation auf ministerieller Ebene18 vor allem darauf abzielte, gemeinsame allgemeine Richtlinien zu erstellen, konzentrierten sich die Kontrollkommissionen auf den Wiederaufbau und die Kontrolle der Information Services in Deutschland. Zu den damit verbundenen Betätigungsfeldern gehörten unter anderem die Zensur von Filmen und die Lizenzierung respektive die Registrierung von Kulturschaffenden (Regisseure, Theater- und Kinobesitzer, Produzenten, Intendanten, etc.).19
Die Planungen der Amerikaner und Briten sahen eine schrittweise Verbreitung von Filmen vor, wobei dem Dokumentarfilm eine besondere Rolle zukommen sollte, da man sich von ihm eine besondere pädagogische Wirkung erhoffte. Spielfilme sollten in erster Linie als Lockmittel dienen, um die Menschen in die Kinos oder Vorführräume zu ziehen. Nach der Kapitulation trat das bereits am 24. November 1944 verabschiedete Gesetz 191 (SHAEF Military Government Law No. 191) in Kraft. Das Gesetz verbot jegliche deutsche Aktivität im Informationsdienstbereich und schloss somit auch jede Betätigung Deutscher im Filmwesen ein.20
Während die Deutschen aufgrund der alliierten Gesetzgebung zur kreativen Untätigkeit verurteilt waren, wurden Anfang Juli die ersten Kinos durch die britische Militärregierung wieder eröffnet21 und die Instandsetzung einer Vielzahl weiterer Lichtspielhäuser in Angriff genommen, die durch den Krieg beschädigt worden waren.22
Da man ursprünglich nach der Losung „NO German films produced during the Nazi regime will be shown“23 verfahren wollte, stand man bald vor dem Problem, nicht über genügend zugkräftige Unterhaltungsfilme zu verfü- gen, welche die deutsche Bevölkerung in die Kinos strömen ließ. Existieren- de amerikanische und britische Filme, die auch beim deutschen Publikum Anklang zu finden versprachen, mussten - in den durch den Krieg beschä- digten Produktionsstätten - zunächst synchronisiert oder zumindest mit Un- tertiteln versehen werden. Zu diesen Filmen gehörten jene Filme, die mit Stars gedreht wurden, die bereits während der Weimarer Republik sehr po- pulär gewesen waren, den Kinogängern während der nationalsozialistischen Herrschaft jedoch vorenthalten wurden (wie zum Bespiel Clark Gable, Gary Cooper, Charlie Chaplin). Eine unmittelbare Produktion von Unterhaltungs- filmen, die auf das deutsche Publikum zugeschnitten waren, gab es nicht. Die Alliierten konzentrierten sich vor allem darauf, Dokumentationen mit er- ziehendem Charakter drehen zu lassen - also Filme, die in der Regel im Vorprogramm einer Kinoveranstaltung liefen.
Um den Mangel zu beseitigen, rang man sich in der Britischen, der Französischen und der Sowjetischen Besatzungszone - ganz im Gegensatz zu der zuvor geäußerten Absicht, deutsche Filme vollkommen aus den Kinos zu verbannen - dazu durch, Reprisen auszustrahlen, um die deutschen Zu- schauer anzulocken. Gabriele Clemens kommt daher zu dem Schluss, dass die weit verbreitete Ansicht, ausländische Filme hätten in den Kinoprogram- men der ersten Jahre der Nachkriegszeit überwogen, nicht zutreffe:
Vor allem im britischen Verantwortungsbereich wurde der Wiederaufbau gefördert: Zählte man am 30. Juli 1945 in der Britischen Zone 156 wieder eröffnete Lichtspiel- häuser, waren es am 31. August 459, am 30. September 662 und Anfang November bereits 757. Im Vergleich dazu existierten in der Amerikanischen Besatzungszone im Februar 1946 lediglich 351 wieder eröffnete Kinos. Die größte Dichte von Filmvorführ- räumen besaß nach wie vor Berlin, wo man im Januar 1946 wieder 170 einsatzbereite Kinos aufweisen konnte. 56 davon entfielen auf den sowjetischen Sektor, 48 auf den amerikanischen, 38 auf den britischen und 28 auf den französisch besetzten Teil der Stadt. Vgl. TOEPLITZ, JERZY (1992), S. 385; PUBLIC RECORD OFFICE, FO 371/55512, C 5353, The Film Situation in All the Zones of Germany, 5.5.1946. FO 1056/70, ISC Monthly Report for the Period 26 Apr-28 May 1946, zitiert nach: Clemens, Gabriele (2006), S. 252.
Es war vielmehr hier [vor allem in der Französischen und der Britischen Besat- zungszone] genau umgekehrt: Erst kamen die alten deutschen Filme in die Ki- nos, und daneben gelangten allmählich ausländische Filme ins Programm.24
Offenbar war es in der Britischen und der Französischen Besatzungszone jedoch vor allem der Mangel an eigenen Produktionen und weniger der Man- gel an verfügbaren Filmen insgesamt, die die Militärregierungen auf Filme zurückgreifen ließ, die im Dritten Reich gedreht worden waren. So fürchtete man um Marktanteile der eigenen Filmindustrie, wenn man dem deutschen Publikum zu viele amerikanische und sowjetische Produktionen vorführte.25
Etwas anders verhielt es sich in der Amerikanischen Besatzungszone. Die Amerikaner verfügten durch die Hollywood-Produktionen über ein großes Repertoire an Filmen, die in den Lichtspielhäusern ihres Sektors gezeigt werden konnten. Allerdings besaßen sie offenbar nicht genügend Kopien, um alle Kinos ihres Einflussbereiches zu versorgen. Überdies konnten die amerikanischen Filme die Sehnsucht nach deutschen Produktionen nicht stillen,26 so dass man auch im amerikanischen Verantwortungsbereich ab Dezember 194527 auf alte deutsche Produktionen zurückgriff.28
Gemäß der Information Control Regulation No 2 ließen die britische und amerikanische Militärregierung in ihren Sektoren alle deutschen Filme beschlagnahmen, um sie von einer Zensurbehörde kontrollieren zu lassen. Die Zensoren teilten die Filme in drei Kategorien ein: Produktionen der Kategorie A durften vorgeführt werden, Filme der Kategorie B mussten zuerst geschnitten werden, bevor sie zugelassen wurden und Filme der Kategorie C wurden von der Vorführung ausgeschlossen.
[...]
1 JASPERS, KARL: Die Schuldfrage. Heidelberg 1946, S. 70.
2 WOLFRUM, EDGAR: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, zweite Auflage. Stuttgart 2006, S. 160.
3 Der Begriff der Vergangenheitsbewältigung wird in der vorliegenden Arbeit nicht im Sinne seiner wortwörtlichen Entsprechung, d.h. als tatsächlicher Bewältigung, bzw. Meiste-
4 Trotz der von beiden Staaten betonten Freundschaft gab es von Beginn an aber auch spezifische Probleme in den Beziehungen, die aus der Vergangenheit herrührten. Da- zu geh ö rte die ungel ö ste Frage der Kriegsgefangenen ebenso wie die erdrückenden Reparationszahlungen. Bereits in der Regierungserklärung vom 12. Oktober 1949 hatte Otto Grotewohl auf die moralische Verpflichtung seiner Regierung hingewiesen, für die Rückkehr der Kriegsgefangenen zu sorgen „ ganz gleich, wo sie sich befinden m ö gen “ . Obwohl es wenig später in einer TASS-Erklärung vom 6. Mai 1950 ausdrück- lich hie ß , da ß die Rückführung deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion ab- geschlossen sei, kann davon ausgegangen werden, da ß das Rote Kreuz der DDR in dieser Frage aktiv blieb und auch die Regierungen dieses Problem er ö rtert haben. Die L ö sung gelang jedoch nicht von Ost-Berlin aus. Vielmehr wurde die Freilassung beim Besuch von Konrad Adenauer in den Verhandlungen vom September 1955 erreicht. BIRKE, ADOLF M.: Nation ohne Haus. Deutschland 1945-1961. Berlin 1994. (Siedler), S. 412.
5 JASPERS, KARL (1946).
6 TOEPLITZ, JERZY: Geschichte des Films, Band 5. 1945-1953. Berlin 1992.
7 SEGEBERG, HARRO (Hrsg.): Mediale Mobilmachung II. Hollywood, Exil und Nachkrieg. Me- diengeschichte des Films, Band 5. München 2006.
8 TOEPLITZ, JERZY (1992), S. 363.
9 Vgl: The Dual Responsibility of PR/ISC. Avoiding the mistakes made after 1918. In: British Zone Review, Vol. 1, No. 8 (1946), S. 22ff.
10 Vgl. Themenwelten, Film im NS-Staat http://www.filmportal.de
11 Im Sommer 1945 zwangen amerikanische Soldaten die Bevölkerung in der Gegend um Buchenwald, an Führungen durch das Konzentrationslager teilzunehmen.
12 Neben der Wochenschau Welt im Film, widmeten sich die so genannten Nazigräuelfilme der Erinnerung und Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Völkermord: Majdanek - Grabstätten Europas (Majdanek - Cmentarzysko Europy Sowjetunion/Polen 1945), Oswiecim (Auschwitz, Sowjetunion 1945), Die Todeslager (Les Camps de la mort, Frankreich 1945), Deutschland Erwache ! (Germany Awake!, USA 1945), Todesmüh- len (Death Mills, Deutschland/USA 1945/46), der britische Film The Memory of the Camp wurde nie fertig gestellt. Vgl. TODE, THOMAS: Prolog und Epilog zum Weltkrieg. Ü ber zwei antifaschistische Filme von Hanu š Burger. In: SEGEBERG, HARRO (Hrsg.): Mediale Mobilmachung II. Hollywood, Exil und Nachkrieg. Mediengeschichte des Films, Band 5. München 2006, S. 238-242.
13 Ebenda, S. 240.
14 Vgl. CLEMENS, GABRIELE: Britische und amerikanische Filmpolitik in Deutschland 1945- 1949. In: SEGEBERG, HARRO (Hrsg.): Mediale Mobilmachung II. Hollywood, Exil und Nachkrieg. Mediengeschichte des Films, Band 5. München 2006, S. 246-247.
15 CLEMENS, GABRIELE (2006), S. 245.
16 Die angloamerikanische Politik führte den Wiederaufbau der kulturpolitischen Bereiche (Literatur, Musik, Theater und Film) und das Pressewesen unter Kontrolle der Infor- mation Services.
17 Vgl. CLEMENS, GABRIELE (2006), S. 245.
18 Auf Seiten der Vereinigten Staaten waren das War Department und das State Depart- ment beteiligt, auf britischer Seite das Foreign Office sowie das Control Office for Germany and Austria.
19 Vgl. ebenda, S. 246.
20 Ebenda, S. 251-252.
21 Eigentlich war eine Wiedereröffnung der Kinos, nach amerikanisch-britischen Absprachen für den 1. September vorgesehen, um sicherzustellen, dass eine ausreichende Menge von amerikanischem und britischem Filmmaterial zur Verfügung stehen würde. Mont- gomery entschied sich jedoch dafür, die Kinos, entgegen der Vereinbahrung, in der Britischen Besatzungszone früher zu öffnen, um möglichen Unruhen vorzubeugen und die britischen Bestrebungen im Informationswesen zu forcieren. Vgl. ebenda, S. 252.
22 Mit den Bombardierungen der Großstadtkerne wurde auch der überwiegende Teil der Ki- nos zerstört. Nur etwa jedes sechste Lichtspielhaus blieb von den Zerstörungen so weit verschont, dass es seinen Betrieb ohne weiteres wieder aufnehmen konnte. Nach Ende des Krieges wurde der Wiederaufbau der Lichtspielhäuser angegangen.
23 PUBLIC RECORD OFFICE, FO 898/394, SHAEF/PWD betr.: German Planning Committee, 10. 5. 1944, zitiert nach: CLEMENS, GABRIELE (2006), S. 253.
24 CLEMENS, GABRIELE (2006), S. 253.
25 Vgl. CLEMENS, GABRIELE (2006), S. 254-255.
26 German films of any merit are more popular than even the best imported films, many of them which seem to suffer from poor synchronisation or dubbing. PUBLIC RECORD OF- FICE, FO 371/55512, C 5353, The Film Situation in All the Zones of Germany 5.5.1946; zitiert nach CLEMENS, GABRIELE (2006), S. 256.
27 Der Zeitpunkt der Wiederaufnahme deutscher Filme in das Kinoprogramm der Amerikani- schen Besatzungszone ist in der Literatur umstritten: Während Albert Norman ihn in den Dezember 1945 datiert, weist Gabriele Clemens auf Unterlagen des britischen Kontrollrates hin, nach denen bis ins Frühjahr 1946 keine deutschen Filme gezeigt wurden. Vgl. NORMAN, ALBERT: Our German Policy: Propaganda and Culture. New York 1951, S. 61; CLEMENS, GABRIELE (2006), S. 254.
28 HAHN, BRIGITTE J.: Umerziehung durch Dokumentarfilm? Ein Instrument amerikanischer Kulturpolitik im Nachkriegsdeutschland. Münster 1993.