Nach über zweijähriger Beschäftigung mit Wilhelm Meisters Lahrjahre2 kam Novalis am 11. Februar 1800 zu diesem vernichtenden Urteil über Goethes großen Roman. Indes blieb ein Aspekt der Lehrjahre, der bereits Novalis aufgefallen war, von zahlreichen Goethe-Interpreten lange Zeit unbeachtet: Die Ökonomie. Sicher, oberflächlich betrachtet geht es in Goethes „inkalkulabelster Produktion“3 um ganz andere Dinge: So spielen die Bücher eins bis fünf auf dem Theater, die Bücher sieben und acht zeigen den Protagonisten, Wilhelm, in der Gesellschaft der Turms. Einzig das sechste Buch, die „Bekenntnisse einer schönen Seele“ fällt gänzlich aus diesem Reigen heraus. Es verarbeitet in autobiografischer Form die spirituelle Entwicklung der pietistischen Stiftsdame Susanne Katharina von Klettenberg (1723-1774). Greift man nun aber auf die Tiefenstruktur des Theater- und des Gesellschaftsromans zu, so zeigt sich, dass hier die Ökonomie eine tragende Rolle zu spielen scheint. Mehr noch: An zahlreichen neuralgischen Punkten des Romans gewinnt das Motiv der Ökonomie herausragende Bedeutung für das Gesamtgeschehen. Somit zählt das ökonomische Motiv - wobei Ökonomie als alle Handlungen und Darstellungen des Romans, die mit Geld und Warenzirkulation in Verbindung stehen, verstanden wird - zu den Leitmotiven der Lehrjahre. Im Folgenden soll versucht werden, diese These an zahlreichen Textstellen zu belegen. Hierzu dienen zunächst einige grundlegende, theoretische Vorbemerkungen zur Bedeutung von Motiv und Leitmotiv in der Literaturwissenschaft (2.). Anschließend gilt es, den Roman in seiner Tiefenstruktur zu erfassen und den Text nach dem Motiv der Ökonomie zu befragen. So wird es um Wilhelms Beziehung zu Mariane (3.1), um die Rolle der Ökonomie im Elternhaus des Wilhelm Meister (3.2) und um die Ökonomie des Theaters (3.3) gehen. Ebenfalls von Bedeutung sind die ökonomische Bildung des Kaufmanns Werner (3.4) und das Verhältnis der Turmgesellschaft zur Ökonomie (3.5). Abschließend sollen die Ergebnisse kurz zusammengefasst werden (4.).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundlagen: Motiv und Leitmotiv in der Literaturwissenschaft
- Das Motiv der Ökonomie in Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“
- Geld oder Liebe? Wilhelm Meister und Mariane
- Die Rolle der Ökonomie im Elternhaus des Wilhelm Meister
- Das Theater und die Ökonomie
- Die ökonomische Bildung des Kaufmanns Werner
- Das Verhältnis der Turmgesellschaft zur Ökonomie
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht das Motiv der Ökonomie in Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ und beleuchtet dessen Bedeutung für die Gesamtstruktur des Romans. Der Fokus liegt darauf, die Ökonomie als ein zentrales Leitmotiv zu identifizieren und dessen Einfluss auf die Handlung, die Charakterentwicklung und die Thematik des Romans zu analysieren.
- Die Rolle der Ökonomie im Leben Wilhelms Meister
- Das Verhältnis von Geld, Liebe und gesellschaftlicher Stellung
- Die Ökonomisierung der Kunst und des Theaters
- Der Einfluss der Ökonomie auf die Entwicklung bürgerlicher Lebensformen
- Die Bedeutung der Ökonomie für die Gestaltung von sozialen Beziehungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und erläutert die These, dass das Motiv der Ökonomie in Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ eine zentrale Rolle spielt.
- Grundlagen: Motiv und Leitmotiv in der Literaturwissenschaft: Dieser Abschnitt definiert die Begriffe „Motiv“ und „Leitmotiv“ und beleuchtet deren Bedeutung in der Literaturwissenschaft.
- Das Motiv der Ökonomie in Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“:
- Geld oder Liebe? Wilhelm Meister und Mariane: Dieses Kapitel untersucht Wilhelms Beziehung zu Mariane im Kontext der Ökonomie und beleuchtet den Konflikt zwischen Liebe und materiellen Interessen.
- Die Rolle der Ökonomie im Elternhaus des Wilhelm Meister: Dieser Abschnitt analysiert die Rolle der Ökonomie in Wilhelms Familie und die Auswirkungen auf seine Erziehung und Lebensauffassung.
- Das Theater und die Ökonomie: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Ökonomisierung des Theaters in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ und beleuchtet die Auswirkungen auf die Kunst und die Künstler.
- Die ökonomische Bildung des Kaufmanns Werner: Dieses Kapitel beleuchtet Werners Rolle als Vertreter der ökonomischen Vernunft und analysiert seine Bedeutung für Wilhelms Entwicklung.
- Das Verhältnis der Turmgesellschaft zur Ökonomie: Dieser Abschnitt untersucht die Einstellung der Turmgesellschaft zur Ökonomie und die Auswirkungen auf Wilhelms Werdegang.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit umfassen die Themenfelder Ökonomie, Geld, Ware, Zirkulation, Markt, Gesellschaft, Kunst, Theater, Bildung, bürgerliches Leben, Liebe, Moral, Werte und Lebensentwurf. Der Fokus liegt auf der Analyse der Verbindung zwischen diesen Begriffen und ihrer Bedeutung für die Gestaltung und Interpretation von Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“.
- Arbeit zitieren
- B.A. Michael Peter Schadow (Autor:in), 2011, Das Motiv der Ökonomie in Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182845