Die Euphorie des Epochenumbruchs von 1989, mit dem die „Dritte Welle der Demokratisierung“ auch Polen erreicht hatte, wich schnell der Ernüchterung über die Unmöglichkeit, aus den Trümmern des real existierenden Sozialismus eine neue, demokratische Welt in wenigen Tagen zu erschaffen. Statt in einem goldenen Zeitalter ewigen „Bürgerfrühlings“ fanden sich die Menschen wieder auf einer Wanderung durch ein postkommunistisches „Tal der Tränen“, das von wirtschaftlichen Problemen und politischem Streit über die richtigen Reformstrategien geprägt war.
Es bestätigte sich die Erkenntnis früherer Demokratisierungswellen, dass mit der Errichtung einer formal demokratischen Herrschaftsordnung nicht automatisch politische und ökonomische Stabilität einkehrt. Wie eine solche Stabilität zu definieren ist und unter welchen Bedingungen sie in Polen erreicht wurde – oder eben auch nicht – ist Thema dieser Arbeit. Da in der demokratischen Phase den Entscheidungen und dem Verhalten der politischen Eliten zentrale Bedeutung zukommt, wird ihre Rolle im Prozess der demokratischen Konsolidierung in Polen besonders berücksichtigt. Im Zentrum steht dabei die Frage, inwieweit und aus welchen Motiven den neuen Eliten in Polen Legitimität in Form politischer Unterstützung gewährt wurde.
Die Arbeit wird auf der Grundlage eines entsprechenden empirischen Legitimitätskonzepts darlegen, dass sich der polnische Konsolidierungsprozess in zwei Phasen gegliedert hat, die unterschiedliche Entwicklungsstufen der neuen Demokratie repräsentieren. In der ersten Phase spielte die durch die Bevölkerung perzipierte ökonomische Situation und eine damit verbundene instrumentelle Legitimität nur eine untergeordnete Rolle in der Bewertung der politischen Eliten bzw. der durch sie repräsentierten neuen Ordnung. In der zweiten Phase der Konsolidierung ist sie zum zentralen Evaluationskriterium geworden. Diese Phase dauert bis heute an. Der Erfolg der Konsolidierung der polnischen Demokratie erweist sich so mit zunehmender Dauer immer abhängiger von der ökonomischen Performanz der neuen Ordnung bzw. ihrer Repräsentanten. Erst, wenn ein zufrieden stellendes Maß an Wohlstand und Sicherheit erreicht ist, kann sich mit der Zeit ein Vertrauensreservoir bilden, das die Legitimität der politischen Eliten – und in einem weiteren Schritt die des gesamten Systems – in einem höheren Maß von der ökonomischen Performanz unabhängig macht.
Inhaltsverzeichnis
- KAPITEL 1 Einleitung: Rahmen der Analyse
- 1.1. Einführender Überblick
- 1.2. Theoretischer Rahmen
- 1.2.1. Politische Eliten
- 1.2.2. Demokratie und Stabilität
- 1.2.3. Legitimität als politische Unterstützung
- 1.2.4. Objekte der Legitimität
- 1.2.5. Legitimitätsdimensionen
- 1.2.6. „Mischungsverhältnis“ der Legitimitätsdimensionen
- 1.2.7. Konsolidierung
- 1.3. Struktur der Arbeit
- KAPITEL 2 Moralische Legitimität der politischen Eliten
- 2.1. Ausgangssituation - Unzufriedenheit mit dem sozial-istischen System in den 80er Jahren
- 2.2. Das polnische Verständnis von Demokratie
- 2.3. Solidarnosc als Motor der Transition und „Bannerträger“ der Forderung nach Demokratie
- 2.4. Dominanz moralischer Legitimität der politischen Eliten - Parlamentswahlen 1989
- 2.5. Fragmentierung der politischen Landschaft und Rückgang der moralischen Legitimität im Vorfeld der Parlamentswahlen 1991
- 2.6. Zunehmende Erosion der moralisch dominierten Legitimität - Entwicklung bis 1993
- 2.7. Ende der moralischen Legitimitätsdominanz - Parlamentswahlen 1993
- KAPITEL 3 Personal-expressive Legitimität der politischen Eliten
- 3.1. Polnische Affinität zu starken Führungspersönlichkeiten
- 3.2. Präsidentschaftswahlen 1990
- 3.3. Personal-expressive Legitimität der Ministerpräsidenten
- 3.4. Walesas Amtszeit als Staatspräsident
- 3.5. Bedeutungsverlust personal-expressiver Legitimität - Parlamentswahlen 1993
- 3.6. Präsidentschaftswahlen 1995
- KAPITEL 4 Instrumentelle Legitimität der politischen Eliten
- 4.1. Kernelemente instrumenteller Legitimität in Polen
- 4.2. Geringe instrumentelle Legitimität der politischen Eliten - Einführung marktwirtschaftlicher Reformen
- 4.3. Die Entwicklung bis zu den Parlamentswahlen 1991
- 4.4. Instrumentelle Legitimitätsdominanz - Parlamentswahlen 1993
- 4.5. Entwicklung bis zu den Parlamentswahlen 1997
- 4.6. Parlamentswahlen 1997 - Bedeutungsverlust instrumenteller Legitimität?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Frage, inwiefern Legitimität als Schlüsselkategorie für die demokratische Konsolidierung in Polen nach 1989 dienen kann. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Rolle der politischen Eliten gelegt, die sich in dieser Zeitspanne in einem ständigen Wandel befanden. Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklung der Legitimität der politischen Eliten in Polen zu analysieren und zu untersuchen, welchen Einfluss sie auf den Prozess der demokratischen Konsolidierung hatte.
- Entwicklung der Legitimität der politischen Eliten in Polen nach 1989
- Rolle der politischen Eliten bei der demokratischen Konsolidierung
- Bedeutung der verschiedenen Legitimitätsdimensionen (moralische, personal-expressive und instrumentelle Legitimität)
- Einfluss der Legitimität auf den politischen Prozess in Polen
- Herausforderungen der demokratischen Konsolidierung in Polen
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 legt den theoretischen Rahmen für die Analyse fest. Es werden zentrale Konzepte wie politische Eliten, Demokratie, Legitimität und Konsolidierung definiert. Kapitel 2 untersucht die moralische Legitimität der politischen Eliten in Polen. Es werden die Anfänge der Demokratisierung sowie die Rolle der „Solidarnosc“ und die Entwicklung der moralischen Legitimität der Eliten bis zu den Parlamentswahlen 1993 beleuchtet. Kapitel 3 widmet sich der personal-expressiven Legitimität der politischen Eliten. Hierbei werden die Präsidentschaftswahlen von 1990 und 1995 sowie die Amtszeit von Lech Walesa als Staatspräsident analysiert. Kapitel 4 analysiert die instrumentelle Legitimität der politischen Eliten. Es werden die Auswirkungen der marktwirtschaftlichen Reformen sowie die Entwicklung der instrumentellen Legitimität bis zu den Parlamentswahlen 1997 untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselbegriffe Legitimität, Demokratie, Konsolidierung, politische Eliten, moralische Legitimität, personal-expressive Legitimität, instrumentelle Legitimität, Transformation, und Transition. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Herausforderungen der demokratischen Konsolidierung in Polen, die Rolle der politischen Eliten, die Bedeutung verschiedener Legitimitätsdimensionen und die Einflüsse auf den politischen Prozess.
- Quote paper
- Dr. Holger Muench (Author), 1998, Legitimität als Schlüsselkategorie der demokratischen Konsolidierung in Polen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18290