Sünde und Neurose - Versuch einer Synthese von Dogmatik und Psychoanalyse


Seminararbeit, 1998

15 Seiten


Leseprobe


Gliederung

0.1 Vorbemerkung

1. Sünde als Krankheit zum Tode, - als Verzweiflung vor Gott
1.1 Verzweiflung als Mißverhältnis zu sich selbst
1.2 Angst als Ursprung der Verzweiflung

2. Die vier Neuroseformen als vier Formen der Fehlverarbeitung von Daseinsangst
2.1 Die Zwangsneurose
a) Charakterisierung
b) Genese
c) Heilung aus dem Glauben
2.2 Die Hysterie
a) Charakterisierung
b) Genese
c) Heilung aus dem Glauben
d) Vergleich von Zwangsneurose und Hysterie
2.3 Die Depression
a) Charakterisierung
b) Genese
c) Heilung aus dem Glauben
2.4 Die Schizoidie
a) Charakterisierung
b) Genese
c) Heilung aus dem Glauben
d) Vergleich von Depression und Schizoidie

3. Neurosenlehre als theologische Phänomenologie der Sünde

4. Schlußbemerkung

5. Quellennachweis der Zitate

0.1 Vorbemerkung

Die faszinierende Gestalt eines Eugen Drewermanns` fesselte mich schon lange. Doch näher mit ihm befasst hatte ich mich noch nicht. Sein Name war die letzten Jahre überall in den Medien zu hören bzw. zu lesen: [i]

„Drewermann auf dem Katholikentag“,

„Drewermann und Degenhardt“;

„Drewermann der größte Kritiker der Kirche“.

Daraufhin ging ich in ein Büchergeschäft und kaufte mir ein Buch mit gesammelten Texten von ihm, „Zeiten der Liebe“. Nach der Lektüre des Buches wusste ich jetzt auch was sich hinter dem vielverwendeten Namen Eugen Drewermann verbirgt. In einigen Texten greift er die katholische Kirche zwar an, aber ob er die katholische Kirche zerstören will, wage ich zu bezweifeln. Aus diesen Gründen habe ich mich auch beim Thema meiner Seminararbeit für einen Aufsatz von Eugen Drewermann entschieden, mit dem wir uns im Seminar schon beschäftigt hatten.

1. Sünde als Krankheit zum Tode, - als Verzweiflung vor Gott

Thomas von Aquin definiert in seiner Summa theologica die Sünde „ als Abkehr von Gott und eine Hingabe zum Geschaffenen “[ii]. Allerdings stellt sich die Frage wie kann der Mensch soweit kommen sich von dem Ursprung seines Seins, sich von Gott abzuwenden ? Wenden wir uns von einem Menschen ab, der uns liebt, dann ist er beleidigt, enttäuscht und verletzt. Gott hat uns in seine Hand geschrieben, er liebt uns Menschen, doch wie zeigt er seine Enttäuschung und sein Beleidigt sein, wenn wir uns abwenden ? Außerhalb der Traktate der sogenannten Erbsündenlehre wird dies nicht klar beantwortet. Es heißt, daß eine schwere Sünde den Verlust der Rechtfertigungsgnade und einen Ausschluß vom Reich Gottes bewirkt, doch wie erfährt man dies, wie macht sich dies im Leben eines Menschen bemerkbar ?

Diese Betrachtung der Sünde schließt den persönlichen Gott aus und betrachtet nur das Sittliche. Es käme zur Kantschen Reduktion des Religiösen aufs Sittliche. Nun wird der Versuch unternommen aufzuzeigen wie sich das Dasein des Menschen verändert, wenn es zu Gott ins Mißverhältnis gerät, wenn der Mensch seine Beziehung zu Gott verliert.

Nun werden die Gedanken Sören Kierkegaards aufgegriffen, in denen Kierkegaard den Verlust der Gnade, den Verlust der Rechtfertigung vor Gott, als Verzweiflung beschrieb und umgekehrt das Verzweifelt sein als Sünde vor Gott bezeichnet. Eugen Drewermann nennt Kierkegaard den „ letzten Philosophen des Abendlandes “[iii], denn Kierkegaard wirft der Kirche ihre mangelnde christliche Lebensweise vor. Ebenso wie man Drewermann heute vorwirft er würde das Fundament der Staatskirche zerstören, hat man dies Kierkegaard vorgeworfen.

Wenn wir von Kierkegaard sprechen können wir Psychoanalyse und Dogmatik verbinden. Die Neurosenlehre der Psychoanalyse als ein theologisches Erkenntnisorgan der dogmatischen Sündenlehre zu instrumentalisieren, d.h. anhand der Neurosen läßt sich die Sünde erkennen, das Mißverhältnis zu Gott. Kierkegaard war selbst am Rande der Verzweiflung als er sein Stück „ Die Krankheit zum Tode “ schrieb. Die Verzweiflung ist das Untotsein, am liebsten sterben zu wollen, aber doch nicht zu können, man verzweifelt. Es stellt sich die Frage, woher diese Verzweiflung kommt, und wie sie ist, ihr Wesen ?

1.1 Verzweiflung als Mißverhältnis zu sich selbst

Um die Verzweiflung der Menschen zu verdeutlichen kann man sich die Geschichte von Diogenes vor Augen rufen. Als die Stadt Korinth belagert wurde, versuchten die Bewohner alles zu tun um dies zu verhindern der eine putzte seine Waffen, der andere besserte die Mauern seines Hofes aus. Daraufhin rollte Diogenes in den Gassen seine Tonne hin und her um nicht als einziger Müßiger unter so vielen Eifrigen zu sein. Die Bewohner schienen zu verzweifeln, darüber, daß sie ihr Hab und Gut verlieren werden. Vielleicht wollte ihnen Diogenes sagen, daß sie gerade jetzt merken müßten, daß ihre Hast und Ruhe in die falsche Richtung geht. Zu diesem Zeitpunkt müßte es den Bewohnern bewußt werden, daß ihr Besitz nicht ihr Leben ist. Die Menschen sind schon immer verzweifelt, denn sie leben nicht, sie sind keine wirklichen Menschen solange sie meinen: mein Haus, mein Kind, meine Frau - das ist mein Leben.[iv]

Nehmen wir einen Menschen der bei einem Brand sein Haus verliert, er ist verzweifelt und resigniert. Dies ist der eine Weg aus der Verzweiflung die Resignation, sie ist das Ende seines Lebens. Doch es gibt noch einen anderen Weg, ein Gesinnungswechsel, den die Verzweiflung hervorrufen kann, eine Vertiefung. In der Verzweiflung erkennt er, daß er schon immer verzweifelt war, denn er hat nie gelebt, er wurde von außen gelebt, von den materiellen Werten, die ihm als sein Leben erschienen. In der Verzweiflung erkennt er, daß er schon immer verzweifelt war, wie in der Psychotherapie beim Ausbruch einer Aktualneurose. Bei dieser Neurose hat der Patient schon immer eine prämorbide Persönlichkeitsstruktur besessen, die nun zum Ausbruch kam. Genauso war ein Mensch schon immer verzweifelt, bei dem sich die Verzweiflung jetzt zeigt. Wenn man die Verzweiflung dazu benutzt, sich auf sein wirkliches, eigentliches Leben zu besinnen, kann die Verzweiflung vorteilhaft sein. Daraus läßt sich die wichtigste These Kierkegaards aufzeigen: „ daß niemals jemand an etwas Äußerem verzweifelt, das er nicht selbst ist, sondern immer an sich selber; anders ausgedrückt, daß die Verzweiflung im Grunde immer ein Mißverhältnis zu sich selber ist. “[v]. So schön dieser Satz klingt, ist es schwierig ihn in die Realität, ins eigene Leben umzusetzen. Dazu muß man erst akzeptieren, daß die Verzweiflung im Menschen ist, in ihm wohnt und ihn nicht durch Schicksalsschläge überfällt. Wenn das anerkannt wird gibt es Möglichkeiten der Heilung, die die Frage nach Gott sinnvoll machen.

1.2 Angst als Ursprung der Verzweiflung

Nachdem wir wissen was die Verzweiflung ist, möchten wir wissen woher sie kommt und in welcher Form sie auftritt. Kierkegaard vertritt die Ansicht, daß ein Mensch nur dann ein Selbst werden könne, wenn er sich selbst als ein geistiges Wesen in seiner Geschöpflichkeit akzeptiert.

Der Mensch hat Geist, er ist menschlich, dennoch ist er nicht Gott. Er ist an seine Sinne, seinen Körper, an die ENDLICHKEIT gebunden. Somit hat der Mensch die Aufgabe um ein Selbst zu werden das Endliche und das Unendlich gleichzusetzen. Dies ist seine Freiheit. Denn im Gegensatz zu einer Blume oder einem Stein, hat er die Möglichkeit zu reflektieren. Das bedeutet, der Mensch muß sich in seiner Unendlichkeit in die Endlichkeit setzen. Er muß annehmen, daß er in seiner Endlichkeit von Gott bestimmt ist und durch Gott ins Unendliche kommen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier wurde das Gegensatzpaar Endlichkeit und Unendlichkeit, daß der Mensch in sich vereint, verdeutlicht, doch es ergibt sich noch ein anderes Paar der Gegensätze. Die NOTWENDIGKEIT und die MÖGLICHKEIT. Denn würde der Mensch der puren Notwendigkeit verfallen, wäre er nicht mehr frei, denn er wäre der Notwendigkeit verfallen. Würde er sich nur den Möglichkeiten verrennen, wäre es die bloße Phantasterei. Der Mensch muß eine Synthese bilden und seine Freiheit der Wirklichkeit verschreiben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Freiheit des Menschen liegt in der Synthese dieser vier Gegensätze, wenn er die Vereinigung dieser Gegensätze vollziehen kann, wird er zu einem Selbst, er wird wirklich. Doch es gibt etwas, daß den Menschen daran hindert seine Freiheit zu nutzen, es ist die Angst. Es besteht die Möglichkeit, daß die Freiheit zur Angst wird. „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.“[vi] Die Freiheit ist folglich das höchste Gut des Menschen, aber sie ist auch die größte Bürde des Menschen, es ist sehr anstrengend seine Freiheit zu wollen. Der Mensch neigt dazu sie aufzugeben und in der Masse zu verschwinden bzw. unterzutauchen.

[...]


[i] Vgl. Drewermann Eugen: Sünde und Neurose Versuch einer Synthese von Dogmatik und

Psychoanalyse, in: Münchener Theologische Zeitschrift 31 ( 1980 ) 24-48;

[ii] Thomas von Aquin: Summa theologica, in: Drewermann Eugen: Sünde und Neurose

Versuch einer Synthese von Dogmatik und Psychoanalyse, in: Münchener Theologische

Zeitschrift 31 ( 1980 ); S.24;

[iii] v. Schönborn, Felizitas; Eugen Drewermann - Rebell oder Prophet?, Walter-Verlag

Düsseldorf 1993, S.25;

[iv] Vgl. Drewermann Eugen: Sünde und Neurose Versuch einer Synthese von Dogmatik und

Psychoanalyse, in: Münchener Theologische Zeitschrift 31 ( 1980 ); S.25;

[v] Ebd. S. 27;

[vi] GG Art. 2 Abs. 2

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Sünde und Neurose - Versuch einer Synthese von Dogmatik und Psychoanalyse
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt  (Fakultät Religionspädagogik/Kirchliche Bildungsarbeit)
Autor
Jahr
1998
Seiten
15
Katalognummer
V18329
ISBN (eBook)
9783638226998
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sünde, Neurose, Versuch, Synthese, Dogmatik, Psychoanalyse
Arbeit zitieren
Sandra Schmidt (Autor:in), 1998, Sünde und Neurose - Versuch einer Synthese von Dogmatik und Psychoanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18329

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