Einleitung
Johann Christoph Gottsched und seine Frau Luise Adelgunde Victorie Gottsched reformierten das deutsche Theater zu Beginn des 18. Jahrhunderts und bildeten somit den Anfang des Dramas der Aufklärung. Gottscheds dramentheoretisches Konzept, welches unter anderem in seinem Werk Versuch einer Critischen Dichtkunst , in verschiedenen Abhandlungen sowie Vorträgen und -reden dargestellt ist, stützt sich dabei vor allem auf die antike Poetik von Aristoteles , Martin Opitz‘ Buch von der deutschen Poeterey und auf den französischen Klassizismus.
Im Verlauf des folgenden Kapitels werden zuerst einige zentrale Merkmale der Tragödie, wie Gottsched sie versteht, und anschließend das Trauerspiel Sterbender Cato, das Gottsched an seiner Regelpoetik orientiert und welches als Musterbeispiel gilt, kurz(!) vorgestellt und auf die zeitgenössische Reaktion auf das Drama eingegangen. Eine genauere Analyse des Trauerspiels erfolgt erst später im Zusammenhang mit Lessings‘ Werk Philotas.
So wie Gottsched als großer Reformator der Frühaufklärung gilt, so übernimmt Lessing diese Rolle ab der Mitte des 18. Jahrhundert in der Phase der Spätaufklärung. Sein erstes bürgerliches Trauerspiel, Miß Sara Sampson, läutet diese neue Phase des Theaters ein und steht in Opposition zu den am französischem Vorbild orientiertem klassischen Trauerspiel der Gottschedschen Schule. Drei Jahre später erscheint Lessings Philotas, das seinerzeit für viele Irritationen und Missverständnisse sorgte, da es zwar formal und laut Untertitel eine Tragödie ist, aber bei genauerer Betrachtung Fehler bei der Umsetzung des historischen Stoffes in die klassische Form der Tragödie - wie sie von Gottsched bekannt war - aufweist. Heute besteht allgemeiner Konsens darüber, dass das Werk „keine (verunglückte) heroische Tragödie ist, sondern ein Trauerspiel in heroischem Gewand mit antiheroischem Sinn.“
Philotas scheint Lessings Versuch zu sein, sich von der vorherrschenden Form der heroischen Tragödie abzuwenden und einen weiteren Schritt in Richtung seines favorisierten Dramenstils - dem bürgerlichen Trauerspiel - zu gehen. Dass er damit die Dramentheorie seines größten - zumindest literarischen - Gegners Gottsched kritisiert, steht außer Frage. Allerdings könnte man an diesem Punkt weitergehen und behaupten, Philotas sei nicht nur Kritik an der klassischen Regelpoetik, sondern auch Kritik an deren deutschem Musterbeispiel Sterbender Cato.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundlagen: Gottscheds Verständnis der klassischen Tragödie in Theorie und Praxis
- Die Regelpoetik
- Gottscheds Musterdrama Der Sterbende Cato
- Lessings dramatisierte Kritik an Gottsched und seiner Regelpoetik
- Einordnung des Dramas Philotas in Lessings Schaffensprozess
- Philotas als ein konterkarierendes Drama zu Sterbender Cato
- Abschließende Betrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Lessings Trauerspiel Philotas als dramatisierte Kritik an Gottscheds Sterbender Cato und dessen zugrundeliegender Theorie der klassischen Tragödie. Die Analyse beleuchtet Lessings Abwendung von der heroischen Tragödie und seinen Schritt hin zum bürgerlichen Trauerspiel.
- Gottscheds Regelpoetik und seine Vorstellung der klassischen Tragödie
- Der Sterbende Cato als Musterbeispiel gottschedischer Tragödie
- Lessings Philotas als konterkarierende Antwort auf Gottsched
- Die Einordnung von Philotas in Lessings Gesamtwerk
- Der Vergleich der beiden Dramen hinsichtlich Form und Inhalt
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 (Einleitung): Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentralen Forschungsfragen vor: Wie kritisiert Lessing Gottscheds Dramentheorie in Philotas, und inwiefern lässt sich Philotas als direkte oder indirekte Antwort auf Sterbender Cato verstehen?
Kapitel 2 (Gottscheds Verständnis der Tragödie): Dieses Kapitel beschreibt Gottscheds Verständnis der Tragödie anhand seiner Regelpoetik und seinem Musterdrama Der Sterbende Cato. Es werden die zentralen Merkmale der gottsched'schen Tragödie erläutert, wie die Ständeklausel und die formalen Elemente.
Kapitel 3 (Lessings dramatisierte Kritik): Dieses Kapitel analysiert Lessings Philotas im Kontext seines Gesamtwerks und im Vergleich zu Sterbender Cato. Es untersucht, wie Lessing formal und inhaltlich von Gottscheds Regelpoetik abweicht.
Schlüsselwörter
Gottsched, Lessing, klassische Tragödie, Regelpoetik, Der Sterbende Cato, Philotas, bürgerliches Trauerspiel, heroische Tragödie, Aufklärung, Dramentheorie, Literaturvergleich.
- Arbeit zitieren
- Bianca Reinisch (Autor:in), 2011, Lessings Trauerspiel 'Philotas' als dramatisierte Kritik an der Tragödie 'Sterbender Cato' und seiner zugrundeliegenden Theorie von Johann Christoph Gottsched, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183380