Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Grundlagen der soziologischen Theorie Pierre Bourdieus
2.1. Der Akteur im sozialen Raum
2.2. Der Habitus-Begriff
2.3. Formen des Kapitals
2.4. Alltägliche Machtkämpfe um das herrschende Herrschaftsprinzip
2.5. Von der Illusion der Chancengleichheit
3. Sprache: Ausdruck von Macht und Mittel zur Machtdurchsetzung
3.1. Bourdieus Abgrenzung von der strukturalistischen Sprachwissenschaft
3.2. Vom sprachlichen Habitus und sprachlichen Markt
3.2.1. Erwerbsbedingungen
3.2.2. Anwendungsbedingungen
3.3. Über offizielle Märkte, legitime Sprache und die Macht des Wortes
3.3.1. Sprache und symbolische Macht
3.3.2. Performative Macht und die Macht der Institution
4. Schluss
5. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Theorie der „Ökonomie des Sprachlichen Tausches“ des Soziologen Pierre Bourdieu. In seinen Aufsätzen und Schriften zu diesem Thema stellt der Wissenschaftler heraus, dass Sprache nicht bloß ein Mittel zu Kommunikation sei, wenn sie es denn überhaupt sei, sondern vielmehr Instrument sozialen Handelns, sowie Mittel zu Herrschaft. Er interessiert sich dabei besonders für die Frage, woraus die Wirkung von Sprache resultiert und wie und warum es einzelnen Akteuren in der nächsten Instanz somit möglich ist, die soziale Welt direkt zu beeinflussen und reale Wirkungen hervorzubringen. Die Zauberei, die darin liegt, mit Sprache soziale Praxis direkt zu gestalten, nennt Bourdieu in Anlehnung an den durch Austin geprägten Begriff; performative Magie. Mit seiner Analyse performativer Magie wendet Bourdieus sich dabei gegen jene Sprachanalytikern, welche die Wirkung von Sprache in einer innersprachlichen Logik zu finden glauben. Bourdieu stellt in seinen Analysen dem hingegen heraus, dass die Macht von Sprache in den sozialen Bedingungen ihrer Produktion und Reproduktion, verborgen liege. In der klassenspezifischen Verteilung von Kenntnis und Anerkenntnis der legitimen Sprache.
Im Zentrum der Theorie steht dabei Bourdieus so genanntes Habituskonzept. Für ein Verständnis des bourdieuschen Performativitätskonzeptes ist es daher notwendig, die für dieses Konzept relevanten Begrifflichkeiten einzuführen; sozialer Raum, Habitus, sowie die verschiedenen Kapitalformen, die von den Akteuren zur Machtdurchsetzung genutzt werden. Der erste Teil dieser Arbeit konzentriert sich somit darauf, den Zugang zum zweiten Teil der Arbeit zu legen.
Im zweiten Teil soll sodann die Ökonomie des Sprachlichen Tausches dargestellt werden, beginnend mit der Kritik Bourdieus an der strukturalen Sprachwissenschaft, und endend mit der Antwort Bourdieus, nach der Macht von Sprache. Sie sei letztlich nur im Glauben der sozialen Akteure begründet; auf deren Anerkennung autorisierter Sprache und Diskurse sowie der Kompetenz der Sprechenden als legitim. Die performative Kraft der Wörter sei nicht in einer innersprachlichen Logik zu finden, sondern liege in der Anerkennung der Macht der Institution und der solchermaßen Sprechenden, durch jene die sich dieser ausgeliefert glauben. Im Schlusskapitel werden sodann die Erkenntnisse aus den vorherigen Kapiteln zusammengeführt und der Frage auf den Grund gegangen, worin Bourdieus Beitrag zur Kommunikationswissenschaft liegt.
2. Grundlagen der soziologischen Theorie Pierre Bourdieus
Die zentrale Thematik der Soziologie Bourdieus, ist die Frage nach symbolischen Kräften, welche soziale Ungleichheiten und die damit verbundene Machtstrukturen bestimmen. In seinem Hauptwerk „der feine Unterschied“ untersuchte der Soziologe auf empirischer Ebene kulturelle Praktiken der französischen Gesellschaft; verschiedene Formen sozialen Austausches, immer im Hinblick darauf, wie sie soziale Unterschiede sichtbar machen und festigen. - Auf der Suche nach Zusammenhängen zwischen symbolischen Systemen und gegenwärtigen Gesellschaftsstruktur, arbeitete Bourdieu mit Begriffe wie Habitus, sozialer Raum (bzw. soziales Feld), Klasse und Kapital, mit dem Ziel vor Auge strukturalistische und marxistischer Theorieansätze durch Einarbeitung kultursoziologischer Elemente zu bereichern. Im Folgenden soll deshalb zunächst ein grundlegender Überblick über die Theorie und Terminologie Bourdieus gelegt werden.
2.1. Der Akteur im sozialen Raum
In seiner Terminologie grenzt Bourdieu den Begriff des „sozialen Raumes“ von dem Begriff „soziale Klasse“,wie ihn Marx verwendet hat, ab. Nicht linear, geordnet durch neben- oder übereinander stehende gesellschaftliche Gruppen, sei der soziale Raum aufgebaut, sondern mehrdimensional; sei eine Art Achsenkreuz, auf dem sich gesellschaftliche Gruppen verteilen. Die vertikale Achse hat ein „oben“ und ein „unten“, die horizontale einen intellektuelle bzw. kulturellen Pol und entgegengesetzt einen ökonomischen. (vgl. Bourdieu 2005: 37)
Als „Klassen“ können dabei theoretische bzw. statische Einheiten in diesem Raum zusammengefasst werden, die ähnliche Stellungen im sozialen Raum innehaben. Eine reale Existenz sozialer Klassen, aufgrund unveränderbarer Merkmale, verneint Bourdieu jedoch. Er geht in seiner Theorie vielmehr von einem relationalen Verhältnis sozialer Positionen aus; Soziale Unterschiede entstünden erst durch die Positionen, die Gruppen innerhalb der sozialen Struktur im Verhältnis zu anderen Gruppen einnehmen. (vgl. Fürstenau 2004: 45f.) Die relevanten Differenzen werden also erst im sozialen Kontext hergestellt.
„Was existiert, ist ein sozialer Raum, ein Raum von Unterschieden, in denen die Klassen gewissermaßen virtuell existieren, unterschwellig, nicht als gegebene, sonder als herzustellende.“ (Bourdieu 1998: 26 in Fürstenau 2004: 44)
Für die Positionierung einer „Klasse“ im „sozialen Raum“ sind demnach nicht unterschiedliche Merkmale an sich, sondern Unterschiede in der sozialen Bewertung dieser entscheidend. (vgl. Fürstenau 2004: 45f.)
2. 2. Der Habitus-Begriff
Auf Grundlage seiner umfangreichem empirischem Studien hat Bourdieu die Homologie diverser Weltansichten, Vorlieben und Praxisformen vielfältiger Klassen beschrieben und diese unter dem Konzept des „Habitus“ zusammengefasst. Und er ist das zentrale Element der bourdieuschen Soziologie.
Der Begriff des Habitus (lat.), sowie das griechische Adäquat Hexis, bedeuten beide (erworbene) Haltung, Habe, Gehabe und werden in unterschiedlichen Traditionslinien verwendet. Bourdieu legt diese beiden Begriffe jedoch unterschiedlich aus: Den Habitus beschreibt Bourdieu er als eine innere generative Tiefenstruktur (Tiefenformel); als eine allgemeine Grundhaltung gegenüber der Welt, die von der sozialen Herkunft und der derzeit eingenommenen sozialen Stellung bestimmt wird. (vgl. Bourdieu 2005: 31f.) Er werde nur in Interaktion mit einem Feld aktualisiert und kann daher nicht als solche beobachtet werden. Nur der so genannte „sprachliche Habitus“ eines Akteur umfasst auch konkret Wahrnehmbares. Unter die „Hexis“ (des Körpers) fasst Bourdieu das äußerlich wahrnehmbare Ensemble dauerhaft erworbener Körperhaltungen und -Bewegungen. (vgl. Fröhlich 1999: 100-102)
Der Habitus eines Akteurs sei Verinnerlichung und Entäußerung in einem, Produkt sowie Produzent von Praktiken. Bourdieu fasst den Verinnerlichungsprozess dabei konkret als Einverleibung kollektiver Schemata und Dispositionen als „eingefleischte“ individuelle (Denk-/ Handlungs-) Gewohnheiten und Reflexe in den menschlichen Körper. So zeigten alle Kinder in allen Gesellschaften für die Gesten und Posituren, die in ihren Augen den richtigen Erwachsenen ausmachen, außerordentliche Aufmerksamkeit. Für „ein bestimmtes Gehen, eine spezifische Kopfhaltung, ein Verziehen des Gesichts, für die jeweiligen Arten, sich zu setzen, mit Instrumenten umzugehen“. Verbunden damit ist auch ein jeweiliger „Ton der Stimme“ sowie „einer Redeweise“, begründet auf einem „spezifischen Bewußtseinsinhalt.“ (Bourdieu 1979, 190, in Fröhlich 1999: 100-102)
Im Rahmen der Sozialisation verinnerlicht, wird der Habitus somit zur „zweiten Natur“'; Prägt (innerlich) die Weltanschauung, Gefühle, Hoffnungen, (äußerlich) die Sprache Ausdruck, Gestik und Mimik und in der nächsten Instanz ästhetisches Empfingen, den kulturellen Geschmack selbst damit auch die kulturelle Gewandtheit bzw. soziale Kompetenz.
Unklar bleibt bei Bourdieu allerdings, wie stark der Habitus eines Individuums von äußeren 5 Faktoren geprägt und wie stabil er ist. So beschreibt er den Habitus als „ein System von Grenzen“, innerhalb derer Akteure durchaus erfinderisch sind und Reaktionen keineswegs immer schon im voraus bekannt sind. Allerdings seien sie in ihrem immer auch System beschränkt, da für sie bestimmte Dinge undenkbar, unmöglich sind, (vgl. Bourdieu 2005: 33f.) und der Habitus bliebe immer von seiner ersten Aneignung geprägt.
Die unterschiedlichen kulturellen Praktiken der verschiedenen Klassen würden Bourdieu zufolge jedoch nicht um ihrer selbst Willen gepflegt; sondern seien vielmehr Strategie gesellschaftlicher Positionierung, und gehörten demnach zu den verborgenen Mechanismen der Macht. (vgl. Fürstenau 2004: 47/48f.) Denn seien nicht nur materielle Ressourcen notwendig, um an den „Machtspielen“, die sich (nach Bourdieu) vorrangig um die Anerkennung einer Klasse als Leitmilieu drehen, sondern besonders die habituelle Vertrautheit mit Regeln der jeweiligen „Spielfelder“; jeweiliger Leitmilieus seinen notwendig; der so genannte „Sinn für das Spiel“.
Als „Spieleinsatz“ in Konkurrenz um soziale Positionen diene den Akteuren dabei ein umfangreiches „Kapital“.
2.3. Formen des Kapitals
Um „Struktur und [...] Funktionieren der gesellschaftlichen Welt“ präziser beschreiben zu können, müsse ein neuer Begriff des Kapitals einführt werden. Ein anderen als jener, der in der Wirtschaftstheorie kursiert, da dieser „die Gesamtheit der gesellschaftlichen Austauschverhältnisse auf den bloßen Warenaustausch“ reduziere. Da Warenaustausch „auf Profitmaximierung ausgerichtet und vom (ökonomischen) Eigennutz geleitet ist“, würde implizit unterstellt, dass „alle anderen Formen sozialen Austausches zu nicht-ökonomischen, uneigennützigen Beziehungen“ gehörten. Diese Sicht würde nicht der „Gesamtgebiet der ökonomischen Produktion“ gerecht. Vielmehr, wohne auch den verschieden Positionen im sozialen Feld, verschiedene Formen von Macht inne, die Bourdieu mit unterschiedlichen „Kapitalsorten“ gleichsetzt. (vgl. Bourdieu 2005: 50f./51f.)
Kapital kann nach Bourdieu in drei grundlegende Arten differenziert werden; in ökonomisches Kapital, in soziales Kapital sowie kulturelles Kapital.
Das ökonomische Kapital ist unmittelbar und direkt in Geld umwandelbar. Hiermit sind vor allen Eigentumsrechte gemeint; Besitz.
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