Die Hügelgräber-Kultur in Österreich

Mit Zeichnungen von Friederike Hilscher-Ehlert


Fachbuch, 2011

87 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Die Mittelbronzezeit in Österreich
Abfolge und Verbreitung der Kulturen und Gruppen

Das große Gräberfeld von Pitten
Die Hügelgräber-Kultur von etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.

Anmerkungen

Literatur

Bildquellen

Die wissenschaftliche Graphikerin
Friederike Hilscher-Ehlert

Der Autor Ernst Probst

Bücher von Ernst Probst

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zwei Frauen mit langärmeligen Blusen,

knöchellangen Röcken, Schulter- und Kopftüchern

aus der Mittelbronzezeit in Mitteldeutschland -

eine Rekonstruktion

des Weimarer Prähistorikers Rudolf Feustel

von 1958

Vorwort

Rund 400 Jahre Urgeschichte von etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr. passieren in dem Taschenbuch

»Die Hügelgräber-Kultur in Österreich« in Wort und Bild Revue. Geschildert werden die Anatomie und Krankheiten der damaligen Ackerbauern, Viehzüchter und Bronzegießer, ihre Siedlungen, Kleidung, ihr Schmuck, ihre Keramik, Werkzeuge, Waffen, Haustiere, Jagdtiere, ihr Verkehrswesen, Handel und ihre Religion. Verfasser dieses Taschenbuches ist der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst. Er hat sich vor allem durch seine Werke »Deutschland in der Urzeit« (1986), »Deutschland in der Steinzeit« (1991) und »Deutschland in der Bronzezeit« (1996) einen Namen gemacht.

Das Taschenbuch »Die Hügelgräber-Kultur in Öster- reich« ist Dr. Elisabeth Ruttkay (1926-2009), Professor Hermann Maurer und Dr. Johannes-Wolfgang Neu- gebauer (1949-2002) gewidmet, die den Autor mit Rat und Tat bei seinen Werken über die Steinzeit und Bronzezeit unterstützt haben. Es enthält Lebensbilder der wissenschaftlichen Graphikerin Friederike Hilscher- Ehlert aus Königswinter.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der dänische Archäologe Christian Jürgensen Thomsen

(1788-1865) hat 1836 die Urgeschichte

nach dem jeweils am meisten verwendetem Rohstoff

in drei Perioden eingeteilt:

Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit.

PAUL REINECKE,

geboren am 25. September 1872

in Berlin-Charlottenburg,

gestorben am 12. Mai 1958 in Herrsching.

Er wirkte 1897 bis 1908

am Römisch-Germanischen Zentralmuseum

in Mainz. 1908 bis 1937

war er Hauptkonservator

am Bayerischen Landesamt

für Denkmalpflege in München.

1917 wurde er kgl. Professor.

Reinecke teilte 1902 die Bronzezeit

in die Stufen A bis D ein.

1902 sprach er von der Straubinger Kultur

sowie von der Grabhügelbronzezeit

und später von der Hügelgräber-Bronzezeit.

Die Mittelbronzezeit in Österreich

Abfolge und Verbreitung der Kulturen und Gruppen

Die Mittelbronzezeit von etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr. wird in Österreich - weitgehend auf den Erkenntnissen des süddeutschen Prähistorikers Paul Reinecke (1872-1958) basierend - in die zwei Stufen Bronzezeit B und C eingeteilt.

Statt von der Mittelbronzezeit ist in Österreich auch von der Hügelgräber-Bronzezeit oder -Kultur die Rede. Diese wird eingeteilt in die ältere Hügelgräber- Bronzezeit (Stufe B 1), mittlere Hügelgräber-Bronzezeit (Stufen B 2/C 1) und jüngere Hügelgräber-Bronzezeit (Stufe C 2).

Im östlichen Teil Österreichs existierte in der älteren Hügelgräber-Bronzezeit von etwa 1600 bis 1500 v. Chr. südlich der Donau der Typus Mistelbach-Regelsbrunn (s. S. 17).1 Er expandierte stellenweise in das Gebiet der nördlich der Donau im Norden Niederösterreichs heimischen Veterov-Kultur.

Die Veterov-Kultur ist bereits in der jüngeren Stufe der Frühbronzezeit (A 2) entstanden. Sie wird deswegen in dem Buch »Österreich in der Frühbronzezeit« unter den frühbronzezeitlichen Kulturen aufgeführt. Sie und ihre südlich der Donau verbreitete Böheimkirchener Gruppe waren bis etwa 1500 v. Chr. im Süden Niederösterreichs beheimatet.

Die Spätstufe der Veterov-Kultur beziehungsweise de- ren Böheimkirchener Gruppe sowie der Typus Mi- stelbach-Regelsbrunn fielen in die ältere Hügelgräber- Bronzezeit . Darauf folgten von etwa 1500 bis 1300/ 1200 v. Chr. die mittlere und jüngere Hügelgräber- Bronzezeit beziehungsweise die entwickelte Hügel- gräber-Bronzezeit (mittlere und jüngere Hügelgräber- Kultur). Die Hügelgräber-Kultur war im Land Salzburg, in Oberösterreich, in Niederösterreich, in der Steiermark und im Burgenland vertreten.

Nordtirol und das südliche Vorarlberg gehörten vermutlich von etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr. zum Verbreitungsgebiet der mittelbronzezeitlichen Inneralpinen Bronzezeit-Kultur.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

RICHARD PITTIONI,

geboren am 9. April 1906 in Wien,

gestorben am 16. April 1985 in Wien.

Er promovierte 1929

und habilitierte sich 1932.

Von 1929 bis 1937 war er

Assistent am Urgeschichtlichen

Institut der Universität Wien,

1938 bis 1942 Museumsdirektor in Eisenstadt,

1946 außerordentlicher Professor

und seit 1951

Professor an der Universität Wien.

Pittioni sprach 1937

von der Kultur von Unterwölbling

(heute Unterwölblinger

Gruppe) und 1954

vom Typus Mistelbach-Regelsbrunn.

Das große Gräberfeld von Pitten

Die Hügelgräber-Kultur

Die ältere Hügelgräber-Bronzezeit

(Der Typus Mistelbach-Regelsbrunn)

Im östlichen Teil Österreichs südlich der Donau war in der älteren Hügelgräber-Bronzezeit von etwa 1600 bis 1500 v. Chr. eine Kulturerscheinung verbreitet, die 1954 vom Direktor des Urgeschichtlichen Instituts der Universität Wien, Richard Pittioni (1906-1985), als »Typus Mistelbach-Regelsbrunn« bezeichnet wurde. Dieser Begriff erinnert an die beiden niederöster- reichischen Fundorte Mistelbach und Regelsbrunn. Der Siedlungsschwerpunkt südlich der Donau in Niederösterreich, am Steinfeld und auf angrenzendem burgenländischen Gebiet westlich des Neusiedler Sees konnte erst in der jüngsten Vergangenheit erfasst werden. Dabei haben besonders östliche Bronzetypen wichtige Hinweise für die Verbreitung dieses Typus gegeben.

Das nördlich der Donau gelegene Mistelbach befindet sich interessanterweise im ehemaligen Siedlungsgebiet der Veterov-Kultur (etwa 1800 bis 1500 v. Chr.). Der berühmte »Rollerfund« von Mistelbach, von dem später noch die Rede sein wird, beinhaltet möglicherweise auch eine Form der späten Veterov-Keramik. Nach gängiger Ansicht der Prähistoriker steht der Typus Mistelbach- Regelsbrunn am Beginn der Entwicklung der Hü- gelgräber-Kultur an der mittleren Donau. Die Hügelgräber-Bronzezeit beziehungsweise -Kultur verdankt den typischen Hügelgräbern aus jenem Abschnitt ihren Namen. Den Begriff »Hügelgräber- Kultur« hat der damals in Mainz tätige deutsche Prähistoriker Paul Reinecke (1872-1958) eingeführt. Der Wiener Anthropologe Viktor Lebzelter (1889- 1936) hat die Skelettreste von zwei in Wetzleinsdorf (Niederösterreich) bestatteten Menschen aus jener Zeit untersucht. Sie stammen von einem etwa fünfjährigen Jungen und von einer erwachsenen Frau. Lebzelter stellte an zwei Backenzähnen der Frau starke Karies fest. Am Schienbein der Frau fiel ihm eine Deformierung auf, »welche auf eine besondere Beanspruchung der unteren Extremitäten zurückzuführen ist und besonders bei Naturvölkern beobachtet werden kann.«

Außerdem beobachtete Lebzelter am Skelett grüne Patinaspuren, die von bronzenen Schmuckstücken herrühren. Die Patina an den Speichen und Ellbogen stammt vermutlich von Armringen, die an einem Mittelfingerknochen von einem Fingerring, die am Schlüsselbein von Gewandnadeln und die an einem Jochbogenfortsatz von Haarnadeln. Am Schlüsselbein und am Hinterhauptsbein könnte auch ein Halsschmuck Patinaspuren hinterlassen haben. Demnach dürften bei der zufälligen Entdeckung durch einen Ziegeleiarbeiter manche Schmuckstücke verlorengegangen sein.

Die Lage von zwei bronzenen Gewandnadeln im Frauengrab von Wetzleinsdorf verrät, dass diese an beiden Schultern einen Umhang zusammenhielten. Sie haben einen vierkantigen Schaft mit einem Öhr im oberen Teil und einen gewölbten Scheibenkopf. Diese beiden Funde werden als Wetzleinsdorfer Nadeln bezeichnet.

Auch über die Siedlungen aus der Zeit des Typus Mistelbach-Regelsbrunn ist bisher wenig bekannt. Lediglich ein Fund von Mannersdorf am Leithagebirge1 in Niederösterreich lässt gewisse Aussagen über Wohnobjekte zu. Anhand der dort aufgedeckten unregelmäßigen Grube in Verbindung mit Pfosten- löchern ließ sich ein schätzungsweise 7,50 bis acht Meter langes und vier bis fünf Meter breites Haus, das wohl in Pfostenbauweise errichtet wurde, rekonstruieren. Dessen Innenraum war ganz oder teilweise mehr als einen Meter in den Erdboden eingetieft. Die ehemaligen Bewohner haben zahlreiche Reste von Tongefäßen hinterlassen.

Eine weitere Siedlung hat sich in Mistelbach2 befunden. Dort wurden charakteristische Siedlungskeramiken dieses Typus entdeckt, die wohl zu einem Depot gehörten, das unter dem Namen des ehemaligen Grundbesitzers als »Rollerfund« in die Fachliteratur eingegangen ist. Die Objekte kamen beim Anlegen einer Kalkgrube im Kellergarten des Weinhändlers Felix Roller (1871-1957) in der Franz-Joseph-Straße von Mistelbach zum Vorschein. Dabei handelte es sich um Relikte von Tongefäßen (Kännchen, Kannen, Töpfe), Tonpyramiden, Asche, Getreide und Knochen, die in etwa anderthalb Meter Tiefe freigelegt wurden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Verbreitung der Kulturen und Gruppen während derälteren Mittelbronzezeit (etwa 1600 bis 1500 v. Chr.) in Österreich

Der Finanzrat Karl Fitzka (1833-1915) aus Mistelbach hielt die Funde irrtümlich für Überbleibsel eines Brandgrabes und betrachtete »viele gebrannte Lehm- stücke und verschlackte Stücke« als Lehmbewurf eines Hauses oder Vorratsgebäudes aus der gleichen Zeit- spanne. Der Prähistoriker Matthäus Much (1832-1909) aus Wien, der sich in einem Briefwechsel mit Fitzka eingehend mit dieser Grabung befasste, dachte an eine Siedlung mit Häusern, Herd- und Vorratsgruben. Aus dem Vorkommen von Asche schloss er auf eine Be- stattung innerhalb einer Herd- oder Vorratsgrube.

Die Keramik des Typus Mistelbach-Regelsbrunn weist starke karpatenländische Einflüsse auf. Sie läßt Elemente der Mad’arovce-Kultur3, Füzesabony-Otomani-Kultur4, Vatya-Kultur5 und der Vrsac-Kultur6 erkennen. In den Tongefäßen des Mistelbacher »Rollerfundes« konnten Reste von Getreide und Hülsenfrüchten identifiziert werden. Sie stammen von den Getreidearten Einkorn (Triticum monococcum) und Emmer (Triticum dicoccon), den Hülsenfrüchten Linse (Lens culinaris) und Erbse (Pisum sativum), von Schlafmohn (Papaver somniferum) sowie von den Ackerunkräutern Gemeines Labkraut (Galium mollugo) und Roggentrespe (Bromus secalinus). Diese Funde liefern bescheidene Hinweise auf den damaligen Ackerbau.

Matthäus Much hatte fälschlicherweise angenommen, die Pflanzen seien Toten als Wegzehrung ins Grab gelegt worden. Da aber keine Anzeichen vorhanden sind, die auf eine Bestattung hinweisen, wurde später auch ein Opfer erwogen.

Die Männer dieser Kulturstufe waren teilweise mit bronzenen Schwertern und Langdolchen bewaffnet. Als typisches Schwert jener Zeit gilt jenes vom Typ Sauerbrunn7, das nach einem Fund an der Bahnlinie bei Sauerbrunn unweit von Pöttsching im Burgenland bezeichnet wurde. Dieses Exemplar ist 48 Zentimeter lang und verziert. Es kam zusammen mit einem 29 Zentimeter langen, stark verbogenen Dolch und einer »Fibel« zum Vorschein.

Zu den Schmuckstücken des Typus Mistelbach-Re- gelsbrunn gehören bronzene Sichelnadeln mit seltsam gekrümmtem Schaft, Wetzleinsdorfer Nadeln, Blech- spiralen vom Typ Regelsbrunn und dünnstabige Spiralen mit Ösenenden. Diese Bronzen sind karpatischer Her- kunft.

In Wetzleinsdorf8 und Regelsbrunn9 wurden die Toten aus jener Zeit unverbrannt bestattet. Aus Pitten10 dagegen kennt man neben Körperbestattungen auch Brandbestattungen.

In der Ziegelei am südlichen Ortsrand von Wetz- leinsdorf hat man das Grab eines etwa fünfjährigen Jungen und das Grab einer erwachsenen Frau ent- deckt. Das Frauengrab war etwa 60 Zentimeter in den Boden eingetieft. Nach Aussage des Ziegeleiarbeiters, der die Skelettreste und Grabbeigaben barg, hatte man die Tote liegend und ausgestreckt bestattet. Ob man über ihr einen Hügel aufgeschüttet hatte, ließ sich nicht mehr feststellen, weil durch umfangreiche Erd- bewegungen das Landschaftsbild stark verändert worden war.

Zu den Grabbeigaben des Jungen aus Wetzleinsdorf zählten ein 32,6 Zentimeter langer, bronzener Voll- griffdolch mit bis zu vier Zentimeter breiter Klinge, eine 17 Zentimeter lange, bronzene Wetzleinsdorfer Nadel mit rundem, gewölbtem Scheibenkopf, der untere Teil einer Abwurfstange mit Rose vom Hirsch und einige von Speisebeigaben stammende Tierknochen. Der Griff des Dolches ist so kurz, daß er sich nur für eine kleine Hand - keineswegs für einen Mann - eignete.

Möglicherweise gehörte ein 16 Zentimeter langer »Tonzylinder« mit einem Durchmesser von acht Zentimetern und Aufhängespuren zu den Grabbeigaben des Jungen. Ein zufälliger Bruch des Zylinders legte ein Gebilde frei, das zunächst als Kern eines Rosen- gewächses fehlgedeutet wurde. Später erkannte eine Expertin, dass der Töpfer, der den Zylinder modellierte, beim Kneten des Tons ein Schneckengehäuse übersehen hatte.

Bei den Grabbeigaben der Frau aus Wetzleinsdorf handelte es sich um zwei bronzene Armreife mit glei- cher Verzierung, die bereits eingangs erwähnten zwei bronzenen Wetzleinsdorfer Nadeln, eine bronzene Nähnadel mit Öhr und einen doppelhenkligen Topf. Nach den erwähnten Patinaspuren zu schließen, dürfte die Frau außerdem einen Fingerring und viel- leicht Haarnadeln sowie Halsschmuck getragen ha- ben.

Auf das Grab mit dem Skelett einer Frau von Re- gelsbrunn war man beim Ausheben eines Kellers gestoßen. Als ihre Grabbeigaben dienten ein tönernes Kännchen, zwei Armspiralen aus Bronzeblech und zwei bronzene Sichelnadeln. Das 8,4 Zentimeter hohe Kännchen aus Regelsbrunn hat einen Mündungs- durchmesser von 8,4 Zentimetern. Sein hoher, trichterartiger Hals wird ganz von einem 1,7 Zentimeter breiten, bandförmigen Henkel überspannt. Am Rand der Bodenfläche sitzen drei nach außen gerichtete, lappenförmige Füßchen. Der Hals ist mit einer waagrechten Reihe kurzer Einstiche versehen.

Die zwei 27 beziehungsweise 27,9 Zentimeter langen bronzenen Sichelnadeln aus Regelsbrunn enden oben in einem gewölbten Scheibenkopf mit einem maximalen Durchmesser von vier beziehungsweise 3,8 Zenti- metern. An der Unterseite des senkrecht durchlochten, gewölbten Scheibenkopfes sind Gussnähte zu erkennen. In die Oberseite der beiden Köpfe hat man ein Blumen- oder Sternmotiv als Verzierung eingeritzt. Die unteren zwei Drittel des Schaftes sind in sich gedreht.

Die beiden Armspiralen aus Regelsbrunn mit einem Durchmesser von 7,4 Zentimetern bestehen aus bis zu ein Zentimeter breitem Bronzeblech mit fünf Win- dungen. Das Blech läuft an beiden Enden in einen zu einer Spiralscheibe gewundenen Draht aus. In der Mitte befindet sich parallel zu den Rändern eine getriebene Rippe, die auf einer Seite von einer geraden, auf der anderen von einer wellenförmigen Punktreihe begleitet wird.

Der Prähistoriker Adolf Mahr (1887-1951) aus Wien glaubte schon 1926, dass die Funde aus dem Grab von Regelsbrunn einen Übergang von der ältesten zu einem späteren Abschnitt der Bronzezeit erkennen lassen - womit er recht hatte.

Im Gräberfeld von Pitten stammen die frühesten Bestattungen aus der älteren Hügelgräber-Bronzezeit bzw. aus der Zeit des Typus Mistelbach-Regelsbrunn. Damals wurden dort vorwiegend Körper-, aber auch schon Brandbestattungen vorgenommen. Diesen Friedhof hat man in der mittleren und jüngeren Hügelgräber-Bronzezeit sowie in der Spätbronzezeit weiterhin belegt.

Die mittlere und späte Hügelgräber-Bronzezeit

Im Land Salzburg, in Oberösterreich, in Niederöster- reich, in der Steiermark und im Burgenland existierte von etwa 1500 bis 1300/1200 c. Chr. die entwickelte Hügelgräber-Kultur. Sie löste nördlich der Donau in Niederösterreich die späte Veterov-Kultur ab und im südöstlichen Teil Österreichs den erwähnten Typus Mistelbach-Regelsbrunn.

In Niederösterreich und im Burgenland sprechen die Experten von der älteren Hügelgräber-Bronzezeit (Typus Mistelbach-Regelsbrunn), der mittleren Hügel- gräber-Bronzezeit (Typus Pitten-Sieding11 ) und der jüngeren Hügelgräber-Bronzezeit (Typus Maisbirbaum- Zohor und Typus Strachotín-Velké Hosterádky12 ). Mittlere und jüngere Hügelgräber-Bronzezeit werden als entwickelte Hügelgräber-Bronzezeit zusammen- gefasst.

[...]


1 Die Zusammenstellung dieser Ubersicht uber die Verbreitung und Zeitdauer von Kulturen der Mittel­bronzezeit entstand 1996 mit Hilfe der Prahistorikerin Elisabeth Ruttkay vom Naturhistorischen Museum, Wien, und des Prahistorikers Johannes-Wolfgang Neugebauer vom Bundesdenkmalamt Wien.

1 Im Herbst 1979 kamen beim Pflugen auf einem Acker in Mannersdorf am Leithagebirge Siedlungsreste zum Vorschein, auf die der Steinmetzmeister und Obmann des Kultur- und Museumsvereins Mannersdorf, Friedrich Opferkuh, aufmerksam wurde. Er nahm eine erste Aufsammlung und nach Rucksprache mit dem Wiener Prahistoriker Johannes-Wolfgang Neugebauer eine kleine Notbergung vor. Deren Ergebnis war so uberraschend, dass der Grabungstechniker Gustav Melzer vom Bundesdenkmalamt Wien im Fruhjahr 1980 eine Nachuntersuchung durchfuhrte. Im Herbst 1980 hat Opferkuh weitere Objekte geborgen.

2 Der »Rollerfund« von Mistelbach kam 1903 zum Vorschein.

3 Die Mad’arovce-Kultur ist nach einer Siedlung in der Sudslowakei benanntn. Der Begriff Mad’arovece-Kultur geht auf den damals in Bratislava arbeitenden Prahi- storiker Jan Eisner (1885—1967) zuruck, der 1933 von der Kultur von Mad’arovce sprach. Der 1969 von dem Prahistoriker Vere Gordon Childe (1892—1957) aus Edinburgh vorgeschlagene Name Vesele-Typus nach ei- ner Siedlung in der Slowakei hat sich nichtdurchgesetzt.

4 Die Fuzesabony-Otomani-Kultur ist nach der Sied­lung Fuzesabony, Komitat Heves, in Nordungarn und nach der befestigten Hohensiedlung Otomani bei Ora- dea in Westrumanien benannt. In der ungarischen For- schung wird der Begriff Fuzesabony-Kultur verwendet, den 1937 der ungarische Prahistoriker Ferenc von Tom- pa (1893—1945) aus Budapest vorschlug. Dagegen spricht man in der rumanischen und slowakischen Forschung von der Otomani-Kultur. Letzterer Begriff wurde 1933 von dem rumanischen Prahistoriker Ion Nestor (1905—1974) aus Bukarest gepragt.

5 Die Vatya-Gruppe ist nach einem Gehoft in der Ge- meinde Ujhartyan, Komitat Pest, in Ungarn benannt. Von der Vatya-Gruppe sprach 1938 als erster der ungarische Prahistoriker Pal von Patay aus Budapest. Den Begriff Vatya-Kultur benutzte 1948 die ungarische Prahistorikerin Amalia Mozsolics aus Budapest.

6 1917 schlug Kalman von Miske (1860—1943) aus Szombathely in Ungarn den Begriff Szomolany-Vattina- Typus vor, der nach den Fundorten Szomolany (heute Smolenice) in der Sudwestslowakei und Wattina (Vatin) im Banat (Serbien) benannt ist. 1925 sprach der

Prahistoriker Oswald Menghin (1888—1973) aus Wien anstatt vom Wattina-Typus von der Werschetzer Kultur, die nach dem Fundort Werschetz (Vrsac) in Ungarn bezeichnet ist. 1929 benutzte der Prahistoriker Vere Gordon Childe (1892—1957) aus Edinburgh den Namen Lovosbereny-Vatya-Gruppe, der an die Graberfelder von diesen beiden Fundorten erinnert. 1938 pragte Pal von Patay (s. Anm. 5) den Ausdruck Gruppe von Vatya. Heute wird der Begriff Vatin-Vrsac-Kultur verwendet. In Vrsac hat 1905 der Lehrer und Begrunder des Museums in Vrsac, Bodog Milleker (1858—1942), eine Siedlung ausgegraben.

7 Das namengebende Schwert vom Typ Sauerbrunn wurde 1895 beim Rigolen eines Weichselkirschgartens an der Bahnlinie bei Sauerbrunn zusammen mit einem stark verbogenen Dolch und einer »Fibel« entdeckt. Den Begriff Typ Sauerbrunn fur Griffplatten- und Griff- zungenschwerter hat 1937 Ion Nestor (s. Anm. 4) in die Literatur eingefuhrt.

8 In der Ziegelei von Wetzleinsdorf wurde im Sommer 1924 das Grab eines etwa funfjahrigen Jungen entdeckt. Die Skelettreste und die Grabbeigaben hat man dem Wiener Lehrer und Heimatforscher Karl Kriegler (1881— 1963) ubergeben. Im Fruhjahr 1925 kam in der Ziegelei das Grab einer erwachsenen Frau zum Vorschein. 1973 las der Wiener Prahistoriker Stefan Nebehay ostlich der Ziegelei einen verzierten bronzenen Armreif auf, der vermutlich aus einem beim Pflugen zerstorten Grab stammt. 1979 legte der Wiener Prahistoriker Otto Urban in der Ziegelei zwei mittelbronzezeitliche Graber frei, die nicht ganz sicher dem Typus Mistelbach-Regels- brunn zugeordnet werden konnten.

9 Das Skelettgrab von Regelsbrunn wurde 1922 — und nicht 1923, wie der Prahistoriker Adolf Mahr (1887— 1951) aus Wien angab — entdeckt.

10 In Pitten wurden bereits 1932 drei bronzezeitliche Graber gefunden. 1967 kamen bei der Errichtung eines Betonwerks ein Diadem, zwei kreuzformige Zier- scheiben und ein Blechgurtel zum Vorschein. 1967 bis 1973 erfolgten Rettungsgrabungen des Nieder- osterreichischen Landesmuseums, Wien, unter Leitung der Prahistoriker Franz Hampl (1915—1980) und Herwig Friesinger.

11 Der Begriff Typus Pitten-Sieding wurde 1954 von dem Ordinarius des Urgeschichtlichen Instituts der Universitat Wien, dem Prahistoriker Richard Pittioni (1906—1985), eingefuhrt. Er bezieht sich auf die niederosterreichischen Fundorte Pitten und Sieding.

12 Auch der Name Typus Maisbirbaum-Zohor wurde 1954 von Richard Pittioni (s. Anm. 11) gepragt. Er bezieht sich auf den niederosterreichischen Fundort Maisbirbaum und den slowakischen Fundort Zohor. Der Ausdruck Typus Strachotin-Velke Hosteradky wurde 1982 von dem tschechischen Prahistoriker Jiry Rihovsky aus Brno vorgeschlagen. Er fuBt auf den mah- rischen Fundorten Strachotin und Velke Hosteradky.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Die Hügelgräber-Kultur in Österreich
Untertitel
Mit Zeichnungen von Friederike Hilscher-Ehlert
Autor
Jahr
2011
Seiten
87
Katalognummer
V183937
ISBN (eBook)
9783656085690
ISBN (Buch)
9783656085522
Dateigröße
2416 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Bronzezeit, Mittelbronzezeit, Hügelgräber-Kultur, Hügelgräberkultur, Archäologie, Urgeschichte, Österreich, Ernst Probst.
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2011, Die Hügelgräber-Kultur in Österreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183937

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