Die etwa tausendjährige Präsenz slawischer Bevölkerungsgruppen in deutschen Staatswesen war über Jahrhunderte geprägt von hierarchischer Dominanz des Deutschen über die verschiedenen slawischen Idiome – unter ihnen die sorbische bzw. wendische Sprache – und daraus resultierender Assimilation. So wurde die slawische Bevölkerung im heutigen Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern bereits in den ersten Jahrhunderten germanisiert; die vermutlich letzte Sprecherin einer autochthonen slawischen Sprache außerhalb der Lausitz – des Drawänopolabischen im Wendland – starb 1756. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung unter nationalsozialistischer Herrschaft, als selbst der bloße Gebrauch des Sorbischen in der Öffentlichkeit verboten, alle sorbischen Organisationen aufgelöst und die Verschickung der Sorben nach Osteuropa geplant wurde.
Nach 1945 wurde alles anders. So zumindest ist die allgemeine Bewertung jener historischen Entwicklungen, die die Sorben nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erfassten; vor allem aber ist so bis heute die Meinung des überwiegenden Teils der deutschen Mehrheitsbevölkerung. Die unmittelbare Nachkriegszeit und vor allem die erste Hälfte der 1950er Jahre waren tatsächlich eine Epoche des Aufbaus für die sorbische Sprache und Kultur, wie sich noch zeigen wird. Aber war die Nationalitätenpolitik des „ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden“ tatsächlich so perfekt, wie sie sich selbst sah? Waren die Sorben wirklich „die gehätschelte slawische Minderheit der DDR“, wie noch heute oftmals zu hören ist? Und warum halbierte sich dann ihre Zahl in den 40 Jahren DDR beinahe und sank damit so schnell wie nie zuvor?
Inhaltsverzeichnis
- Vorbetrachtung
- Rahmenbedingungen und Hintergründe
- Wirtschaftliche Einflüsse
- Braunkohleabbau als Spezifikum der Mittel- und Niederlausitz
- Die „rote" Domowina
- Wirtschaftliche Einflüsse
- Entwicklung des sorbischen Schulwesens
- Sorbische Schule vor 1945
- Erste Schritte
- Institutionalisierung und Ausbau
- Widerstände
- Zwischen Religion und Sozialismus
- Zentralisierung des Schulwesens 1959
- Umschwung und Abbau
- Fazit
- Quellen und weiterführende Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entwicklung des zweisprachigen Schulwesens in der SBZ und DDR zwischen 1945 und 1964. Sie analysiert die Rahmenbedingungen und Hintergründe der Nationalitätenpolitik der DDR, insbesondere im Hinblick auf die Sorben. Die Arbeit beleuchtet die Widersprüche zwischen den offiziellen Zielen der DDR-Nationalitätenpolitik und der tatsächlichen Entwicklung des sorbischen Schulwesens.
- Die Rolle des Braunkohleabbaus in der Lausitz und seine Auswirkungen auf die sorbische Sprache und Kultur
- Die Entwicklung des sorbischen Schulwesens in der SBZ und DDR
- Die Widersprüche zwischen der offiziellen Nationalitätenpolitik der DDR und der tatsächlichen Situation der Sorben
- Die Rolle der Domowina in der DDR-Nationalitätenpolitik
- Die Auswirkungen der Zentralisierung des Schulwesens 1959 auf das sorbische Schulwesen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Vorbetrachtung stellt die historische Situation der Sorben in Deutschland vor dem Hintergrund der deutschen Nationalitätenpolitik dar. Sie beleuchtet die Assimilationspolitik des Deutschen Reiches und die Unterdrückung der sorbischen Sprache und Kultur unter der nationalsozialistischen Herrschaft. Die Vorbetrachtung stellt die Frage, ob die Nationalitätenpolitik der DDR tatsächlich so positiv für die Sorben war, wie sie sich selbst darstellte.
Das Kapitel „Rahmenbedingungen und Hintergründe“ analysiert die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die die Entwicklung des sorbischen Schulwesens in der SBZ und DDR beeinflussten. Es wird der Einfluss des Braunkohleabbaus auf die sorbische Sprache und Kultur untersucht. Das Kapitel beleuchtet auch die Rolle der Domowina in der DDR-Nationalitätenpolitik.
Das Kapitel „Entwicklung des sorbischen Schulwesens“ beschreibt die Entwicklung des sorbischen Schulwesens in der SBZ und DDR. Es werden die ersten Schritte zur Institutionalisierung des sorbischen Schulwesens, die Herausforderungen und Widerstände sowie die Auswirkungen der Zentralisierung des Schulwesens 1959 beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die sorbische Sprache, die Nationalitätenpolitik der DDR, das sorbische Schulwesen, die Domowina, der Braunkohleabbau in der Lausitz, die Assimilation und die Entwicklung des sorbischen Ethnikums in der SBZ und DDR.
- Arbeit zitieren
- Julian Nitzsche (Autor:in), 2011, Das „erste Vaterland“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184182