Die Deutschen Christen – politische Hintergründe, Ideologie, Forderungen und Geschichte.
Adolf Hitler und die meisten Nationalsozialisten standen dem Christentum insgesamt kritisch bis ablehnend gegenüber. Dennoch kam es in der Zeit vor der Machtergreifung 1933 und danach immer wieder zu rein politisch motivierten taktischen Annäherungen von Seiten der Nationalsozialisten gegen-über den Kirchen. Um christliche Wähler zu gewinnen und zu beruhigen, antichristliche Tendenzen in der nationalsozialistischen Bewegung seien eine Randerscheinung, gab es beispielsweise im Parteiprogramm der NSDAP den Paragraphen 24, in welchem es hieß, die Partei vertrete „den Standpunkt eines positiven Christentums“ . Dieses wurde jedoch nicht weiter definiert und war offen für Interpretationen in viele mögliche Richtungen. Zudem gab es zwischen Christen und Nationalsozialisten häufig übereinstimmende Ansichten: Viele Christen waren, wie die Nationalsozialisten auch, nationalistisch, antimarxistisch, antisozialistisch und antisemitisch eingestellt. Ebenso lehnten viele den Versailler Vertrag und die Weimarer Demokratie ab. Die Übereinstimmung mit den Nationalsozialisten war häufig bei evangelischen Christen zu finden, jedoch gab es auch von katholischer Seite aus vereinzelt Sympathien für Hitler und Teile seiner Ideologie. In diesem Klima der Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, Sympathien für die Nationalsozialisten und dem Wunsch, dass sich in Gesellschaft und Kirche etwas ändern müsse, entstand in Thüringen 1927 die evangelische Kirchenbewegung Deutsche Christen.
Ab 1931 traten die Deutschen Christen als Bewegung im gesamten Deutschen Reich an die Öffentlichkeit. Innerhalb der Bewegung gab es ...
Die Deutschen Christen - politische Hintergründe, Ideologie, Forderungen und Geschichte.
Adolf Hitler und die meisten Nationalsozialisten standen dem Christentum insgesamt kritisch bis ablehnend gegenüber. Dennoch kam es in der Zeit vor der Machtergreifung 1933 und danach immer wieder zu rein politisch moti- vierten taktischen Annäherungen von Seiten der Nationalsozialisten gegen- über den Kirchen. Um christliche Wähler zu gewinnen und zu beruhigen, antichristliche Tendenzen in der nationalsozialistischen Bewegung seien eine Randerscheinung, gab es beispielsweise im Parteiprogramm der NSDAP den Paragraphen 24, in welchem es hieß, die Partei vertrete „den Standpunkt eines positiven Christentums“1. Dieses wurde jedoch nicht wei- ter definiert und war offen für Interpretationen in viele mögliche Richtung- en. Zudem gab es zwischen Christen und Nationalsozialisten häufig über- einstimmende Ansichten: Viele Christen waren, wie die Nationalsozialisten auch, nationalistisch, antimarxistisch, antisozialistisch und antisemitisch eingestellt. Ebenso lehnten viele den Versailler Vertrag und die Weimarer Demokratie ab. Die Übereinstimmung mit den Nationalsozialisten war häuf- ig bei evangelischen Christen zu finden, jedoch gab es auch von katholisch- er Seite aus vereinzelt Sympathien für Hitler und Teile seiner Ideologie. In diesem Klima der Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, Sympathien für die Nationalsozialisten und dem Wunsch, dass sich in Ge- sellschaft und Kirche etwas ändern müsse, entstand in Thüringen 1927 die evangelische Kirchenbewegung Deutsche Christen.2
Ab 1931 traten die Deutschen Christen als Bewegung im gesamten Deutschen Reich an die Öffentlichkeit. Innerhalb der Bewegung gab es ver- schiedene Flügel. Sie vertrat ein völkisches Gedankengut und hatte in die- sem Aspekt ihre Wurzeln in der völkischen Bewegung des 19. Jhdts. Auf- grund des Paragraphen 24 des NSDAP-Parteiprogramms sah man sich in Übereinstimmung, nicht im Gegensatz mit den Nationalsozialisten. Hitler hingegen verachtete insgeheim die Deutschen Christen, da er in ihnen größ- tenteils Opportunisten sah, die von seinem Aufstieg profitieren wollten. Zur Machtgewinnung und -konsolidierung in den frühen 1930ern dienten sie ihm jedoch als nützliche Verbündete. Die NSDAP insgesamt war den Kir- chen gegenüber wohlwollend, solange sie ihren Zielen dienten, Religionskritik, wenn auch bei vielen NSDAP-Mitgliedern vorhanden, wurde daher offiziell vermieden.3
Die Deutschen Christen standen für eine Synthese aus völkischem Deutschtum und einem uminterpretierten Christentum. Sie sahen in den Ju- den die Feinde des Deutschtums und des Christentums, wobei jüdische reli- giöse Elemente aus ihrem Christentum entfernt wurden. Als extreme Form einer natürlichen Theologie glaubten sie an eine Schöpfungsordnung Gottes, die „Rasse, Volk, Staat, Ehe und Familie“4 als konstitutive Elemente bein- haltete. Blut und Boden hatten daher eine mythische und gottgegebene Be- deutung und die sogenannte germanisch-nordische Rasse war von Gott mit einer besonderen Sendung in die Welt und einer Überlegenheit über andere Rassen ausgestattet worden. Jesus wurde als arischer Held und Vorbild ge- sehen5, und Kameradschaft im Stile der NSDAP war „das Kennzeichen wahren Christentums“6.
Geschichtliche Ereignisse wurden von den Deutschen Christen unre- flektiert als Offenbarungshandeln Gottes interpretiert. So sah man im Auf- stieg und in der Machtergreifung Hitlers ein rettendes Handeln Gottes am Deutschen Volk, eine göttliche Wendung von dessen Schicksal. Hitler war daher für die Deutschen Christen der von Gott persönlich gesandte Führer und er wurde von ihnen fast wie eine Messiasgestalt oder wie ein großer Prophet verehrt. Das Ende der Weimarer Demokratie und der Beginn der NS-Diktatur wurden von ihnen begrüßt, nicht kritisch oder ablehnend be- trachtet.7
Weitere aufschlussreiche Einsichten in die Ziele der Deutschen Christen bietet ein direkter Blick in die Richtlinien der Glaubensbewegung Deutsche Christen. Man bekannte sich hier zum sogenannten positiven Christentum, dem Begriff, der auch im NSDAP-Parteiprogramm auftauchte. Weiterhin wurden die Glaubensauffassungen der Deutschen Christen hier dargelegt als Bekenntnis „zu einem bejahenden artgemäßen Christus-Glaub- en, wie er deutschem Luther-Geist und heldischer Frömmigkeit entspricht.“8 Das deutsche Volk stand demnach in einem Schicksalskampf um seine Zu- kunft, in welchem nur der Nationalsozialismus die Seite darstellte, auf die man sich zu stellen hatte, wie man es auch begeistert tat. Die Reinhaltung der von Gott gegebenen germanischen Rasse hatte Priorität, sie sei geradezu ein göttlicher, heiliger Befehl. Daher wandte man sich gegen ein christliches Mitleid, was als Verweichlichung gesehen wurde. Der „Schutz des Volkes vor den Untüchtigen und Minderwertigen“9 sei diesem Mitleid vorzuziehen. Die „Innere Mission [dürfe] keinesfalls zur Entartung unseres Volkes bei- tragen“10. Aus diesem Grunde wurde auch die Missionierung der Juden ab- gelehnt, nicht aus Respekt vor der Religion des Judentums. Solange Juden Staatsbürgerrechte besäßen, stelle ihr Konvertieren zum Christentum eine schwere Gefahr dar, da es das „Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper“11 sei, welches die Rasse gefährde und zur Bastardisierung führe. Man sah sich als kirchliche Kampfgemeinschaft an der Seite der Nati- onalsozialisten. Gemeinsame Feinde waren die Juden, Marxisten, Sozialis- ten, Freimaurer, Pazifisten, aber auch der politische Katholizismus in Form der Zentrumspartei.12
Im Vergleich zu der Zeit des 2. deutschen Kaiserreichs (1871 - 1918) hatte die Kirche in der Weimarer Republik (1918/19 - 1933) gesellschaftlich weniger Einfluss. Zuvor etwa hatte der jeweilige Landesfürst zugleich das Regiment über die evangelische Kirche in seinem Land inne. Nun bestand eine gewisse Trennung zwischen Kirche und Staat, dennoch hatte die Kirche weiterhin viele Privilegien. Die Deutschen Christen wollten der Kirche wie- der mehr Einfluss und Macht verschaffen und sahen in der Zusammenarbeit mit dem NS-Regime die Möglichkeit, dies zu verwirklichen. Volksmission und Christianisierung des Staates waren ihre Ziele, indem man gegen die Säkularisierung und den Einfluss von Atheismus und Marxismus vorgehen wollte, gegen alle vermehrt seit dem Ende des 2. Kaiserreichs auftretenden Entwicklungen, die als schädlich eingestuft wurden.
[...]
1 Conway, S. 30.
2 Vgl. Conway, S. 26ff.
3 Vgl. Conway, S. 35ff; Faulenbach, S. 698f; Meier (1981), S. 552 und Mehlhausen, S. 46f.
4 Faulenbach, S. 701.
5 Vgl. Faulenbach, S. 701.
6 Conway, S. 36.
7 Vgl. Conway, S. 36f.
8 Zitiert nach Denzler und Fabricius, S. 37ff.
9 Ibd.
10 Ibd.
11 Ibd.
12 Vgl. Denzler und Fabricius, S. 37ff.
- Arbeit zitieren
- Bachelor of Arts Holger Meier (Autor:in), 2010, Die Deutschen Christen - Politische Hintergründe, Ideologie, Forderungen und Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184664
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