Leseprobe
Essay zu Immanuel Kant:
Die Metaphysik beruht im Wesentlichen auf Behauptungen a priori.
[ Kritik der reinen Vernunft, 3. Antinomie (KrV B 472 – 479) (Neue Meiner-Ausgabe, s. 548-555) ]
In Kants Text zeigt dieser auf, was dafür spricht, dass Erscheinungen in der Natur nicht nur durch die Naturgesetze erklärt werden können; und was für die Antithese, nämlich, dass alles nach den Gesetzen der Natur geschieht, spricht.
In meinem Essay erläutere ich die Aussage Kants, dass alle Metaphysik im Wesentlichen auf synthetischen Urteilen a priori beruht. Dabei gehe ich Folgendes ein: Was sind Behauptungen a priori? Von welchen anderen Arten von Urteilen sind diese abzugrenzen? Weshalb können die Urteile der andern Arten für Metaphysik nicht grundlegend sein? In wie fern sind synthetische Urteile a priori relevant für die Erkenntnis? Ist das Kausalprinzip für die Erkenntnis auf die gleiche Weise relevant, wie die Annahme, wir seien frei?
Bei Behauptungen a priori ist der Wahrheitsgehalt unabhängig von allen Sinneserfahrungen entscheidbar. Meist sind analytische Urteile a priori begründet: Die Wahrheit (oder Falschheit) lässt sich aus den im Satz o.ä. enthaltenen Begriffen bestimmen, ohne dass Erfahrungen und Ursachen hinzugezogen werden: „Diesemnach muss eine Kausalität angenommen werden, durch welche etwas geschieht, ohne dass die Ursache davon noch weiter, durch eine andere vorhergehende Ursache, nach notwendigen Gesetzen bestimmt sei, […]“ [1]
Analytische Urteile a priori unterscheiden sich von synthetischen Urteilen a posteriori. Deren Wahrheitsgehalt lässt sich nicht ausschließlich von den enthaltenen Begriffen ableiten. Der Wahrheitswert ist nur unter Bezugnahme auf Erfahrung entscheidbar.
In der Metaphysik liegen allerdings synthetische Urteile a priori vor: Der Begriff der Ursache ist im Begriff des Geschehens oder der Wirkung nicht enthalten.
Kant ging davon aus, dass das Bewusstsein einen aktiven Beitrag zu unserer Wahrnehmung, also der Art und Weise, wie die Vernunft Empfindungen zulässt und formt, leistet. Eine objektive Wirklichkeitserkenntnis kann also nur eingeschränkt stattfinden. Wir erkennen die Dinge nur als Erscheinungen, in den Formen der Anschauung und des Denkens, als Gegenstände möglicher (!) Erfahrungen. Urteile a posteriori, also solche, die sich auf Erfahrungen beziehen, können so also nicht den gesamten Wahrheitsgehalt aufdecken.
Metaphysik als Wissenschaft ist nur möglich als System der apriorischen Voraussetzungen, Bedingungen der Erfahrung selbst. Diese kritische Metaphysik ist eine sichere, fest begründete, reine Vernunftwissenschaft. Ihr liegen apriorische Grundsätze und Begriffe und synthetische Urteile a priori als innerlich zusammenhängendes Ganzes, welches allein Metaphysik möglich macht, zugrunde.
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[1] S. Immanuel Kant, „Kritik der reinen Vernunft“, herausgegeben von Jens Timmermann, Felix Meiner Verlag Hamburg, Seite 550