"Vom Elch zum Werkzeug" oder die Strategie IKEA


Diplomarbeit, 1997

121 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe

c_1

c_2

c_3

c_4

c_5

c_6

c_7

c_8

c_9

c_10

c_11

c_12

c_13

c_14

c_15

c_16

c_17

c_18

c_19

c_20

c_21

c_22


1.  Wie alles begann 

 

Im Jahre 1943 gründete der Schwede Ingvar Kamprad die erste IKEA-Filiale in Älmhult, Südschweden. Der Name setzt sich aus seinen Initialen und den Anfangsbuchstaben des Anwesens Elmtaryd und der Gemeinde Agunnaryd zusammen. Es war ein Versandhandel für viele verschiedene Erzeugnisse, und erst ab 1950 erweiterten die Möbel, die heute jeder mit dem Firmennamen verbindet, das Sortiment. Beim Versandhandel, dieser besonderen Form des Einzelhandels, werden die Waren nach Prospekten oder Katalogen per Post an den Kunden versandt.

 

Der Schwede entwickelte das IKEA-typische Konzept, indem er die Möbel in Einzelteile zerlegte und sie für den Transport in flache Pakete verpackte.

 

Dieses Konzept hat sich bis heute erhalten und bewährt: In den letzten 20 Jahren wuchs IKEA von einer Gruppe aus 10 Geschäften in 5 Ländern mit einem jährlichen Umsatz von $210 Mio. zu 125 Geschäften in 26 Ländern (1993-94: Umsatz von $4,7 Mrd.).

 

1.1  Vom Versandhandel zu Europas größtem Möbelcenter 

 

Im Jahre 1953 wurde in Smaland eine ständige Möbelausstellung aufgebaut, die kleine Firma vergrößerte sich. Ab 1955 ließ IKEA eigene Möbel entwerfen und bauen, 1956 kam es zur Einführung von zusammenbaubaren Möbeln in flachen Paketen. 1958 wurde das erste eigene Möbelhaus in Älmhult gebaut. Ein Jahr später gab es das erste IKEA-Restaurant. Bald war IKEA in ganz Skandinavien bekannt. 1963 wurde das erste Möbelhaus in Norwegen eröffnet. Im gleichen Jahr begann IKEA seine Produkte mit Warendeklarationen zu versehen (Möbelfakta). 1965 wurde in Kungens Kurva außerhalb von Stockholm eine IKEA-Filiale nach dem Vorbild des Guggenheim Museums in New York eröffnet. Es entstand somit Europas größtes Möbelhaus. Die Selbstbedienung wurde eingeführt, so daß die Kunden ihre Waren im Lager des Einrichtungshauses selbst abholen konnten. 1969 entstand eine weitere Filiale in Dänemark.

 

IKEAs Idee hat sich schnell in ganz Skandinavien herumgesprochen, und nun galt es, das neue Konzept auch in anderen Ländern auszuprobieren.

 

Im Jahre 1973 wurde in Spreitenbach bei Zürich ein Möbelhaus errichtet, das genauso viel Anklang bei der Bevölkerung fand, wie die Filialen in Skandinavien. Inter IKEA A/S in Dänemark wurde die Basis für die internationale Expansion. IKEA expandierte weiter: 1974 entstand das erste Möbelhaus in Deutschland, in Eching bei München, und es ist bis heute eines der erfolgreichsten geblieben. 1975 wurde bei IKEA die erste Umsatzmilliarde geschafft. 1976 wagte IKEA den Sprung über den großen Teich mit einer Eröffnung in Kanada. In diesem Jahr verfaßte der erfolgreiche Gründer von IKEA neun Thesen, die noch heute die Grundlage der Firmenphilosophie bilden, "Das Testament eines Möbelhändlers". 1977 entstand eine IKEA-Filiale in Österreich, 1979 eine in Holland, 1981 in Frankreich und 1984 in Belgien.

 

Seit 1985 ist IKEA in den USA, 1987 kam das Möbelhaus nach Großbritannien, 1989 nach Italien und seit März 1990 gibt es sogar Filialen in den ehemaligen Ostblockstaaten: Ungarn, Polen, der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik. 1991 erwarb IKEA eigene Produktionsstätten. Insgesamt arbeiten 2487 Lieferanten in mehr als 71 Ländern für IKEA.

 

Die Bundesrepublik ist mit 23 Häusern das größte und erfolgreichste IKEA-Land. Hier hat IKEA 6 % Marktanteil und somit noch große Expansionschancen. Der Konzernleiter Anders Moberg sagte einmal: "Hätten wir uns dem deutschen Geschmack mehr angepaßt, wäre der Marktanteil größer, aber wir hätten ein anderes Profil. Auf lange Sicht gesehen werden wir den Kunden für unsere schwedische Art über Möbel zu denken gewinnen. Somit erhalten wir unser Profil. Unsere Identität ist uns sehr wichtig."

 

IKEA macht mit den 17 Filialen in Deutschland von den insgesamt 80 Häusern weltweit 30 % des Konzernumsatzes  das ist mehr als in Schweden, mehr als in der gesamten restlichen Europäischen Gemeinschaft. [1]

 

Durch die schnelle Expansion ergaben sich jedoch auch Probleme. Es bestand das Risiko, daß sich IKEAs Erfolg negativ auswirken und eventuell Gleichgültigkeit hervorrufen könnte. Anders Moberg formulierte sein Ziel folgendermaßen: "Wir müssen mit IKEAs Entwicklung fertig werden und gleichzeitig seine grundlegenden Werte und Identitäten erhalten."

 

Früher kamen 90 % der Waren auf dem Weg zu den einzelnen Filialen durch IKEAs 12 Verteilerwarenhäuser. Heute kommen ca. 30 % der Waren direkt vom Hersteller ins Geschäft, 50 % sollen noch erreicht werden. Gleichzeitig verlagerte IKEA den Schwerpunkt auf die Erhöhung des Verkaufsvolumens in bestehenden Geschäften anstatt sich durch die Gründung ständig neuer Verkaufsstellen zu erweitern. Das Spitzenjahr für IKEA war 1992: In diesem Jahr wurden 18 neue Geschäfte gegründet. Heute hat IKEA sich zum Ziel gemacht durchschnittlich 6-7 neue Filialen pro Jahr zu eröffnen.

 

Die Taktik des Unternehmens ist folgende: Jederzeit einen wesentlich niedrigeren Preis anzubieten als die Mitbewerber. Es kommt zum Konflikt zwischen den örtlichen Geschäften und IKEA in Schweden. Sie wollen örtliche Markttrends verfolgen, während IKEA eine andere Identität hat. Das führt jedoch auch zu Problemen, so z.B. in den U.S.A.. Die amerikanischen Kunden entwickelten eine Abneigung gegen die IKEA-Betten sowie die dazugehörige Bettwäsche. Vielleicht, weil die Betten in Amerika größer sind als in Schweden. In solchen Fällen versucht IKEA, sich dem jeweiligen Land und den Bedürfnissen der Bewohner anzupassen. Für die Vereinigten Staaten wurde größere Betten samt Bettwäsche produziert. Ähnliche Erfahrungen wurden auch hier in Deutschland gemacht: Bei den meisten Bettwäschekollektionen war das Kopfkissen viel zu klein; der Kauf war also eine ärgerliche Investition. Weitere Eingeständnisse des Unternehmens: Die Küchen in Italien wurden nach Sondermaßen angefertigt, da die großen Pizzateller der Italiener nicht in die Normschränke paßten. In Belgien wurden Ledersofas in der Kollektion aufgenommen, speziell für Österreich fertigte IKEA Ecksofas an. Auf Wunsch des Kunden wurde somit das schwedische Design etwas abgeändert, vor allem in den Filialen im Osten (heute sind es 6), um sich dem Land mit seinen Traditionen und Kulturen etwas anzupassen.

 

Anders Moberg formulierte es so: "IKEAs Kern wird bestehen bleiben. Indem IKEA ein Privatunternehmen bleibt, behält es seine Verpflichtung zu langfristiger Vergrößerung. IKEA kann Verluste wie z.B. in den U.S.A. verkraften, ohne die Grundstrategie zu ändern."

 

 

„Wichtig für die Geschäftstätigkeit sind vier Schlüsselbereiche. Neben Einkauf, Warenverteilung und Verkauf ist vor allem die Sortimentsgestaltung ausschlaggebend für den Erfolg des Unternehmens.

 

Die Politik des Möbelhauses ist es, für den gesamten Einrichtungsbereich lose wie feste Einrichtungen in das Sortiment einzubeziehen. Darüber hinaus kann eine Kollektion Geräte und Dekorationsgegenstände für die Wohnung sowie Do-it-yourself-Zubehör umfassen. Bei aller Vielfalt will das Unternehmen sein Sortiment aber auch überschaubar halten. Dieses Grundsortiment muß nach den Vorstellungen der Unternehmensleitung ein klares Profil haben: schlicht, geradeheraus, widerstandsfähig und leicht zu handhaben. Alle Einrichtungsgegenstände sollen Form, Farbe und Freude ausdrücken sowie dem Geschmack junger Leute jeden Alters entsprechen.“[2]

2.  Marketingstrategien[3] 

 

Jede IKEA-Verkaufseinheit arbeitet im Rahmen des vorgegebenen Gesamtbildes weitgehend selbständig. Das bedeutet für den jeweiligen Geschäftsführer: Er ist verantwortlich für Warendisposition, Präsentation, Personaleinsatz und regionale Kommunikation.   

 

Die Dezentralisierung findet ihre Begründung in der Tatsache, daß die regionale Mannschaft viel eher als die Zentrale in der Lage ist, den Wettbewerb und den Markt zu analysieren sowie auf Maßnahmen der Mitbewerber schnell zu reagieren.

 

IKEA unterhält sieben Verkaufszentralen in Schweden und je zwei in Österreich, Frankreich, Holland, Dänemark und in der Schweiz sowie ein Verkaufszentrum in Norwegen. Die Filialen außerhalb Europas (eine Niederlassung in Japan, sieben in Kanada, zwei in Singapur und zwei in Australien) sind durch Franchise[4]-Verträge an IKEA gebunden.   

 

Grundlage für die schnelle Expansion vor allem in Deutschland ist eine konsequent durchgeführte Marketing-Politik, die vorwiegend auf einer bislang noch nicht ausreichend berücksichtigten Zielgruppe basiert. Die Zielgruppe der jungen Käufer mit hohem Individualitätsanspruch, großem Investitionsbedarf, aber begrenzten finanziellen Mitteln.

 

Diese wurden in der Gesamtheit definiert als "Junge Leute jeden Alters". Hieraus ergibt sich eine Kernzielgruppe mit folgenden Ausprägungen:

 

Sozio-demographische Definition 

 

 Alter 18-40 Jahre

 

 Haushalts-Nettoeinkommen zwischen DM 2.000,- und DM 4.000,--

 

 überwiegend verheiratet

 

 vorwiegend Angestellte und Beamte

 

 vorwiegend Personen mit höherer Bildung

 

Psychologische Parameter 

 

 hohe berufliche Mobilität und Flexibilität

 

 hohe Ansprüche an Design und Qualität

 

 intelligentes Kaufverhalten

 

Über diese Zielgruppe hinaus sollen jedoch weitere Verbraucherschichten angesprochen werden.

 

Eine gewisse Selektion der Zielgruppe ermöglicht es dem Unternehmen, seine Leistung zu begrenzen. Denn wer als Anbieter den besonderen Produkt-, Preis und Serviceerwartungen dieser Zielgruppe entspricht, kann sich von Dienstleistungen freihalten, die dieser Käuferschicht peripher erscheinen.

 

So nimmt es die IKEA-Käuferschaft gerne in Kauf, daß sie ihre Möbel selbst transportieren und montieren muß. Sie zieht sogar aus diesen Eigenleistungen die Befriedigung, etwas Eigenständiges geleistet zu haben. Andererseits müssen jedoch bestimmte Erwartungen erfüllt werden.   

 

Nach folgenden Prinzipien erarbeitet IKEA sein Angebots und Vertriebskonzept: 

 

 kombinationsfähige Produkte von guter Qualität zu niedrigen Preisen

 

 modernes, schwedisches Design

 

 Zerlegbarkeit der Möbel

 

 sofortige Lieferbereitschaft durch Lagerhaltung

 

 ausführliche Kundeninformation durch Etiketten als Kommunikationsmittel

 

 Geldrückgaberecht innerhalb von zwei Wochen nach dem Kauf

 

 kein Kaufvertrag 

 

Zur Standortsicherung kauft IKEA Grundstücke, die oft noch lange Zeit unbebaut bleiben. IKEA gehört noch unbebautes Land in Osteuropa, darunter ca. 180.000 m² außerhalb von Moskau. Die Häuser im Osten haben jedoch einen schlechteren Umsatz, bedingt durch andere Geschmäcker. Hier verlangt der Kunde noch eher nach Produkten aus Eiche, das moderne Design ist nicht sehr willkommen.

 

„Das bestätigen z.B. die drei Möbelhäuser in Ostdeutschland, die im Schnitt ein Fünftel weniger umsetzen als die westdeutschen Filialen. Der Deutschland-Geschäftsführer Uwe Kettering berichtet von extremen Zielkäufen im Osten und einem starken Nachholbedarf an Küchen. Die Westdeutschen gehen eher shoppen und greifen mehr rund um das Möbelsortiment zu. Ein Viertel bis ein Drittel tragen die Kleinigkeiten rund um die Möbel zum IKEA-Geschäft bei. Kettering lobt vor allem den guten Verkauf von Heimtextilien. Auf die Frage, ob es den Schweden gelungen sei, auch die betuchtere Kundschaft mit höherpreisigen Möbeln in Deutschland zu gewinnen, gibt sich der IKEA-Chef zurückhaltend: „Wir sind ein Volumen-Unternehmen“ sagt er. Das Geld werde über die Menge verdient.“[5]

 

2.1  Das Marketing-Mix 

 

Produktversprechen, -erwartung und -erfahrung müssen miteinander harmonieren. Die Leistung muß so sein, daß die persönliche Erwartungshaltung erfüllt wird.

 

Zum Eröffnungszeitpunkt des ersten Möbelhauses in Deutschland 1974 in Eching bei München war der Selbstbedienungsgedanke in Einrichtungshäusern, bedingt u.a. durch die konsequente Zerlegbarkeit der Möbel, wirklich neuartig.

 

Die Selbstbedienung dient nicht nur der Kostensenkung und somit dem Preiswettbewerb. Sie bietet auch die Chance, den Bedürfnissen der Zielgruppe nachzukommen. Der Käufer möchte in Ruhe gelassen werden und sich selbst ein Urteil über das Sortiment bilden. Aus diesem Grund gibt es bei IKEA auch keine herkömmliche Beratung. Dafür hat der Käufer eine Rückgabegarantie innerhalb zwei Wochen für sein neu erstandenes Produkt, falls er mit dem Gekauften nicht zufrieden ist.  

 

Das Sortiment soll dem Geschmack der Kunden entsprechen. IKEA beschränkt sich beim Design der Möbel auf eine Linie: modernes, klares, funktionelles, schwedisches Design. Die Produkte sind beliebig kombinierbar, sehr vielfältig (es gibt ca. 12.000 verschiedene Artikel) und variierbar. Sämtliche Artikel können in Farbe, Material, Form und Design aufeinander abgestimmt werden, was für den Käufer bei der Zusammenstellung seiner Einrichtung sehr hilfreich sein kann.

 

Der Beweis dafür: 50 % der Kunden besuchen mindestens 4x im Jahr eine IKEA-Filiale. Dies hat wiederum Konsequenzen auf das Marketing. Die Wiederholungskäufer sollen bei ihren Besuchen zu Spontankäufen angeregt werden, was eine ständig wechselnde Präsentation, neue Ideen und Akzente und immer wieder neue Aktionen erfordert. Durch diese Aktionen wird auch das Gefühl des Einkaufserlebnisses verstärkt.

 

IKEA brach einige Konventionen, indem es zur weltweiten Handelskette expandierte. IKEA widersetzte sich größtenteils der Regel im Einzelhandel, die besagt, daß internationaler Erfolg eine maßgeschneiderte Produktlinie mit sich bringt, die dem allgemeinen Geschmack entsprechen muß. Statt dessen wurde der Verkauf eines Sortiments mit typisch schwedischem Charakter zur Grundlage mit dem Ziel Qualitätsmöbel zu Preisen zu verkaufen, die sich die Allgemeinheit leisten kann.

 

Durch Nachforschungen bei der Bevölkerung checkt IKEA ab, ob Bedarf an bestimmten Produkten besteht. Je nach Nachfrage wird dann produziert.

 

Über die Unabhängigkeit von IKEA wurde einmal gesagt: "IKEA hat so viel Kapital in Form von Waren wie eine Industriefirma an Maschinen."  

 

2.2  Die Produktion 

 

Aus vielen verschiedenen Gründen kann IKEA das niedrige Preisniveau halten, das so wichtig für seinen Erfolg ist: Die Grundstoffe werden in den Ländern eingekauft, wo sie am günstigsten sind, und sie werden dort verarbeitet, wo die Produktionskosten am geringsten sind. Der Kunde selbst ist durch seine Transport und Montageleistung daran beteiligt. Damit die hohen Qualitätsansprüche auch eingehalten werden, wird streng auf die Einhaltung der IKEA-Normen geachtet, egal, wo die Möbel produziert werden. In einigen Fällen werden die Hersteller im Ausland extra von IKEA "angelernt", um das nötige Know-How zu bekommen.   

 

Für die Produktentwicklung ist alleine IOS (IKEA OF SWEDEN) zuständig. Es trägt die Gesamtverantwortung für sämtliche neue Linien, die Designer und Produktentwickler kreieren. Das von IOS entworfene Design wird von Fremdfirmen in aller Welt produziert. Der Vorgang läuft folgendermaßen ab: Für jeden neuen Entwurf macht IKEA eine Ausschreibung. Die Angebote aus aller Welt werden dann geprüft, ob sie den Anforderungen der IKEA-Möbel in Qualität und Ausführung genügen. Der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag und produziert die Möbel. Durch ein wirkungsvolles, wettbewerbsfähiges Sortiment festigt IOS die Marktposition und das Image von IKEA auf den lokalen Märkten und sichert seine langfristige Wirtschaftlichkeit. Auf dem sog. "Preislappen" eines jeden Möbelstückes findet der Kunde eine genaue Definition des Produktes sowie eine Information zur Pflege. Darauf steht auch immer, daß IOS für das Design verantwortlich ist, und in welchem Land das Möbel produziert wurde. Hiermit soll auch der SB-Gedanke forciert werden, denn der Kunde erhält sämtliche Informationen durch den "Preislappen". Er muß also nicht erst einen Verkäufer ausfindig machen, der ihm die nötigen Angaben zu dem einzelnen Produkt macht, sondern er wird gleich vorab informiert und kann sich so entscheiden, ob ihm das Möbel zusagt oder nicht.  

 

2.3  Ausgangssituation: Neugründung zu schlechten Zeiten 

 

In dem Jahr, in dem IKEA sein erstes Einrichtungshaus eröffnete, erlebte der Möbeleinzelhandel sein bislang schwerstes Jahr.

 

Nach relativ kontinuierlichem Umsatzzuwachs mußte der Einzelhandel ab 1970 ständig sinkende Umsatzzuwächse hinnehmen, 1974 sogar reale Umsatzverluste. Zusätzlich nahm der Trend zur Konzentration und Selektion im Möbelhandel zu. Stagnierende Realeinkommen flachten die Bereitschaft zum Möbelkauf ab, und die Sorge um den Arbeitsplatz ließ die Mobilität und Umzugsneigung als Motiv für Neuanschaffungen sinken. Die allgemeine Sparneigung der Konsumenten sorgte schließlich für die Rückstellung von Investitionsplänen im privaten Haushalt.  

 

2.4  Marketing-Chance: Mangelnde Risikobereitschaft der

 

         Wettbewerber 

 

Gerade für einen Newcomer wie IKEA mit seiner für den Handel neuartigen Marketing-Konzeption bargen die Stagnations-Tendenzen hohe Chancen. Denn weder die traditionellen Einrichtungshäuser noch die zunehmend aktiv werdenden fachfremden Möbelverkäufer wie SB-Warenhäuser und C&C-Märkte waren bereit und in der Lage, einer selektiven Marketing-Politik Wirksames entgegenzusetzen. Die Preispolitik von IKEA, mit dem Wegfall von Service-Leistungen niedrige Preise bei hohem Qualitätsanspruch glaubhaft zu machen, mußte ganz besonders ökonomisch denkende Verbraucher ansprechen.  

 

2.5  Die Positionierung 

 

Die Produktidee mit den Komponenten solide, funktionelle Qualität, ansprechendes Design und günstige Preise sowie die Delegation von Leistungen auf den Konsumenten machen die unverwechselbare Positionierung von IKEA aus.

 

"IKEA ist das einzige Möbelhaus, das mit Eigenleistung seiner Kunden bisher Unmögliches möglich macht: Gutes Design und gute funktionelle Qualität zu niedrigen Preisen."

 

Daraus wurde die zentrale Kommunikationsidee: "IKEA  das unmögliche Möbelhaus aus Schweden."

 

2.6  Instrumente und Methoden 

 

IKEA hat seinen Erfolg auch kommunikativen Maßnahmen zu verdanken. Der Kunde wird durch verschiedene Medien angesprochen und soll so geworben werden. Wichtig sind auch die informative Präsentation des Sortiments sowie der ungehinderte Informationsfluß über Eigenschaften der angebotenen Ware und die Aufklärung über das Handling des Verkaufssystems. Dieser Kommunikation muß auch die Logistik angepaßt werden, d.h. jedes Sortimentsteil muß immer augenblicklich verfügbar sein, um den funktionierenden Verkauf sicherzustellen. Die Ausstellungsfläche und Lagermöglichkeiten mußten der angestrebten Vertriebsform angepaßt werden.   

 

IKEA will jung, flippig und unkonventionell erscheinen. Nicht nur nach außen hin, sondern auch in der Firmenpolitik soll sich dies zeigen. Die Büros sollen zwanglos sein, es gibt, auch in den hohen Etagen, weder Anzugs noch Krawattenpflicht und anscheinend fliegen sämtliche Mitarbeiter und selbst der Gründer Ingvar Kamprad economy class statt business class, benutzen öffentliche Verkehrsmittel anstelle von Taxen. Auch im IKEA-internen Finanzbereich soll die gleiche Politik zugrunde gelegt werden wie im Produktbereich. IKEA will bürgernah sein, nicht weltfremd. "Haute couture" ist ein Fremdwort.

 

IKEA will den Menschen die Flucht in eine andere Welt bieten, weg von der harten, kalten Wirklichkeit. "Diese Firma wird eher von Visionen als von Diagrammen/Gestalten/Persönlichkeiten gelenkt," so sagte einst der Konzernleiter Anders Moberg.  

 

2.7  Das Kommunikations-Konzept 

 

IKEA stellt bislang gültige Einstellungen auf den Kopf: Wer gute Qualität und gutes Design will, kann dies auch mit geringen finanziellen Mitteln erreichen. Ein gutes Produkt muß nicht unbedingt teuer sein, das will IKEA beweisen. Um dies zu erreichen, mußten jedoch erst einmal die bisherigen Einstellungen und Kaufgewohnheiten des Verbrauchers umgekrempelt werden.

 

IKEA hatte zu Beginn keinerlei Bekanntheitsgrad. Somit wurde eine Wort-Bild-Marke entwickelt. Die Werbeagentur entwickelte als Bildmarke den inzwischen bundesweit bekannten Elch, der neben seiner Einprägsamkeit auch noch den Vorteil mit sich brachte, als Kommunikationsfigur aktionsgerecht eingesetzt werden zu können. Mit diesem Elch wurde ein Blickfang und Identifizierungsobjekt geschaffen, das auch leicht eine Verbindung zum Mutterland Schweden schaffte. Einem Land, das vom Verbraucher mit besonders soliden Möbeln verbunden wird.  

 

2.8  IKANO und INTER IKEA SYSTEMS 

 

Die IKANO-Gruppe wurde für die Verwaltung der Vermögensentwicklung und des Finanzwesens gegründet. IKANO verwaltet den beträchtlichen Grundbesitz und andere Aktiva, die nicht direkt mit dem Möbelgeschäft zusammenhängen. Ingvar Kamprad wollte mit den Banken nichts zu tun haben, er parkt überschüssige Gewinne lieber in Immobilien und anderen Objekten. IKANO entstand während der 70er Jahre. Seine Hauptaufgabe ist die Verwaltung der Betriebsaktivitäten der Gebäude und der Versicherungs und finanziellen Belange. In diesem Bereich tätig zu sein, erfordert ein hohes Maß an wirtschaftlichem und finanziellem Know-How. IKANO gehört ebenfalls der Familie Kamprad. IKANO wurde in den späten 80er Jahren selbständig. IKANO hat den Schwerpunkt seiner Aktivitäten nach Zentraleuropa verlegt und sein Ziel ist es, Zweigstellen an westliche Firmen zu verpachten. Zu Beginn erbaute IKANO die Büros in Wiener Neudorf, Österreich 1992. Dieses Gebäude wurde hauptsächlich für Unternehmen geschaffen, die ihre Geschäfte in die ehemaligen Ostblockländer ausdehnen wollten. Im Zentrum von Prag hat IKANO ebenfalls eine Reihe ansehnlicher Entwicklungsprojekte geschaffen, die Büroräume und Wohnungen nach westlichem Vorbild ausstatten. All diese Projekte wurden mit großem architektonischem Feingefühl entwickelt, mit dem Ziel des Aufstieges und der Umwandlung vieler existierender Gebäude. Sie sind ein positiver Beitrag zur Revitalisierung der Städte. IKANO betreut ebenfalls die meisten Geschäfte der Marke "HABITAT" in Großbritannien.  

 

"Sämtliche Rechte am Namen IKEA hat die holländische Gesellschaft INTER-IKEA-SYSTEMS. Diese kontrolliert die Minderheit der IKEA-Filialen, die als Franchise-Unternehmen laufen. Alle IKEA-Filialen müssen an die INTER-IKEA-SYSTEMS Lizenzgebühren abführen. Diese Konstruktion erlaubt es, Gewinne beliebig von einem Land in ein anderes zu verschieben. Soll beispielsweise der Gewinn in Deutschland buchhalterisch auf Null gebracht werden, dann braucht Kamprad nur die Lizenzzahlungen an INTER-IKEA-SYSTEMS entsprechend heraufzusetzen. Kamprads soziales Gewissen setzt also genau an dem Punkt aus, wo es um Steuern an den schwedischen oder deutschen Sozialstaat geht."[6]

 

Keiner außerhalb des engen IKEA-Kreises kennt die wahren finanziellen Kräfte der Organisation. IKEA hat einen Marktwert von ca. Skr 35 bn..

 

Trotzdem kam es in den letzten Jahren zur Rezession, besonders in Schweden, wo noch immer 11 % des Umsatzes gemacht werden.  

3.  Ingvar Kamprad  eine Biographie[7] 

 

"Dies ist der Bericht aus dem Leben eines Menschen  eines Jungen aus Schweden, der auf dem Weg zum Mann die Grundsteine für ein großes Unternehmen legte."[8]

 

Bereits als junger Mann erkannte Ingvar Kamprad, daß Probleme nicht die Feinde, sondern die Chancen des Lebens sind.   

 

Ingvar Kamprad wurde im Jahre 1926 in Smaland (Kleinland), einer ärmlichen Gegend Schwedens, geboren. So karg wie das Land waren damals auch die Verhältnisse. Es kam die Wirtschaftskrise; die Armen wurden noch ärmer und viele Reiche verarmten. "Not macht erfinderisch" war nicht nur eine Redensart in Smaland. Die Menschen dort fingen an, alle mögliche nützliche Dinge herzustellen, und zwar so billig wie möglich. Jeder besorgte sich selbst Arbeit, Kleinunternehmen entstanden. Ingvar Kamprad wuchs auf einem Bauernhof in Smaland auf und erfuhr früh vom ständigen Kampf des Lebens um das Geld. Geld war darum etwas, das frühzeitig die Phantasie des kleinen Jungen beschäftigte, und von reichen Menschen las er mit Bewunderung. So beschloß er, Geld zu verdienen. Sein Kapital waren Sparsamkeit, Naturtalent und ein rechtzeitig geübter Blick, Möglichkeiten zu entdecken. Der Junge begann, Streichhölzer für 1,5 Öre zu kaufen und für 5 Öre zu verkaufen. Dieses Geschäft brachte ihn auf den Geschmack. Er lernte nach Wegen zu suchen, um preiswert an Ware zu kommen, um seinen Kunden die Vorteile, die er als Zwischenhändler mit besseren Einkaufsquellen erschließen konnte, weiterzugeben.

 

In diesen jungen Jahren wurde der Samen für viele weitere große Gedanken in seinen Kopf gelegt. Der Junge begann Fische zu verkaufen, um sich aktiv seine Zukunft selbst zu schmieden. Nach und nach begann er sein Repertoire auszudehnen und für viele weitere Hersteller zu verkaufen. Durch den Verkauf von Bleistiften belebte sich sein Geschäft zusehends, so daß er sich gezwungen sah, seinem Unternehmen einen Namen zu geben. So entstand IKEA aus den Initialen seines Vor und Nachnamens und denen von Hof und Dorf. Schnell erweiterte sich sein Kundenkreis, er begann seine Angebote in einem Prospekt zu zeigen und an seine Kunden zu senden. 1951 entstand somit der erste IKEA-Katalog und aus dem fahrenden Händler wurde ein Versandhändler. Als Transportmittel für seine Waren diente der Milchwagen, das einfachste und preiswerteste Transportgefährt.  

 

Ingvar Kamprad kaufte dann eine stillgelegte Tischlerei und wurde Kunde bei den Möbeltischlereien in der Umgebung. So nahm er auch den Verkauf von Möbeln in seinem Repertoire auf. Durch die geringe Entfernung zwischen den Produktionsstätten und IKEA konnte Ingvar Kamprad seine Möbel zu Fabrikpreisen verkaufen. Er lernte so schnell die Bedeutung des Preises kennen und versuchte, seine Betriebskosten so gering wie möglich zu halten, um bei den günstigen Preisen bleiben zu können. Statt des Transports mit dem Milchwagen begann Ingvar Kamprad seine Ware zu verschicken. Um Kosten zu sparen und sicher zu gehen, daß die Möbel unbeschädigt beim Kunden ankommen, wurden sie in Einzelteile zerlegt und montagefertig versandt. So ist die Idee geboren, die auch heute noch IKEA auszeichnet. Der Kunde konnte so mit Hilfe der beiliegenden Montageanleitung das Möbelstück zu Hause aufbauen. Da viele Autos zu klein sind, um ganze Wohnungseinrichtungen zu transportieren, verkaufte der Unternehmer in seiner ersten Filiale sogar Dachgepäckträger. Somit entfielen hohe Versandkosten und die Produkte konnten preiswerter angeboten werden.

 

„Für die 1968er-Generation eigneten sich die flachen IKEA-Kisten aus dem angeblich unkonventionellen Schweden als vorzügliche Projektionsflächen für die eigenen Ideen. Billige Möbel anderer Produzenten waren Ausdruck für Ramsch-Kapitalismus , aber in der IKEA-Verpackung symbolisierten sie den bewußten Verzicht auf Protz und Status. Und aus der Not, die Stücke zu Hause selbst zusammenbauen zu müssen, wurde die Tugend der Überwindung der Trennung von Kopf und Handarbeit.“[9]

 

„“Billy“, das Regalsystem, für das viele Intellektuelle schwärmten. „Billy“ war einzigartig. „Billy“ war preiswert. Und „Billy“ überwand den Klassenkampf; denn er diente Frau und Mann, Armen und Reichen, aber vor allem Leuten, denen die Bücher mehr wert waren als das Regal, in das sie sie stellten.“

 

Dann begann der Schwede mit dem Verkauf von Stoffen, indem er Bestellungen sammelte und dadurch niedrigere Preise bezahlen mußte. Er wurde zum Großbesteller, konnte seine Preise verbessern und gleichzeitig ein besseres Sortiment anbieten. Mit einfachen Skizzen erklärte er den Möbelherstellern seine neuen Ideen, und es gelang ihm, die Wünsche der Kunden nach preiswerter Ware sowie den erhofften Gewinn der Hersteller auf einen Nenner zu bringen.   

 

Im Jahre 1952 präsentierte sich IKEA erstmalig mit einem Messestand auf der Sankt-Eriks-Messe in Stockholm, um einen Kundenkreis außerhalb Smalands anzusprechen. Der Möbelhandel witterte Konkurrenz, da keiner mit den günstigen Preisen von IKEA mithalten konnte. In Stockholm eröffnete Ingvar Kamprad seine eigene Messe und begann eigene Möbel zu entwerfen, um nicht mehr mit der Konkurrenz verglichen zu werden. Es war zur damaligen Zeit fast wie eine Revolution, denn bis dahin hatten die Möbelfabriken ihre Möbel für die Kunden, die Möbelhändler, entwickelt, die wiederum versuchten, die Ware an ihre Kunden zu verkaufen.

 

IKEA hatte jedoch von Anfang an einen direkten Kontakt zu den Kunden und erfüllte durch die eigene Produktion alle Funktionen alleine.

 

Es kam somit zu der größten Strukturveränderung, die es jemals innerhalb der Möbeldistribution gegeben hat. Die Fabriken wurden plötzlich für IKEA interessant und dieses Interesse brachte mit sich, daß IKEA die einzelnen Fabrikationswege von Grund auf kennenlernte. IKEA begann, seine Möbel den Herstellungsmethoden der Industrie anzupassen, was die Kosten senkte. Die Möbel wurden in Einzelteilen hergestellt, die Nachfrage stieg stetig an. Marktforschung wurde betrieben, um die Rentabilität von IKEA-Filialen im Ausland zu überprüfen bzw. abzuchecken, ob Bedarf an einem solchen Unternehmen bestand. IKEA wagte schließlich die Expansion ins Ausland. Er eröffnete Möbelausstellungen, um dem Kunden die im Katalog gezeigten Produkte vorzuführen und um sich so von der Konkurrenz abzuheben.

 

Es entstand bald eine Filiale in Stockholm, und um sich von den anderen Möbelhändlern abzuheben, baute Ingvar Kamprad nicht in der Innenstadt, sondern außerhalb, gut mit dem Auto erreichbar. Am Rande der Autobahn konnte er großflächig seine Waren ausstellen und verkaufen und umging somit die teuren Mieten im Zentrum. Anstelle eines eleganten und schicken Ladens baute er einfach, billig und praktisch, was sich bis heute auch nicht geändert hat.   

 

Seine erste Filiale wurde rund, in Anlehnung an das Guggenheim-Museum von Frank Lloyd Wright in New York und war mit 48000 Quadratmetern ungewöhnlich groß. So entstand das größte Möbelhaus Europas. Billige Räume, niedrige Mieten, niedrige Frachten, billige Lagerräume und billige Herstellungskosten waren charakteristische Merkmale für IKEA, die sich schnell bewährten. IKEA war jedoch dem hohen Menschenansturm nicht gewachsen, so entstand eine neue Idee: Anstatt mehr Personal einzustellen, was wiederum Geld gekostet hätte, wurde das Lager für die Kunden geöffnet, damit sie sich ihre Waren selbst holen konnten. Auch dieses Prinzip ist noch in sämtlichen IKEA-Filialen kennzeichnend. Da viele Kunden nur zu IKEA kamen, um sich inspirieren zu lassen, wurde die Markthalle mit schönen Dekorations und Küchenartikeln geboren, damit jeder Besucher eine Kleinigkeit finden konnte, die er mit nach Hause nehmen konnte. Indem er stets auf unkonventionelle Weise gehandelt hat, gelang Ingvar Kamprad der Erfolg seines Unternehmens.[10]

 

IKEA begann im Ausland zu produzieren, und sämtliche Produkte wurden mit Möbelfakta getestet, um dem Kunden überall eine gleich gute Qualität anbieten zu können. Das System IKEA war perfekt! Der Kunde, die Hersteller sowie IKEA waren alle zufrieden und jeder zog seinen persönlichen Profit. Als selbst die führende schwedische Einrichtungszeitung "Allt i Hemmet"[11] auf IKEA aufmerksam wurde und die guten, preiswerten Produkte lobte, war klar: Ingvar Kamprad hatte es geschafft, und IKEA war vom kleinen Privatunternehmen zu einem führenden Möbelkonzern geworden. Was Ingvar Kamprad dann selbst erkannte, war folgendes:

 

"Er hatte eigentlich niemals mit anderen konkurriert. Er hatte sich unter Menschen einen eigenen Markt geschaffen, die eigentlich vorher kein Geld zum Kaufen hatten. Er hatte sich an all die vielen gewandt, die in kleinen Verhältnissen lebten, an all die, für die sich bisher niemand interessiert hatte. Es waren diese Menschen, die zuerst den Wert IKEAs erkannten. Es waren sie, denen IKEA einen froheren, leichteren und angenehmeren Alltag bot. Es waren sie, denen IKEA ein schönes Zuhause bot, in dem Kinder aufwachsen konnten. Es waren sie, die IKEA trugen. Und für sie will IKEA arbeiten. Vor allem für sie. Man könnte sagen, daß IKEA nicht nur in einem kargen Gebiet entstand. Es hat seine Arbeit auf das oft karge Los normaler Menschen ausgerichtet. Und das ist das lehrreichste an dieser Geschichte. Kümmere Dich um die, um die sich sonst niemand kümmert. Dann wirst Du König in einem Reich, im dem kein anderer herrschen wird."[12]

4.  Die 9 Thesen des Ingvar Kamprad (1976)[13] 

 

Der Gründer von IKEA hat im Jahre 1976 9 Thesen formuliert, die im Folgenden zitiert werden. Sie dienen als Grundlage für die Firmenphilosophie und erläutern Ideen, Standpunkte und Zielsetzungen des Unternehmens. Der Text wird hier wörtlich wiedergegeben, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, einen direkten Einblick in die Philosophie IKEAs zu bekommen. Die, meiner Meinung nach, zuweilen etwas hoch gesetzten Ziele und Ansprüche zur „Weltverbesserung“ wollte ich den Interessierten nicht vorenthalten.

 

Es ist wohl grundsätzlich so, daß jedes Unternehmen gewisse Profitgedanken hegt, und nicht nur zum Wohle der Menschheit seine Tore öffnet, denn ansonsten wäre ihr Bestehen nicht erdenklich. Nun viel Spaß beim Lesen!

 

„Den vielen Menschen einen besseren Alltag schaffen... 

 

Ein für allemal haben wir uns entschieden, auf der Seite der breiten Bevölkerung zu stehen. Denn was für unsere Kunden gut ist, wird auf lange Sicht auch für uns gut sein. Das ist eine Zielsetzung, die verpflichtet.

 

In allen Ländern und Gesellschaftsordnungen wird ein unverhältnismäßig großer Teil der Mittel verbraucht, um einen kleinen Teil der Bevölkerung zufriedenzustellen. Zu viele Neuentwicklungen, zuviel Schönes ist gerade in unserer Branche einem zu kleinen Kreis besserverdienenden Menschen vorbehalten. Diese Situation hat wesentlich zur Formulierung unserer Zielsetzung beigetragen.

 

Schon nach ein paar Jahrzehnten konnten wir gute Resultate erreichen. Ein bekannter schwedischer Politiker und Industrieller hat einmal gesagt, daß IKEA mehr für den Fortschritt der Demokratie getan hat als viele politische Maßnahmen zusammen. Wir glauben auch, daß unser Verhalten viele andere positiv beeinflußt hat, in die gleiche Richtung zu arbeiten. Schweden hat sich als Vorläufer erwiesen bei der Schaffung von Neuem für die vielen Menschen  für alle, deren Mittel begrenzt sind. Wir sind in dieser Entwicklung führend.

 

Aber unser Ehrgeiz reicht noch weiter. Wir wissen, daß wir auf nahezu allen Märkten nützlich sein können. Wir wissen, da wir auch in Zukunft einen wertvollen Beitrag zur Demokratie nicht nur in unserem Heimatland Schweden leisten können. Wir wissen, daß Großserienproduktionen uns Vorteile verschaffen und daß die Erschließung neuer Märkte uns die Möglichkeit der Risikostreuung bietet. Es ist also geradezu unsere Pflicht, zu expandieren. 

 

Die Mittel, mit denen wir unsere Ziele erreichen wollen, zeichnen sich dadurch aus, daß wir nichts als gegeben hinnehmen. Es ist unsere „Linie anders“, die uns prägt; unser Bemühen, aufrichtig und menschlich mit uns selbst und mit anderen umzugehen. Wir haben einen besonderen Lebensstil  diese anspruchsvolle Bezeichnung benutze ich ohne Zögern. Zu einem besseren Alltag gehört auch, sich von Status und Konventionen zu lösen  als Mensch freier zu werden. Es ist unser Bestreben, auch auf diesem Gebiet zu einem Begriff zu werden  uns selbst zur Freude, aber auch unseren Mitmenschen zur Inspiration. Wir tragen selbst die Verantwortung für diese Freiheit, dabei stellen wir große Anforderungen an uns selbst.

 

Denn: Keine Methode ist wirkungsvoller als das gute Beispiel.

 

Unseren Beitrag zur Demokratisierung habe ich ja schon erwähnt. Sicherheitshalber füge ich noch hinzu, daß wir damit keinesfalls Stellung nehmen, z.B. zu Fragen des Ausgleichs von Lohnniveaus. Man kann sagen, daß wir auch hier versuchen wollen, die Probleme von einer anderen Seite anzugehen.  

 

Die folgenden Abschnitte beschreiben unsere Sortiments und Preisphilosophie, die das Rückgrat unserer Arbeit sind. Außerdem erläutern sie Regeln und Methoden , die sich im Laufe der Zeit als Eckpfeiler unserer Ideenwelt herauskristallisiert haben, die IKEA jetzt und in Zukunft zu einem einzigartigen Unternehmen macht.“ 

 

20-12-1976

 

INGVAR KAMPRAD

 

1  Das Sortiment  unsere Identität

 

Wir wollen ein breites Sortiment formschöner und funktionsgerechter Einrichtungsgegenstände zu Preisen anbieten, die so günstig sind, daß möglichst viele Menschen sie sich leisten können.

 

Sortimentspalette 

 

Unsere Bestrebungen müssen dahingehen, den gesamten Einrichtungsbereich abzudecken, d.h. sowohl Innen als auch Außenräume, bewegliche und feste Einrichtungsgegenstände in unser Sortiment einzubeziehen. Die Kollektion kann außerdem Geräte und Dekorationsgegenstände für die Wohnung sowie Do-it-Yourself-Artikel und -Zubehör für den Einrichtungsbereich enthalten. Außerdem kann das Sortiment eine kleinere Anzahl von Gegenständen für öffentliche Einrichtungen enthalten. Das Sortiment muß immer überschaubar bleiben, um unser Preisbild nicht zu gefährden. Grundsätzlich müssen wir uns innerhalb jeder Artikelgruppe auf wesentliche Produkte konzentrieren.

 

Profil 

 

Der Schwerpunkt muß immer auf unserem Grundsortiment liegen  dem Teil also, der „typisch IKEA“ ist. Unser Grundsortiment muß ein eigenes Profil haben, unsere Gedanken widerspiegeln, schlicht und geradeheraus sein, wie wir es auch sind. Es muß widerstandsfähig und leicht zu handhaben sein. Es soll Ausdruck sein für eine leichtere, natürlichere und freiere Lebensweise. Es soll Form, Farbe und Freude ausdrücken und dem Geschmack junger Leute jeden Alters entsprechen.

 

Das Grundsortiment soll in Skandinavien für „typisch IKEA“ stehen und außerhalb von Skandinavien für „typisch schwedisch“.

 

Neben unserem Grundsortiment kann es eine kleinere Auswahl von Artikeln mit eher traditioneller Anknüpfung geben, die dem Geschmack vieler Menschen entsprechen. Sie müssen mit unserem Grundsortiment kombinierbar sein. Außerhalb von Skandinavien muß dieser Sortimentsteil stark begrenzt sein.

 

Funktion / Technische Qualität 

 

Wegwerf-Artikel passen nicht zu IKEA. Die Freude des Kunden an seinem Kauf muß dauerhaft sein. Deshalb müssen Funktion und technische Qualität gut sein. Aber Qualität darf nicht zum Selbstzweck werden. Sie muß dem Bedarf des Benutzers angepaßt sein. Die Oberfläche muß bei Arbeitsplatten strapazierfähiger sein als bei Bücherregalbrettern. Die Oberflächenbehandlung kostet zwar mehr, gibt aber dem Kunden dauerhafte Freude an seinem Einkauf. Eine teurere Oberflächenbehandlung für das Regalbrett hingegen schadet dem Kunden, weil sie sinnlos mehr kostet. Aber die Qualität muß sich langfristig immer den Interessen des Kunden anpassen. Als Richtschnur gelten für uns hierbei die Grundforderungen von Möbelfakta oder andere vernünftige Normen.  

 

Niedrigpreise, die ihren Zweck erfüllen 

 

Die Masse der Menschen verfügt nur über begrenzte Mittel. Diese Menschen wollen wir als Kunden gewinnen. Voraussetzung dafür ist ein besonders niedriges Preisniveau. Aber der niedrige Preis muß sinnvoll sein. Er darf nicht auf Kosten der Funktion oder der Gebrauchsfähigkeit gehen.

 

Um die Preise niedrig zu halten, dürfen keine Mühen gescheut werden. Deutliche Preisunterschiede zu unseren Mitbewerbern sind unerläßlich; in allen Bereichen müssen wir immer die eindeutig Günstigsten sein. In jeder Artikelgruppe muß es „atemberaubende“ Angebote geben und das Sortiment darf nie so anwachsen, daß das Preisbild gefährdet wird. Niedrigpreise, die ihren Zweck erfüllen, stellen hohe Anforderungen an alle Mitarbeiter; an Konstrukteure, Einkäufer, an Sachbearbeiter, Lagerarbeiter, Beraterinnen  an alle Kostenträger, die unsere Einkaufspreise und alle anderen Kosten beeinflussen. Und das sind wirklich hundertprozentig alle! Ohne extrem niedrige Kosten können wir unsere Aufgabe nicht lösen!

 

Änderungen unserer Sortimentspolitik 

 

Unsere Grundidee, für die Masse der Menschen dasein zu wollen, muß unverändert bleiben. Die hier festgelegten Richtlinien für unsere Sortimentsgestaltung können nur durch eine gemeinsame Entscheidung der Leitungsorgane von Ingka Holding B.V. und Inter IKEA Systems B.V. geändert werden.   

 

Revidiert 07-05-1992

 

2  Der IKEA-Geist  eine starke und lebendige Wirklichkeit.

 

Bestimmt hast Du ihn schon erlebt. Du hast ihn vielleicht sogar durch Deine persönliche Art mitgeprägt. Klar, früher war es leichter, ihn lebendig zu halten; damals, als wir noch nicht so viele waren, näher zusammensaßen und einfach so miteinander reden konnten.

 

Sicher ist es heute nicht mehr so einfach, wenn der Einzelne zwischen Verordnungen und Bestimmungen oder in den Aktenbergen der Personalabteilung förmlich verschwindet.

 

Damals waren sie greifbarer  Hilfsbereitschaft, die Kunst, sich mit wenigen Mitteln zu behelfen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu knausern, kostenbewußt bis zum Geiz zu sein, die Achtung voreinander, der unerschütterliche Arbeitseifer und das gemeinsam durch „Dick und Dünn“ gehen. Aber seit damals hat sich beides verändert: Die Gesellschaft und auch IKEA.

 

Aber bestimmt findet man ihn noch an dem einen oder anderen Arbeitsplatz, bei alten und neuen Mitarbeitern. Noch immer wird der volle Einsatz gebracht  jeden Tag, und viele fühlen noch das gleiche wie damals. In einer so großen Gruppe wie wir es bei IKEA sind, kann nicht jeder den gleichen Enthusiasmus und das gleiche Verantwortungsbewußtsein an den Tag legen. Einige betrachten sicher ihre Arbeit nur als Mittel zum Geldverdienen  wie irgendeinen beliebigen Job. Vielleicht ist es sogar mit unser Fehler, weil wir es versäumt haben, andere mit unserer Arbeitsfreude mitzureißen, weil wir vielleicht das eine oder andere Mal selbst resigniert haben, weil wir es einfach nicht geschafft haben, Schwung und Leben in eine auf den ersten Blick eintönige Beschäftigung zu bringen.

 

Der echte IKEA-Geist baut noch heute auf unseren Tatendrang, unsere Arbeitsfreude, unsere ständige Bereitschaft, Neues anzunehmen und uns dafür zu begeistern, auf unser Kostenbewußtsein, auf unsere Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, auf unsere Hilfsbereitschaft, auf die Achtung, die wir vor unserer Aufgabe haben und auf die gradlinige Art, in der wir miteinander umgehen. Wir müssen uns umeinander kümmern, uns gegenseitig inspirieren. Es ist Schade um diejenigen, die nicht dabei sein können oder wollen. Ein Beruf sollte nie nur ein Broterwerb sein. Ohne Arbeitsfreude geht ein Drittel des Lebens verloren; diesen Verlust kann auch die Illustrierte in der Schreibtischschublade nicht ersetzen.

 

Für alle, die eine Führungsposition haben, ist es ungeheuer wichtig, sich um die Motivation und Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu kümmern. 

 

Teamgeist ist eine tolle Sache, wenn jeder im Team Verantwortung für seine Aufgabe fühlt. Als „Mannschaftskapitän“ faßt Du Beschlüsse nach Rücksprache mit Deinem Team. Danach ist keine Zeit mehr für Diskussionen. Nehmt eine Fußballmannschaft als Beispiel!

 

Schaut Euch unsere „Gesellschaftsträger“ an. Gradlinige, zurückhaltende, ungekünstelte Menschen, die immer hilfsbereit sind. Sie tun ihre Pflicht und nehmen Verantwortung auf sich, ohne viele Worte zu verlieren. Für sie ist Verantwortungsbereich ein notwendiges aber häßliches Wort. Weil für sie die Gesamtheit ebenso selbstverständlich ist wie die Bereitschaft, zu helfen  sich aber auch helfen zu lassen, wo es notwendig ist. Ich nenne sie „Gesellschaftsträger“, weil sie in allen Unternehmen, allen Schichten der Gesellschaft so wichtig sind. Es gibt gerade bei uns so viele davon; in unseren Lagern, in den Büros, bei den Beratern und Beraterinnen ... sie sind das Herzstück des IKEA-Geistes.

 

Bestimmt gibt es ihn noch, den IKEA-Geist; aber auch er muß gepflegt, gefördert und im Laufe der Zeit weiterentwickelt werden.

 

Entwicklung ist nicht immer gleichbedeutend mit Fortschritt.

 

Oft liegt es an Dir als Initiator und Verantwortungsträger, ob ein Gleichheitszeichen gesetzt werden kann.

 

3  Gewinn gibt uns Mittel

 

Ein besserer Alltag für die vielen Menschen! Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir über Mittel verfügen. Nicht zuletzt Geldmittel. Wir glauben nicht, daß uns gebratene Tauben in den Mund fliegen. Wir verlassen uns auf harte, unermüdliche Arbeit mit meßbaren Ergebnissen.

 

Gewinn ist ein wunderbares Wort! Wir wollen dieses Wort ein für allemal entdramatisieren. Politiker benutzen und mißbrauchen dieses Wort zu oft.

 

Gewinn bringt uns Mittel. Zu Mitteln kommt man nur auf zwei Wegen: durch Gewinn oder durch Unterstützung. Alle staatlichen Subventionen sind Gewinne aus staatlichen Betrieben oder Steuergelder, die in irgendeiner Form von den Steuerzahlern, also von uns, gezahlt werden müssen. Wir wollen uns auch bei der Beschaffung von Geldmitteln auf uns selbst verlassen.

 

Die Zielsetzung bei der Beschaffung von Mitteln heißt: auf lange Sicht ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die Voraussetzungen kennst Du. Wir müssen das niedrigste Preisniveau haben. Und das muß sich mit guter Qualität vereinbaren. Wenn unsere Preise zu hoch sind, können wir nicht das niedrige Preisbild halten. Sind unsere Preise zu niedrig, verringern sich unsere Mittel. Ein fabelhaftes Problem! Denn es zwingt uns, bei der Produktentwicklung wirtschaftlich und beim Einkauf sparsam vorzugehen und in allen Situationen äußerst kostenbewußt zu sein. Das ist unser ganzes Geheimnis. Der Schlüssel zu unserem Erfolg.

 

4  Mit wenigen Mitteln gute Ergebnisse erzielen. 

 

Eine alte IKEA-Idee, die immer aktueller wird. Unzählige Male haben wir bewiesen, daß es möglich ist, mit wenigen Mitteln gute Ergebnisse zu erzielen. Mittelverschwendung ist eine Todsünde bei IKEA. Es ist keine besondere Leistung, wenn man bei der Verfolgung von Zielen keine finanziellen Beschränkungen kennt. Einen Schreibtisch zu konstruieren, der 3.000 DM kosten darf, kann jeder beliebige Architekt. Aber um einen funktionellen und formschönen Schreibtisch zu entwerfen, der nur 200 Mark kosten darf, muß man schon ganz schön gewitzt sein.

 

Teure Lösungen von Problemen aller Art kommen meist von mittelmäßig begabten Menschen.

 

Wir haben keinen Respekt vor einer Lösung bevor wir wissen, was sie kostet. Ein IKEA-Produkt ohne Preisetikett ist deshalb ein Unding! Genauso unmöglich, wie wenn der Staat die Steuerzahler nicht darüber informiert, wie hoch z.B. die Kosten für eine freie Schulmahlzeit sind.

 

Bevor Du Dich für eine Lösung entscheidest, stell’ sie in Relation zu den Kosten. Erst dann kannst Du sie beurteilen.

 

Mittelverschwendung ist eine der größten Krankheiten der Menschheit. Viele moderne Bauwerke sind eher Denkmäler für die menschliche Dummheit als rationelle Lösungen eines effektiven Bedarfs. Aber viel mehr kostet uns die Verschwendung, wenn es um kleine, alltägliche Fragen geht: Papiere einzuordnen, die man sowieso nie mehr braucht; Zeit aufzuwenden beim Beweis, daß man selbst trotzdem Recht hatte; die Lösung eines Problems bis zur nächsten Sitzung aufzuschieben, weil man selbst die Verantwortung jetzt nicht übernehmen will; zu telefonieren, wenn man ebensogut einen Zettel oder ein Telex schreiben könnte. Die Aufzählung könnte man endlos weiterführen.

 

Nutze Deine Möglichkeiten auf IKEA-Weise. Dann erreichst Du ein gutes Resultat mit wenigen Mitteln.

 

5  Einfachheit ist eine Tugend. 

 

Wo viele Menschen in einer Gesellschaft oder in einem Unternehmen zusammenarbeiten, muß es Regeln geben. Je komplizierter diese Regeln sind, um so schwerer sind sie zu befolgen. Komplizierte Regeln lähmen!

 

Belastung durch Althergebrachtes, Angst oder fehlende Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung sind der Nährboden der Bürokratie.

 

Unschlüssigkeit führt zu mehr Statistik, mehr Untersuchungen, mehr Sitzungen, mehr Bürokratie. Und Bürokratie erschwert und lähmt.

 

Planung ist oft gleichbedeutend mit Bürokratie. Sicher sind Planungen notwendig, um Richtlinien für die Arbeit jedes einzelnen und für das reibungslose Funktionieren eines Unternehmens auf lange Sicht, aufzustellen.

 

Vergiß aber nicht, daß übertriebene Planung die häufigste Todesursache von Unternehmen ist.

 

Übertriebene Planung unterdrückt Deine Handlungsfreiheit und verkürzt die Zeit, die Dir zur Ausführung bleibt. Komplizierte Planung legt lahm. Laß Einfachheit und Vernunft walten wenn Du etwas planst.

 

Bei uns ist Vereinfachung schon so etwas wie Tradition. Einfache Routinen bedeuten größere Effektivität. Einfachheit in unsrem Verhalten verleiht uns Stärke. Menschlichkeit, Respekt und Toleranz zeichnen uns aus im Umgang miteinander, mit unseren Lieferanten und unseren Kunden. Nicht nur aus Kostengründen vermeiden wir Luxushotels. Wir können verzichten auf Luxusschlitten,  auf hochgestochene Titel, auf maßgeschneiderte Bekleidung oder ähnliche Statussymbole. Wir verlassen uns auf unsere eigene Kraft und unseren eigenen Willen!

 

6  „Linie anders“. 

 

Wenn wir am Anfang Experten gefragt hätten, ob es sinnvoll ist, ein Unternehmen wie IKEA in einem kleinen Ort wie Älmhult aufzubauen, hätte man uns sicher abgeraten. Trotzdem liegt heute eine der weltgrößten Anlagen unserer Branche in Älmhult.

 

Dadurch, daß wir immer fragen warum man etwas so oder anders macht, finden wir neue Wege. Dadurch, daß wir nichts nur deshalb so machen, weil es schon immer so gemacht wird, kommen wir weiter. Wir versuchen es einfach anders! Nicht nur, wenn es um große Entscheidungen geht, sondern auch bei der Lösung der täglichen kleinen Probleme.

 

Daß unsere Einkäufer sich für die Fertigung von Tischgestellen an eine Fensterfabrik und für die Herstellung von Sitzkissen an eine Hemdenfabrik wenden, ist kein Zufall, sondern ganz einfach eine Antwort auf die Frage warum!

 

Unser Protest gegen alles Althergebrachte ist kein Selbstzweck, sondern zielbewußtes Streben nach ständiger Weiterentwicklung und Verbesserung.

 

Die Dynamik in unserem Unternehmen zu entwickeln und zu bewahren, gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben. Unter anderem deshalb hoffe ich, daß wir nie zwei „identische“ Einrichtungshäuser haben werden. Wir wissen, daß es auch im neuesten Haus noch viele unzureichende Lösungen geben wird; insgesamt gesehen wird es trotzdem das beste Haus sein. Dynamik und Experimentierfreude werden uns immer vorwärts führen. „Warum“ bleibt ein wichtiges Schlüsselwort.

 

7  Kraftsammlung  wichtig für unseren Erfolg. 

 

Ein Feldherr, der seine Kräfte zersplittert, wird unweigerlich den Kürzeren ziehen. Schon dem Zehnkämpfer erwachsen dadurch Probleme.

 

Auch für uns gilt, daß wir uns konzentrieren müssen  unsere Kräfte sammeln. Wir können sowieso nicht überall alles gleichzeitig erledigen.

 

Unser Sortiment darf nicht zu umfangreich werden. Wir können ohnehin nicht jedem Geschmack gerecht werden. Wir müssen uns auf unser eigenes Profil konzentrieren.

 

Wir können nie alle unsere Produkte auf einmal aktivieren. Wir müssen uns auf einzelne konzentrieren.

 

Wir können nicht alle Märkte auf einmal erobern. Wir müssen uns konzentrieren, um das optimale Ergebnis mit wenigen Mitteln zu erreichen.

 

Während wir unser Kräfte auf wichtige Bereiche konzentrieren, müssen wir uns bei anderen Bereichen beschränken. 

 

Wenn wir ein neues Absatzgebiet erschließen, konzentrieren wir uns auf die eigentlichen Marketingmaßnahmen. In den Anfangszeiten sind wir gezwungen, mit provisorischen Lagern und Routinen auszukommen. Kraftsammlung führt manchmal sogar dazu, daß in besonderen Zeiten wichtige Dinge, wie z.B. die Sicherheitssysteme, gelockert werden müssen. Unter anderem deswegen stellen wir besonders hohe Anforderungen an die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit eines jeden Mitarbeiters.

 

Kraftsammlung  schon das Wort strahlt Stärke aus. Nutze es in Deiner täglichen Arbeit. Es bringt Dir Erfolg.

 

8  Verantwortung übernehmen zu können  ein Vorteil.   

 

In allen Unternehmen und Gemeinschaften gibt es auf jeder Ebene Menschen, die lieber eigene Beschlüsse fassen als sich hinter denen anderer zu verstecken. Es sind Menschen, die sich trauen, Verantwortung zu übernehmen. Je weniger solcher Menschen es in einem Unternehmen oder in einer Gesellschaft gibt, um so besser kann sich Bürokratie ausbreiten.

 

Sitzungsepidemien und Gruppendiskussionen beruhen oft auf dem Widerwillen oder der Unfähigkeit, Beschlüsse zu fassen. Auch wenn man manchmal Demokratie oder Beratungspflicht vorgibt.

 

Verantwortung übernehmen zu können, hat nichts mit Ausbildung, finanzieller Lage oder Stellung zu tun. Die Verantwortungsbewußten finden sich im Lager, im Büro, bei den Einkäufern und Verkäufern  überall. Und sie sind in allen Bereichen notwendig. Sie sind wichtig für den Fortschritt. Sie sorgen dafür, daß das Getriebe in Gang bleibt.

 

In unserer IKEA-Familie wollen wir den Menschen im Mittelpunkte behalten und einander unterstützen. Wir haben alle unsere Rechte, aber auch unsere Pflichten. Freiheit mit Verantwortung. Deine und meine Initiative ist ausschlaggebend; unsere Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen.

 

Nur wer schläft, macht keine Fehler. Fehler zu machen ist das Vorrecht des Tatkräftigen  desjenigen, der zu Änderungen und Berichtigungen fähig ist. Unsere Zielsetzung verlangt, daß wir uns ständig darin üben, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, daß wir ständig gegen die Angst vor Fehlern ankämpfen. Die Angst, Fehler zu machen ist die Wiege der Bürokratie und der Feind jeglicher Entwicklung. 

 

Keine Entscheidung kann für sich in Anspruch nehmen, die einzig richtige zu sein. Es ist die Tatkraft hinter der Entscheidung, die die Richtigkeit bestimmt. Es muß erlaubt sein, Fehler zu machen. Es ist immer der Mittelmäßige, der negativ ist, der dazu neigt, sein eigenes Recht beweisen zu müssen. Der Starke ist immer positiv und arbeitet nach vorne. Es sind immer die positiven Menschen, die gewinnen, die anderen und auch sich selbst Freude machen. Aber gewinnen heißt nicht, daß ein anderer verlieren muß. Die schönsten Siege sind die, bei denen es keine Verlierer gibt.

 

Wenn jemand eines unserer Modelle kopiert, vermeiden wir einen Prozeß, weil ein Prozeß immer negativ ist. Wir lösen die Aufgabe dadurch, daß wir ein neues, besseres Modell entwickeln.

 

Nutze Deinen Vorteil  Dein Recht und Deine Pflicht, Beschlüsse zu fassen und Verantwortung zu übernehmen.

 

9  Das meiste ist noch nicht getan ... Wunderbare Zukunft. 

 

Das Gefühl, alles getan zu haben, ist ein wirkungsvolles Schlafmittel. Der Rentner, der denkt, er hätte alles getan, welkt schnell dahin. Ein Unternehmen, das glaubt, das Ziel erreicht zu haben, stagniert schnell und verliert seine Lebenskraft.

 

Glück liegt nicht darin, das Ziel erreicht zu haben  Glück ist, unterwegs zu sein. Unser wunderbares Schicksal ist es, gerade am Anfang zu stehen. In allen Bereichen. Nur dadurch, daß wir uns ständig fragen, wie wir das, was wir heute machen, morgen besser machen können, kommen wir weiter.

 

Unsere Entdeckerfreude wird uns auch in Zukunft beleben. Das Wort „unmöglich“ ist und bleibt in unserem Wörterbuch gestrichen.

 

Mit dem Wort „Erfahrung“ müssen wir vorsichtig umgehen. Erfahrung ist ein Hemmschuh für jede Entwicklung. Erfahrung ist für viele Menschen die Entschuldigung dafür, daß sie nichts Neues ausprobieren wollen. Trotzdem ist es klug, sich manchmal auf Erfahrungen zu verlassen. Vertraue dann Deinen eigenen Erfahrungen. Sie sind oft wertvoller als langwierige Untersuchungen. Der Ehrgeiz, uns selbst als Menschen und als Mitarbeiter weiterzuentwickeln, muß wach gehalten werden.

 

Das Schlüsselwort heißt Menschlichkeit. Menschlichkeit bedeutet soviel für uns bei unserer Arbeit und in unserer Freizeit, sie ist entscheidend für unser Leben. Sie bedeutet nicht nur Rücksicht auf und Respekt für die Mitmenschen, sondern auch Freundlichkeit und Großzügigkeit. Wille und Stärke ohne Menschlichkeit führt oft zu Konflikten. Verbunden mit Menschlichkeit sind Willenskraft und Stärke. Deine Geheimwaffe, um Dich selbst als Persönlichkeit und Mitmenschen zu entwickeln.

 

Denke daran, daß die Zeit Deine wichtigste Ressource ist. Du kannst so viel in zehn Minuten erreichen. Vergeudete zehn Minuten sind endgültig verloren. Du bekommst sie nie zurück. Zehn Minuten sind nicht nur Dein Stundenlohn geteilt durch sechs. Diese zehn Minuten sind ein Stück von Dir selbst. Teile Dein Leben ein in Zehn-Minuten-Abschnitte und laß so wenige wie möglich sinnlos verstreichen.

 

Das meiste ist noch nicht getan. Laßt uns auch in Zukunft eine Gruppe von positiven Fanatikern bleiben, die sich mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit weigern, das Unmögliche, das Negative zu akzeptieren. Was wir wollen, können wir, und das werden wir auch tun  gemeinsam. Wunderbare Zukunft. 

 

"In der dreidimensionalen Welt von IKEA sind Form, Funktion und Erschwinglichkeit genauso wichtig wie Vertrauen, Hoffnung und Wohltätigkeit. "

 

"Unser Design ist erst dann gut, wenn es erschwinglich ist. Egal, wie schön es aussieht."[14]

5.  Die Geschichte nordischen Designs[15]

 

Vom späten 18. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert 

 

Ich habe diesen Text über das nordische Design komplett aus dem Englischen übersetzt, da er mir wichtig erscheint, um die Geschichte der Möbelentwicklung besser verstehen zu können, und ich sehe ihn als optimale Ergänzung zu meinem Thema. 

 

Die erste Ausgabe der Zeitschrift "Home" wurde 1859 in Schweden herausgegeben. Einige Frauen ergriffen die Initiative, um ihre eigenen Ideen zu verwirklichen. Ziel der Zeitschrift war es, sich den stets verändernden Moden und Stilrichtungen anzupassen, um immer aktuell zu sein. Im Laufe des späten 19. Jahrhunderts begannen viele mittelständische Frauen sich mit Wohnungseinrichtung und Design zu beschäftigen. "Gehen Sie vorsichtig mit schönen Tapeten um. Sie stellen die Möbel im Raum in den Hintergrund, und wenn sie nicht gerade ausgesprochen schön sind, verleihen sie dem Raum eine vulgäres Flair", propagierte eine der Frauen. Sie sprach sich außerdem gegen Imitationen von verschiedenen Holzarten aus, denn "es bringt nichts, ein Bild zu vermitteln, was in Wirklichkeit gar nicht existiert. Imitationen jeglicher Art sind nur ein Beispiel für schlechten Geschmack." Ihrer Meinung nach sollte das größte und sonnigste Zimmer in einem Haus für die Kinder sein, und sie sprach sich gegen nüchterne, raffinierte und zu verschiedene Einrichtungstypen aus. Zu diesem frühen Zeitpunkt wurde somit erstmalig der Ethos von Reinheit und Einfachheit[16] formuliert. 

 

Die Frauen gründeten die Vereinigung "Freunde der Textilkunst" und nahmen somit großen Einfluß auf die Geschmacksfragen zu dieser Zeit. In anderen nordischen Ländern wurden ähnliche Initiativen ergriffen, um den Textilreichtum auf dem Land zu erhalten. Die runischen[17] Schriftzeichen aus den Zeiten der Vikinger inspirierte zu neuen Mustern auf Damast oder bestickten Tischdecken und Servietten. Das Interesse an Ästhetik wurde zu einer beliebten Bewegung in Schweden, eng verbunden mit den örtlichen Kunsthandwerkszünften, die sich gegen Ende des Jahrhunderts entwickelt haben.  

 

Junge Architekten begannen mit der Innenraumgestaltung, Gebäudeplanung und auch dem Möbeldesign. Auch die Arbeiterklasse sollte Möbel erwerben können, die hell, schön, bequem, hygienisch und einfach zu handhaben sind. Im Gegensatz zum restlichen Europa war die Debatte rund um die Ästhetik in den nordischen Ländern Teil eines Demokratisierungsprozesses. Laut der Autorin Ellen Key sollte eine schöne Umgebung dem Menschen bei seiner Entwicklung helfen. Die alten und verstaubten Räume aus dem 19. Jahrhundert sollten durch eine neue Ästhetik abgelöst werden, die sich durch Kinderfreundlichkeit, helle Farben und einen charmanten Stilmix der Möbel auszeichnet.

 

Junge Künstler und Architekten halfen dem neuen Wohnideal bei seiner Entwicklung, das, zwar den schwedischen Bedingungen angepaßt, stark durch die englische Arts and Crafts-Bewegung beeinflußt wurde.  

 

Gegen Ende des Jahrhunderts begann auch die ästhetische Revolution in Finnland. 1893 eröffnete eine Möbel und Keramikfabrik (the Iris Factory) in Borga. Die Möbel und Keramikprodukte wurden zu einem wichtigen Beitrag für den internationalen Erfolg Finnlands, genauso wie die innovativen Teppiche, die Innenarchitektur und Architektur von Eliel Saarinen, Armas Lindgren und Herman Gesellius. Malerei, Handwerk und Architektur verschmelzten zu einer neuen Form der Symbiose. Das neue Wohnzimmer wurde durch die karelischen Häuser inspiriert (Karelien ist jetzt eine russische Provinz), die außen mit geteertem Holz und grauem Granit versehen waren, und innen an der Wand befestigte Bänke und einen riesigen Kamin hatten. Der ästhetische Charakter der nordischen Länder war schon klar definiert. Schwedens Liebe zur Luft und Sonne entwickelte eine leichte und klassische Designsprache.  

 

Typisch für Finnland war die Schwere und Kraft und die Farbenfrohheit. Die Bevölkerung in Schweden und Finnland entwickelte durch eine genaue Analyse ihrer eigenen Geschichte ihren wahren häuslichen Stil. Die Seefahrernation Dänemark war eher extrovertiert und sowohl von den klassischen griechischen als auch von den englischen Möbeln inspiriert. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigte sich ein Gefühl für Proportion und Präzision im Design der dänischen Mittelklasse, in den friedlichen, raffinierten, neo-klassischen Räumen des sog. "Golden Age".  

 

Im Jahre 1914 wurde in Schweden eine Agentur eröffnet, die es sich zum Ziel gemacht hat, so viele Möbel und Gebrauchsgegenstände wie möglich von Designern und Künstlern entwickeln zu lassen. Der nächste Schritt war die Einstellung von Künstlern in der schwedischen Glas und Porzellanindustrie. Die Standardisierung und eine effiziente industrielle Produktion machten die Produkte günstiger und somit erschwinglicher für viele Menschen.   

 

Ein Versuch, Möbel und Gebrauchsgegenstände zu verbessern sowohl eine leistungsfähigere Heizung in den Wohnungen der Arbeiterklasse zu installieren, war die Hausmesse 1917 im Kunstmuseum Liljevalchs in Stockholm. Erstmalig wurden hier die Arbeiten der jungen Architekten Gunnar Asplund und Uno Ahrén und des Möbeldesigners Carl Malmsten ausgestellt. Der internationale Durchbruch gelang bei der Ausstellung der Modernen Künste in Paris 1925. Der italienische Klassizismus zwang die Schweden dazu, etwas typisches für ihr Land zu produzieren, damit die Besucher das schwedische Design sofort erkennen konnten. 1927 stellte Schweden im Metropolitan Museum of Art in New York aus, was den Ausschlag für viele erfolgreiche Ausstellungen in den USA und England gab. Trotzdem hatte die Pariser Ausstellung eine Zeit der inneren Suche für das schwedische industrielle Design zur Folge, denn die jungen schwedischen Architekten waren sehr begeistert von Le Corbusier und dem "Esprit Nouveau". Auf der Ausstellung in Stockholm 1930 hatten die schwedischen Designer die Möglichkeit, ihr Ideal zu realisieren. Die leichten Strukturen und Inneneinrichtungen paßten perfekt zur schwedischen Ästhetik.

 

Im Jahre 1925 präsentierte der dänische Architekt Kaj Fisker seinen kubischen Pavillon, der im Innern mit der glockenblumenähnlichen Glasbeleuchtung von Poul Henningsen ausstaffiert war. Poul Henningsen war es durch sein ausgezeichnetes Gefühl für die Proportionen des Lichtes gelungen, blendfreies Licht zu kreieren. Nach den selben Prinzipien entwickelte er in den folgenden Jahrzehnten eine Reihe von Leuchten, so z.B. die bekannte PH Leuchte mit den farbig reflektierenden Schattierungen, die ein blendfreies, warmes und schönes Licht erzeugt.

 

Die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts stellten eine Renaissance für die dänische Innenarchitektur dar. Die Studenten an der Kunsthochschule wurden von ihrem Professor der Architektur Kaare Klint dazu ermutigt, die Proportionen der Möbel genau zu untersuchen. Der Architekt Ole Wanscher erforschte das Möbeldesign der letzten Epochen. Seine Nachforschungen waren wichtige Grundlagen für andere Möbeldesigner; sie konnten sie als Grundlage für ihre Arbeit verwenden. So fand der Architekt Hans J.Wegner in einem der Bücher den alten, traditionellen Stuhl der Chinesen, der ihn zur Entwicklung verschiedener Variationen inspirierte. Der erste war der sog. China-Stuhl von 1944. Der runde Stuhl, das Modell von 1949, wurde als der Stuhl, als die Urform eines Stuhls bekannt

 

Im Jahre 1927 wurde die erste Möbelausstellung des Kopenhagen Cabinetmakers Guild in Dänemark präsentiert, mitunter ein Grund für die aufstrebende Entwicklung des dänischen Möbels. Die Grundidee war eine Zusammenarbeit von Architekten und Möbeldesignern, die die genialen, neuen Konzepte und Ideen mit dem handwerklichem Können und der Materialkenntnisse verbinden sollte. Diese Kombination sollten die Entwicklung ankurbeln.  

 

Gegen Ende der 20er Jahre begann der finnische Architekt Alvar Aalto zusammen mit dem Fabrikbesitzer Otto Korhonen von Abo Joinery mit Schichtholz für Stühle zu experimentieren, das unter Druck gebogen wurde. Von 1932 an entwickelte Aalto helle, hygienische und billige Möbel für das finnische Sanatorium Pemar. In der Zeit danach entstanden die bekannten Bugholzmöbel aus in einzelnen Schichten verleimten Furnier mit Rahmen aus gebogenem Holz, u.a. auch der bekannte "Pemar Stuhl".   

 

Im Jahre 1935 half das Möbelgeschäft Artek Abo Joinery beim Exportgeschäft. Bis dahin hatten Sprachprobleme den internationalen Durchbruch verzögert. 1939 machte Alvar Aalto mit seinem 23 Fuß hohen und 131 Fuß langen Ausstellungsstück, einer sanft fließenden Holzwand, von sich reden. Auch als Glasdesigner hatte Aalto in den 30er Jahren Erfolg. 1932 entwickelte er die Glasserie "Riihimäki's flower" und 1936 die große Glasvase "Eskimos' leather trousers". Sie wurde später nochmals überarbeitet und wurde zur berühmten Savoy Vase.

 

Mit der Bugholztechnik und dem Druckguß gelang es Alvar Aalto eine ruhig fließende Designsprache von Holz und Glas zu entwickeln.

 

Während der 30er Jahre wurde Schweden Zeuge eines Kampfes zwischen den orthodoxen Funktionalisten, die sich der internationalen, industriellen und innovativen Designsprache verschrieben hatten, und den eher traditionellen Architekten und Möbeldesignern. Letztere konnten die funktionalistische Sicht der Dinge nicht akzeptieren. Für sie mußte ein Möbelstück Charakter haben, Gefühle ausdrücken, maskulin oder feminin sein. Zu dieser Gruppe gehörte z.B. Carl Malmsten. Auf der anderen Seite stand z.B. Bruno Mathsson, der 1934 den heute so bekannten Arbeitsstuhl aus Schichtholz entwarf. Der Einfluß deutscher Stahlrohrmöbel ist deutlich sichtbar. Bruno Mathsson gelang es, mit einem minimalem Materialaufwand ein stabiles Möbelskelett zu erhalten, das mit gewebten Sattelgurten gepolstert wurde. Das Ergebnis dieser heißen Debatte war schließlich die Veränderung des streng innovativen Funktionalismus. Die Designsprache wurde runder und einladender. Die Innovation der rechteckigen Formen des Bauhauses (mit einem Untergestell aus Chromstahlrohr für Stühle) wurde von vielen als kalt und zu technisch angesehen. Die ruhig fließenden Holzmöbel von Alvar Aalto und Bruno Mathsson gaben den Innenräumen Wärme und Menschlichkeit.

 

Die Innenräume, die auf der Ausstellung in Stockholm gezeigt wurden, hatten nur wenige dekorative Elemente in Form von Textilien aufzuweisen. Die Wurzeln hierfür lagen jedoch nicht sehr tief in schwedischen Lebenstraditionen. Während der 30er und 40er Jahre beeinflußten neue, oft blumige Muster die Textilien. Auf der Weltausstellung in Paris 1937 genoß Schweden großen Erfolg mit der Innenraumgestaltung, 1939 dann auch in New York. Dieser neue Stil wurde als "Swedish Modern" bekannt. Das Prinzip blieb jedoch das gleiche: Ziel war es, das tägliche Leben der "gewöhnlichen" Menschen schöner zu gestalten. 

 

Schwedens Nachbarländer litten stark unter den Folgen des 2. Weltkrieges. In Finnland war man gezwungen, aufgrund der Knappheit an Wolle und Baumwolle, mit Papiertextilien zu experimentieren. Tapeten entstanden aus Birkenrinde und fettabweisendem Papier. Teppiche wurden aus Stroh und Papiergeflechten gewoben. Wurzeln, Birkenrinde und andere Materialien wurden für Vorhänge verwendet. Eisenhaltiger, einheimischer Sand wurde für die Produktion von grünem Glas eingesetzt. Die Mängel bargen nicht nur Nachteile  ein Ansporn, die eigene Kreativität zu nutzen, entwickelte sich.  

 

Gegen Ende des Krieges, ca. um 1944, untersuchten die Dänen, inwieweit gut geplante Möbel das Leben auf engem Raum erleichtern konnten. Die Herausforderung, so wenig Ressourcen wie möglich zu verwenden, um ein Optimum zu erreichen wurde zum Grundprinzip für viele nordischen Designer auch nach dem Weltkrieg.

 

Im Jahre 1945 stellte die Porzellanfabrik "Arabia" den Möbeldesigner Kaj Franck ein, der für die Produktion von Eßgeschirr zuständig sein sollte. Er hatte sogleich Erfolg: Mit seinem "Kilta" Service, das 1953 entstand, gelang ihm der Durchbruch. Dieses Service war auf der Grundlage des geometrischen Designs aus der Zeit des Funktionalismus entstanden. Nach dem Krieg gedieh die Kunstindustrie und das Möbeldesign in den nordischen Ländern, da Dänemark, Finnland und Norwegen ihre individuelle kreative Macht manifestieren wollten. Das Design diente der Demokratie. Der Komfort in den eigenen vier Wänden wurde zu einem Symbol für die gesunde und glückliche Gesellschaft. 1944 entwickelte der Möbeldesigner und Innenarchitekt Elias Svedberg zusammen mit seinen Kollegen Erik Wortz und Lena Larsson die neue Möbelserie "Triva". Ziel war die Erleichterung der Beförderung und die Reduzierung der Transport und Lagerungskosten.

 

Die internationale Triennale für Design in Mailand spielte eine wichtige Rolle im internationalen Erfolg des nordischen Designs. Das Ziel dieser Ausstellung war es, eine bessere und schönere Welt zu kreieren. Viele nordische Designer, Architekten und Künstler hatten somit die Gelegenheit, ihre Professionalität und Vielseitigkeit zu entwickeln, wie z.B. Carl-Axel Acking, Elias Svedberg, Nisse Strinning, Hans Wegner, Finn Juhl, Verner Panton, Poul Kjaerholm und Arne Jacobsen. Der "Myran"-Stuhl von Arne Jacobsen von 1952 wurde zu einem der erfolgreichsten Klassiker in der Welt.  

 

Es entstand das "skandinavische Design", das sich durch eine elegante und witzige Ausstattung auszeichnete. Der "Lunning-Preis" in den U. S. A., der ausschließlich jungen nordischen Designern verliehen wurde, half das Bewußtsein für skandinavisches Design zu verbreiten. Die dänischen Teakholzmöbel wurden bekannt, schwedische Glasarbeiten wurden erfolgreich in den U. S. A. verkauft. Die große internationale H55 Ausstellung in Helsingborg, Schweden war mit dem Slogan des "Schwedischen Kristalls" eng verbunden. H55 war eine internationale, aber vor allem eine nordische Manifestation der Innenraumgestaltung und Architektur, neuer Techniken und Materialien, neuer Produkte und neuer Konzepte wie z.B. Selbstbedienungsrestaurants, Schulkantinen und Fahrschulen für Kinder. Innovative Materialien wie Plastik, Keramik und rostfreier Stahl nahmen Einzug in die Haushalte. Praktische und funktionelle Möbel, neue Baumethoden (Gebrauch von leichtem Metall, Eisen) und neue Wohnkonzepte entstanden. Das Wohnzimmer wurde zum Treffpunkt der ganzen Familie, ein Ort zum Essen und Spielen. Die Technologie wurde zum Verbündeten der Menschheit und ein Mittel, gutes Design billiger und für jeden erschwinglich zu machen.  

 

Die Wirtschaft entwickelte sich schnell nach dem Krieg. Die Verringerung des Materialverbrauchs, die Optimierung der Funktionen und der sparsame Umgang mit Rohstoffen waren grundlegend für das Leben der Menschen bis zu diesem Zeitpunkt. Nach dem Krieg verlor dies an Bedeutung, neue Wünsche wurden geweckt. Statt peinlich genau geplanten Innenräumen, drückte das Design nun mehr Flexibilität und Veränderung aus. Betroffen waren auch die Möbel: Die Polsterung für Stühle mußte waschbar sein, Tische und Stühle bekamen Rollen, um sie flexibler zu gestalten. Die Designer experimentierten mit abnehmbaren Sitzbezügen, Stahlrohr und Wellpappe, ein billiger und einfacher Werkstoff. In den 50er Jahren wurde der Bedarf nach Farbe besonders groß; die Textildesigner ließen sich von der Pop-Art inspirieren.  

 

Nach den turbulenten 60er und 70er Jahren ging den nordischen Designern der Atem aus. Die entwickelten Kiefernmöbel vermittelten den Räumen keine große Ästhetik. Zu Beginn der 80er Jahre gelang einigen finnischen Möbeldesignern der Durchbruch. Ihre Arbeiten zeichneten sich durch einen gewissen Minimalismus und eine freundliche Helligkeit aus.

 

Es war fast wie eine Renaissance des Funktionalismus, jedoch in einer bequemeren und undisziplinierteren Form. In Norwegen wurde der Schaukelstuhl für ergonomischeres Sitzen entwickelt, in einer noch nie zuvor gesehener Form.

 

Im Jahre 1981 präsentierte der Innenarchitekt Jonas Bohlin seine geometrisch konzipierten Stühle an der Universität für Art Craft und Design in Kunstfack. Er verschmolz ein aufgeschnittenes Dreieck mit einem auseinandergezogenen Rechteck, wodurch eine mathematische Gleichheit entstand. Bohlin wollte damit beweisen, daß Design seine eigene Sprache hat. Seine Möbel waren Konzepte, die sich zu Figuren umformen ließen.

 

In den letzten Jahren manifestierte sich eine neue Gruppe junger Designer, die meist ganz bewußt den skandinavischen "Geist" verfolgten, indem sie leichte Materialien und klare Farben verwendeten.   

 

Die Natur bietet eine ständige Inspirationsquelle, wenn es um die Auswahl von Materialien und Farben geht. Was das nordische Design wohl am meisten von dem anderer Ländern unterscheidet, sind die fühlbaren Werkstoffeigenschaften und wie diese in den Räumen wirken. Es ist genauso wichtig, wie sich etwas anfühlt als wie es aussieht. Es ist eine Frage des Lebens  des Lebens in unseren Räumen.  

Ende der Leseprobe aus 121 Seiten

Details

Titel
"Vom Elch zum Werkzeug" oder die Strategie IKEA
Hochschule
Fachhochschule Lippe und Höxter in Lemgo
Note
1.7
Autor
Jahr
1997
Seiten
121
Katalognummer
V185232
ISBN (eBook)
9783656994541
ISBN (Buch)
9783867461375
Dateigröße
2702 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
elch, werkzeug, strategie, ikea
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Ilka Mellert (Autor:in), 1997, "Vom Elch zum Werkzeug" oder die Strategie IKEA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185232

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: "Vom Elch zum Werkzeug" oder die Strategie IKEA



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden