Kundenbindung im Virtual-Banking


Doktorarbeit / Dissertation, 1998

319 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Teil I: Einleitung
1. Problemstellung
2. Zielsetzung und Abgrenzung
3. Aufbau der Arbeit
3.1 Vorgehensweise
3.2 Wissenschaftliche Methodik
4. Begriffsbestimmung
4.1 Virtual-Banking
4.2 Kundenbindung

Teil II: Entwicklungstendenzen in der Bankbranche.
5. Ausgangslage aus Sicht der Banken
5.1 Besonderheit von Dienstleistungsunternehmen
5.2 Wandel der Rahmenbedingungen
5.2.1 Ausgangslage
5.2.2 Technologien
5.2.3 Wettbewerbsumfeld
5.2.4 Kundenverhalten
5.2.4.1 Veränderte Situation der Kunden
5.2.4.2 Neue Kundenanforderungen
5.3 Konsequenzen für die Banken
5.3.1 Filialproblematik
5.3.2 Entwicklung zum Virtual-Banking
6. Bedeutung des Internet
6.1 Entwicklung des Internet
6.2 Technischer Aufbau des Internet
6.3 Sicherheitsaspekte
6.3.1 Sicherheitsproblematik
6.3.2 Kryptographie
6.3.3 Schutz des Banknetzes
6.3.4 Schutz des Kundencomputers
6.3.5 Vergleich mit traditionellen Transaktionsabläufen
6.4 Zahlungssysteme
6.5 Entwicklungen der technischen Akzeptanz der Bevölkerung
6.6 Kostengesichtspunkte der Internetpräsenz
6.6.1 Bankensicht
6.6.2 Kundensicht
6.7 Banken im Internet
6.7.1 Phasen der Internetpräsenz
6.7.2 Entwicklungsstand der Bankangebote

Teil III: Theorie der Kundenbindung
7. Theoretische Grundlagen
7.1 Kundennähe
7.2 Strategische Ansätze zur Kundenbindung
7.3 Entwicklung zum Relationship Marketing
7.4 Retention Marketing
8. Kundenaspekte
8.1 Loyale Kunden
8.2 Kundenzufriedenheit
8.3 Kundenbedürfnisse und -erwartungen
8.4 Kundenverhalten
8.5 Kundenbindungsmöglichkeiten
8.6 Erfolgspotentiale
9. Mitarbeiteraspekte
9.1 Internes Marketing
9.2 Loyale Mitarbeiter
9.3 Trainingsmaßnahmen
9.4 Anreizmaßnahmen

Teil IV: Konzept zur Kundenbindung im virtuellen Banking
10. Kundenorientierung als Grundgedanke
10.1 Externes Marketing
10.1.1 Zielgruppe Internet-Nutzer
10.1.1.1 Demographische Daten
10.1.1.2 Psychologische Merkmale und Verhaltensbeschreibungen
10.1.2 Kundenkorridor
10.2 Internes Marketing
10.2.1 Mitarbeiterperspektive
10.2.2 Computer-based Training (CBT)
11. Kundenerreichung
11.1 Telefon-Banking
11.2 Multimedia Terminals
11.3 PC-Banking
11.3.1 Erfolgsfaktoren
11.3.2 Vorteile versus Nachteile
11.3.2.1 Vorteile
11.3.2.2 Nachteile
12. Instrumente zur Kundenbindung
12.1 Distributionspolitik (place)
12.2 Data Warehouse (processing)
12.2.1 Funktionsweise
12.2.2 Methoden der Datenerhebung
12.3 Produktpolitik (product)
12.3.1 Produktqualität
12.3.2 Serviceleistungen
12.4 Preispolitik (price)
12.5 Kommunikationspolitik (promotion)
12.5.1 Kommunikationsmodelle
12.5.2 Vergleich des Internet mit den traditionellen Werbeträgern
12.5.3 Positionierung
12.5.4 Internet-Werbekommunikationsmittel
12.5.4.1 Primäres Werbemittel
12.5.4.2 Sekundäre Werbemittel
13. Virtual-Banking - ein Ausblick
13.1 Technische Innovationen
13.2 Organisationale Tendenzen

Teil V: Zusammenfassung

Glossar

Interviewpartner

Literaturverzeichnis

Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät gestattet hierdurch die Drucklegung der vor- liegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

Zürich, den 9. Dezember 1998

Der Dekan: Prof. Dr. P. Stucki

Vorwort

Eine der großen Herausforderungen in der Verfassung der vorliegenden Arbeit lag für mich in der Verknüpfung von Aspekten des Bankmarketings, der Wirtschaftsinformatik, der Kommunikationswissenschaften sowie der Psychologie.

Bei der Verfassung der Dissertation wurde ich von zahlreichen Personen unterstützt, die alle einen Beitrag geleistet haben, damit dieses Buch in den Jahren 1997 und 1998 entste- hen konnte. An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Doktormutter, Frau Professorin Dr. Ch. Hirszowicz, für die wissenschaftliche und konstruktive Betreuung und gestalteri- sche Freiheit bedanken, die sie mir während der Ausarbeitungszeit zukommen ließ.

Danken möchte ich auch allen Interviewpartnern aus der Banken- und Beratungswelt für den stimulierenden Meinungsaustausch und ihre nicht selbstverständliche Bereitwilligkeit, mir wertvolle Einsichten in die Praxis zu ermöglichen.

Meinen Freunden aus der Zürcher-, Bad Homburger-, Krefelder- und Kölner Studienzeit bin ich speziell für die Anregungen und insbesondere für die Durchsicht des Manuskriptes verbunden. Herzlichst danke ich meiner Freundin Sabine Lux, die mit ihrem sorgfältigen Korrekturlesen zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat.

Besonderer Dank gilt meinen lieben Eltern, die mich zu jeder Zeit meines Studiums und in jeder Hinsicht unterstützt haben. Ihr Rückhalt und ihre Hilfe sind für mich Anker und Ansporn zugleich.

Bad Homburg v.d. Höhe, im Dezember 1998 Dirk Stermann

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 3-1: Aufbau der Arbeit

Abbildung 5-1: Die 5 Dimensionen der Dienstleistungsqualität

Abbildung 5-2: Die drei Einflußfaktoren auf die Bankbranche

Abbildung 5-3: Diffusion der Technologien.

Abbildung 5-4: IT-Ausgaben europäischer Banken

Abbildung 5-5: Banken mit den höchsten Returns on Capital

Abbildung 5-6: Zeitspannen der Kundenakzeptanz bei verschiedenen Technologien

Abbildung 5-7: Kriterien bei der Wahl eines Kreditinstituts

Abbildung 5-8: Motive der Banken für die Fortentwicklung des Home-Banking

Abbildung 5-9: Entwicklungspfad des Banking

Abbildung 6-1: Verschiedene Prognosen zur Anzahl der Internet-Nutzer in den USA

Abbildung 6-2: Verschiedene Prognosen zur weltweiten Anzahl der Internet-Nutzer

Abbildung 6-3: Personen in Deutschland mit einem Online-Anschluß im Haushalt

Abbildung 6-4: Veränderung des Datenverkehrs im Internet

Abbildung 6-5: Angriffsszenarien auf Internet-Transaktionen.

Abbildung 6-6: Langfristige Relevanz der Endgeräte im Virtual-Banking

Abbildung 6-7: Wirtschaftlichkeitsanalyse des Virtual-Banking

Abbildung 6-8: Ausmaß der Home-Banking Angebote der deutschen Banken

Abbildung 6-9: Zukünftige Entwicklung des Internet-Banking in Europa

Abbildung 7-1: Aspekte der Kundenbindung im Loyalitätsmodell

Abbildung 7-2: Traditionelle Einordnung des Relationship Marketings.

Abbildung 7-3: Paradigmawechsel im Marketing

Abbildung 7-4: Jährlicher Kundenprofit aus Sicht der Banken

Abbildung 8-1: Konsequenzen der Kundenzufriedenheit auf das Kundenverhalten.

Abbildung 8-2: Charakteristika und Einflußfaktoren der Kundenzufriedenheit

Abbildung 8-3: Verfahren zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit.

Abbildung 8-4: Erwartungs-Wahrnehmungs-Diskrepanz und seine Konsequenzen

Abbildung 9-1: Jährlicher Mitarbeiterprofit aus Sicht der Banken.

Abbildung 10-1: Konzept zur Kundenbindung

Abbildung 10-2: Verhältnis von Männern und von Frauen bei der Nutzung des WWW

Abbildung 10-3: Vergleich der Altersstruktur in Europa und den USA

Abbildung 10-4: Berufstätigkeit der deutschsprachigen WWW-Nutzer

Abbildung 10-5: Ausbildung, berufliche Position, Einkommen der WWW-Nutzer

Abbildung 10-6: Gründe für die WWW-Nutzung

Abbildung 10-7: Abgerufene Inhalte im WWW.

Abbildung 10-8: Kundenkorridor

Abbildung 11-1: Erfolgsfaktoren im Internet-Banking

Abbildung 11-2: Verschiedene Preisberechnungsmodelle im Internet

Abbildung 12-1: Leistungsspektrum einer virtuellen Bank.

Abbildung 12-2: Aufbau einer virtuellen Bank

Abbildung 12-3: Funktionsweise eines RMS

Abbildung 12-4: Datenerhebung im Internet

Abbildung 12-5: Klassifizierung der Internet-Werbekommunikationsmittel

Abbildung V-1: Erfolgsfaktoren im Internet-Banking

Tabellenverzeichnis

Tabelle 5-1: Entwicklung der Kreditoren auf Zeit, Spareinlagen, Depositen und Einlagehefte für alle Schweizer Banken in Millionen Franken

Tabelle 6-1: Zahlungssysteme im Internet.

Tabelle 6-2: Kostenvergleich der Internet-Präsenz bei ausgewählten Online-Diensten und dem WWW.

Tabelle 6-3: Kosten beim traditionellen und virtuellen Banking aus Kundensicht

Tabelle 6-4: Transaktionsmöglichkeiten bei ausgewählten Banken in Deutschland

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Teil I: Einleitung

1. Problemstellung

Die Banken sehen sich seit geraumer Zeit mit einer Vielzahl von Problembereichen kon- frontiert. Neben dem Dienstleistungsunternehmen inhärenten Problem, die Erwartungen der Kunden1 an die Dienstleistungsqualität der Bank korrekt zu erfassen, birgt der Wandel des Bankenumfeldes Chancen und Gefahren. Die rasante Entwicklung im Bereich der Informations- Technologien eröffnet den Banken die Möglichkeit zu einer Verlagerung von den herkömmlichen Vertriebsarten hin zur elektronischen Vertriebsabwicklung. Durch den technischen Fortschritt im IT-Bereich in Verbindung mit den Globalisierungs- und Libera- lisierungstendenzen wird das Wettbewerbsumfeld der Banken verändert. So können Non- und Near-Banks in ein Konkurrenzverhältnis mit den traditionellen Banken treten und regional operierende Banken unabhängig ihres Standortes mittels elektronischer Medien ihre Aktivitäten global ausrichten, ohne ein kostenintensives Filialnetz aufzubauen.

Besonders beim Internet-Banking als Teil des Virtual-Banking sind die Banken der Gefahr ausgesetzt, durch institutsunabhängige Finanzsoftware, wie Quicken von Intuit oder MS Money von Microsoft, für den Kunden austauschbar zu werden. Diese Finanzsoftware- pakete nehmen dem Kunden die Auswahl der Bankseiten im Internet sowie die Eingabe von Sicherheitscodierungen ab und ermöglichen dadurch den komfortablen Aufbau von Mehrfachbankbeziehungen. Damit besteht für die Banken die Problematik, daß der Kunde auf lange Sicht lediglich die Funktionalität der Finanzsoftware wahrnimmt und nicht mehr die Banken, die die Dienstleistungen erbringen.2 Die Gefahr besteht demgemäß darin, daß “...at some point the interface with the customer becomes the institution3 ”. Die Banken lau- fen durch diese Art Software Gefahr, den Schnittpunkt zum Kunden zu verlieren. Dies hät- te einen Verlust der Positionierung der Banken aufgrund mangelnder Kommunikations- möglichkeiten zum Kunden zur Folge. Hieraus wird ersichtlich, daß sich die Wettbewerbs- situation in der Bankbranche in Zukunft weiter verschärfen wird.

Tiefgreifende Veränderungen treten auch auf Seiten des Kundenverhaltens auf. Der Bank- kunde durchläuft einen Veränderungsprozeß vom “treuen Sparer” hin zum kritischen Anleger. Dieser Prozeß wird als Emanzipation des Bankkunden bezeichnet. Indem der Kunde die Möglichkeit besitzt, das für ihn mit dem jeweils höchsten Nutzen ausgestattete Angebot bei den verschiedenen Banken herauszufiltern, wird er mehrere Bankbeziehungen unterhalten. Die in naher Zukunft mögliche Nutzung von sogenannten intelligenten Assis- tenten verschärft die Problematik zusätzlich. Diese Programme werden in der Lage sein, für den Benutzer die jeweils günstigsten Angebote von Bankprodukten im virtuellen Raum gemäß vorher festgelegter Parameter zu finden. Damit vergrößert sich die Transparenz der Bankangebote für den Kunden erheblich, so daß die Banken aufgrund der wählerischen Klientel vor ein “ernsthaftes Loyalitätsproblem” gestellt werden.

Die Tatsache, daß Altkunden mehr Gewinn als Neukunden generieren, würde ihre Gültigkeit verlieren, wenn diese Altkunden sich verstärkt nach neuen Bankverbindungen orientieren. Der ursprüngliche Zweck der Verfolgung einer Internetstrategie, Transaktionskosten zu verringern und Neukunden zu gewinnen, würde demnach durch einen Verlust an Stammkunden erkauft werden. Dies kann jedoch nicht im Sinne der Banken liegen. Das angesprochene Loyalitätsproblem wird zusätzlich durch ein immer mehr zum Vorschein tretendes hybrides Konsumverhalten noch verstärkt. Besonders diese Entwicklung eines aus traditioneller Sichtweise inkonsistenten Verhaltensmusters des Kunden erschwert eine Vorhersage seiner Erwartungen und Wünsche.

Als Konsequenz für den Bankenbereich läßt sich unter Kostengesichtspunkten bei den Banken ein genereller Trend zur Verringerung des zwischen 1955 und 1990 vergrößerten Filialnetzes feststellen. Gleichzeitig nimmt der kostengünstige Vertrieb von Bankprodukten über elektronische Medien zu. In diesem Zusammenhang führt die Auftragsabwicklung durch den Kunden zu einer Entlastung der Bankmitarbeiter und somit zu Einsparungspotentialen. Damit geht eine Verbesserung der Ertragslage mit dem Ziel einher, für den globalen Wettbewerb besser gerüstet zu sein und der zunehmend stärker werdenden Shareholder Value Orientierung Rechnung zu tragen.

Aus obigen Ausführungen wird ersichtlich, daß sich die Bankbranche in einem Entwicklungsprozeß hin zu elektronischen Vertriebsmedien befindet. Aufgrund der Entwicklung im Bereich der Technologien, des Wettbewerbsumfelds und des Kundenverhaltens wird der Kontakt zwischen Kunde und Bankmitarbeiter langfristig nicht mehr in der Filiale von Angesicht zu Angesicht stattfinden, sondern vermehrt auf elektronischem Wege ablaufen. Dieser Umwandlungsprozeß zum Virtual-Banking rückt das Problem der langfristigen Kundenbindung in den Vordergrund. Deshalb wird ein umfassendes Konzept zur Kundenbindung im Virtual-Banking zur dringenden Notwendigkeit.

2. Zielsetzung und Abgrenzung

Wie aus der Problemstellung ersichtlich wurde, macht die schwindende Kundenbindung und -loyalität, die insbesondere beim Transformationsprozeß der traditionellen Filial- banken zu virtuellen Banken zutage tritt, ein umfassendes Konzept zur Kundenbindung für die virtuelle Bank erforderlich. Dieses beinhaltet neben der Ausgestaltung der Kundenori- entierung und -erreichung die Erarbeitung verschiedener Instrumente zur Kundenbindung.

Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, ein solches Konzept zu entwickeln. Den Banken wird durch die Möglichkeit, die Kundenbindung anhand des Konzeptes zu festi- gen, eine gesunde Ertragslage langfristig ermöglicht. Dazu werden die für die Aufgaben- stellung relevanten Situationsvariablen unter Bezugnahme auf das Internet als ein Teilge- biet des Virtual-Banking sowie die theoretischen Grundlagen zur Kundenbindung erarbei- tet. Vor allem die dem Internet-Banking inhärenten Risiken lassen ein solches Vorhaben prioritär erscheinen. Dementsprechend wird das Konzept zur Kundenbindung insbesondere unter Berücksichtigung des Internet-Banking vor dem Gesamthintergrund des Virtual- Banking erarbeitet.

Dieses Konzept beschränkt sich bewußt nicht auf eine traditionelle Zielgruppe, die anhand herkömmlicher Segmentierungsvariablen für Banken ermittelt wird, sondern bezieht sich auf alle Privatkunden einer Bank unter Nichtberücksichtigung der institutionellen Kunden. Der Begriff Privatkunde läßt sich folglich nicht unter Bezeichnungen wie Retail Banking oder Private Banking subsumieren. Der Grund dieses Vorgehens liegt in den erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten der virtuellen Bank, die eine individualisierte Kundenansprache ermöglichen. Die von Bankinstitut zu Bankinstitut herkömmlichen, unterschiedlichen Kundenabgrenzungen werden damit obsolet.

3. Aufbau der Arbeit

3.1 Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Teile, mit Teil I als Einleitung. Der Teil II befaßt sich mit den Entwicklungstendenzen in der Bankbranche. Neben der allgemeinen Ausgangslage des Bankenumfeldes, die vom Wandel der Rahmenbedingungen dominiert wird, soll auch die Bedeutung des Internet für die Banken aufgezeigt werden. Hierbei wird sowohl auf die technischen Aspekte des Internet eingegangen als auch auf den Entwicklungsstand der Internetpräsenz der Banken.

Der Inhalt des Teils III bildet die theoretische Grundlage zur Kundenbindung. In diesem Kapitel wird die Bedeutung der Kundennähe und -bindung sowie die Funktionsweise der Kundenbindung beim Bankkunden dargestellt. Zu diesem Zweck wird neben dem Ansatz des Relationship Marketings auf den Ansatz des Loyalty-based-Managements zurückge- griffen. Dabei wird der Fokus auf die Kunden- und Mitarbeiterbetrachtung gelegt.

Im Teil IV wird ein Konzept zur Kundenbindung im virtuellen Banking erarbeitet. Dies beinhaltet die Kundenorientierung als Basisbaustein, beschreibt die modernen Arten der Kundenerreichung und zeigt die Möglichkeiten der Kundenbindung in einer virtuellen Bank unter besonderer Berücksichtigung des Internet-Banking auf. Daran anschließend folgt ein Ausblick über zukünftige Entwicklungen und mögliche Trends im Internet- Banking.

Im letzten Teil wird zusammenfassend noch einmal die Notwendigkeit der Kundenbindung als unabdingbare Voraussetzung für das langfristige Überleben der Banken im neuen Umfeld des Virtual-Banking erläutert.

Die Abbildung 3-1 stellt den Aufbau der vorliegenden Arbeit beginnend bei den Entwicklungstendenzen im Bankenbereich im Teil II, über die Theorie der Kundenbindung des dritten Teils, bis hin zum Kundenbindungskonzept im Teil IV graphisch dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-1: Aufbau der Arbeit

3.2 Wissenschaftliche Methodik

Für eine Einordnung der vorliegenden Arbeit in einen wissenschaftlichen Bezugsrahmen ist es zweckmäßig, zuerst auf das wissenschaftliche Verständnis der Betriebswirtschaftslehre einzugehen. Im Anschluß daran werden die dieser Arbeit zugrundeliegenden Methoden und Forschungsansätze dargestellt.

Eine Systematisierung des Wissenschaftsbegriffes führt zu einer Unterscheidung in Meta- und Objektwissenschaften. Letztere gliedern sich in Real- und Formalwissenschaften.4 Während wissenschaftliche Problemstellungen der Philosophie oder der Mathematik zu der Gruppe der Formalwissenschaften zu zählen sind, setzen sich die Realwissenschaften mit Fragen der Natur- oder der Geisteswissenschaften auseinander. Dabei gehören die Na- turwissenschaften zur theoretischen Grundlagenforschung, währenddessen die Geisteswis- senschaften oder auch Sozialwissenschaften als Handlungswissenschaften (angewandte Wissenschaften) bezeichnet werden.5 Aufgrund der Einordnung der Betriebswirtschafts- lehre zu den Sozialwissenschaften, wird diese somit zu den anwendungsorientierten Wis- senschaften gezählt.

Angewandte Forschung verfolgt die Ziele, empirische Entscheidungsprozesse zu beschreiben, zu beurteilen, neue Entscheidungsgrundlagen auszuarbeiten und Handlungsanweisungen zu formulieren.6 Deshalb richtet sich der Forschungsprozß nicht auf die Verifizierung von Hypothesen mittels theoretischer Konstrukte, sondern er greift Problemstellungen der Praxis auf. Die aus dem Untersuchungsprozeß resultierenden Ergebnisse können als praxisrelevante Anregungen verstanden werden.7

Die vorliegende Arbeit versteht sich als anwendungsorientierte Forschungsarbeit. Der erste in dieser Arbeit schwerpunktmäßige Ansatzpunkt der Erkenntnisgewinnung beruht auf der Sekundärforschung. Diese stützt sich auf ein umfangreiches Desk-Research. Die Basis bildet dabei die Auswertung der diesem Thema zugrundeliegenden Literatur, die sowohl bankwirtschaftliche als auch technisch orientierte Werke umfaßt. Zudem wird auf die Re- sultatbereitstellung quantitativ-empirischer Forschungsstudien eingegangen. Den zweiten Ansatzpunkt bildet die empirisch-qualitative Primärforschung. Dabei werden die grund- legenden Methoden Befragung, Beobachtung und Test unterschieden. Für die Erfüllung der aufgestellten Zielsetzung wird insbesondere von der persönlichen und telefonischen Befragung Gebrauch gemacht. Bei den Interviews in der Praxis wird schwerpunktmäßig auf die Generierung von Erfolgsfaktoren und auf die Instrumente zur Kundenbindung im virtuellen Banking eingegangen. Die höhere Flexibilität und die Möglichkeit, auf unstruk- turierte Fragestellungen besser einzugehen, lassen diese Methode vorteilhaft erscheinen.8

Die Befragung umfaßt Großbanken aus Deutschland und der Schweiz, sowie Unternehmen, die die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und die technische Infrastruktur zur Umsetzung des Internet-Banking bereitstellen.

Die Zielsetzung der Arbeit macht überdies die Anwendung eines interdisziplinären Forschungsansatzes erforderlich. Sowohl Aspekte der Wirtschaftsinformatik9, des Marketings als auch der Kommunikationswissenschaft finden unter Berücksichtigung ihres Bezugs zum Bankgeschäft Eingang. Aufgrund des Imperativs der angewandten Forschung und der genannten Aspekte beruht die Arbeit auf Grundlagen der system-, verhaltens- sowie EDVorientierten Forschungsansätze.10

Bei dem systemorientierten Ansatz ist für die vorliegende Arbeit vor allem die Entwicklung von Entscheidungsunterstützungen für “zukünftige Wirklichkeiten” von Bedeutung. Die Gestaltung der langfristigen Beziehungen zwischen den Kunden und der Bank ist besonders für ein Konzept der Kundenbindung essentiell.

Der Einbezug des verhaltensorientierten Ansatzes begründet sich in der Berücksichtigung des Kundenverhaltens. Ein Kundenbindungskonzept muß sowohl die Situation als auch die Anforderungen der Kunden an die Bank mit einbeziehen und somit das Kundenverhalten eingehend untersuchen.

Anhand des EDV-orientierten Forschungsansatzes wird die Verbindung zwischen der Wirtschaftsinformatik und den Bereichen der Betriebswirtschaftslehre in der Arbeit hergestellt. Dies betrifft vor allem die Einsatzmöglichkeiten der Anwendung computergestützter Informationssysteme in einem Kundenbindungskonzept.

4. Begriffsbestimmung

4.1 Virtual-Banking

Vom Virtual-Banking wird gesprochen, wenn die Bankkunden ihr Geldinstitut als eine Pa- lette von Dienstleistungen wahrnehmen und nicht mehr im traditionellen Sinne als physi- sche Einrichtung verstehen.11 Die Bankprodukte werden mit Hilfe von Kommunikations- netzen anstatt über ein dichtmaschiges Zweigstellennetz vertrieben. Demzufolge wird mit dem Begriff des Virtual-Banking die Restrukturierung der Distributionswege und Bank- produkte assoziiert.12 Die Begriffe Virtual-Banking und virtuelles Banking werden im fol- genden synonym benutzt.

Der Begriff virtuell setzt nicht zwingend den Prozeß des Outsourcing oder der Geschäfts- auslagerung voraus.13 Wesentlich hierbei ist, daß der Kunde die Bank immer als umfas- senden, kompetenten Dienstleistungsanbieter versteht, unabhängig von ihrem tatsächlichen geographischen Standort. Möglich wird eine solche Entwicklung durch die zunehmende kommunikative Vernetzung der Menschen, wie dies beispielsweise das weltumspannende Internet vergegenwärtigt.

Wenn im weiteren Verlauf von einer virtuellen Bank gesprochen wird, ist es für den Fort- gang der Arbeit unerheblich, ob es sich dabei um ein bestimmtes Geschäftsfeld einer Uni- versalbank handelt oder um die Gestaltung einer eigenständigen virtuellen Bank. Es findet somit keine Abwägung zwischen einer Multichannel- und Single-Channel-Strategie statt. Der Ausdruck virtuelle Bank ist demnach mit dem Begriff Virtual-Banking gleichzu- setzten, weil es sich nicht mehr um das physische Gebäude Bank handelt, sondern um die Tätigkeit an sich.

Das Electronic-Banking stellt einen Teil der Begriffsdefinition des Virtual-Banking dar. Es umfaßt die Bankdienstleistungen, die durch den Einsatz von EDV den Kontakt zwischen Bank und Kunde herstellen.14 Diesbezüglich läßt sich hier auch der Ausdruck Electronic Commerce einordnen. Dieser schließt aus Sicht der Banken die Zahlungsverkehrsfunktion, welche als eine der Kerntätigkeiten der Bankbranche betrachtet wird, mit ein und wird deshalb dem Electronic-Banking zugeordnet. Electronic Commerce umfaßt die Geschäfts- abwicklung über elektronische Medien mittels der Informations- und Telekommunika- tionstechnik. Der elektronische Austausch von Geschäftsdokumenten existiert jedoch unter dem Namen EDI (Electronic Data Interchange) bereits seit längerer Zeit und stellt somit keine neue Erfindung dar.

Im Definitionsbereich des Virtual-Banking genießt die Bezeichnung Home-Banking einen zentralen Stellenwert, weil ein Großteil der Kontakte des Kunden zu seinem virtuellen Finanzinstitut über ein Home-Banking kompatibles “front-end” ermöglicht wird. Unter Home-Banking wird dabei die Realisierung von Bankgeschäften mittels elektronischer Medien von der Wohnung des Kunden aus verstanden.15 Im Rahmen dieser Arbeit wird die Möglichkeit des Internet als Transaktionsmedium für Home-Banking-Aktivitäten untersucht. Dementsprechend findet keine Unterscheidung zwischen den Begriffen HomeBanking und Internet-Banking statt. Anzumerken ist jedoch, daß der Begriff HomeBanking im weiteren Sinne mehrere Kommunikationskanäle miteinschließt. Dazu zählt neben dem Computer auch das Telefon oder die Faxmaschine.

4.2 Kundenbindung

Der Prozeß der Kundenbindung beinhaltet im Idealfall ständig wiederkehrende Kontakte des Kunden mit der Bank resp. ihren Dienstleistungen. Darin liegt die langfristige Verbundenheit des Kunden zu seiner Bank.16 Unter der daraus möglicherweise entstehenden Bankloyalität des Kunden wird die “Bereitschaft eines Wirtschaftssubjekts…, dauerhaft die Leistungen eines bestimmten Kreditinstituts abzunehmen”17 aufgefaßt.

Der Kunde stellt das Potential eines jeden Unternehmens dar. Ohne Kunden ist kein Un- ternehmen in der Lage zu bestehen, weil der Kunde den Ursprung des unternehmerischen Handelns darstellt. Dieser Umstand wird mit dem Ansatz des Relationship Marketings erfaßt.

Aufgrund der Kundenemanzipation und des neuen Selbstbewußtseins stellt sich das Vorhaben der Kundenbindung zunehmend schwieriger dar. Das gilt insbesondere für die virtuellen Unternehmen, bei denen der sogenannte ortsgebundene face-to-face Kontakt zum Kunden in den Hintergrund rückt. In diesem speziellen Fall sind Partnerschaft und Vertrauen vonnöten, um Kundenbindung langfristig aufrechtzuerhalten. Diese beiden As- pekte sind sehr zeitintensiv und müssen dementsprechend langfristig “verdient” werden. Die Kundenbindung wird demnach zum Schlüssel des Unternehmenserfolges und erlangt mit zunehmender Entwicklung in Richtung virtueller Bank stets größere Relevanz.

Der Prozeß der Kundenbindung beinhaltet jedoch darüber hinausgehende Aspekte, die mit dem Begriff des Loyalty-based-Managements in Verbindung gebracht werden.18 Den Ausgangspunkt dieses Ansatzes bildet die Schaffung von Kundennutzen. Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, profitable Neukunden anzuziehen und so höhere Erträge als seine Mitbewerber zu generieren. Diese Entwicklung schlägt sich in ausgeprägter Kunden- loyalität und einem verstärkten Unternehmenswachstum nieder. Wachstum ermöglicht es dem Unternehmen, ambitionierte Mitarbeiter zu gewinnen und durch deren Motivation die Produktivität zu steigern. Die damit einhergehende Qualitätsverbesserung und Kosten- reduktion führen zu steigenden Erträgen und machen das Unternehmen folglich attraktiv für die “richtigen Investoren”. Unter den richtigen Investoren ist diejenige Gruppe der Kapitalgeber zu verstehen, die nicht nur am kurzfristigen persönlichen Gewinn orientiert ist, sondern für die das Potential der Unternehmung, Wert für den Kunden durch Sicher- stellung von ausreichenden Rücklagen für Investitionen zu generieren, einen höheren Stel- lenwert einnimmt.

Damit ist ersichtlich, daß ein Konzept der Kundenbindung alle drei Aspekte, nämlich Kunden, Mitarbeiter und Investoren berücksichtigen muß. Gegenstand dieser Arbeit wird jedoch nur die Kunden- und Mitarbeiterbetrachtung sein, weil diese beiden Gruppen bei Geschäftstransaktionen in Kontakt zueinander treten, wohingegen die Investoren in diesen Prozeß nicht mit eingebunden sind. Von den Kunden und Bankmitarbeitern geht der stärkste Einfluß auf die Kundenbindung aus.

Teil II: Entwicklungstendenzen in der Bankbranche

5. Ausgangslage aus Sicht der Banken

Dieses Kapitel befaßt sich mit der Ausgangslage aus Sicht der Banken. Dazu werden im Kapitel 5.1 zuerst die für ein Konzept zur Kundenbindung im Virtual-Banking wichtigen Qualitätsdimensionen einer Dienstleistung herausgearbeitet. Anschließend folgt eine detaillierte Untersuchung der Einflußfaktoren, die einen Wandel der Rahmenbedingungen bewirken, und der daraus resultierenden Konsequenzen für den Bankenbereich.

5.1 Besonderheit von Dienstleistungsunternehmen

Die Dienstleistungserstellung bezieht sich sowohl auf das Leistungsergebnis als auch auf das Leistungspotential und den Leistungsprozeß.19 Dienstleistungen werden in diesem Kontext aufgefaßt als “...angebotene Leistungsfähigkeiten, die direkt an externen Faktoren (Menschen oder Objekte) mit dem Ziel erbracht werden, an ihnen gewollte Wirkungen (Veränderungen oder Erhaltung bestehender Zustände) zu erreichen.”20 Der Leistungs- prozeß bezieht folglich den externen Faktor, d.h. den Kunden, mit ein. Insbesondere erklä- rungsbedürftige Dienstleistungen setzen eine gewisse Interaktion mit dem Kunden voraus.

Im speziellen Bankleistungen, die auf dem Leistungsobjekt Geld basieren, benötigen auf der Kundenseite Vertrauen, ohne welches es nicht zu einer Dienstleistungserstellung kommen kann. Da Finanzdienstleister zum größten Teil aufbereitete Informationen zum Thema Geld anbieten, kommt dem Vertrauensaspekt aus diesem Grunde primäre Bedeu- tung zu. Diese “Vertrauensempfindlichkeit” manifestiert sich einerseits in der Transaktion mit dem Leistungsobjekt Geld, und andererseits in der über den einzelnen Geschäftsab- schluß hinausgehenden, zeitraumbezogenen Beziehung, die der Kunde mit der Bank ein- geht. Mögliche Beispiele dieser fortdauernden Beziehung über den eigentlichen Geschäfts- abschluß hinaus sind Kundeneinlagen oder die Inanspruchnahme von Kreditleistungen.

Dem Bankmitarbeiter kommt mit seinem Beratungspotential für den Kunden zentrale Bedeutung zu, weil die Bankleistung selbst nicht in der Lage ist, Vertrauen gegenüber dem Kunden zu generieren. Daraus folgt, daß die Dienstleistung den Aspekt der Beratungsqualität miteinschließt. Die Beratungsfunktion der Bank wird sogar als “Korrelat zur These von der Erklärungsbedürftigkeit der Bankleistung”21 verstanden und stellt somit einen wesentlichen Erfolgsfaktor der Bank dar.

Die Bedeutung eines kompetenten und stets ausreichenden Leistungspotentials in Form der bankinternen Infrastruktur wird bei Betrachtung des abstrakten und sich in einem Akt (uno-acto-Prinzip) vollziehenden Leistungsprozesses ersichtlich. Die Dienstleistung kann aufgrund ihrer Immaterialität nicht auf Reserve hergestellt werden. Dadurch ist der Kunde nicht in der Lage, vorab gesicherte Informationen über die Qualität der Dienstleistung zu erhalten.

Die direkte Erbringung der Dienstleistung führt somit zu einem gewissen Informations- defizit beim Bankkunden und äußert sich in einem hohen Informationsbedarf seitens des Kunden. Es entsteht ein Zustand der Informationsasymmetrie, weil der Kunde i.d.R. erst während resp. nach dem Dienstleistungserstellungsprozeß Informationen über die Qualität erhält. Der Kunde erfährt sowohl eine kommunikative Begleitung als auch eine post- Transaktionsbetreuung durch den Dienstleistungsanbieter. Zur Beurteilung der Dienst- leistungsqualität ist es deshalb unerläßlich, die Kommunikationsbeziehung Kunde-Bank in die Betrachtung zu integrieren.22

Dienstleistungsqualität ist in diesem Kontext gleichzusetzen mit dem Ausmaß der Befriedigung, den sie für einen Kunden bzgl. seiner Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche erbringen kann.23 Für den Kunden ist damit die Qualität einer Dienstleistung immer von seiner Wahrnehmung der Qualität abhängig.

Die wahrgenommene Qualität ergibt sich für den Kunden aus der Diskrepanz zwischen seiner erwarteten und erfahrenen Qualität. Wahrgenommene Qualität einer Dienstleistung hängt immer vom Urteil des Kunden ab und ist deshalb rein subjektiver Natur. “...whatever the customer thinks is reality, is reality”24.

Die Kognition des Kunden wird von den drei Merkmalen einer Dienstleistung beeinflußt. Diese werden in prüfbare, erfahrungsgebundene und vertrauensgebundene Merkmale gegliedert.25 Bei Bankdienstleistungen ist die relative Bedeutung der beiden letztgenannten Merkmale hoch einzustufen, wodurch sowohl eine Beurteilung bzgl. der Qualität seitens des Kunden als auch aus Bankensicht eine Voranalyse der möglichen Beurteilung durch den Kunden erschwert wird.

Daraus ergibt sich für die Bank folgende Differenzierung: Sie muß zuerst die Erwartungen des Kunden mit dem Ziel erfassen zu verstehen, daß das, was der Kunde denkt, passieren sollte und nicht das, was er lediglich erwartet. Würde der Kunde schlechten Service erwarten und schließlich auch bekommen, wäre er nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufrieden, nur weil er es erwartet hätte.

Folglich müssen die Banken die Kundenerwartungen vollständig erfassen. Diese Analyse kann entweder mit Hilfe der Präferenzforschung (Conjoint Analyse) oder anhand der “customer value chain”, zu deutsch Kundenwertkette, erfolgen.26 Dabei werden die einzel- nen Kundenhandlungen als eine Art Abfolge gesehen, die ein Kunde in spezifischen Kon- texten vollzieht, um für sich selbst Wert zu generieren. Übertragen auf den Bankenbereich wird untersucht, welchen Wert der Kunde aus der Bankdienstleistung generiert und wie er diese Dienstleistungen für sich nutzt. Anhand dieser Erkenntnisse zeigt sich, daß außer- ordentliche Dienstleistungen aus Sicht der Banken nicht zwingend Mehrwert für den Kunden generieren müssen, weil diese Dienstleistung nicht automatisch einen Extranutzen für den Kunden bedeutet. Aus Bankensicht führt der Prozeß der Dienstleistungserstellung somit u.U. lediglich zu einer unnötigen bankinternen Beanspruchung der Ressourcen ohne jeden Mehrwert. Dieser Umstand bewirkte eine Abkehr von der Produktorientierung hin zu einer ausgeprägteren Markt- und Kundenperspektive. Folglich sollte die Bank Informationen darüber besitzen, welche Produkte und welcher Service für den Kunden Mehrwert schaffen und weshalb er diese resp. diesen beansprucht.

Mit der Intention, identifizierte Kundenerwartungen im Bereich der Qualität zu befriedigen, muß eine Bank in der Lage sein, die Dimensionen der Dienstleistungsqualität zu erkennen und umzusetzen. Diese Dimensionen werden in Abbildung 5-1 aufgezeigt und im folgenden verdeutlicht.27

Um dem Qualitätsanspruch zu genügen, muß eine Dienstleistung flexibel und schnell bzgl. der Bereitschaft auf Kundenanfragen zu reagieren, erbracht werden (Reaktions- schnelligkeit). Die wahrnehmbaren Eigenschaften der Dienstleistung dürfen zudem nicht im Widerspruch zu den Angekündigten stehen (Zuverlässigkeit). Der Aspekt des “Einfüh lungsvermögens” bezieht sich im speziellen auf die Fähigkeit, individualisierte Kundenansprachen vorzunehmen. Die Dimension der “ visuellen Wahrnehmbarkeit ” beschreibt den physischen Beweis einer Dienstleistung, welcher beispielsweise durch die Bankmitarbeiter oder die schriftliche Vertragsform repräsentiert wird. Vertrauenswürdig- keit als zentrale Dimension ergibt sich aus dem Zusammenspiel aller vier genannten Quali- tätsdimensionen. Das Vertrauen in eine Dienstleistung ist demnach ein vielschichtiges Ge- bilde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5-1: Die 5 Dimensionen der Dienstleistungsqualität

Anzumerken ist in diesem Kontext, daß die Bestimmung der Dienstleistungsqualität nicht nur aus Sicht der Kunden erfolgen darf. Es handelt sich vielmehr um ein Dreiecksverhältnis, welches die Anforderungen aus Kunden-, Wettbewerbs- und Bankensicht umfaßt. Die Kundenanforderungen verkörpern dabei ein zentrales Element und sind für die Entwicklung eines Kundenbindungskonzeptes wesentlich.28

5.2 Wandel der Rahmenbedingungen

5.2.1 Ausgangslage

Der Markt für Finanzdienstleistungen unterliegt seit einigen Jahren einem tiefgreifenden Strukturwandel. Besonders das neue Technologieumfeld, der zunehmende Wettbewerbs- druck und die sich ändernden Kundenanforderungen haben diese Entwicklung geprägt.

Galt der Bankenbereich dank der hohen Kundenbindung früher als relativ stabiler Sektor, so kann diese intensive Bindung heute aufgrund der veränderten Situation der Kunden und deren daraus resultierenden neuen Anforderungen nicht mehr a priori vorausgesetzt wer- den. Insbesondere der Wandel zur Dienstleistungs-, Informations- sowie Kommunikati- onsgesellschaft kann als Triebfeder dieser Entwicklung betrachtet werden, wobei die tech- nologische Entwicklung vermutlich nie abgeschlossen sein wird. Die Informationstechno- logie wird in diesem Zusammenhang als treibende Kraft der Konjunkturzyklen angesehen.

Als Konsequenz dieser Entwicklung läßt sich ein "communication overkill" für den Bereich der Werbung feststellen. Wurden in den sechziger Jahren noch beachtliche 30 bis 40% aller Werbeinhalte von der Bevölkerung wahrgenommen, so liegt der Prozentsatz heute bei weniger als 5%. Dies erfordert eine Neuausrichtung der Werbemaßnahmen der Banken hin zur Markenkommunikation und vor allem zur Interaktivität, die nach den Erfindungen der Druckpresse, des Radios und der Television als vierte Revolution der Kommunikationstechnologie beschrieben wird.29

Im folgenden werden überblickartig die sich herauskristallisierende Trends dargestellt, die den Wandel der Rahmenbedingungen für die Bankbranche charakterisieren:

- Strukturelle Probleme in traditionellen Branchen (Bankkunden) bewirken einen Anstieg der Risikokosten in der Bankbranche. Beispielhaft sei die Bauindustrie in Westeuropa angeführt.
- In- und ausländische Konkurrenz von Non- und Near-Banks erhöhen das Finanzdienstleistungsangebot. Insbesondere der Vertrieb von Finanzprodukten über elektronische Medien senkt herkömmliche Markteintrittsbarrieren, weil geographische Abgrenzungen entfallen. Die technologische Entwicklung von modernen Kommunikationssystemen wie dem Internet erhöhen somit den Wettbewerbsdruck.
- Es sind neue, anspruchsvollere Kundenanforderungen an die Banken entstanden. Hierzu zählt ein hybrides Kundenverhalten mit der Tendenz zu mehreren Bankverbindungen sowie eine steigende Flexibilität und Mobilität der Kunden. Als Konsequenz bleiben die Zinsmargen weiterhin unter Druck.
- Herkömmliche Werbebotschaften erreichen nur noch in seltenen Fällen ihr Zielpublikum und können somit bedingt durch den oben erwähnten "communication overkill" ihre Botschaft nicht mehr kommunizieren.
- Der administrative Aufwand, wie beispielsweise der Verwaltungsaufwand, bewegt sich auf einem hohen Niveau. Unterstützt wird dieser Umstand teilweise durch regulatorische Vorschriften, die eine höhere Markttransparenz zur Folge haben, wie im Handels- und Börsenbereich. Sie führen aufgrund neuer Anforderungen an die Informationsaufbereitung zu höheren Kosten.30
- Der Bankmitarbeiter wandelt sich notgedrungen durch den Einsatz von erklärungsintensiven Dienstleistungen vom reinen Verkäufer zum Berater.31

Aus den aufgeführten Trends lassen sich folgende drei Einflußfaktoren auf die Bank- branche ableiten, auf die im Verlauf der folgenden Unterkapitel vertieft eingegangen wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5-2: Die drei Einflußfaktoren auf die Bankbranche

Die gewählte Vorgehensweise der drei Einflußfaktoren in Abbildung 5-2 läßt sich auch auf das Branchen-Strukturanalysekonzept von Porter übertragen. Die Erklärung der Wettbewerbsintensivierung erfolgt dabei anhand von vier strukturellen Determinanten, die sich übertragen auf den Bankenbereich wie folgt gliedern:32

- Faktoreinsatz
- Direkte Konkurrenz
- Indirekte Konkurrenz
- Nachfragestruktur

Der Faktoreinsatz erfaßt die immer größer werdende Technologisierung des Bankenbereichs, der in Kapitel 5.2.2 beschrieben wird. Unter der direkten Konkurrenz wird das Wettbewerbsverhalten der Banken untereinander verstanden. Near- und Non-Banks stellen die indirekte Konkurrenz dar, auf die in Kapitel 5.2.3 eingegangen wird. Die Nach fragestruktur wird von den Bankkunden bestimmt. Deren veränderte Situation und Anforderungen an die Banken sind Gegenstand von Kapitel 5.2.4.

5.2.2 Technologien

Der Terminus Technologie bezeichnet die Gesamtheit des technischen Wissens, das für die Prozeß- und Produktinnovation zur Verfügung steht. Ein Technologiesystem untergliedert sich in die folgenden Untersysteme : Produkt-, Produktions-, Kommunikations- und Informationstechnologie. Die beiden erstgenannten Subsysteme beziehen sich vorwiegend auf die Leistungserstellung, während die Informations- und Kommunikationstechnologie die Distributionsfunktion einer Bank betreffen.33

Die Begriffe Informations- und Kommunikationstechnologie, die für den weiteren Verlauf der Arbeit von Bedeutung sind, umfassen alle Methoden und Prozesse, die zur Speiche- rung, Verarbeitung sowie Übermittlung von denjenigen Informationen Verwendung fin- den, die eine effiziente Abwicklung der betriebswirtschaftlichen Funktionen gewährleis- ten.34 Informations- und Kommunikationstechnologien, die im folgenden integrativ be- trachtet werden, lassen sich in Basis-, Schlüssel- und Schrittmachertechnologien einteilen. Diese Gliederung erfolgt nicht polarisierend, sondern die Grenzen zwischen den Techno- logien gestalten sich fließend. Deshalb wurde auf eine eindeutige Zuordnung in Abbildung 5-3 verzichtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Sommerlatte, T./Deschampes, J-P., (1986), S. 52; Dürand, D./Henke, R., (1994), S. 114.

Abbildung 5-3: Diffusion der Technologien

In Abbildung 5-3 wird ein Überblick über die verschiedenen, zeitabhängigen Technologie- phasen gegeben. Die Dynamik der Technologien, welche ihren Gehalt im Zeitverlauf vari- ieren, wird anhand der Schrittmachertechnologien deutlich. Sie verzeichnen ausgehend von dem Jahr 1994 ein beträchtliches Entwicklungspotential bei geringer Diffusion. Die aufgeführten Schrittmachertechnologien werden im Jahre 2010 ihre geringe Verbreitung überwunden haben und zu Technologien der Massenverbreitung avanciert sein. Demnach haben diese Technologien das Potential, sich zu Schlüsseltechnologien zu wandeln. Die Basistechnologien werden hingegen als allgemein zugänglich und ohne Wettbewerbspo- tential angesehen. Sie haben bereits 1994 eine Massenverbreitung erreicht.

Insbesondere im Internet, einer zukünftigen Schlüsseltechnologie, beabsichtigen die Banken, aktiv zu werden. Für das Jahr 2000 planen europaweit 2000 Banken einen trans- aktionsorientierten Vollservice im Internet (siehe Kapitel 6.7). Die Informationstechno- logie wird damit zum Produktionsfaktor für Bankdienstleistungen und zum Wegbereiter einer ausgeprägten Kundenorientierung. Demnach wird IT von den Chief Information Officers (CIO) der Schweizer Großbanken als ein strategischer Erfolgsfaktor für den wirt- schaftlichen Unternehmenserfolg gesehen, der die langfristige Wettbewerbsposition der Bank determiniert.35

Aus der Betrachtung der IT-Ausgaben der Banken geht hervor, daß sie der Bedeutung der Informationstechnologie einen sehr hohen Stellenwert zuordnen (siehe Abbildung 5-4). Bei Gesamtausgaben der europäischen Banken von ca. 17 Milliarden Ecu investierten Banken in Deutschland im Jahre 1995, verglichen mit denen in anderen europäischen Ländern, prozentual gesehen den größten Teil in Informationstechnologien wie Netzwerke o- der Datenbanken. Absolut betrachtet sind dies rund 5 Milliarden Ecu.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5-4: IT-Ausgaben europäischer Banken

Wurden früher IT-Investitionen hauptsächlich für Tätigkeiten im Back-Office verwendet, so konzentrieren sie sich heute auf Bereiche im Front-Office. Dieser Entwicklung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß Informatikausgaben, die auf den Kundenservice abzielen, tendenziell zu höheren ROI führen, verglichen mit denen zur Verbesserung von Bankprodukten. Das langfristige Ziel ist es, mittels höher entwickelter Software die Kundenberatung und den Service für den Kunden zu verbessern.36

Die Fokussierung auf den Front-Bereich geschieht vor dem Hintergrund ständig steigender Kundenanforderungen und einer sich intensivierenden Konkurrenz. Die Informationsver- fügbarkeit innerhalb der Bank, basierend auf einem Intranet und der Informationsbereit- stellung an die Kunden als Serviceleistung, ist ein wichtiger Parameter, um am Markt mit Erfolg bestehen zu können. Die expandierende Automatisation der Börsen und der als Konsequenz der zunehmenden Globalisierung durchgehende elektronische internationale Zahlungsverkehr, erfordern die effiziente Nutzung moderner IT.37 Demzufolge kann das Bankgeschäft von heute als “technology driven” bezeichnet werden, so daß die Technik zum Erfolgsfaktor wird.

Die folgende zitierte Stellungnahme spiegelt die Bedeutung von IT für die Bankbranche abschließend wider, in welcher festgehalten wird, daß “die Faktoren der Globalisierung in Kombination mit moderner IT dramatischere strukturelle Konsequenzen für Banken und Finanzmärkte nach sich ziehen als die EU-Integration einschliesslich der Einführung einer gemeinsamen Währung”38.

5.2.3 Wettbewerbsumfeld

Die Wettbewerbssituation auf dem Bankenmarkt ist durch eine Margenverknappung infolge einer Erhöhung des Wettbewerbsdrucks gekennzeichnet. Die Intensivierung der Konkurrenz im Bankensektor liegt in dem Aufkommen der Direktbanken und dem Markt- eintritt von Near- und Non-Banks begründet. Des weiteren läßt sich ein Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt und ein Zusammenwachsen der Finanzmärkte konstatieren.

Diese Entwicklung der Globalisierung wird schwerpunktmäßig durch die vermehrte Ver- wendung von Computern sowie die Ausweitung nationaler und internationaler Datenüber- tragungsmöglichkeiten hervorgerufen. Hierzu gehört auch die Schaffung eines europä- ischen Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen mit einhergehender Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Die Gewährung der Einheitslizenz für Banken gemäß der 2. EG- Bankenrichtlinie zählt als eine Grundvoraussetzung für die Vollendung des Binnenmark- tes.

Aufgrund der liberalisierten Markteintrittsmöglichkeiten ist der inländische Wettbewerb durch international agierende Banken weiter verschärft worden. Ein positives Beispiel dafür bietet die US-amerikanische Citibank, die als erste damit begonnen hat, den Bereich des Retailgeschäfts international auszuweiten. Sie hat ihre Präsenz mittlerweile in acht europäischen Nationen, darunter Deutschland, Spanien, Belgien und Griechenland, mittels eines eigenen Filialnetzes ausgebaut.39

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: E.I.U. The Economist Intelligence Unit, (1995), S. 1.

Abbildung 5-5: Banken mit den höchsten Returns on Capital

Die Abbildung 5-5 gibt einen Überblick, wie intensiv der Wettbewerbsdruck in der Bank- branche geworden ist. Gemessen am Return on Capital, bereinigt um eine durchschnittli- che einjährige Staatsanleihe, zeigt sich, daß keine der Banken, die in der Periode 1981-83 aufgeführt sind, im zweiten Zeitabschnitt zwischen 1991-93 aufgezählt sind. Aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität kann deshalb bzgl. der Banken mit den zukünftig höchsten Returns on Capital keine gesicherte Aussage für den Zeitraum 2001 bis 2003 getroffen werden.

Der Preiswettbewerb als Ausdruck eines zunehmenden Wettbewerbsdrucks zwischen den Banken bewirkte das Aufkommen der Direktbanken und im speziellen der Discount Broker. Die Entstehung dieses Bankentypus, der unter Ausnutzung der Telekommuni- kation ein preissensitives Kundensegment anspricht, wurde erstmalig nicht von den markt- beherrschenden Großbanken dominiert, sondern von Nischenanbietern wie der Citibank oder ConSors Discount Broker. In den USA hatte diese Entwicklung bereits frühzeitig ein- gesetzt, so daß sich der Marktanteil der Discount-Broker am US-Wertpapierumsatz in den letzten 15 Jahren verdoppelt hat und sich heute auf ca. 40 bis 50% beläuft. Den Erfolg dieser Strategie verdeutlicht der preisaggressive Discount-Broker Charles Schwab aus Kalifornien, der Anfang des Jahres 1997 700.000 Online-Kunden mit über 50 Milliarden US$ verwaltete.40

Direktbanken haben sich schneller auf die Kundenbedürfnisse eingestellt und verändern deren Wahrnehmung, indem sie die Kundenerwartungen an Bankdienstleistungen durch ihr variiertes Angebot beeinflussen. Gemäß ihrer Konzentration auf preisgünstige, techno- logiebasierte Vertriebswege versuchen sie, dem Kunden mehr Service bei einem besseren Preis-/Leistungsverhältnis zu bieten als bisher die marktführenden Universalbanken.

Neben den Direktbanken treten auch reine Internet-Banken mit einem noch größeren Kostenvorteil auf und verschärfen den Wettbewerb zusätzlich. Sie machen sich den Um- stand zunutze, daß durch die Möglichkeiten des Internet das Informationsmonopol der tra- ditionellen Banken gebrochen worden ist. Im Internet kann der Anwender schon heute auf Chartverläufe oder Finanzierungsbeispielsrechnungen problem- und kostenlos zugreifen. Die kostenbezogenen Markteintrittsbarrieren können als fast inexistent angesehen werden, weil eine virtuelle Internet-Bank ihre Dienstleistungen global ohne länderspezifisches, kostenintensives Filialnetz anbieten kann. Beispielhaft sei in diesem Kontext die Security First Network Bank (SFNB) aufgeführt, die als erste Internet-Bank am 18.10.1995 ihren Geschäftsbetrieb nach der Lizenzerteilung durch die US-Regulierungsbehörde aufgenom- men hat.

In den Wettbewerb treten neben den oftmals von traditionellen Universalbanken gegründe- ten Direktbanken auch zunehmend neue Wettbewerber, sogenannte Near-Banks, wie Bausparkassen, Versicherungen und Kreditkartengesellschaften. Diese Gesellschaften bie- ten neben ihrem ursprünglichen Leistungsumfang vermehrt banktypische Leistungen an und konkurrenzieren damit die Banken. Beispielsweise verfolgt American Express ein Direktbankkonzept bzgl. des Liquiditätsmanagements für Privatkunden unter Ausnutzung einer globalen Infrastruktur und eines etablierten Markennamens. Die Datenbestände erlauben American Express, fundierte Kundenanalysen und Nutzerprofile zu erstellen.41

Insbesondere Versicherungen, die im Rahmen einer Allfinanz-Strategie Synergieeffekte an Hand von Cross-Selling Möglichkeiten zu erzielen versuchen, waren in den letzten Jahren hinsichtlich der Geldanlage erfolgreicher als Banken. Lediglich jede dritte DM fließt bei der Geldanlage noch den Banken zu, weil europaweit mehr Spargeld in Formen der Kapitallebensversicherungen bei der Assekuranz einbezahlt wird.42

Mit dem Aufkommen des Online-Banking besteht die Gefahr, daß durch Intermediäre des Non-Bank Sektors die Banken die Schnittstelle zum Kunden verlieren. Softwareunternehmen wie Microsoft oder Intuit werden zu neuen Mitwettbewerbern, weil sie die benötigte Zugangssoftware zum Online-Banking bereitstellen.

Den Bankkunden wird anhand von Softwareprogrammen wie MS Money oder Quicken die eigene Vermögensverwaltung und der Aufbau von mehreren Bankverbindungen ermöglicht. Der Kunde erhält jederzeit einen Überblick über seine Finanzlage bei den verschiedenen Banken. Dadurch entsteht für die Banken langfristig die Bedrohung, daß die Kunden lediglich die Funktionalität der Finanzsoftware wahrnehmen. Die Bank als solche tritt bei einer derartigen Entwicklung in den Hintergrund des Geschehens.

Dieses Szenario hat sich bereits, jedoch nicht im virtuellen Raum, infolge von Finanzberatungen wie der Marschollek, Lautenschläger und Partner AG (MLP) bewahrheitet. MLP stellt aufgrund von Preis-Leistungsvergleichen für ihre Kunden das jeweils günstigste Dienstleistungspaket zusammen, wobei es die Produkte der Banken selbst verkauft, ohne daß die Bank dabei in Erscheinung tritt.

Das führende Finanzprogramm, welches weltweit von ca. 85% der Haushalte, die eine solche Software verwenden, benutzt wird, ist das Intuit-Programm Quicken, gefolgt von MS Money mit ca. 1 Million Benutzern und MECA mit rund 600.000 Nutzern.43 Diese Unternehmen dominieren durch die Bereitstellung des front-ends die Schnittstelle zum Kunden. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, dem Kunden Finanzleistungen wie Fonds zu offerieren.

Das ausgeprägte Engagement von Microsoft im Bankenbereich zeigen dessen zahlreich eingegangene Kooperationen und nicht zuletzt Microsofts Übernahmeversuch von Intuit, der jedoch von der US-Kartellbehörde vereitelt worden ist. Aufgrund dieser Bestrebungen wird für Microsoft ab dem Jahr 2000 ein jährlicher Umsatz mit elektronischen Finanz- dienstleistungen von 2 Milliarden US$ vorhergesagt.44 Um dieses Ziel zu erreichen, hat Microsoft auf der einen Seite Kooperationen mit zwei Informationsanbietern geschlossen. Dazu zählt die Allianz betreffend Informations- und Transaktionssysteme für Finanzleis- tungen mit dem Unternehmen Dow Jones, einem Marktinformationsanbieter. Mit dem amerikanischen Fernsehsender NBC arbeitet Microsoft über die Beteiligung MSNBC zu- sammen.45 Auf der anderen Seite versucht Microsoft, die Verschmelzung des Internet mit dem TV voranzutreiben. Dazu wurde im April 1997 die Firma Web TV aufgekauft. Die Beteiligung an Comcast Corp. verfolgt den gleichen Zweck.46 Die technische Zusammen- führung von PC und TV in Verbindung mit der Bereitstellung des Informationsangebots für dieses neue Medium soll mittels der genannten Beteiligungen unter der Marktherr- schaft von Microsoft sichergestellt werden. Dadurch wird auch die Verbreitung von Online-Banking weiter vorangetrieben, weil der mögliche Nutzerkreis durch den Einbezug aller Haushalte mit einem Fernseher um ein vielfaches ansteigt. Der Anwender wird dabei in die Lage versetzt, über seinen Fernseher mittels einer speziellen Oberfläche, die einem Web-Browser ähnelt, Internet-Dienste abzurufen.

Aufgrund der Relevanz und Bedrohlichkeit dieses Trends, sind die Bankinstitute bereits Kooperationsverträge mit Microsoft eingegangen. Beispielsweise wickelt die Barclays Bank ihre Online-Finanzleistungen über das virtuelle Mall “Barclays Square” ab.47 Indes zählen zu den neuen Konkurrenten der Banken nicht nur Softwarehäuser, sondern auch Infrastrukturbetreiber. So ist das Anliegen von Swiss Online, nach dem Abschluß diverser Kooperationsabkommen, ein vollumfängliches Electronic-Banking System zu entwickeln.

Zusätzlich zu den oben genannten Non-Banks, wie Software- und Telefongesellschaften, stellen in demselben Maße Kaufhausketten und Supermärkte eine Bedrohung für den Bankenbereich dar. Mit jedem Dienstleistungs- und Warenstrom geht eine Zahlungstrans- aktion einher, so daß es für eine Dienstleistungs- bzw. Handelsgesellschaft lukrativ ist, am Zahlungsverkehr mitzuverdienen. In diesem Sinne versuchen britische Supermarktketten, im Bankgeschäft Fuß zu fassen. So gewährt die Sainsbury-Bank der gleichnamigen Lebensmittelkette wesentlich attraktivere Guthaben- und Kreditzinsen als britische Banken und gibt zudem auch Kreditkarten aus.48 Langfristig versuchen die Non-Banks auf diese Weise die Banken zu umgehen.

Vornehmlich die Fortschritte im Bereich der Kommunikationstechnologie führen zu einer neuen Ausgangssituation im Bankenmarkt. Besaßen die traditionellen Banken früher mit ihren ausgedehnten Zweigstellennetzen ein Monopol auf die Schnittstelle zum Kunden, so mutiert diese Monopolstellung spätestens seit der Einführung des multimedialen hypertextbasierten WWW zu einem Oligopol. Zusammenfassend läßt sich die Gefahr, der die Banken in Zukunft ausgesetzt sind, abschließend mit den Worten umschreiben, “banking is essential to modern economy, but banks are not”49.

[...]


1 Aus Gründen der Praktikabilität wird in der vorliegenden Arbeit nur die männliche Form verwendet, wobei der Einbezug der weiblichen Form als gegeben zu interpretieren ist.

2 Vgl. Bartmann, D./Kreuzer, M., (1996b), S. 7.

3 Crane, D.B./Bodie, Z., (1996), S. 117.

4 Vgl. Zelewski, S., (1994), S. 6.

5 Vgl. Ulrich, H./Hill, W., (1976), S. 305.

6 Vgl. Wöhe, G., (1990), S. 34.

7 Vgl. Ulrich, H., (1981), S. 5-7.

8 Für eine detailliertere Darstellung der Primärforschungsmethoden vgl. Kühn, R., (1986), S. 12-14.

9 Wirtschaftsinformatik wird als Wissenschaft bezeichnet, die sich mit dem Entwurf und der Anwendung von computergestützten Informationssystemen befaßt. Vgl. Scheer, A.-W., (1990), S. 2.

10 Für eine detaillierte Ausführung der Forschungsansätze vgl. Wöhe, G., (1990), S. 80-89.

11 Vgl. Ward, G., (1995), S. 69.

12 Vgl. Coopers & Lybrand Unternehmensberatung/Justus-Liebig-Universität Gießen, (1996), S. 3.

13 Die Advance Bank wird beispielsweise als virtuelle Bank bezeichnet, weil sie den Zahlungsverkehr, die Wertpapierverwaltung und die Abwicklung ausgelagert hat. Vgl. Hübner, R., (1996), S. 16.

14 Vgl. Stüssi, M., (1993), S. 2; vgl. auch Straub, E., (1990), S. 36.

15 Vgl. Büschgen, H.E., (1992), S. 763.

16 Vgl. Rapp, A., (1996), S. 26.

17 Süchting, J., (1972), S. 269.

18 Vgl. weitere Ausführungen dazu in Reichheld, F.F., (1996).

19 Vgl. Hilke, W., (1989), S. 10-15.

20 Meyer, A., (1991), S. 198.

21 Kunz, C., (1988), S. 110.

22 Vgl. Hermanns, A./Suckrow, C., (1995), S. 25/26; Süchting, J., (1992), S. 26.

23 Vgl. Bruhn, M./Stauss, B., (1991), S. 24.

24 Christopher, M./Payne, A./Ballantyne, D., (1991), S. 70.

25 Vgl. Quartapelle, A.Q./ Larsen, G., (1996), S. 31-35.

26 Vgl. hierzu Porter, M.E., (1985), S. 130. Für die Messung und Analyse von Präferenzen vgl. Hammann P./Erichson, B., (1994), S. 307-338.

27 In Anlehnung an Parasuraman, A. et al., (1988), S. 12-40.

28 Vgl. eine ausführliche Beschreibung des Dreiecksverhältnisses in Bruhn, M./Stauss, B., (1991), S. 30-32.

29 Vgl. Renner, H., (1996), S. 46/49; McKenna, R., (1991), S. 21.

30 Vgl. Rieder, W./Tobler, D., (1997), S. 40; Betsch, O., (1996b), S. 11.

31 Vgl. Reuter, A./Theißen, H., (1994), S. 216.

32 Vgl. Brunner, C., (1994), S. 101. Für eine vertiefende Darstellung der Strukturdeterminanten vgl. Porter, M.E., (1992), S. 25-61.

33 Vgl. Michel, K., (1990), S. 9; Kubicek, H., (1992), S. 938; Witte, E., (1992), S. 2417.

34 Vgl. Hermanns, A., (1984), S. 90/91.

35 Vgl. Gogel, R., (1997), S. B9; Schoch, R./Schoch, W.H., (1997), S. B38.

36 Vgl. Rieder, W./Tobler, D., (1997), S. 40; Schmid, P., (1995), S. 81.

37 Vgl. hierzu auch Bernet, B., (1993), S. 17.

38 Doerig, H.-U., (1996), S. 111.

39 Vgl. Schmid, P., (1995), S. 74.

40 Vgl. Tzermias, N., (1997), S. B6; Dahlhausen, V./Siebald, R., (1995), S. 29.

41 Vgl. McKinsey & Company, (1994), S. 43.

42 Vgl. Betsch, O., (1996b), S. 10; Schultze-Kimmle, H.-D., (1994), S. 54.

43 Vgl. o.V., (1995a), S. 18; Penrose, P., (1996), S. 33.

44 Vgl. Meyer, J.-B., (1995), S. 7.

45 Vgl. o.V., (1997j), S. 53; http://www.msnbc.com.

46 Vgl. daweber@access.ch, (1997a), S. 77; o.V., (1997b), S. 27.

47 Vgl. E.I.U. The Economist Intelligence Unit, (1995), S. 2; http://www.barclaysquare.com.

48 Vgl. Wings, H., (1996a), S. 40; Gutt, C., (1997), S. 22/23.

49 Fredericks, R.J., (1995), S. 38.

Ende der Leseprobe aus 319 Seiten

Details

Titel
Kundenbindung im Virtual-Banking
Hochschule
Universität Zürich
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
319
Katalognummer
V185311
ISBN (eBook)
9783656998433
ISBN (Buch)
9783867462457
Dateigröße
2064 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kundenbindung, virtual-banking
Arbeit zitieren
Dirk Stermann (Autor:in), 1998, Kundenbindung im Virtual-Banking, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185311

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