Marca Lanzarote. Ansätze des Nachhaltigen Tourismus in Spanien am Beispiel Lanzarote


Diplomarbeit, 2000

83 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


I. Zielsetzung der Arbeit

Der Tourismus ist eines der wichtigsten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Phänomene des 20. Jahrhunderts. Aus den Kultur-, Kavaliers- oder Bildungsreisen der wohlhabenden und gebildeten Oberschicht ist inzwischen eine Massenbewegung von über 600 Millionen Menschen jährlich geworden, die der Weltwirtschaft 1998 Einnahmen in Höhe von 445 Milliarden US $ bescherte und derzeit mehr als 200 Millionen Arbeitsplätze (also jeden neunten) bereitstellt.[1] Mit diesen Werten ist der Fremdenverkehr heute neben der Erdöl- und Automobilindustrie der potenteste Wirtschaftsfaktor der Erde, der, würde es sich um ein Land handeln, das drittreichste der Welt wäre.[2] Auch in Zukunft, so prognostiziert die Welttourismusorganisation (WTO), ist mit jährlichen Zuwachsraten von voraussichtlich 4,1-6,1 % zu rechnen, so daß im Jahr 2020 schätzungsweise eineinhalb Milliarden Reisende mit mehr als zwei Billionen US $ zur globalen Bruttowertschöpfung beitragen werden.[3]

Die Entwicklung des Tourismus vom Luxusbedürfnis zum Massenbedürfnis[4] ist nicht nur auf die Zunahme der arbeitsfreien Zeit bei gleichzeitigem Anstieg der Löhne zurückzuführen. Eine elementare Rolle kommt der Verschiebung der Prioritäten vom Materiellen zum Immateriellen zu, die dazu geführt hat, daß Freizeit, Selbstverwirklichung und Prestige heute für viele Menschen genauso wichtig sind wie Arbeit und Geldverdienen.[5] Tatsächlich ist der gesellschaftliche Stellenwert von Reiseaktivitäten in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen. Aber auch die vermehrte Streßbelastung am Arbeitsplatz und im Alltag haben dazu beigetragen, daß zunehmend mehr Menschen nach dem Motto ‘Urlaub vom Ich’ immer öfter und weiter reisen möchten. Möglich geworden ist dies jedoch erst mit der intensiv voranschreitenden internationalen Vernetzung durch neue Transportmittel, die Distanzen dahinschmelzen und die Welt immer enger zusammenrücken lassen. All diesen Faktoren ist es zu verdanken, daß Menschen ihrem ureigenen Bedürfnis nach Abwechslung, Abenteuer und Veränderung nachgeben können und auf diese Weise das Reisen zu einem wichtigen Bestandteil des Lebens geworden ist.[6]

Das Phänomen des Massentourismus ist wirtschaftlich, sozial und ökologisch von enormer Tragweite. Neue Arbeitsplätze entstehen, das Einkommen der Bevölkerung steigt an und damit die soziale Sicherheit. Räumliche Disparitäten können ausgeglichen und die Infrastrukturen bedeutend verbessert werden. Tourismus fördert den sozialen Aspekt des Kennenlernens, den Austausch zwischen den Kulturen und trägt möglicherweise zu einem toleranteren Verhalten gegenüber anderen Nationen bei.

Die millionenfache Mobilität der Menschen und der Reiseverkehrsmittel hat jedoch auch viele Schattenseiten, die mit dem Ansteigen des Touristenstroms weltweit immer gravierender und alarmierender werden.[7] Tourismus schafft zwar Arbeit, zerstört jedoch gleichzeitig die Natur vor allem durch den enormen Flächenbedarf (Hotels, Restaurants, Flughäfen, Straßen, Badebuchten, Wanderwege usw.) und die hohen Emissionen, die durch Flugzeuge, Fahrzeuge oder Schiffe entstehen und zur Zerstörung der Ozonschicht beitragen. Hinzu kommen Umweltprobleme in Form von Erosion, Lärm, Müllberge, die Überlastung der natürlichen Ressourcen Wasser, Energie und Boden und des gesamten Ökosystems etc. Tourismus bringt erhöhten Wohlstand und soziale Absicherung, kostet die Bereisten aber im Gegenzug oft das Selbstwertgefühl, die kulturelle Identität und vor allem die wirtschaftliche Unabhängigkeit.[8] Dies geht so weit, daß ein Einbruch in der touristischen Entwicklung für einige Urlaubsgebiete und Entwicklungsländer den wirtschaftlichen Kollaps bedeuten würde, da traditionelle Berufe durch den Fremdenverkehr vollkommen verdrängt worden sind.[9] Auch der Aspekt der Völkerverständigung ist zweischneidig, zumal gleichzeitig oftmals eine Polarisierung zwischen den Reisenden und den Bereisten entsteht und auf diese Weise Vorurteile eher vertieft denn abgebaut werden.[10] Häufig ist heute die Rede von der Ausbeutung der Urlaubsländer, gerade der ärmeren. Sextourismus und Kinderarbeit sind nur zwei ihrer Ausprägungsformen.

Die Kosten dieser Negativfolgen und Fehlentwicklungen für die Umwelt, das Sozialgefüge und die Wirtschaft können nicht quantifiziert werden, sie sind jedoch enorm[11] und drohen, den Fremdenverkehr seiner eigenen Grundlagen (landschaftliche Schönheit, Andersartigkeit der Kulturen, ungefährliches Sonnenbaden u.ä.) zu berauben.

Die international führenden Fremdenverkehrsorganisationen wie die WTO oder der World Travel & Tourism Council (WTTC) haben dies erkannt und erklärt, daß Tourismus im herkömmlichen Sinne nicht mehr länger haltbar ist. „ What is needed is a formula to protect the environment, ensuring that tourism benefits the local population and helps preserve the cultural heritage of destination countries.“ [12] Die Ausrichtung des Reiseverkehrs an den Kriterien der sogenannten Nachhaltigkeit gilt als die große Herausforderung für die Tourismusbranche im neuen Jahrtausend.[13]

Die Idee der Nachhaltigkeit bzw. sustainability, auf die Kapitel II der Arbeit ausführlicher eingehen wird, besagt, daß „ to be sustainable, development must improve economic efficiency, protect and restore ecological systems, and enhance the well-being of all peoples.“ [14] Übertragen auf den Fremdenverkehrssektor bedeutet dies, daß Reisen künftig ökologisch tragbar, sozial gerecht, kulturell rücksichtsvoll und wirtschaftlich rentabel sein soll, um gleichermaßen den Bedürfnissen der gegenwärtigen als auch der zukünftigen Generationen von Reisenden und Bereisten gerecht zu werden. Nachhaltigkeit im Fremdenverkehr impliziert folglich, daß die durch Tourismus entstandenen Schäden behoben werden und ein Richtungswechsel im Denken und Handeln der Verantwortlichen stattfinden muß, um die beschriebenen Negativeffekte fortan von vornherein zu vermeiden.

Auch Spanien, das zu den meistbesuchten Ländern der Erde zählt, will sich dieser neuen Herausforderung stellen. „ One of the major challenges now confronting the Spanish economy is to successfully apply sustainability criteria and introduce the necessary changes, without damaging the tourist industry as a whole“ [15] , ist in der neuesten Publikation der spanischen Regierung unter dem Titel ‘ España: un turismo sostenible - Spain: A Sustainable Tourism’ zu lesen. Tatsächlich hat die öffentliche Verwaltung des Landes bereits auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen ergriffen und Projekte ins Leben gerufen, die auf mehr Nachhaltigkeit im spanischen Reisesektor abzielen. Welche grundliegenden Ansätze für Nachhaltigen Tourismus in der Fremdenverkehrspolitik des Landes in jüngerer Zeit erkennbar sind und wie staatlich initiierte Nachhaltigkeitsprojekte in Spanien aussehen können, wird in knapper Form in Kapitel III dieser Arbeit dargestellt.

Im Mittelpunkt der anschließenden Ausführungen wird das konkrete Beispiel der kanarischen Urlaubsinsel Lanzarote stehen, die im Bereich des Nachhaltigen Tourismus nach Aussage der Landesregierung, der WTO und anderer Organisationen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene eine Sonderstellung einnimmt: „ El modelo de desarrollo turístico seguido en la isla de Lanzarote posee notas singulares, que lo hacen distinto y merecedor del reconocimiento internacional.“[16] Nicht nur in der Fachliteratur, sondern ebenso in Reiseführern, Tageszeitungen oder dem Internet finden sich deutliche Hinweise auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der MARCA LANZAROTE (dem ‘Markenimage’ der Insel) und der sostenibilidad (‘Nachhaltigkeit’). Dies bestätigt die lange Reihe von Auszeichnungen und Titeln, auf die Lanzarote verweisen kann. Wie Kapitel IV zeigen wird, sind sie der Insel innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte in Anerkennung ihrer Bemühungen um eine andersartige Form der touristischen Erschließung verliehen worden. Genannt seien nur einige: im Jahr 1991 der Drago de Oro von der WTO, der OECD und der Kanarischen Regierung; 1993 die Ernennung zum Biosphärenreservat der UNESCO; 1994 der Titel ‘ experiencia piloto de desarorollo sostenible’ von Seiten der Unión Mundial para la Naturaleza und schließlich 1996 im Rahmen der UNO-Ausschreibung Habitat II die Einstufung Lanzarotes als ‘ buena práctica’ im Bereich Raumnutzung und Urbanisierung.[17]

Die Fragen, die sich daraus ableiten lassen und die in Kapitel IV und V dieser Arbeit aufgegriffen und beantwortet werden, sind folgende:

- Wie ist die touristische Erschließung Lanzarotes tatsächlich verlaufen?
- Wie ist das Markenimage der Insel entstanden, und wie sehen die Ansätze des Nachhaltigen Tourismus dort im einzelnen aus?
- Wie ist Lanzarote in den gesamtspanischen Kontext einzuordnen (welche Gemeinsamkeiten mit anderen spanischen Urlaubsinseln gibt es, wo liegen die Besonderheiten)?
- Ist Lanzarote tatsächlich ein Vorbild für Nachhaltigen Tourismus im spanischen und internationalen Fremdenverkehr?

Im Rahmen der letzten Frage werden die Ergebnisse der Interviews miteinbezogen, die ich im Mai 1999 auf Lanzarote mit Vertretern der öffentlichen Verwaltung und verschiedenen NGOs geführt habe. Ein Ausblick auf die Zukunft Lanzarotes schließt die Ausführungen ab.

Ziel der Arbeit ist es folglich, die Idee des Nachhaltigen Tourismus in ihren Grundzügen vorzustellen und zu beschreiben, inwieweit Ansätze hierfür in Spanien allgemein und auf der Kanareninsel Lanzarote im besonderen vorhanden sind. Dabei soll auch auf die jeweilige Kritik an den Maßnahmen eingegangen und eine Kontrastierung zwischen Theorie und Praxis vorgenommen werden, sofern dies möglich ist. Für das bessere Verständnis der Arbeit sei darauf hingewiesen, daß das verwendete Zahlenmaterial eher als Richtwert denn als konkrete Größe zu verstehen ist, da die Angaben in der verwendeten Literatur entweder erheblich differieren, sich widersprechen oder unvollständig sind.

II. Das Konzept des Nachhaltigen Tourismus

1. Nachhaltiger Tourismus: Erläuterung der Begriffskomponenten

1.1. Der Begriff des Tourismus

Wird der Begriff ‘Tourismus’ im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet, so ist den wenigsten bewußt, daß sich hinter diesem Wort ein höchst umfangreiches System unterschiedlicher Aktivitäten und Dienstleistungen verbirgt. Fremdenverkehr basiert auf zahlreichen Verflechtungen zwischen ökologischen, sozio-kulturellen, ökonomischen, psychologischen, politischen, geographischen, technologischen und juristischen Aspekten auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene.[18]

Aufgrund der Komplexität und der Dynamik, mit der sich diese Beziehungen entwickeln und verändern, ist eine eindeutige und präzise Begriffsabgrenzung kaum möglich. Es gibt vielmehr eine Reihe engerer und weiterer Definitionen, die den Terminus global beschreiben bzw. unter Berücksichtigung der Reiseform, Motivation, Destination oder Aufenthaltsdauer differenzieren. Da in der vorliegenden Arbeit diese Unterscheidungen nicht relevant sind, liegt ihr die allgemein gehaltene Definition der WTO zugrunde:

Tourism comprises the activities of persons travelling to and staying in places outside their usual environment for not more than one consecutive year for leisure, business, and other purposes.[19]

Wichtig ist jedoch die Abgrenzung zwischen Personen, die in der besuchten Region mindestens einmal übernachten (im folgenden als ‘Touristen/Reisende/Urlauber/Besucher’ bezeichnet), und sogenannten Tagesbesuchern bzw. Ausflüglern, die den Ort am selben Tag wieder verlassen. Letztere werden in die folgenden Ausführungen generell nicht mit einbezogen.

1.2. Der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung

Der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung (‘ sustainable development / desarrollo sostenible’) geht auf den sogenannten Brundtland-Bericht der UNO-Kommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahre 1987 zurück.[20] Dieses Dokument, das als Grundlage für die Weltgipfelkonferenz der UNO in Río de Janeiro fünf Jahre später (1992) diente, hat die bis heute gängige Definition des Terminus geprägt:

Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs. [21]

Mit anderen Worten beschreibt Nachhaltige Entwicklung ein Konzept, das darauf abzielt, das Leben und Überleben von Mensch und Umwelt für die Zukunft zu sichern und die ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte und Interdependenzen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Die natürlichen Lebensgrundlagen und kulturellen Eigenheiten sollen erhalten, wirtschaftlicher Wohlstand für die gegenwärtigen und zukünftigen Generationen ermöglicht und soziale Gerechtigkeit (vor allem in bezug auf die Entwicklungsländer) verwirklicht werden.[22]

Die Río-Konferenz, die das Nachhaltigkeitskonzept zum internationalen Leitbild erhob, erarbeitete neben verschiedenen Grundsatzresolutionen auch die sogenannte Agenda 21. Darunter ist ein praxisorientiertes Umwelt- und Entwicklungsprogramm für das 21. Jahrhundert zu verstehen, das Naturschutz, Sozialpolitik, Wirtschaft und Entwicklungshilfe miteinander verknüpft.[23] Die Agenda 21 umreißt Grundprinzipien und Strategien für die Planung konkreter regionaler Nachhaltigkeitsprojekte, die vor allem auf der Ebene der Gemeinden ansetzen und deren Eigeninitiative fördern sollen.[24] In über 80 Staaten sind inzwischen lokale Agenden 21 initiiert worden, in Spanien beispielsweise in Calviá (Balearen) und auf Lanzarote (Kanaren).

Auch in den Biosphärenreservaten des ‘ Man and Biosphere’- Programms (MaB) der UNESCO wird versucht, den Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung in die Praxis umzusetzen.[25] Die derzeit 324 Regionen in 82 Ländern, die für das MaB-Programm anhand spezieller Kriterien ausgesucht worden sind, sollen beispielhafte Strategien für Umwelt- und Ressourcenschutz und die harmonische Beziehung zwischen Mensch und Natur im Sinne der Nachhaltigkeit erarbeiten.[26] Das MaB-Programm, das sich aus dem allgemeinen Haushalt der UNESCO finanziert, fördert vor allem die Eigeninitiative der Reservate, hilft bei der Aufstellung von Programmen sowie der Koordinierung von Projekten und dient dem internationalen Erfahrungsaustausch. Allein in Spanien gibt es inzwischen 15 solcher Biosphärenreservate, zu denen verschiedene Nationalparks (wie der Coto de Doñana) und die Inseln Menorca und Lanzarote gehören.[27]

2. Das Konzept des Nachhaltigen Tourismus in der ‘Carta del Turismo Sostenible de Lanzarote’ von 1995

Seit der Río-Konferenz 1992 haben verschiedene Organisationen, Reiseveranstalter und Projektgruppen auf internationaler Ebene versucht, die Idee der Nachhaltigen Entwicklung auf die Reisebranche zu übertragen und Richtlinien für die praktische Umsetzung dieses Leitbildes zu formulieren. Dies erweist sich jedoch als extrem schwierig, zumal die Vorstellungsinhalte von Tourismus und Nachhaltigkeit an sich bereits sehr komplex und wenig konkret sind.

Ob es tatsächlich jemals möglich sein wird, Tourismus in einer umwelt- und sozialverträglichen Form im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips zu praktizieren, ist in der Fachwelt strittig. [28] Einig ist man sich allerdings darin, daß „ (...) la sostenibilidad no constituye una amenaza para el turismo, sino más bien lo contrario (...) garantiza la futura rentabilidad del turismo“. [29] Denn nur mit einem gesunden natürlichen, kulturellen und sozialen Umfeld kann ein Urlaubsgebiet auf lange Sicht im internationalen Fremdenverkehr bestehen und die wachsenden Ansprüche der Reisenden zufriedenstellen.

Den bisher wichtigsten Schritt zur Entwicklung eines umfassenden Konzeptes, das über die bloße Übertragung der Brundtland’schen Formulierung hinausgeht, lieferte 1995 die Internationale Tourismuskonferenz für Nachhaltigen Tourismus (‘ Conferencia Mundial de Turismo Sostenible’ CMTS) auf Lanzarote, zu der die UNO, die Europäische Union, die spanische Regierung und weitere internationale und nationale Institutionen gemeinsam eingeladen hatten.[30] In Form einer 18-Punkte-Charta, genannt ‘ Carta del Turismo Sostenible de Lanzarote’, wurden die Kriterien festgehalten, die einzelne Teilaspekte des Nachhaltigen Tourismus definieren und die zusammengenommen das Konzept beschreiben. Sinngemäß grenzt die Charta Nachhaltigen Tourismus wie folgt ein:

(...) sustainability in tourism means being ecologically acceptable in the long term and financially viable and fair from a social and ethical viewpoint, for local communities. Thus, tourism must become part of the natural, cultural and human environment, respecting the fragile balance that is characteristic of many holiday destinations, particularly on small islands and in environmentally sensitive areas. Sustainable tourism will place special emphasis on conserving the cultural heritage and traditions of local communities, enabling destinations to enhance their social and cultural heritage and improve the quality of life of their people. [31]

Die wichtigsten Kriterien des Nachhaltigen Tourismus sind gemäß der einzelnen Punkte der Charta und gruppiert nach Schwerpunkten:[32]

- im wirtschaftlichen Bereich: der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen (wie Wasser, Boden, Energie, Luft); die Verbesserung der Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung; Diversifizierung der Einkommensgrundlage und Verbesserung der Qualität des touristischen Angebots; eine Reglementierung des Ausbaus touristischer Infrastrukturen; die finanzielle und technische Förderung von Nachhaltigkeitsprojekten und Regenerationsmaßnahmen; die Internalisierung negativer Umwelteffekte über das Preissystem.[33]
- im ökologischen Bereich: die Ausrichtung der touristischen Entwicklung an der Belastbarkeit des Ökosystems[34] ; der Erhalt des ökologischen Gleichgewichts und der Artenvielfalt der Region; die Durchführung von Umweltverträglichkeitsstudien; die Minimierung von Abwässern und Abfällen sowie deren Aufbereitung bzw. Wiederverwertung; die Konservierung, der Schutz und die Aufwertung der Natur.
- im sozio-kulturellen Bereich: die Einbindung der lokalen Bevölkerung in die Entscheidungsprozesse; die Bewahrung und Förderung der kulturellen Identität und Interessen der Bereisten; Schulungs- und Informationsprogramme zur Sensibilisierung der Fachkräfte, der Urlauber und der Bevölkerung; eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten auf allen Ebenen (lokal, regional, national und international, staatlich als auch privat).

Als Voraussetzung für die Umsetzung dieser Gesichtspunkte gelten die wirtschaftliche Machbarkeit, die Konkurrenzfähigkeit und die Rentabilität einer solchen touristischen Entwicklung in der betroffenen Region.[35]

Durch die ‘ Agenda 21 for the Travel & Tourism Industry: Towards Environmentally Sustainable Development’ wurde dieses Konzept durch die WTO und den WTTC ein Jahr später (1996) inhaltlich bestätigt.[36]

3. Nachhaltiger Tourismus und Alternativtourismus: inhaltliche Abgrenzung

Es darf nicht der Fehler begangen werden, Nachhaltigen Tourismus automatisch mit den verschiedenen Varianten des sogenannten Alternativtourismus gleichzusetzen, die mittlerweile unter den Schlagwörtern green tourism, turismo rural oder de naturaleza, Individualtourismus, cultural tourism, Abenteuerreisen, wilderness travelling etc. am Markt angeboten werden. In vielen Fällen handelt es sich nicht um ökologisch-kulturell verantwortliches Reisen, sondern um Werbemaßnahmen der Reiseveranstalter oder Urlaubsregionen, die neue Kundenkreise erschließen sollen.[37] Mechthild Maurer verwendete in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Öko-Bluff“.[38]

Zwar entsprechen diese neuartigen Reiseformen einzelnen Punkten der Charta von 1995, jedoch nicht dem Konzept des Nachhaltigen Tourismus insgesamt; es werden vielmehr (vor allem wirtschaftliche) Teilbereiche abgedeckt. Reisen in Minibussen, Natursafaris im Landesinnern, Sportarten wie Golf, Wildwater Rafting oder Skifahren entsprechen der Forderung nach Diversifizierung der Einkommensgrundlage im Fremdenverkehr durchaus und tragen zudem zur lokalen und temporalen Streuung des Urlauberstroms bei. Die Auswirkungen auf die Umwelt und das Sozialgefüge der Bereisten sind allerdings nicht unbedingt weniger negativ als beim herkömmlichen Pauschal- oder Massentourismus.[39] Ganz im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, daß selbst durch kleine Gruppen bisher intakte Ökosysteme und Sozialgefüge zerstört werden, da die nötige Infrastruktur nicht vorhanden ist (Wege, Toiletten, Abfallbehälter, Campingplätze usw.) bzw. es den Reisenden am nötigen Feingefühl fehlt. Auch die Überbeanspruchung der natürlichen Ressourcen ist bei diesen alternativen Reiseformen ein häufiges Problem (Golfanlagen in wasserarmen Regionen sind hierfür ein beliebtes Beispiel).

Es mentira que el turismo rural, verde, blando, o alternativo (...) lleve implícita la sostenibilidad; es falso que sea responsable y respetuoso con la naturaleza por ‘generación espontánea’ (...) turismo sostenible no es sinómino, ni mucho menos, de turismo rural; y tampoco lo es de turismo de calidad.[40]

Dies bedeutet jedoch nicht, daß Alternativtourismus automatisch gegen die Prinzipien der Nachhaltigkeit verstößt. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit das Reisen negative Auswirkungen im sozio-kulturellen, ökologischen und wirtschaftlichen Umfeld der Bereisten zur Folge hat.

III. Ansätze des Nachhaltigen Tourismus in Spanien

Mit der Losung ‘ Todo bajo el sol’ hat sich Spanien seit seiner Öffnung für den internationalen Massentourismus in den 50er Jahren zu einem der drei meistbesuchten Urlaubsländer der Welt entwickelt, in dem sonnenhungrige Touristen vor allem aus den europäischen Industrienationen die ‘schönsten Tage des Jahres’ verbringen. Waren es 1950 lediglich 750.000 Ausländer, die Spanien besuchten, so wurden 1997 insgesamt 43,3 Millionen Touristen registriert und 26.000 Millionen Euro erwirtschaftet. Über 8% der aktiven Bevölkerung Spaniens sind in der Fremdenverkehrsbranche tätig, die ihrerseits rund 10,6% zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Mit über 1,1 Millionen Gästebetten ist „la oferta turística española (...) una de las más espectaculares del mundo.“ [41]

Daß dieser Boom dem Land nicht nur die dringend benötigten Devisen gebracht hat, sondern mit zunehmender Besucherzahl auch immer gravierendere Probleme aufgetreten sind, ist allgemein bekannt: Weite Küstenstriche wurden mit Plattenbauten und Hotelbunkern verschandelt, Abwässer ungeklärt in die Meere geleitet, Straßen ohne Rücksicht auf ihre Umweltverträglichkeit durch die Landschaft asphaltiert, der Flora und Fauna der natürliche Lebensraum entzogen. In keinem anderen Land ist es innerhalb eines so kurzen Zeitraums zu derart massiven Zerstörungen der Natur, gerade im Bereich der Küsten und Gebirge, gekommen.[42] Aber auch die saisonale Arbeitslosigkeit, die starke Präsenz ausländischen Kapitals, mangelhafte Infrastrukturen, veraltete Hotellerieanlagen und die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen belasten das Land schwer.[43]

Die weitreichenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Fehlentwicklungen im spanischen Reisesektor sind insbesondere auf das Fehlen von politischen Entwicklungskonzepten in den 60er bis 80er Jahren zurückzuführen. Da man in Spanien lange Zeit die Meinung vertrat, Tourismus sei eine sehr unbeständige und nur vorübergehende Einkommensquelle[44], versuchte man, den günstigen finanziellen Einfluß auf die spanische Wirtschaft durch einen überhasteten touristischen Ausbau nach dem Motto ‘mehr um jeden Preis’ so weit wie möglich auszunutzen. [45]

Inzwischen haben die Verantwortlichen jedoch erkannt, wie falsch diese Politik war und daß neue Konzepte und Strategien weg vom Massentourismus im herkömmlichen Sinne vonnöten sind, will man nicht Gefahr laufen, mittelfristig die touristische Attraktivität des Landes einzubüßen. Der spanische Tourismus befindet sich bereits seit geraumer Zeit in einer ernstzunehmenden Krise.[46] Hinzu kommt der Druck von außen durch das steigende Umweltbewußtsein der Reisenden einerseits und die drohende Konkurrenz durch die asiatischen und mittelamerikanischen Billigreiseländer andererseits, die unverbrauchte Natur und neue Hotelanlagen offerieren können.[47]

Nachhaltiger Tourismus heißt daher das aktuelle Schlagwort der spanischen Tourismuspolitik, das die gesuchten Lösungen bringen soll. In der neuesten Publikation der Landesregierung mit dem Titel ‘ España: un turismo sostenible - Spain: A Sustainable Tourism’ ist zu lesen:

España, una de las primeras potencias mundiales en el turismo, tiene también una de las mayores riquezas naturales de Europa. Compatibilizar ambos aspectos, la industria turística y la protección del medio ambiente, es uno de los grandes retos para la Administración española (...) El factor ambiental es el más crítico para el desarrollo turístico español, el elemento clave de la sostenibilidad de todo el sector (...) Todos los niveles de la Administración española, las Comunidades Autónomas y los Ayuntamientos, han puesto en marcha operaciones y planes que corrigen los desequilibrios precedentes y buscan fórmulas, a veces novedosas y audaces, para la sostenibilidad.[48]

Die spanischen Behörden sind laut der zitierten Publikation auf allen Verwaltungsebenen darum bemüht, der jahreszeitlichen und regionalen Konzentration der Besuchermassen entgegenzuwirken und durch neuartige Urlaubsformen weitere Einkommensquellen für die Bevölkerung zu erschließen. In der Tat scheint es keine Autonome Region, keine Provinz und kaum einen Nationalpark innerhalb Spaniens mehr zu geben, wo nicht mit turismo sostenible oder ecoturismo geworben wird.[49]

Aber auch die Privatwirtschaft ist in dieser Richtung tätig: Laut der Umweltorganisation ECOTRANS-España sind allein zwischen 1991 und 1996 schätzungsweise 2.000 Initiativen im Bereich Naturtourismus/ländlicher Tourismus seitens der Reiseveranstalter und Touristikanbieter in Spanien neu auf den Markt gekommen.[50] Genauere Studien zu diesem Thema gibt es bisher nicht. Deshalb werden sich die folgenden Ausführungen über Nachhaltigen Tourismus in Spanien schwerpunktmäßig mit den Entwicklungen auf politischer Ebene und denjenigen Projekten befassen, die von öffentlicher Seite initiiert worden sind.

1. Wichtige Entwicklungen in der spanischen Tourismus- und Umweltpolitik seit 1975

1.1. Spanische Tourismuspolitik

Der erste theoretische Ansatz für eine ökologisch und sozial ausgerichtete Tourismuspolitk wurde in Spanien auf der Zweiten Nationalen Tourismusversammlung (‘ II Asamblea Nacional de Turismo’) im Jahre 1975 in Madrid erarbeitet. Zum damaligen Zeitpunkt verzeichnete das Land bereits über 30 Millionen ausländische Besucher pro Jahr. Die kritische Auseinandersetzung mit den schon damals spürbaren Negativfolgen des Fremdenverkehrs für die Umwelt führte bei den Teilnehmern zu der Erkenntnis, daß „ un turismo sin previsiones, incontrolado (...) puede convertirse en fuente de males, que tienen su más directa expresión en el destrozo de los recursos naturales, en la contaminación del medio ambiente, en la destrucción del equilibrio ecológico (...) y, en la congestión de las áreas de población“.[51] Daher sollten u.a. folgende Punkte zukünftig bei der touristischen Erschließung des Landes berücksichtigt werden:

(...) conceder atención prioritaria a la conservación de la Naturaleza comprometiendo su defensa, protección y restauración (...) ordenar el desarrollo turístico tendiendo en cuenta las características, capacidad de absorción y posibilidades de mejora de sus recursos naturales, teniendo muy presentes los intereses de las poblaciones locales, frenando el desarrollo, inadecuado, excesivo. [52]

In den Folgejahren wurden jedoch keine konkreten Maßnahmen ergriffen, die die hier zitierten Vorsätze umsetzten. Erst der Umweltgipfel der UNO in Río de Janeiro 1992 brachte die spanische Nachhaltigkeitspolitik in Gang. Spanien nahm nicht nur an dieser Konferenz teil, sondern beteiligte sich aktiv an der Erarbeitung der sogenannten Río-Deklaration über Biodiversität und Klimawechsel, die anschließend vom spanischen Parlament ratifiziert wurde. Im selben Jahr noch stellte die nationale Tourismusbehörde (‘ Secretaría General de Turismo’) erstmals einen Rahmenplan für die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismussektors (‘ I Plan Marco de Competitividad del Sector Turístico/Plan FUTURES’ ) für einen Zeitraum von drei Jahren auf, der die Wettbewerbsfähigkeit Spaniens im internationalen Vergleich durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Zentralregierung und den Autonomen Regionen sichern und steigern sollte.[53] Vor allem die Verbesserung der Ausbildung im Tourismus, technische Neuerungen zur sparsamen Nutzung der Ressourcen, die Diversifizierung des Angebots und finanzielle Unterstützung für neue Produkte im Natur- und Landtourismus standen im Mittelpunkt dieses Plans. 1996 trat ein zweiter Plan (‘ II Plan Marco’) mit ähnlichen Zielsetzungen für weitere drei Jahre in Kraft, der außerdem das Nachhaltigkeitsprinzip explizit als „ fórmula inseparable de la competitividad“ anerkennt.[54]

Das Jahr 1995 war für den Nachhaltigen Tourismus in Spanien richtungsweisend: Auf der CMTS in Lanzarote wurde durch die 18-Punkte-Charta die Konkretisierung des Nachhaltigkeitsprinzips nicht nur im spanischen Tourismus wesentlich vorangebracht. Im gleichen Jahr veröffentlichte die Nationale Tourismusbehörde einen Bericht unter dem Titel ‘ Turismo, desarrollo y medio ambiente: la sostenibilidad como referencia’. Darin wird der Versuch unternommen, das Nachhaltigkeitsprinzip für Spanien zu definieren und ein Modell zu entwerfen, das der wirtschaftlichen Entwicklung, dem Umweltschutz und dem Fremdenverkehr gleichermaßen Rechnung tragen kann.[55]

Von besonderer Relevanz für die Nachhaltigkeitspolitik Spaniens war schließlich 1996 die Einrichtung eines eigenständigen Umweltministeriums (‘ Ministerio de Medio Ambiente’ [56] ) durch die Regierung Aznar, was ein Jahr später zum Abschluß eines Acuerdo-Marco zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium im Rahmen des nationalen Tourismuskongresses ‘97 in Madrid (‘ Congreso Nacional de Turismo’) führte.[57]

Die darin vereinbarte enge Zusammenarbeit der zwei Ministerien hat bereits Früchte getragen: Mitte 1998 wurde ein gemeinsames Programm für Nachhaltigen Tourismus (‘ Plan de Turismo Sostenible’) in Spanien vorgestellt. In der Einleitung heißt es:

El acuerdo tiene en cuenta que España es el país más importante de Europa con relación al número de turistas recibidos y cantidad de espacios naturales protegidos, lo que hace más necesario acercar las políticas de Medio Ambiente y Turismo (...) El Plan de Turismo sostenible contribuye a proteger los espacios naturales, incrementar la competitividad del sector turístico español y reducir la estacionalidad de la actual oferta turística española.[58]

Das Programm befaßt sich mit fünf Themenschwerpunkten[59]:

- touristische Entwicklung: Durch vorausschauende Planung der Urlaubsgebiete sollen improvisierte Raum- und Infrastrukturen, Umweltschäden und ein Überangebot an Gästebetten vermieden werden. Dazu werden sogenannte Planes de Excelencia y Dinamización Turística von den zentralen und lokalen Verwaltungsbehörden gemeinsam durchgeführt, und zwar sowohl in traditionellen Urlaubsgebieten als auch solchen, die neu entstehen. Der erste Plan dieser Art wurde 1992 für Calviá/Mallorca entwickelt. Inzwischen gibt es insgesamt 44 derartige Projekte, in die bisher 115 Millionen Euro investiert wurden.
- Tourismus und Umwelt: Die spanische Verwaltung ist im Begriff, ökologische Qualitätsnormen zu etablieren und nationale bzw. europäische Gütesiegel einzuführen, die an umweltbewußte Gemeinden und touristische Unternehmen vergeben werden.
- Tourismus in Naturschutzgebieten: Durch die Einrichtung von Informationszentren und die Aufstellung von Informationstafeln beispielsweise sollen die Besucher der Naturschutzgebiete für ökologische Belange sensibilisiert werden. Ein Ausbau der Infrastrukturen mit Rücksicht auf Flora und Fauna des Gebietes dient der Verringerung der bisherigen Umweltbelastungen und ermöglicht einen größeren Besucherstrom.
- Bildungsprogramme: Sowohl im Rahmen der allgemeinen touristischen Ausbildung als auch speziell für die regionalen Verwaltungen und Reiseveranstalter sind Schulungsprogramme vorgesehen, die über die neue Tourismuspolitik des Landes informieren und mit dem Konzept der Nachhaltigkeit vertraut machen.
- Zusammenarbeit: Die engere Koordination zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium ermöglicht Absprachen hinsichtlich der Subventionierung bestimmter Projekte (Sanierungen, regenerative Maßnahmen).

1.2. Spanische Umweltpolitik

Die grundlegenden Vorschriften des spanischen Umweltschutzes, die sowohl für die Administration als auch die Verantwortlichen des Fremdenverkehrssektors eine Einschränkung ihres Handlungsspielraums bedeuten, sind in der spanischen Verfassung von 1978, im Küstengesetz von 1988 und dem Naturschutzgesetz von 1989 verankert. In Artikel 45 der Constitución heißt es:

(1) Todos tienen el derecho a disfrutar de un medio ambiente adecuado para el desarrollo de la persona, así como el deber de conservarlo.
(2) Los poderes públicos velarán por la utilización racional de todos los recursos naturales, con el fin de proteger y mejorar la calidad de la vida y defender y restaurar el medio ambiente, apoyándose en la indispensable solidaridad colectiva. [60]

Spanien gilt mit diesen verfassungsrechtlichen Bestimmungen als vergleichsweise sehr fortschrittlich, denn es hat „neben Portugal, Italien und Griechenland im Gegensatz zu den übrigen Ländern der Europäischen Union den Umweltschutz in der Verfassung bereits vor Maastricht festgelegt“.[61] Hinweise auf das Nachhaltigkeitsprinzip sind klar erkennbar (Schutz und Renaturierung der Umwelt, sinnvoller Einsatz der natürlichen Ressourcen, Verbesserung des Lebensstandards).

Das Naturschutzgesetz (‘ Ley 4/1989 de Conservación de los Espacios Naturales y de la Flora y Fauna Silvestres’), das aus Artikel 45 hervorgegangen ist, enthält u.a. allgemeine Zielsetzungen für den Umweltschutz, den Erhalt der biologischen Vielfalt, den Umgang mit den natürlichen Ressourcen und für die Verwaltung der Naturschutzgebiete (‘ Espacios Naturales Protegidos’ ENP ). [62] Gerade diese Bestimmungen sind für den sogenannten Naturtourismus in Spanien von Bedeutung.

Spezielle Schutzvorschriften für die Küstenabschnitte Spaniens legt das Küstengesetz von 1988 (‘ Ley 22/1988 de Costas’) fest[63]. Die Artikel 23 bis 25 sehen die Einrichtung einer Schutzzone (‘ zona de servidumbre’) von mindestens 100 Metern ab der Küstenlinie vor, die ggf. auf 200 Meter ausgedehnt werden kann (wie in Asturien). Innerhalb dieses Bereiches ist u.a. der Bau von Hotelanlagen oder Wohnhäusern. unter keinen Umständen erlaubt. Außerdem wird in Artikel 30 die „Freihaltung einer 500-Meter-Zone ab der Küstenlinie für sogenannte ‘besondere Aktivitäten’ festgelegt“.[64] Dieser Küstenabschnitt fällt in die unmittelbare Zuständigkeit der Zentralverwaltung in Madrid, die hier direkt in die Raumplanung eingreifen kann. Zugleich steckt das Gesetz einen legalen Rahmen ab, den die Gemeinden bei ihren Entscheidungen hinsichtlich der Nutzung dieser Küstenabschnitte beachten müssen.[65] Da rund 50% der spanischen Küste touristisch genutzt werden[66], nehmen diese Vorschriften unmittelbar Einfluß auf den klassischen spanischen Strandtourismus.

2. Überblick über aktuelle Nachhaltigkeitsprojekte in Spanien

Von den zahlreichen Projekten und Aktivitäten, die von der öffentlichen Verwaltung auf nationaler, autonomer und lokaler Ebene durchgeführt werden, seien anhand der bereits genannten Publikation ‘ España: un turismo sostenible - Spain: A Sustainable Tourism’ einige Beispiele kurz vorgestellt.[67]

2.1. Projekte auf nationaler Ebene

Sowohl die Zentralverwaltung als auch die einzelnen Autonomen Regionen Spaniens verstärken derzeit ihre Bemühungen, den Tourismus in Naturschutzgebieten zu intensivieren.[68] Beispielsweise schloß das Umweltministerium 1998 einen Vertrag mit der staatlichen Gesellschaft Paradores de Turismo de España S.A.. In den insgesamt 85 Paradores (Luxushotels in historischen Gebäuden), die sich meist direkt in oder in unmittelbarer Nähe von Naturschutzgebieten befinden, sollen Gäste künftig gezielt über die Flora und Fauna der entsprechenden Region informiert werden. Dazu sieht das Abkommen u.a. die Einrichtung von Schulgärten, die Verteilung von Wanderkarten und die Schulung des Personals vor.

Eine weitere Initiative des Umweltministeriums nennt sich ‘ Vías Verdes’ und ist in Zusammenarbeit mit den Bahngesellschaften RENFE und FEVE entstanden. Vor allem in landschaftlich reizvollen Gebieten sollen stillgelegte Bahngleise reaktiviert und so für Alternativtouristen (Wanderer, Naturliebhaber, Fahrradfahrer) nutzbar gemacht werden. Insgesamt könnte auf diese Weise ein Netz von 5000 km Länge entstehen, das zusätzlich attraktiv gestaltet wird durch Beobachtungsstationen, Informationstafeln, Wanderrouten und die Anpflanzung heimischer Gewächse und Bäume. Dieses Projekt ist in Murcia, Katalonien und Kantabrien bereits angelaufen.

Auch der der Plan de Depuración de Aguas Residuales geht auf die Initiative der Zentralverwaltung in Madrid zurück. Er wird in erster Linie an der Mittelmeerküste zur Verbesserung der Abwasserklärung eingesetzt und sieht staatliche Investitionen in Höhe von 1.800 Millionen Euro bis zum Jahr 2000 vor.

2.2. Projekte der Autonomen Regionen

Sehr aktiv im Bereich Naturtourismus ist die Autonome Region Andalusien. Bereits vier Werbekampagnen unter dem Motto ‘Conoce los Parques Naturales Andaluces’ wurden in den vergangenen zwei Jahren von der andalusischen Regierung durchgeführt.

Auf den Balearen, dem beliebtesten Urlaubsgebiet Spaniens, wurde 1998 von der Autonomen Regierung ein Dekret auf zwei Jahre erlassen, das den Bau zusätzlicher Urlauberunterkünfte auf den Inseln verbietet. Neue Anlagen dürfen nur entstehen, wenn im Gegenzug obsolete Gebäude komplett abgerissen und gewisse Qualitätsstandards eingehalten werden.

In Aragonien, Navarra und Katalonien wird seit 1992 eine Art Werbekampagne unter dem Motto ‘ Pirineos Limpios’ durchgeführt, die mit Flyern, T-Shirts und Postern auf das Problem der Müllentsorgung in den nördlichen Gebirgsregionen Spaniens aufmerksam macht. Das Verteilen von Landkarten mit eingezeichneten Mülleimern und Containern ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts, dem sich inzwischen die französischen Provinzen Aquitaine und Languedoc angeschlossen haben.

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[1] vgl. El Mundo: www.el-mundo.es/1999/01/27/economia/27N0079.html (Stand 12/99) und Opaschowski 1996, S. 27. Die im folgenden in den Fußnoten verwendete Kurzzitierweise wird im Quellenverzeichnis der Arbeit aufgeschlüsselt.

[2] vgl. Federación Internacional de Tour Operadores 1994, S. 2.

[3] vgl.WTO: www.world-tourism.org/index2.html (1/00).

[4] vgl. Opaschowski 1996, S. 84.

[5] vgl. Opaschowski 1994, S. 29.

[6] vgl. Ellenberg 1997, S. 47. und Opaschowski 1996, S. 33 und 84.

[7] vgl. Opaschowski 1996, S. 54.

[8] vgl. Opaschowski 1996, S. 57/214 sowie Ellenberg 1997, S. 49-51.

[9] vgl. Ellenberg 1997, S. 48.

[10] ebenda.

[11] vgl. WTO 1992a, S. 1.

[12] WTO: www.world-tourism.org/newslett/novdec99 (1/00).

[13] vgl.WTTC: www.wttc.org/sus%5Ftourism.html (1/00).

[14] International Institute for Sustainable Development: iisd1.iisd.ca/about/sdoverview.html (1/00).

[15] Centro de Publicaciones 1999, S. 7.

[16] Instituto Tecnológico de Canarias: www.cistia.es/cabildo-lanzarote/economia.html (6/99).

[17] vgl. Prats 1995b, S. 9 und Cabildo Insular de Lanzarote: www.cabildo.com/moratoria.html, Stichwort ‘ links/ciudades para un futuro más sostenible/Lanzarote’ (6/99).

[18] vgl. Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit 1999, S. 14f.

[19] WTO: www.world-tourism.org/faq/faq.html, Stichwort ‘ Some Basic Definitions’ (8/99).

[20] Vorsitzende dieser Kommission war Dr. Gro Harlem Brundtland, die ehemalige Premierministerin Norwegens.

[21] International Institute for Sustainable Development: iisd1.iisd.ca/about/sdoverview.html, Stichwort ‘ Definitions ’ (1/00).

[22] vgl.Stadt Nürnberg: www.agenda21.nuernberg.de/1_2.html (7/99).

[23] vgl. Stadt Würzburg: www.wuerzburg.de/rathaus/veroeffentlichungen/agenda21/presse.html und Ökoinformationssystem für Mittelfranken: www.oeko.com/agenda21/info.html (7/99).

[24] vgl. Stadt Schwerin: www.schwerin.netsurf.de, Stichwort ‘Agenda 21 - Hintergrund’ (6/99).

[25] Als ‘Biosphäre’ werden allgemein alle Bereiche der Erde bezeichnet, in denen lebende Organismen existieren, inklusive des Wassers und der Erdatmosphäre (vgl. Lingen-Verlag 1983, S. 80).

[26] Generell handelt es sich bei solchen Reservaten um repräsentative Natur- und Kulturlandschaften, die besondere ökologische oder geologische Eigenschaften aufweisen und die nicht oder nur in geringem Umfang vom Menschen verändert wurden.

[27] vgl. UNESCO 1995 und www.unesco.org/mab/bios1-1.html (1/00).

[28] vgl. Department of Culture, Media and Sport of Great Britain: www.culture.gov.uk/SUSTOUR.html, Stichwort ‘ Tourism - Towards Sustainability’ (6/99).

[29] Federación Internacional de Tour Operadores 1994, S. 6.

[30] Die WTO beschreibt Nachhaltigen Tourismus ganz allgemein als „ tourism that meets the needs of present tourists and host regions while protecting and enhancing opportunity for the future (zitiert nach Department of Culture, Media and Sport of Great Britain - s. Fußnote 28).

[31] International Scientific Council for Island Development (INSULA): www.insula.org/tourism/concepts.html (6/99).

[32] Eine Auflistung der 18 Punkte der Charta befindet sich im Textanhang dieser Arbeit.

[33] ‚Internalisierung negativer externer Effekte’ bedeutet hier, daß Nebenwirkungen des Tourismus wie Lärm, Umweltstreß, Abgase, Erosionen, Naturzerstörungen o. ä. in monetären Werten erfaßt und über entsprechend erhöhte Preise den Verursachern spürbar gemacht werden.

[34] Unter der Belastbarkeit des Ökosystems ist derjenige Punkt zu verstehen „ que si se sobrepasa produce crisis, deterioro y degradación“ (Barrero 1995b, S. 20).

[35] vgl. Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit 1999, S. 12.

[36] vgl.WTTC: www.wttc.org/WITTCGATE.NSF (6/99).

[37] vgl. Kreib 1989, S. 50f.

[38] Maurer 1992, S. 150f.

[39] vgl. Opaschowski 1996, S. 41 und Cohen 1987, S. 13-18.

[40] Barrero 1995a, S. 15.

[41] vgl. Centro de Publicaciones 1999, S. 15.

[42] vgl. Zayas 1997, S. 263.

[43] Barrero 1995a, S. 15.

[44] vgl. Domínguez 1998, S. 510.

[45] vgl.Priestley 1995, S. 192.

[46] vgl. Barrero 1995a, S. 15.

[47] vgl. Cavanna 1996b, S. 148.

[48] Centro de Publicaciones 1999, S. 5f. und 20.

[49] Die Ausstellungsstände und Werbebroschüren der einzelnen Regionen auf der Internationalen Tourismusmesse Berlin im vergangenen Jahr zeigten dies deutlich.

[50] vgl. Cavanna 1996b, S. 148.

[51] zitiert nach Barrero 1995a, S. 10.

[52] ebenda.

[53] vgl. Instituto de Estudios Turísticos 1997, S. 13.

[54] Instituto de Estudios Turísticos 1997, S. 13 und und Ministerio de Economía y Hacienda: www.mcx.es/turismo/dgtur/rdturis.html, Stichwort ‘ Plan Marco de Competitividad del Turismo Español’ ( 6/99).

[55] vgl. Instituto de Estudios Turísticos 1997, S. 13.

[56] Dabei wurde ein Teil der Zuständigkeiten der Nationalen Umweltbehörde (ICONA) an das neue Umweltministerium delegiert, das ferner über weitreichende Kompetenzen verfügt in den Bereichen Artenvielfalt, Umweltverschmutzung, Abfallentsorgung und Binnen- und Außengewässer.

[57] Da es bisher kein eigenständiges Ministerium für Fremdenverkehr in Spanien gibt, ist nach wie vor das Wirtschaftsministerium bzw. die ihm unterstellte Secretaría General de Turismo für die nationale Tourismuspolitik zuständig.

[58] Centro de Publicaciones 1999, S. 21.

[59] Die folgenden Informationen wurden entnommen aus Subsecretaría de Turismo o. S.

[60] Centro de Información Administrativa: www.igsap.map.es/docs/cia/dispo/constitu.html, Stichwort ‘C onstitución Española del 27-12-1978’ (1/00).

[61] Schmidt 1995, S. 69.

[62] vgl. InterNatura: www2.uji.es/cyes/internatura/legal/ley4nac.html (1/00).

[63] vgl. Gobierno de Canarias: www.educa.rcanaria.es/Usr/Apdorta/ley/r0000090.html, Stichwort ‘ Ley de Costas del 28-7-1988’ (1/00).

[64] vgl. Domínguez 1998, S. 499.

[65] ebenda.

[66] vgl. Bundesamt 1997, S. 152.

[67] Die folgenden Abschnitte basieren, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf Centro de Publicaciones 1999, S. 23ff.

[68] Insgesamt 5,4% der Landesfläche (rund 2,7 Millionen ha) sind rechtlich geschützt.

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Marca Lanzarote. Ansätze des Nachhaltigen Tourismus in Spanien am Beispiel Lanzarote
Hochschule
Universität Passau
Note
1.3
Autor
Jahr
2000
Seiten
83
Katalognummer
V185467
ISBN (eBook)
9783656982999
ISBN (Buch)
9783867463614
Dateigröße
1296 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
marca, lanzarote, ansätze, nachhaltigen, tourismus, spanien, beispiel
Arbeit zitieren
Susanne Beate Will (Autor:in), 2000, Marca Lanzarote. Ansätze des Nachhaltigen Tourismus in Spanien am Beispiel Lanzarote, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185467

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