Rechnungswesen versus Accounting - Vergleich ausgewählter Aspekte in Philosophie und praktischer Handhabung in Deutschland und Großbritannien


Diplomarbeit, 2001

76 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe

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1 EINLEITUNG

2 GRUNDLAGEN

3 EXTERNES RECHNUNGSWESEN VERSUS FINANCIAL ACCOUNTING

4 INTERNES RECHNUNGSWESEN VERSUS MANAGEMENT ACCOUNTING

5 AKTUELLE PROBELEMSTELLUNGEN IM RECHNUNGSWESEN UND ACCOUNTING

6 ERGEBNIS

ANHANG

QUELLENVERZEICHNIS

Eidesstattliche Erklärung


ABBILDUNGSVERZEICHNIS

 

Abbildung 1 Teilbereiche des Rechnungswesens

Abbildung 2 Einflußfaktoren auf die unterschiedliche Ausprägung

von rechnungswesensystemen

Abbildung 3 Bestandteile des internen Rechnungswesens

Abbildung 4 Kostenrechnungssysteme im Überblick  

Abbildung 5 Absorbtion costing

Abbildung 6 Variable costing  

Abbildung 7 Harmonisierungsbereich von internem und externem

Rechnungswesen

 

1 EINLEITUNG

 

Diese Arbeit soll einen Einblick in die Unterschiedlichkeit zweier Rechnungswesen-syteme gewähren, die trotz historisch gleicher Ursprünge äußerst divergierende Methoden zur Umsetzung ihrer marktwirtschaftlichen Funktionen ausgeprägt haben. Sie ist kein weiterer Baustein im Gefüge der seit einigen Jahren relevanten Diskussion um die Adaption eines angelsächsisch geprägten Rechnungswesensystems, speziell im puncto Rechnungslegung. Philosophie als Streben nach Wahrheit und Erkenntnis soll hier nicht die Systeme verifizieren. Vielmehr soll ein gegenseitiges Verständnis und Hinterfragen in beiden Ländern relevanter Problemstellungen intendiert werden. Aktuell ist die Thematik deshalb, weil die Rechnungswesensysteme Deutschlands und Großbritanniens stellvertretend als Pole der weltweiten Diskussion um Harmonisierung im Rechnungswesen[1] gesehen werden können. Die heutzutage sehr leichtfertige synonyme Übernahme von Begrifflichkeiten und Bedeutungen ins deutsche Rechnungswesen, speziell aus dem angelsächsischen Sprachgebrauch, und das daraus resultierende Unverständnis für feine aber bedeutsame Unterschiede sind Motivationspunkte dieser Arbeit. Vor allem um Divergenzen herauszuarbeiten, ist die Verwendung englischsprachiger Erklärungen und Zitate unabdingbar.

 

Ein kurzer Abriß über die gemeinsamen Ursprünge und die historische Entwicklung des Rechnungswesens bildet im Kapitel 2 den Anfang dieser Arbeit. Dem folgt die grobe Systemkategorisierung des Rechnungswesens und des „accounting“, die den formalen Aufbau der Kapitel 3 und 4 der Arbeit determiniert. Anschließend wird durch die Erläuterung der sozio-ökonomischen Umfelder die Grundlage für die Diskussion um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der existierenden Rechnungswesensysteme gelegt, auf die im Verlauf der Arbeit Bezug genommen wird.

 

Unter Punkt 5 werden drei vergleichbare Problemstellungen aufgegriffen, anhand derer die Unterschiedlichkeit praktischer Handhabung verdeutlicht werden können. Thema des Punktes 5.1 sind die internationalen Harmonisierungsbestrebungen im externen Rechnungswesen. Besonderes Augenmerk wird hier auf die Reformierungsbedürftigkeit speziell der deutschen Rechnungslegung gelegt. Punkt 5.2 befaßt sich mit dem Beitrag, den das interne Rechnungswesen bzw. das „management accounting“ zur Unternehmensführung in puncto Planung, Steuerung und Kontrolle leisten. Zum Dritten wird unter Punkt 5.3 Stellung zu einem in Deutschland in den letzten Jahren immer stärker diskutierten Thema, die Harmonisierung der Rechenkreise internes und externes Rechnungswesen, genommen. Ein Vergleich mit dem britischen System, in dem eine Trennung entsprechend dem deutschen „Zweikreissystem“ nicht besteht, offenbart Grundsatzproble deutscher Rechnungswesenpraxis.

2 GRUNDLAGEN

 

2.1 Historische Entwicklung

 

Bevor eine aktuelle Definition der Begriffe Rechnungswesen und Accounting erfolgt, sollen zunächst relevante evolutionäre Stufen der heutigen Begriffsauffassung beschritten werden. „Accounting has existed throughout history. In all societies, and at all stages of history, accounting systems have been used as a basis for planning, deciding and controlling economic activity.1” Die Anfänge des Rechnungswesens reichen zurück bis zu den vermuteten Anfängen der Schrift 3500 v. Chr. Schneider sieht Kontrolle und Rechenschaft als notwendige Folgen einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Die Kontrolle eines Auftraggebers, ob seine Anordnungen befolgt wurden, und Rechenschaft durch seinen Beauftragten sind die ursprünglichen Aufgaben des Rechnungswesens. Verläßliche Aussagen über korrekte Aufgabenerfüllung ließen sich jedoch erst anhand von Soll-Ist Vergleichen treffen, die man allerdings erst in alt-babylonischen Tempelrechnungen zu finden glaubt2, also circa 2700 Jahre später.

 

Erste Verweise auf „Soll“-Aufzeichnungen in der Neuzeit finden sich im Verfassen von „Staatshaushalten“ auf Basis von Steuerforderungen der Krone im frühen Mittelalter. Das von Wilhelm dem Eroberer initiierte „domesday book“ (1086) und die erstmals 1130/ 1131 in einer „pipe-roll“ abgeleiteten Schulden der Untertanen gegenüber der Krone bilden die Anfänge der staatlichen Einnahmen- und Ausgabenrechnungen. Bis zur kompletten fiskalischen Erfassung bedurfte es allerdings noch weiterer rund 700 Jahre.3

 

Im 14. und 15. Jh. waren die italienischen Stadtstaaten federführend im Handel und damit im Rechnungswesen. In dieser Epoche begann die Entwicklung der doppelten Buchführung („double-entry bookeeping“) als Grundmethode der modernen Finanz-buchhaltung weltweit.4 Schneider spricht dieser Buchhaltungstechnik allerdings einen über die Dokumentation, und damit das Erschweren von Unterschlagungen hinausgehenden ökonomischen Nutzen ab. „Buchhaltungen mit Jahresabschlüssen sind nicht Folgen beabsichtigten menschlichen Entwurfs, sondern das Ergebnis irrtumsreichen Lernens aus schlechten Erfahrungen über Jahrhunderte hinweg.5“ Trotz-dem bildet die Buchhaltungsmethodik die Grundlage für die Beherrschung immer größerer und komplexerer Unternehmen.

 

“In the nineteenth century, Britain took the lead in accounting matters, to be followed in this century by the United States. As a result, English has become established as the world´s language of accounting.1“ Festmachen läßt sich diese Aussage an den Ursprüngen der größten internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und –institu-tionen. So wurde beispielsweise das Institute of Chartered Accountants in England and Wales bereits 1880 gegründet, während das Institut der Wirtschaftsprüfer erst im Jahre 1932 entstand.

 

Der wohl bedeutendste Export britischen Ursprungs ist neben der professionellen Wirtschaftsprüfung das Konzept des „true and fair view“, auf das unter Punkt 3.2 dieser Arbeit näher eigegangen wird. Die Konzepte und Methoden des „management accounting” in der industrialisierten Welt haben wesentliche Ursprünge in den USA.2

 

2.2 Sytemkategoriesierung Rechnungswesen versus Accounting

 

Eine Begriffsbestimmung sowie eine zur Bearbeitung in nachfolgenden Abschnitten adäquate Begriffsdifferenzierung bilden den Ausgangspunkt der vergleichenden Argumentation.

 

„Unter dem Begriff Rechnungswesen versteht man allgemein ein System zur quantitativen, vorwiegend mengen- und wertmäßigen Ermittlung, Aufbereitung und Darstellung von wirtschaftlichen Zuständen in einem bestimmten Zeitpunkt und von wirtschaftlichen Abläufen während eines bestimmten Zeitraums.“3 Als Teilbereich des Rechnungswesens interessiert hier das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen4.

 

„Als betriebliches Rechnungswesen bezeichnet man die systematische, regelmäßig und/ oder fallweise durchgeführte Erfassung, Aufbereitung, Auswertung und Übermittlung der das Betriebsgeschehen betreffenden quantitativen Daten (Mengen- und Wertgrößen) mit dem Ziel, sie für Planungs-, Steuerungs- und Kontrollzwecke innerhalb des Betriebes sowie zur Information und Beeinflussung von Außenstehenden (z.B. Eigenkapitalgebern, Gläubigern, Gewerkschaften, Staat) zu verwenden.“5

 

Eine definitorische Begriffsabgerenzung des „accounting“ erscheint expliziter. “Accounting is the process of identifying, measuring and communicating economic information to permit informed judgments and decisions by users of the information.”1 “Accounting” ist eine Sprache durch die monetäre und nicht monetäre Informationen an all diejenigen kommuniziert wird, die ein Interesse am Unternehmen haben, wie z.B. Manager, Anteilseigner, potentielle Investoren, Angestellte, Gläubiger und die Regierung.2

 

Um eine gemeinsame Vergleichsbasis mit dem „accounting“ zu schaffen, bietet sich vorerst3 die Trennung in internes („management/ cost“) und externes („financial“) Rechnungswesen („accounting“) an. Aufgrund der Übersichtlichkeit der von Küting/ Lorson entwickelten graphischen Darstellung zu den Teilbereichen des Rechnungswesens wird sich der Autor im Gang der Arbeit an diese Kategorisierung anlehnen.

 

Abbildung 1: Teilbereiche des Rechnungswesens4

 

„Das externe Rechnungswesen erstreckt sich auf die Abbildung von Austausch-vorgängen zwischen einer rechtlichen Einheit (Unternehmen) und Dritten auf die daraus resultierenden Zustände (Bestände). Es ist weitgehend durch das Handelsrecht (insbesondere HGB) und ergänzend durch das Steuerrecht (EStG, KStG) geregelt.“5 Den Empfängerkreis der generierten Informationen bilden unternehmensexterne Anspruchsgruppen.

 

Financial Accounting is the process of summarizing financial data taken from an organization´s accounting records and publishing it in form of annual (or more frequent) reports for the benefit of people outside the organization.”6

 

Internes Rechnungswesen heißt das Rechnungswesen, dessen beabsichtigter Empfängerkreis die Unternehmensleitung ist.“7 Die Gestaltung des internen Rechnungswesens ist den Unternehmen überlassen, unterliegt aber bei Lieferung zu administrativen Preisen behördlichen Regelungen.1

 

Management accounting is concerned with the provision of information to people within the organization to help them make better decisions and improve the efficiency and effectiveness of existing operations.”2

 

Die vorangegangene, vorrangig am Vergleich der Empfänger der vom Rechnungs-wesen generierten Informationen orientierte, Unterteilung wird in den Kapiteln 3 und 4 weiter differenziert und vergleichend analysiert. Das Verständnis für die individuellen Ausprägungen der Systeme in Theorie und Praxis setzt jedoch die Kenntnis der länderspezifischen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen voraus.

 

2.3 Sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

 

In vergleichender Literatur werden die folgenden sozio-ökonomischen Rahmenbe-dingungen hauptsächlich als Einflußfaktoren auf die divergierenden Ausprägungen nationaler Rechnungslegungssysteme3 gesehen.4 Durch Interdependenzen zwischen intern orientiertem Rechnungswesen und dem extern orientierten Bereich (z.B. Bestandsbwertung) , haben einzelne dieser Faktoren auch Einfluß auf die Unterschiede zwischen internem Rechnungswesen und „management accounting“. Zur besseren Übersicht dient Abbildung 2.

 

Abbildung 2: Einflußfaktoren auf die unterschiedliche Ausprägung von Rechnungswesensystemen

 

Der Aspekt der geschichtlichen Entwicklung bis zu Beginn des 20 Jh. wurde bereits behandelt. Die daran anschließenden Entwicklungen werden vor allem in Zusammen-hang mit dem Rechtssystem und der Ordnungspolitik beleuchtet.

 

Die Kultur als Zustand evolutorischer Entwicklung ist als Einflußfaktor speziell auf das externe Rechnungswesen bisher nur selten betrachtet worden. Wissenschaftliche Versuche, wie beispielsweise von Gray, auf Basis einer Kategorisierung kultureller Unterschiede eine signifikante Beziehung zu den Werten eines Rechnungslegungs-systems herzustellen, erwiesen sich als unzuverlässig.1

 

„Another way of looking at the environment of accounting is to identify more direct potential influences such as legal system, corporate financing, tax systems and so on.“2

 

Bezüglich des Rechtssystems ist zwischen „common law“ oder „codified roman law“ zu unterscheiden. Das erstere, in Großbritannien etablierte, System basiert nur zu einem geringen Teil auf gesetzlichen Rechtsvorschriften, die als Rahmenbedingungen für die durch Einzelfälle („cases“) zu begründenden „common law rules“3 dienen. Diese Praxis hat direkten Einfluß auf das Unternehmensrecht, das keine expliziten Verhaltens-vorschriften für Unternehmungen enthält. Stattdessen gibt es private Institutionen, wie das „Institute of Chartered Accountants“, die ausgehend von eigenen Erfahrungen Vorschläge zu noch nicht geregelten oder zu verbessernden Problemstellungen unterbreiten, die dann in einem „standard setting process“ in verbindliche Regeln implementiert werden.4

 

Das in Deutschland existierende Rechtssystem ist der Kategorie „codified roman law“ oder „code law“ zuzuordnen. Im Gegensatz zum „Common Law“ werden hier umfangreiche Gesetzesvorschriften zur Standardisierung erlassen, die möglichst alle Spezialfälle abdecken sollen. Hier beruht beispielsweise die Rechnungslegung (zu einem wesentlichen Teil) auf detaillierten Gesetzesvorschriften5, die wesentlicher Bestandteil des Unternehmensrechts sind.

 

Die gravierenden Unterschiede in der Finanzierungs- und damit  der Eigentümer-struktur der Unternehmen und in der Bedeutung der Kapitalmärkte sind die bedeutendsten Ursachen internationaler Rechnungswesenunterschiede. Hier lassen sich die beiden Länder wie auch bei den Rechtssystemen eindeutig voneinander abgrenzen.

 

Während in Deutschland, wie in fast ganz Kontinentaleuropa, die Fremdkapitalfinan-zierung durch Banken sowie die Familieneigentümerschaft beim sogenannten Mittel-stand vorherrschend sind, befindet sich die Mehrzahl der britischen Unternehmen in Streubesitz.1 Ergänzend tritt hinzu, dass deutsche Banken und Versicherungen große Anteilspakete an deutschen Unternehmen halten. Damit haben sie nicht nur die Möglichkeit, einen großen Einfluß auf die Unternehmensführung auszuüben, sondern besitzen gegenüber den gewöhnlichen Aktionären einen enormen Informations-vorsprung. Am 31.12.1998 waren in Deutschland (Großbritannien) 741 (2399) einheimische Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 658 (1427) Milliarden Pfund am inländischen Aktienmarkt gelistet.2 Nobes kategorisiert die Länder in „credit/ insider countries“ (Deutschland) und „equity/ outsider countries“ (Großbritannien).3 Die Implikationen dieser Unterscheidung für das Rechnungswesen, speziell das externe, werden unter Punkt 3.2 erläutert.

 

Auch bei einer vergleichenden Gegenübertsellung der für Unternehmen relevanten nationalen Steuersysteme kann eine klare Trennung vollzogen werden. Unterschei-dungskriterium hierbei ist, welchen Einfluß das Steuerrecht auf die Gewinnermittlung von Unternehmen hat. In Deutschland bestehen über das Maßgeblichkeitsprinzip und die umgekehrte Maßgeblichkeit eine Abhängigkeit zwischen Steuerbilanz und Handels-bilanz.4 „Aus der Maßgeblichkeit resultiert jedoch auch, daß die Auslegung von handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen stark von steuerrechtlichen Institutionen geprägt wird.“5

 

„The alternative approach, exemplified by the United Kingdom, the United States and the Netherlands, is found in countries where published accounts are designed partly as performance indicators for investment decisions, where commercial rules operate separately from tax rules in a number of accounting areas.”6

 

Ein letzter, separat zu erwähnender Gesichtspunkt, ist der Berufsstand des Wirtschafts-prüfers. Große Unterschiede existieren im Grad und der Art der institutionellen Organisation des Berufsstandes Wirtschaftsprüfer („Chartered Accountant“). Im Rahmen der zum großen Teil privatwirtschaftlich organisierten Erstellung von Rechnungs-legungsstandards in Großbritannien, kommt den „accountancy bodies“ eine erhebliche Bedeutung zu.1 „However, in such countries as the United Kingdom and the Nether-lands, the existing accountancy bodies have taken over a regulatory role for audit, under the supervision of the government.”2

 

Dagegen hatte der deutsche Berufsstand bis 1999 so gut wie keinen Einfluß auf die Änderung gesetzlich normierter Rechnungslegungsvorschriften. Mit der Bildung des „Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee“ (DRSC) sollte sich dieses aber ändern.

 

Die soeben beschriebenen Hauptgründe internationaler Rechnungswesenunterschiede werden in den nachfolgenden Abschnitten dieser Arbeit wieder aufgegriffen.

3 EXTERNES RECHNUNGSWESEN VERSUS FINANCIAL ACCOUNTING

 

3.1 Formale Bestandteile

 

Ein den Vergleich der Rechnungslegungsnormen der beiden Länder erschwerender Umstand ist die Vielfältigkeit der deutschen Unternehmensformen im Rechtssinne. In dieser Arbeit sollen fortan nur Kapitalgesellschaften betrachtet werden, die in den Anwendungsbereich des zweiten Abschnittes des dritten Buches des Handelsgesetz-buches (HGB) fallen.

 

Die in Großbritannien vorherrschende Rechtsform ist die der „Private Limited Company“ (PLC). Sie ist mit der Rechtsform einer deutschen Kapitalgesellschaft ver-gleichbar.

 

„Das externe Rechnungswesen beruht auf der kaufmännischen Buchhaltung in Form der Doppik. Aus ihr werden der handelsrechtliche Jahresabschluß1 mit seinen Bestand-teilen, der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang, sowie die Steuerbilanz2 nach EStG und KStG abgeleitet.“3 Außer bei kleinen Kapitalgesell-schaften ist der Jahresabschluß um einen Lagebericht zu ergänzen.4 Ist ein Unter-nehmen rechtlich dazu verpflichtet, einen Konzernabschluß zu erstellen5, treten eine Kapitalflußrechnung sowie eine Segmentberichterstattung hinzu.6

 

Das britische Pendant zum deutschen Jahresabschluß bilden die „annual accounts“, die analog zur deutschen Rechnungslegung das Endprodukt des „financial accounting“ bilden. „The annual accounts comprise, at a minimum, a balance sheet, an income statement (or profit and loss account) and accompanying notes to the accounts, together with the auditor´s report on the accounts.”7 Laut „Financial Reporting Standard (FRS) 1: Cash flow statements“8 müssen mittlere und große Unternehmen ihre „annual accounts” um ein „cash flow statement” ergänzen.9 Viele börsennotierte Gesellschaften schliessen gemäß allgemeiner Praxis weitere „statements“ und „reports“ in die Jahresberichterstattung ein.1

 

Die formalen Inhalte von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sind im HGB in den §§ 266 bzw. 275 verbindlich geregelt. Für eine Kapitalflussrechnung gibt es keine rechtlich verbindlichen Gliederungsvorschriften.

 

Laut „Companies Act 1985“, dem britischen „Handelsrecht“, haben Unternehmen bei der Erstellung des „balance sheet“ die Wahl zwischen zwei verschiedenen Formaten. Dabei wird ihnen jedoch erhebliche Flexibilität ermöglicht, so daß im Praxisfall häufig wenig Ähnlichkeit mit den vorgegebenen Formaten besteht. Ebenfalls Wahlmöglichkeit in der Darstellungsform besteht bezüglich des „profit and loss account“.2 Hier werden den Unternehmen gleich vier verschiedene Formate zur Auswahl gestellt.3 Für das „cash flow statement“ besteht keine vorgeschriebene Gliederung.

 

Für die nachfolgenden Betrachtungen in diesem Kapitel beschränkt sich der Autor auf den Einzelabschluß der Unternehmen. Dies ermöglicht zum einen eine volle Erörterung der in Deutschland existierenden Interdependenzen zwischen Handels- und Steuerrecht. Zum anderen setzt sich der Erfolg eines Unternehmensverbundes immer aus seinen einzelnen im Rechtssinne selbständigen, wenn auch wirtschaftlich mitunter unselbständigen, Einzelunternehmen zusammen. Sie bilden also die kleinste Einheit, auf die das nachfolgend zu erörternde Zweckverständnis anzuwenden ist. Im folgenden werden nun das Grundanliegen der Rechnungslegung („financial reporting“) bzw. die ihr zugrunde liegenden Philosophie und Konzepte des Jahresabschlusses („annual accounts“) erläutert. Konzernrechnungslegung bzw. „group accounting“ werden erst unter dem Gesichtspunkt internationaler Harmonisierung unter Punkt 5.1 relevant.

 

3.2 Inhaltliches Zweckverständnis und Bedeutungsunterschiede

3.2.1 Adressaten des Jahresabschlusses und der „annual accounts“

 

„Die materiellen Bilanztheorien gehen der Frage nach, wie Form und Inhalt der Rechnungslegung sowie die Bewertung der Bilanzpositionen zu gestalten sind, damit die Rechnungslegungsziele möglichst vollkommen erreicht werden.“1 Um diese Rechnungslegungsziele zu konkretisieren, existieren in der Bilanztheorie verschiedene Ansätze. Mit Blick auf Entwicklung der gesetzlich normierten Rechnungslegung in Deutschland erweist sich der einzelwirtschaftliche Ansatz am gebräuchlichsten. Unter Aspekt sind die Ziele des Jahresabschlusses aus den Zielvorstellungen der am Jahresabschluß interessierten Personen und Institutionen abzuleiten.2

 

Im Gegensatz zu diesem für Deutschland charakteristischen Ansatz sind es in Großbritannien nicht spezifische Zielvorstellungen der individuellen externen Adressaten, an denen sich Zwecke und Ziele des „financial accounting“ ausrichten (vgl. 3.2.2).

 

Zunächst sind die interessierten Personen und Institutionen zu identifizieren. In beiden Ländern existieren mehrere Adressatengruppen des Jahresabschlusses („annual accounts“). Zu ihnen zählen existierende und potentielle Anteilseigner („investors-existing and potential shareholders“), Gläubiger („creditors“), Arbeitnehmer („employees“), Gewerkschaften („unions“), der Staat inklusive der Steuerbehörde („government and tax authority“) sowie Abnehmer und Lieferanten („other interest groups“).3 Jede dieser Gruppen stellt konkrete Ansprüche an das Unternehmen. Investoren sind an einer risiko-adäquaten Mehrung ihres Kapitals interessiert, für die Gläubiger ist die Solvenz des Unternehmens am wichtigsten, Arbeitnehmer wünschen einen krisensicheren Arbeitsplatz, Gewerkschaften treten in Lohnverhandlungen mit der Unternehmensleitung und der Staat sieht das Unternehmen als steuerliche Einnahmequelle und als Eckpfeiler der Wirtschafts- und Beschäftigunspolitik. Das Management gehört im Zuge der nötigen Selbstinformation bezüglich des Unternehmensgeschehens ebenfalls zu den Adressaten des Jahresabschlusses.

 

Gemein ist den aufgezählten Gruppen das Interesse am Fortbestehen des Unter-nehmens, das in beiden Ländern als Going-Concern-Prinzip verstanden wird. Ein grosser Unterschied besteht in der Gewichtung der Interessen der externen Anspruchsgruppen. Sind in Deutschland traditionell die Gläubiger, die Steuerbehörde und nur zu einem geringen Teil die Anteilseigner die wichtigsten Anspruchsgruppen, wird in Großbritannien den existierenden und potentiellen Investoren die größte Auf-merksamkeit zu Teil.

 

3.2.2 Funktionen des Jahresabschlusses und der „annual accounts“

 

Typisch für die Diskussion um Inhalte und Bedeutungen des deutschen Rechnungs-wesens ist die unsaubere Begriffstrennung. So wird von den meisten Autoren, die sich mit der Beschreibung des Jahresabschlusses befassen, nicht eindeutig zwischen Funktion, Aufgabe und Zweck des Jahresabschlusses unterschieden. Da sich aus der Sicht des Autors eine Trennung dieser Begriffe innerhalb der Arbeit als nicht zweckdienlich erweist, werden sie synonym verwendet.

 

Die Kommunikation mit den aufgezählten Adressaten mittels Jahresabschluß wird in Deutschland allgemein unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit dieser Gruppen gesehen.1 Darauf aufbauend lassen sich drei Basisaufgaben des Jahresab-schlusses definieren.

 

Eine häufig vernachlässigte Aufgabe ist die Dokumentation des Unternehmensgeschehens (Dokumentationsfunktion). Diese kommt sämtlichen Anspruchsgruppen zugute. Die Dokumentation bildet die Grundlage für die Objek-tivierbarkeit aller nachfolgenden Handlungen.2

 

Das Bilanzwesen in Deutschland ist auf die Regelung unterschiedlicher und zum Teil gegensätzlicher Interessen gerichtet.3 Eine in diesem Zusammenhang heftig diskutierte Aufgabe ist die der Informationsvermittlung (Informationsfunktion). Vor allem aufgrund der historisch gewachsenen Kapitalstrukturierung deutscher Unternehmen (vgl. Punkt 2.3) ergeben sich divergierende Informationsbedürfnisse. So ist ein Anteilseigner wohl weniger an detaillierten Aussagen über die Höhe bzw. Fälligkeit der Verbindlichkeiten eines Unternehmens interessiert als entsprechende Gläubiger. Ein objektiver Ausweis der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens signalisiert Investoren die zukünftige Ertragskraft. Dagegen schafft die mögliche Bildung stiller Rücklagen (z.B. durch die Wahl verschiedener handels- und steuerechtlicher Abschreibungsmethoden) Intransparenz und impliziert Fehleinschätzungen. Coenenberg vertritt die Auffassung, dass aufgrund der Interessengegensätze eine zufriedenstellende Regelung nur mittels eines objektivierten und normierten Informationsinstruments, dem Jahresabschluß, möglich ist.1

 

Ferner hat der Jahresabschluß die Aufgabe der Gewinnermittlung als Grundlage zur Bemessung ergebnisabhängiger Einkommenszahlungen, wie Dividenden- und Erfolgs-beteiligungen. Der Ausgleich der daraus resultierenden Spannungen (Zahlungsbemessungsinteressen) zwischen Anteilseignern und Gläubigern einerseits sowie zwischen Aktionären und Management andererseits wird als Zahlungsbemes-sungsfunktion bezeichnet.2 Die rechtlich normierte Bestimmung von Mindest-auschüttung und Auschüttungssperre soll Anteilseigner bzw. Gläubiger schützen.

 

Interessant ist hierbei, daß die Ursprünge des Gläubigerschutzgedankens bis 1931 zu den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zurückreichen,3 Grundsätze der Aktionärssicherung aber erst wesentlich später (1965) normierend berücksichtigt worden sind. Trotz ähnlich fataler Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf Großbritannien, kam es dort jedoch zu keinen vergleichbaren gesetzlichen Normierungen, die auf die Gläubigersicherung abzielten.4

 

Neben die drei bisher dargestellten handelsrechtlichen Basisaufgaben des Jahresab-schlusses tritt eine vierte steuerrechtliche. Sie ergibt sich aus dem Anspruch des Fiskus an das Unternehmen und besteht in der Festellung des Steuerbilanzgewinns als Grundlage der Unternehmensbesteuerung. Diese Aufgabe wird auch als Teil der Zahlungsbemessungsfunktion gesehen.5 Widersprüchlich sind auch hier die Interessen von Staat und Anteilseignern. Hohe Steuerzahlungen an den Fiskus und natürlich möglichst geringe Zahlungen vom Gewinn des Unternehmens sind inkompatibel.

 

Das sich aus den erläuterten Sachverhalten für Deutschland ergebende Charakteristikum liegt in dem Versuch, die zum Teil stark divergierenden Funktionen gesetzlich zu normieren. Wie dies unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung geschehen ist, wird unter dem nachfolgenden Punkt erklärt.

 

In Großbritannien bestimmt sich die Aufgabe des Jahresabschlusses nicht nach den individuellen Interessen der Adressaten, zumindest theoretisch nicht. „Accountants do not in general attempt, however, to meet the specific information needs of external users, and the information which they provide is dictated by the concepts which they have followed for a very long time, rather than by the information needs of external users.”1 Die Aufgabe der „annual accounts“ ist es lediglich, Informationen unverzerrt bereitzustellen. Das heißt, dass bei der Erstellung der Jahresabschlussinformationen nicht schon von vornherein versucht wird, mögliche Interessengegensätze der Adressaten auszugleichen. Die Interpretation der Daten ist dann Sache der jeweiligen Anspruchsgruppe.

 

Ohne die eben genannte Auffassung zu untergraben, hat sich allerdings aufgrund der historisch gewachsenen Kapitalmarktorientierung folgende Ansicht etabliert: „The primary objective of published accounts is to provide financial information which investors find useful when making investment decisions.”2 Es wird davon ausgegangen, daß die Detailliertheit der von den Investoren verlangten Informationen die Informationsansprüche aller anderen Interessengruppen hinreichend befriedigt.

 

Es ergeben sich zu erklärende Unterschiede. Der „Code Law – Tradition“ in Deutsch-land folgend, besteht der Zwang potentielle Interessengegensätze gesetzlich zu regulieren. In Großbritannien dagegen bestehen gemäß „common law tradition“ dynamische Regulierungsmechanismen gesetzlicher und „privater“ Natur.

 

3.2.3 Gesetzliche Normierung versus Concepts and Standards

 

Rechtsvorschriften sollen helfen Interessengegensätze auszugleichen und deshalb möglichst klar definierte Anleitungen zur Bewältigung potenzieller Konflikte bieten.3 Interessengegensätze ergeben sich wie dargestellt aus den Jahresabschlußfunktionen Zahlungsbemessung und Informationsvermittlung. Statt aber nun explizit auf diese Aufgaben Bezug zu nehmen, stellen sowohl Handelsrecht als auch Steuerrecht lediglich normative Grundsätze auf. Nirgends wird explizit auf die Aufgaben des Jahresab-schlusses verwiesen. Da ein simultaner Vergleich mit dem britischen System unübersichtlich wäre, werden erst die deutschen Regelungsnormen präsentiert.

 

Zunächst seien die relevanten Rechtsquellen genannt, die Einfluß auf die Erstellung Jahresabschlusses einer Kapitalgesellschaft haben können. Hauptquellen sind das Handelsgesetzbuch und das Steuerrecht, hier vor allem das EStG und das KStG. Bedeutung haben auch das Aktiengesetz, das GmbH Gesetz und das Publizitätsgesetz.1 Allein schon die Anzahl verschiedener Rechtsquellen nötigt ausländischen Betrachtern einen gewissen Respekt ab.

 

Der Inhalt des Jahresabschlusses und damit die Umsetzung der Jahresabschluß-funktionen ergibt sich aus gesetzlich kodifizierten Rechtsvorschriften sowie aus den ergänzend hinzutretenden Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Es herrscht zwar, wie schon erwähnt, in der Literatur keine eindeutige Rangfolge der Jahresabschlußaufgaben, aber dass die Dokumentation die Grundlage für die beiden anderen Funktionen (Zahlungsbemessung und Information) bildet, ist unstrittig. Die Dokumentation als solche hat demnach einen neutralen Charakter.

 

Im ersten und zweiten Abschnitt des dritten Buches des HGB sind Buchführungspflichten und Vorschriften für die Aufstellung des Jahresabschlusses geregelt und bilden damit die gesetzliche Verankerung der Dokumentationsfunktion.2 Dabei bezieht sich § 243 Absatz 1 HGB auf die GoB, deren Bedeutung im Anschluß an die kodifizierten Rechtsnormen erläutert wird.

 

Die Informationsregelungsaufgabe ergibt sich für Kapitalgesellschaften vor allem aus der Vorschrift des § 264 Absatz 2 HGB, derzufolge der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln hat.3 Dieser, auch als „Generalnorm“ bezeichnete Grundsatz, ist zwar „mit dem Wortlaut“ aus der 4. EG-Richlinie zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts in der Europäischen Union übernommen worden, gibt aber in zweierlei Hinsicht Anlaß zur Kritik. Erstens ist der Grundsatz des „true and fair view“, wie er im Original lautet, ein der britischen Praxis entstammender Begriff mit abweichendem Gewicht und Bedeutung. Zweitens entspricht die inhaltliche Ausgestaltung dieses Begriffes in Deutschland eben nicht einem „wahren“ und vor allem keinen „fairen“ Blick. Die Begründung dieser Sichtweise erfolgt unter dem anschliessenden Punkt. Der explizit vorgeschriebene Aufbau der Bestandteile des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften4 gilt als weiteres Indiz für das Ziel der Informationsvermittlung. Ein strittiger Punkt bezüglich der rechtlichen Umsetzung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses ist die Nützlichkeit der bereitgestellten Informationen für die verschiedenen Anspruchsgruppen. In diesem Zusammenhang sind die Implikationen des Maßgeblichkeitsprinzips für die Qualität der aus dem handelsrechtlichen Jahresabschluß generierbaren Informationen zu klären. Da das Maßgeblichkeitsprinzip ebenfalls Auswirkung auf die Interpretation der Generalnorm hat, erfolgt eine gemeinsame nähere Betrachtung unter Punkt 3.2.4.

 

Der Funktion der Zahlungsbemessung wird im Gesetz vielfältig Rechnung getragen. Normierung bezüglich Ausschüttungssperre und Mindestausschüttung erfolgt dabei explizit durch gesetzliche Kodifizierung1 sowie implizit durch die GoB2.

 

„Durch die Erwähnung der GoB im Gesetz (vgl. z.B. §§ 243 Absatz 1, 264 Absatz 2,    § 5 Absatz 1 EstG) stellen diese zwingende Rechtssätze dar, die das schriftlich fixierte Gesetz ergänzen und überall dort greifen, wo Gesetzeslücken auftreten bzw. wo spezifische Gesetzesvorschriften einer Auslegung bedürfen.“3 Nach herrschender Meinung sind die GoB deduktiv aus den Zwecken des Jahresabschlusses abzuleiten.4 Die GoB, die aufgrund fehlender expliziter Kodifizierung auch als unbestimmter Rechtsbegriff gelten, lassen sich schwer systematisieren. Leffson, dem die n.h.M. einzige anerkannte Systematisierung gelang, unterteilt die GoB in obere und untere Grundsätze. Unter den oberen Grundsätzen versteht Leffson die Grundsätze der Richtigkeit und Willkürfreiheit, Klarheit, Vollständigkeit (Rahmengrundstätze oder obere Grundsätze), die Abgrenzungsgrundsätze sowie die Grundsätze der Stetigkeit und Vorsicht (ergänzende oder untere Grundsätze).5 Das Realisationsprinzip sorgt beispielsweise nach den Grundsätzen zeitlicher und sachlicher Abgrenzung für die korrekte Ermittlung des Periodenergebnisses. Das dieses Prinzip modifizierende Imparitätsprinzip dagegen ist eindeutiger Ausdruck des Gläubigerschutzgedankens.

 

Während Teile der GoB erst nachträglich in das HGB implementiert wurden bietet sich in Großbritannien ein umgekehrtes Bild. Die Schaffung verbindlicher Rechnungs-legungsvorschriften für Unternehmen in Großbritannien stellt einen kontinuierlichen und dynamischen Prozeß dar. Verbindlich für PLC´s in Großbritannien sind das Unternehmensrecht („company law“), dessen Rechtsquelle der „Companies Act“ ist, die „United Kingdom – Generally Accepted Accounting Principles“ (UK-GAAP)1 und das „Listing Agreement of the Stock Exchange“, soweit ein Unternehmen an der Börse gelistet werden will.2

 

Wie oben erwähnt, sind es in langjähriger Praxis bewährte Konzepte in Ansatz, Bewertung und Publizierung, die die britische Rechnungslegung charakterisieren. Ähnlich wie die GoB sind diese „concepts“ bis auf wenige Ausnahmen nicht gesetzlich fixiert. Über die Funktion von „financial accounts“ sagen die Konzepte explizit allerdings nichts, obwohl sie in der Literatur auschließlich als Konzepte zuverlässiger Informationsvermittlung gesehen werden und die Grundlage für die „accounting standards“ bilden.

 

Aufgrund unterschiedlicher Auslegungspraktiken wurden ab Beginn der 70er Jahre durch das private „Accounting Standards Committee (ASC)“3 mit der Entwicklung von „Statements of Standard Accounting Practice“ (SSAP) begonnen. Nach herrschender Meinung entspringt diese Tatsache dem Wunsch nach höherer Konformität und Vergleichbarkeit, kurzum besserer Informationsversorgung, aller Nutzer der „financial accounts“.4

 

Der SSAP 2 „Disclosure of Accounting Policy“ ist der bis heute wichtigste Standard5. Er verdeutlicht das für alle Standards gültige Verhältnis zwischen „accounting concepts“, „accounting methods“ (Bewertungsmethoden) und „accounting policies“ (Bilanzpolitik). Die „accounting concepts“ gelten dabei als die Grundlage für die beiden anderen Punkte. Der SSAP 2 enthält die vier einzigen kodifizierten “accounting concepts”: “the going-concern concept, the accruals concept, the consistency concept and the concept of prudence“.6 Diese Konzepte wurden im „Companies Act 1981“ rechtlich verbindlich festgeschrieben. Alle Jahresabschlüsse, die gemäß Companies Act erstellt werden, müssen diesen Konzepten folgen.

 

Der „Companies Act 1989“ verlangt bei Anwendung der „accounting standards“ eventuelle Abweichungen von diesen zu dokumentieren. Außerdem müssen, seit 1948, alle „final accounts“ („annual accounts“), die auf Basis des Companies Act erstellt werden einen „true and fair view“ gewährleisten.1 Dies entspricht der eindeutigen Zielsetzung der „annual accounts“ (unverzerrte Informationsvermittlung) und gilt durch die dargestellten Verknüpfungen implizit auch für alle SSAP und FRS.

 

Speziell in Deutschland ergeben sich jedoch Probleme im Umgang mit den mehr oder minder kodifizierten Normen bezüglich der Erfüllung von Jahresabschlußaufgaben. Dies soll exemplarisch an der Erfüllung der Informationsaufgabe dargestellt werden.

 

3.2.4 GoB und Generalnorm versus “true and fair view”

 

Ein entscheidender Gesichtspunkt sei dieser Erläuterung noch einmal vorausgeschickt. Die Adressaten des deutschen handelsrechtlichen Jahresabschlusses schließen Anteilseigner und Gläubiger als gleichwertige Interessengruppen ein.2 Über das Maßgeblichkeitsprinzip der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bildet die Steuerbehörde die dritte Anspruchsgruppe. In Großbritannien dagegen gibt es nur einen Haupt-interessenten, die Investorengemeinde.

 

3Vergleicht man die reinen Wortlaute der GoB und der „concepts of financial accounting“ miteinander, stellt man erstaunlicherweise fest, dass diese bis auf geringe Abweichungen kaum divergieren. So meint das Going-Concern Prinzip, wie erörtert, in beiden Systemen das gleiche. Weitere begriffliche Übereinstimmung läßt sich vor allem zu den abgeleiteten GoB herstellen. So finden sich die Abgrenzungsgrundsätze Ausdruck im „accruals, realization and matching concept“ wieder. The realization concept identifies the timing of gains (zeitliche Abgrenzung). Es wird verstärkt durch das „matching concept“. The accruals concept enables the accountant properly to record revenues and expenses (sachliche Abgrenzung). The realization concept requires the matching concept that links revenues with relevant expenses for calculating profit (Realisationsprinzip).

 

Der Vergleich zum Vorsichtsprinzip („the concept of prudence/ conservatism“) ergibt Ähnliches. „There are two principle rules which stem directly from the concept of prudence:

 

1 the accountant should not anticipate profit and should provide for all possible losses;

2 faced with two or more methods of valuing an asset, the accountant should choose that which leads to the lesser value.”1

 

Der Grundsatz der Stetigkeit entspricht im wesentlichen dem “concept of consistency”. Die oberen Grundsätze (vgl. 3.2.3) erschließen sich aus dem Selbstverständnis des „true and fair view“.2

 

Der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln.3 Analog erfolgt die Darstellung der dem „true and fair view“ entsprechenden „annual accounts“ auf der Grundlage der „financial accounting concepts“. Offene oder unklare Fragen über die Auslegung dieser Konzepte erfolgen über fallweise Spezifizierungen durch die SSAP oder FRS, die, wie gezeigt wurde, die unverzerrte Informationvermittlung zum Ziel haben.

 

Wie sieht es jedoch praktisch in Deutschland aus ? Den entscheidenden Ansatzpunkt zur Beantwortung dieser Frage bildet das sogenannte „Maßgeblichkeitsprinzip“. Demnach richten sich die Ansätze in der Steuerbilanz - soweit nicht steuerliche Bestimmungen etwas anderes zwingend vorschreiben – nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung.4 „Wegen des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz werden diese „unbestimmten Rechtsbegriffe“ im Regelfall von der Steuerrechtssprechnung, insbesondere der des Bundesfinanzhofs (BFH), ausgelegt.“5 So ist der angestrebte Kompromiss zwischen dem an einer möglichst hohen Steuerzahlung interessierten Fiskus und den an der tatsächlichen, objektiven wirtschaftlichen Informationsvermittlung interessierten Anteilseignern eines Unternehmens eindeutig zugunsten des ersteren verschoben.

 

Eine weitere Folge der einheitlichen Bilanz im Rechtsinne stellt die sogenannte „umgekehrte“ Maßgeblichkeit dar. Sie ergibt sich aus dem § 5 Absatz 1, Satz 2 EstG und den §§ 254, 281 HGB. Dadurch wird es ermöglicht steuerrechtliche Ansatz- und Bewertungswahlrechte1 auch in der Handelsbilanz auszuüben, wobei die Anwendung der Wahlrechte nach Steuerrecht von der Handhabung in der Handelsbilanz abhängig gemacht werden. Diese Umkehrung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes führt zu einer Verkettung der beiden Bilanzen und darüber hinaus zu einer Verzerrung der Handelsbilanz.2

 

Es ist zu konstatieren, dass durch die in sich konsistente Ausrichtung des „Company Law“ und der „accounting standards“ in Verbindung mit den „financial accounting concepts“ am Grundsatz des „true and fair view“ als „overriding principle3“ die Informationsfunktion der „annual accounts“ sichergestellt ist.

 

In Deutschland hingegen erfüllt der Jahresabschluß seine objektive Informations-funktion nicht. Es existiert eine Verzerrung in steuerrechtliche Richtung.

 

Desweiteren können jetzt die im vorangegangenen Kapitel getroffen Aussagen über die Generalnorm und das britische Prinzip des „true and fair view“ belegt werden. Der „true and fair view“ Grundsatz bildet seit 1948 die uneingeschränkte Grundlage jeglicher Weiterentwicklung des Regelungsmechanismus für die Erstellung von „financial accounts“. In Deutschland dagegen wurde dieser Grundsatz unmittelbar aus dem Wortlaut der 4. EG-Richtlinie übernommen und 1985 dem existierenden Rechtsmechanismus einfach übergestülpt. Die Generalnorm bildet also kein allen anderen Regeln zugrunde liegendes Prinzip. Wie auch die Interdependenzen zwischen Handels- und Steuerrecht beweisen, vermittelt der deutsche Jahresabschluß kein den „tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ im handelsrechtlichen, sondern vor allem im steuerrechtlichen Sinn. Der Kompromißversuch zwischen Gläubigern, Anteilseignern und Finanzamt ist nur eingeschränkt fair und nur unter steuerlichen Gesichtspunkten wahr.

 

Kritisch sei allerdings noch angemerkt, dass auch im britischen Regelsystem bezüglich Ansatz- und Bewertung sowie der formellen Gestaltung divergierende Auffassungen zwischen „Companies Act“ und „accounting standards“ bestehen.1 Da jedoch alles unter dem Prinzip des „true and fair view“ betrachtet wird, verliert das Problem an Schärfe.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Rechnungswesen versus Accounting - Vergleich ausgewählter Aspekte in Philosophie und praktischer Handhabung in Deutschland und Großbritannien
Hochschule
Universität Rostock
Note
1.7
Autor
Jahr
2001
Seiten
76
Katalognummer
V185632
ISBN (eBook)
9783656981466
ISBN (Buch)
9783867465298
Dateigröße
901 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rechnungswesen, accounting, vergleich, aspekte, philosophie, handhabung, deutschland, großbritannien
Arbeit zitieren
Felix Tanneberger (Autor:in), 2001, Rechnungswesen versus Accounting - Vergleich ausgewählter Aspekte in Philosophie und praktischer Handhabung in Deutschland und Großbritannien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185632

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