Wirkung eines Biofeedbacktrainings der langsamen kortikalen Potentiale auf eine Epilepsiepatientin


Diplomarbeit, 2001

189 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Theorie
1.1 Epilepsien
1.1.1 Einführung und Definition
1.1.2 Diagnostik von Epilepsien
1.1.3 Klassifikation epileptischer Anfälle und Epilepsien
1.1.4 Modelle zur Entstehung epileptischer Anfälle
1.1.5 Psychische Aspekte von Epilepsien
1.1.6 Behandlung von Epilepsien
1.2 Elektroenzephalographie
1.2.1 Einführung und Definition
1.2.2 Das klinische EEG
1.2.3 EEG und Chaos
1.3 Langsame kortikale Potentiale
1.3.1 Einführung und Definition
1.3.2 Elektrogenese langsamer kortikaler Potentiale
1.3.3 Neuroanatomie und Regulation von langsamen kortikalen Potentialen
1.3.4 Das integrative Modell der langsamen kortikalen Potentiale
1.3.5 Langsame kortikale Potentiale und die Schwellenregulation kortikaler Netzwerke
1.3.6 Langsame kortikale Potentiale und Aufmerksamkeit
1.3.7 Langsame kortikale Potentiale und Epilepsien
1.4 Biofeedback
1.4.1 Definition und Einführung
1.4.2 Anwendung der Methode Biofeedback
1.4.3 Die Methode Biofeedback zur Behandlung von Epilepsien
1.5 Aufmerksamkeit
1.5.1 Einführung und Definition
1.5.2 Einige Aspekte von Aufmerksamkeitstheorien
1.5.3 Das Modell von van Zomeren und Brouwer
1.5.4 Steuerung und Kontrolle der Aufmerksamkeit
1.5.5 Neuroanatomie und -physiologie der Aufmerksamkeit

2 Fragestellungen und Hypothesen
2.1 Fragestellungen
Fragestellung 1
Fragestellung 2
Fragestellung 3
Fragestellung 4
2.2 Hypothesen
Hypothese 1
Hypothese 2
Hypothese 3
Hypothese 4

3 Methoden
3.1 Untersuchungsdesign
3.1.1 Einzelfallanalysen im Allgemeinen
3.1.2 Die vorliegende Einzelfallanalyse im Speziellen
3.2 Charakteristik der Probanden und Institutioneller Rahmen der Untersuchung
3.2.1 Versuchsperson SZ
3.2.2 Kontrollperson EP
3.2.3 Institutioneller Rahmen der Untersuchung
3.3 Meßinstrumente
3.3.1 Testverfahren
3.3.2 Fragebögen
3.3.3 Andere Datenquellen und Testaufgaben
3.4 Meßapparaturen
3.4.1 Meßapparatur zur Erhebung der TAP
3.4.2 Meßapparatur für das Biofeedbacktraining
3.4.3 Meßapparatur zur Erhebung des EEG
3.5 Untersuchungsplan
3.5.1 Unabhängige Variablen
3.5.2 Abhängige Variablen
3.5.3 Kontrollvariablen
3.5.4 Störvariablen
3.6 Untersuchungsdurchführung
3.6.1 Untersuchungsdurchführung der Testphasen (Meßphasen)
3.6.2 Untersuchungsdurchführung der Treatmentphase (Biofeedbacksitzungen)
3.6.3 Untersuchungsdurchführung der EEG-Sitzungen
3.7 Datenbearbeitung und Datenauswertung
3.7.1 Daten der TAP
3.7.2 Biofeedbackdaten
3.7.3 Anfallsdaten
3.7.4 EEG-Daten

4 Ergebnisse
4.1 Langsame kortikale Potentiale
4.1.1 Trainingsumfang
4.1.2 Beobachtung während des Biofeedbacktrainings
4.1.3 Strategien zur Positivierung und Negativierung
4.1.4 Differenzierung von Positivierung und Negativierung
4.1.5 Verlauf der Differenzierung von Positivierung und Negativierung
4.2 Aufmerksamkeit
4.2.1 Alertness
4.2.2 Geteilte Aufmerksamkeit
4.2.3 Go/Nogo
4.2.4 Reaktionswechsel
4.2.5 Gesamtschau der Ergebnisse zur Aufmerksamkeit
4.3 Anfallsdaten
4.3.1 Ergebnisse der Patientin SZ
4.4 Ergebnisse zur Komplexität
4.4.1 LP-Kurven
4.4.2 LP-Kurven der kognitiven Items (Analogien, Rechenaufgaben, Wortflüssigkeit, emotionale Analogien und Zeitreihen)
4.4.3 Entropiewerte
4.5 Testverfahren und Fragebögen
4.5.1 Testverfahren
4.5.2 Fragebögen

5 Diskussion
5.1 Aufmerksamkeitsleistungen
5.2 Leistungen im Biofeedbacktraining
5.2.1 Methodische Aspekte
5.2.2 Inhaltliche Aspekte
5.3 Anfallsgeschehen
5.4 Komplexitätsanalyse
5.5 Testverfahren und Fragebögen

6 Ausblick

7 Zusammenfassung

8 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schema zur Abgrenzung epileptischer Anfälle

Abbildung 2: Stufenmodell der Anfallsentstehung von Heinen und Schmid-Schönbein (1999)

Abbildung 3: Schema zu den verschiedenen Arten der Elektroenzephalographie

Abbildung 4: Schema zur Elektrogenese negativer LP

Abbildung 5: Schema zur Neuroanatomie der langsamen kortikalen Potentiale

Abbildung 6: Schema zu den Grundlagen der Methode Biofeedback

Abbildung 7: Das Modell der Aufmerksamkeit von van Zomeren und Brouwer

Abbildung 8: Ablaufschema von Ruhephase, Trial und Pause

Abbildung 9: gemittelte Kurve über alle Feedbacktrials

Abbildung 10: gemittelte Kurve über alle Transfertrials

Abbildung 11: Effektstärken der Differenzierung im Feedbackund im Transfer-Modus im Verlauf über die Trialdauer

Abbildung 12: gemittelte Kurven für die beiden Modi mit Dreiteilung der Trainingsphase

Abbildung 13: Meßwerte der fünf TAP-Tests für die Versuchsperson SZ

Abbildung 14: Meßwerte der fünf TAP-Tests für die Kontrollperson EP

Abbildung 15: Diagramm der leichten, mittelschweren und schweren Anfälle der Patientin SZ vor und nach dem Biofeedbacktraining

Abbildung 16: zwei ausgewählte Kurven von gelungenen LP-Trials

Abbildung 17: zwei ausgewählte Kurven von LP-Trials mit unklarem Verlauf

Abbildung 18: zwei ausgewählte Kurven von mißlungenen LP-Trials

Abbildung 19: Standardabweichungen der EEG-Sequenzen der vier Bedingungen FP, FN, TP und TN

Abbildung 20: Entropiewerte der EEG-Daten von Kanal 17 und Kanal 18 unter den vier LP-Bedingungen

Abbildung 21: Mittelwerte der Entropieberechnungen der kognitiven Items AN, EA und ZR.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Umfang des Biofeedbacktrainings der Versuchsperson SZ

Tabelle 2: Tamhane-T2-Test auf Differenzierung von Positivierung und Negativierung für die Modi Feedback und Transfer

Tabelle 3: Effektstärken für beide Modi mit Dreiteilung der Trainingsphase

Tabelle 4: Signifikanzwerte des T-Tests bei gepaarten Stichproben sowie Differenzen und Effektstärken der TAP-Messungen

Tabelle 5: Klassifikation der LP-Trials aus den EEG-Sitzungen hinsichtlich ihrer Güte

Tabelle 6: Klassifikation der kognitiven Trials aus den EEG-Sitzungen hinsichtlich der Veränderung der LP

Tabelle 7: Ergebnisse der eingesetzten Testverfahren

Tabelle 8: Ergebnisse des Fragebogens erlebter Defizite der Aufmerksamkeit

Einleitung

In den letzten Jahrzehnten konnte durch verschiedene Forschungsprojekte gezeigt werden, daß die neurophysiologische Aktivität des menschlichen Gehirns durch die Methode Biofeedback der willentlichen Kontrolle zugänglich gemacht werden kann. Diese Erkenntnis ist um so erstaunlicher, da die neurophysiologische Aktivität des Gehirns der bewußten Wahrnehmung entzogen ist. Das ist ein Fortschritt von großer Tragweite, denn dadurch wird es möglich das menschliche Verhalten direkt zu beeinflussen. In Biofeedbackuntersuchungen wird einer Versuchsperson die Entwicklung ihrer langsamen kortikalen Potentiale (LP) rückgemeldet, dadurch erhält sie die Möglichkeit ihre LP willentlich zu beeinflussen. Für Potentialverschiebungen in die vorgegebene Richtung wird die Versuchsperson positiv verstärkt und so wird es möglich die LP-Selbstkontrolle zu erlernen. Nach der Theorie von Elbert und Rockstroh (1987) stellen die LP ein neurophysiologisches Korrelat der Aufmerksamkeitsregulation dar. Das LP-Biofeedbacktraining wurde bei Patientengruppen mit unterschiedlichen Erkrankungen (z.B. Aufmerksamkeitsstörungen, Schizophrenie, Depression) eingesetzt. Epilepsiepatienten erleiden auch aufgrund einer gestörten LP-Selbstregulation wiederkehrende Anfälle, durch das LP-Biofeedbacktraining kann sie wiederhergestellt bzw. verbessert werden. Die Tübinger Arbeitsgruppe um Professor Birbaumer entwickelte ein Therapieprogramm mit dem Epilepsiepatienten die LP-Selbstkontrolle erlernen können (z.B. Strehl, 1998). Nach Durchlaufen dieses Therapieprogrammes zeigen Epilepsiepatienten eine deutliche Senkung der Anfallsfrequenz, damit stellt es eine wichtige Alternative zur herkömmlichen Epilepsiebehandlung mit Antiepileptika dar. Das Epilepsie Zentrum Berlin ist, durch den leitenden Neuropsychologen Heinz Hättig in diesem Forschungsfeld aktiv. Durch die verbesserte Regulation der LP sollte auch die Aufmerksamkeitsleistung der Epilepsiepatienten gesteigert werden. Jedoch ist der Effekt auf die Aufmerksamkeit noch wenig untersucht. In der vorliegenden Arbeit werden die Auswirkungen eines Biofeedbacktrainings auf die Aufmerksamkeit und das Anfallsgeschehen der Epilepsiepatientin SZ untersucht. Durch Prüfung der Abweichung von Positivierung und Negativierung der LP wird die Lernleistung im Biofeedbacktraining überprüft.

1 Theorie

In diesem Kapitel wird der theoretische Hintergrund dieser Untersuchung erläutert. Die Themen Epilepsien, Elektroenzephalographie, langsame kortikale Potentiale, Biofeedback und Aufmerksamkeit werden überblicksweise dargestellt.

1.1 Epilepsien

1.1.1 Einführung und Definition

Das Wort Epilepsie stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet „plötzlich heftig ergriffen und überwältigt". Im Volksmund werden bzw. wurden die Epilepsien als Fallsucht bezeichnet. Heute werden Epilepsien als paroxysmale (anfallsweise auftretende) Funktionsstörungen des Gehirns infolge exzessiver Entladungen von Nervenzellen definiert (Pschyrembel, 1993). Sie werden zur Gruppe der Anfallskrankheiten gerechnet. Zwischen den Begriffen Anfall, nichtepileptischer Anfall, epileptischer Anfall und Epilepsie ist grundsätzlich zu unterscheiden. Bei einem Anfall handelt es sich um eine plötzliche, kurzdauernde Funktionsstörung, die auf unterschiedlichen Krankheiten beruhen kann (z.B. Schlaganfall, Migräne, Krämpfe). Da Anfälle durch verschiedene primäre Erkrankungen, Störungen und Gifte verursacht werden können, haben sie Symptomcharakter. In der Neurologie werden Anfälle, bei denen es erst sekundär zu Gehirnfunktionsstörungen kommt, als nichtepileptische Anfälle (z.B. psychogene Anfälle, Schlafapnoe, Narkolepsie). bezeichnet. Den nichtepileptischen und den epileptischen Anfällen ist das klinische Erscheinungsbild gemein. Unter entsprechenden Bedingungen (z.B. Hypoglykämie, Sauerstoffmangel, Vergiftung) kann jeder Mensch einen epileptischen Anfall (Gelegenheitsanfall) erleiden. Epileptische Anfälle sind ein Symptom und keine Krankheit d.h. sie gehen nicht immer mit einer Epilepsie einher. Etwa 5 % der Bevölkerung erleiden irgendwann im Leben einen einzelnen epileptischen Anfall, ohne daß sich daraus eine Epilepsie entwickelt (Schmidt, 1997; Stefan, 1999). Epilepsien sind chronische Erkrankungen des Gehirns die sich in epileptischen Anfällen äußern. 0,5 bis 1 % der Bevölkerung leiden an einer Epilepsie (in Deutschland sind das 400000 bis 800000 Menschen) (Keränen & Riekkinen, 1988). Jedes Jahr kommen Neuerkrankte im Bereich zwischen 0,03 und 0,05 % der Bevölkerung hinzu (in Deutschland sind das 24000 bis 40000 Menschen). Damit zählen die Epilepsien zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Schema zur Abgrenzung epileptischer Anfälle

1.1.2 Diagnostik von Epilepsien

Die richtige Diagnose einer Epilepsie bildet die Grundlage einer erfolgreichen Behandlung. Bei der Epilepsiediagnostik kommen nicht selten Fehler vor, so werden bei 20 bis 25 % der Patienten nichtepileptische Anfälle irrtümlich einer Epilepsie zugeordnet (Stefan, 1999). Im folgenden wird der Routineweg zur Diagnose einer Epilepsie skizziert. Zuerst wird festgestellt, ob epileptische oder nichtepileptische (z.B. psychogene) Anfälle vorliegen. Sind epileptische Anfälle gesichert, so muß entschieden werden, ob es sich um organische Gelegenheitsanfälle (z.B. durch Einnahme von Drogen oder Medikamenten) oder um epileptische Anfälle im engeren Sinn handelt. Treten epileptische Anfälle chronisch auf, ist zu untersuchen, um welche Art von Epilepsie es sich handelt. Zur Diagnose einer Epilepsie sind die verschiedenen Symptome, die Anfallsart, die Ätiologie (Krankheitsursache), die Altersbindung und die Anamnese zu berücksichtigen. Neben der körperlichen und neurologischen Untersuchung spielt die Anfallsanamnese eine wichtige Rolle. Hier sind (evtl. durch Fremdanamnese) Erstsymptome, Anfallsablauf, postiktale (zeitlich nach einem Anfall auftretende) Phänomene, Umstände, zeitliches Auftreten und Auslösefaktoren der Anfälle zu erfragen. Wichtige Informationsquellen bei der Diagnose einer Epilepsie sind das klinische Bild und das EEG des Anfalls, sowie bildgebende Verfahren. Bei der Diagnose von Epilepsien kann die Beschränkung auf den rein somatischen Aspekt zu Fehleinschätzungen und -behandlungen führen. Bei einigen Epilepsiepatienten liegen psychische Störungen vor (siehe 1.1.5). Oftmals werden im Zusammenhang mit Epilepsiepatienten Fragen (z.B. Schulfähigkeit, Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs, Berufswahl) aufgeworfen, die durch eine psychodiagnostische Untersuchung zu beantworten sind. Durch neuropsychologische Testverfahren werden kognitive Funktionen wie Intelligenz, Gedächtnis, Sprache und Aufmerksamkeit untersucht. Neuropsychologische Untersuchungen liefern im Rahmen der präoperativen Diagnostik (z.B. Wada-Test) und bei der Lokalisation epileptischer Foki wertvolle Hinweise.

1.1.3 Klassifikation epileptischer Anfälle und Epilepsien

Die vorliegende Arbeit bezieht sich primär auf Epilepsien mit partiellen Anfällen. Auf eine differenzierte Darstellung sämtlicher Anfallsformen und Epilepsien wird daher verzichtet. Die International League Against Epilepsy (ILAE) publizierte 1981 eine Klassifikation der epileptischen Anfälle und im Jahr 1989 legte sie eine Klassifikation der Epilepsien und Epilepsiesyndrome vor. Diese beiden Klassifikationssysteme stießen in Fachkreisen auf breite Anerkennung, deshalb werden sie im Folgenden kurz vorgestellt.

Klassifikation epileptischer Anfälle

Diese Einteilung stützt sich zur Diagnose der Anfälle v.a. auf die Analyse des EEGs und auf die klinische Beschreibung der Anfälle. Sie gliedert sich in drei Hauptpunkte:

1. Partielle (Fokale, Lokale) Anfälle
2. Generalisierte Anfälle (konvulsiv oder nichtkonvulsiv)
3. Nicht klassifizierte epileptische Anfälle

Hier ist es wichtig zwischen partiellen (fokalen, lokalen) und generalisierten Anfällen zu unterscheiden. Partielle Anfälle haben ihren Ursprung in einem umschriebenen Neuronensystem (Fokus) einer Hemisphäre. Die meisten partiellen Anfälle beginnen mit einer Aura („Vorbote“, „Vorgefühl“). Aus partiellen Anfällen können sich sekundär generalisierte Anfälle entwickeln. Die (primär) generalisierten Anfälle erfassen beide Hemisphären des Gehirns in ihrer Gesamtheit. Dabei werden Absencen (Petit Mal), Myoklonien, klonische, tonische, tonisch-klonische (Grand Mal) und atonische Anfälle unterschieden. Das Biofeedbacktraining zur Selbstkontrolle der langsamen kortikalen Potentiale kommt v.a. für die Behandlung von Patienten mit partiellen Anfällen in Betracht, daher wird auf die partiellen Anfälle näher eingegangen. Sie untergliedern sich in:

A. Einfach-partielle Anfälle (mit erhaltenem Bewußtsein)
B. Komplex-partielle Anfälle (mit Bewußtseinsstörung; Beginn manchmal mit einfacher Symptomatik)
C. Partielle Anfälle mit Entwicklung zu sekundär generalisierten Anfällen (generalisiert tonisch-klonisch, tonisch oder klonisch)

Insgesamt betrachtet sind partielle Anfälle die häufigsten Anfälle von Patienten mit Epilepsie (Schmidt, 1997). Sie werden in einfach-partielle und komplex-partielle Anfälle unterteilt. Für die Unterteilung ist entscheidend, ob während des Anfalls eine Bewußtseinsstörung vorliegt oder nicht. Einfach-partielle Anfälle kommen bei allen Arten lokalisationsbedingter Epilepsien vor. Komplex-partielle Anfälle gehen zu 80 % vom Temporallappen (Temporallappenepilepsien) aus (Schmidt, 1997). An dieser Stelle möchte ich kurz die wichtigsten Merkmale und den Ablauf eines komplex-partiellen (ehemals psychomotorischen) Anfalls schildern. Solche Anfälle werden meist durch eine Aura eingeleitet. Darauf folgt eine Bewußtseinstrübung, die Person wirkt umdämmert und reagiert nicht mehr oder nicht mehr angemessen auf Ansprache. Im Anfall kommt es bei den meisten Patienten zu sich wiederholenden, scheinbar sinnlosen Handlungen (z.B. Nestelbewegungen, Kauen, Schmatzen), die in der Situation unpassend sind (Sanofi Winthrop GmbH, 1998). Der Anfallskranke kommt i.d.R. erst allmählich wieder zu sich. Anfälle dieser Art können Sekunden bis zu mehreren Minuten dauern.

Klassifikation der Epilepsien und Epilepsiesyndrome

Die Klassifikation der Epilepsien und Epilepsiesyndrome ist in folgende Hauptpunkte untergliedert:

1. Lokalisationsbezogene (fokale, lokale, partielle) Epilepsien und Syndrome
2. Generalisierte Epilepsien und Syndrome
3. Epilepsien und Syndrome mit unklarer fokaler oder generalisierter Zuordnung
4. Spezielle Syndrome

Dabei umfassen die einzelnen Klassen verschiedene Fälle von großer Variabilität. Die ersten Symptome eines Anfalls sind oft die wichtigsten Indikatoren für seinen Ursprungsort, wohingegen die nachfolgenden Anfallszeichen seine eventuelle Ausbreitung im Gehirn anzeigen. Neben den fokalen Epilepsien werden zu den lokalisationsbezogenen Epilepsien auch jene mit weniger gut definierbaren Läsionen gezählt. Im Rahmen dieser Arbeit sind v.a. die lokalisationsbezogenen Epilepsien und Syndrome von Belang. Deshalb hier die Untergliederung der Lokalisationsbezogenen Epilepsien und Syndrome:

1.1 Idiopathisch (mit altersbezogenem Beginn)

1.2 Symptomatisch

1.3 Kryptogenetisch

Lokalisationsbezogene Epilepsien werden als idiopathisch klassifiziert, wenn sie selbständig und ohne erkennbare Ursache auftreten, jedoch eine Altersbindung (z.B. Neugeborenenkrämpfe, juvenile Absence-Epilepsien) oder eine familiäre Disposition besteht. Lokalisationsbezogene Epilepsien sind symptomatisch, wenn ein pathologischer neurologischer Befund (z.B. Fehlbildungen oder Sklerosen im Gehirn) oder eine Läsion ursächlich sind. Schließlich werden lokalisationsbezogene Epilepsien als kryptogenetisch bezeichnet, wenn eine Ursache nicht nachweisbar ist und keine Altersbindung und familiäre Disposition vorliegen.

1.1.4 Modelle zur Entstehung epileptischer Anfälle

Es existieren einige, v.a. medizinische Modelle zur Entstehung epileptischer Anfälle. Im Folgenden werde ich mich auf zwei dieser Ansätze beschränken.

Das verhaltensmedizinische Stufenmodell der Anfallsentstehung von Heinen und Schmid-Schönbein (1999)

Das Modell von Heinen und Schmid-Schönbein (1999) wird im Folgenden in seinen Grundzügen erläutert. Es entstand im Rahmen des Projektes „Selbstkontrolle bei Epilepsien“. Das Modell von Heinen und Schmid-Schönbein (1999) ist auf der verhaltensmedizinischen Ebene angesiedelt. Es baut auf das verhaltensmedizinische Modell von Dahl (1987) auf und erweitert den medizinischen Ansatz zur Erklärung epileptischer Anfälle. Nach dem medizinischen Ansatz werden monokausal organische Schädigungen und Fehlfunktionen zur Erklärung epileptischer Anfälle herangezogen. Solche organischen Schäden führen nach dem medizinischen Ansatz zufällig und plötzlich zu epileptischen Anfällen. Nach dem Stufenmodell der Anfallsentstehung wird ein epileptischer Anfall als Ende einer langen Verhaltenskette und Resultat der Interaktion folgender Belastungsfaktoren verstanden:

1. Belastende externe und interne Stimuli d.h. „kritische Reizkonstellationen“ (z.B. hohe Erwartungen, Schlafmangel)
2. Erworbene oder ererbte Bereitschaft, mit Anfällen zu reagieren
3. Ungünstige körperliche und emotionale Verfassungen oder Gestimmtheiten (z.B. Anspannung, Müdigkeit)

Die individuelle organische Prädisposition, mit Anfällen zu reagieren, ist eine Voraussetzung für das Entstehen von Anfällen. Jedoch führt diese Vulnerabilität, z.B. durch einen epileptogenen Fokus, nicht zwangsläufig zu epileptischen Anfällen. Im Gegensatz zum medizinischen Ansatz bietet das Stufenmodell der Anfallsentstehung Erklärungsmöglichkeiten für die aktive Einflußnahme des Betroffenen (z.B. Anfallsverhinderung). Maßnahmen gegen die Entstehung epileptischer Anfälle (Gegenmaßnahmen), setzen v.a. an den Faktoren 1 und 3 an. Der Faktor 1 beschreibt Reize, die das Anfallsgeschehen negativ beeinflussen können. Der Faktor 3 bezieht sich auf physische und psychische Zustände die ebenfalls das Anfallsgeschehen negativ beeinflussen können. Im Rahmen der Selbstkontrolle der Epilepsien geht es um die Vermeidung oder Veränderung ungünstiger, das Anfallsrisiko erhöhender Stimuli (z.B. durch Anwendung einer Entspannungsübung). Im ungünstigen Fall führt die Interaktion von Belastungsfaktoren zu einem erhöhten Anfallsrisiko. Reagiert der Betroffene darauf mit anfallsförderndem Verhalten, kommt es zum epileptischen Anfall.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Stufenmodell der Anfallsentstehung von Heinen und Schmid-Schönbein (1999)

Das neurologische Modell zur Anfallsentstehung von Wyler und Ward (1980)

Dieses Modell ist weit spezifischer und detaillierter als das vorhergehende, jedoch beschränkt es sich auf die organische Ebene der Anfallsentstehung. Mit Hilfe von Tierexperimenten entwickelten Wyler und Ward (1980) ein Modell der Entstehung epileptischer Anfälle. Durch elektrophysiologische Messungen konnten zwei Gruppen von epileptogenen Neuronen identifiziert werden. Neuronen der Gruppe 1 finden sich in der Mitte des Fokus. Sie sind stark geschädigt und „feuern“ permanent im Modus epileptischer Erregung, unabhängig vom individuellen Verhalten. Ihre Aktivität ist nicht durch benachbarte Zellen beeinflussbar. Die Gruppe 1 Neuronen sind von Neuronen der Gruppe 2 umgeben. Sie sind weniger geschädigt und ihr Erregungszustand ist vom individuellen Verhalten und von der Aktivität der benachbarten Areale beeinflussbar. Sie können sich im Modus normaler, gesunder Erregung, aber auch im pathogenen Modus epileptischer Erregung befinden. Bei der Entstehung eines Anfalls werden Neuronen der Gruppe 2 von Neuronen der Gruppe 1 rekrutiert, d.h. sie werden in die Anfallsaktivität mit einbezogen und „feuern“ daraufhin ebenfalls im Modus epileptischer Erregung. Aus diesem Grund werden Gruppe 1 Neuronen als „Pacemaker“ oder Schrittmacherzellen bezeichnet. Die Ausbreitung epileptischer Aktivität führt i.d.R. zu einem partiellen Anfall. Werden auch die anderen, gesunden Areale des Gehirns in ihrer Gesamtheit rekrutiert, also in den Anfall mit einbezogen, kommt es zu einem sekundär generalisierten Anfall. Dabei bilden die Schrittmacherzellen die organische Voraussetzung für die Disposition, mit epileptischen Anfällen zu reagieren. Jedoch führt ihr bloßes Vorhandensein nicht zwangsläufig zu Anfällen. Für die Anfallsentstehung sind die Neuronen der Gruppe 2 von entscheidender Bedeutung. Einerseits wird ihre Aktivität durch das Verhalten des Individuums beeinflusst, und sie können ihre normale, gesunde Funktion im System Gehirn erfüllen (Anfallsverhinderung). Andererseits zeigen sie eine höhere Bereitschaft, in den epileptischen Erregungsmodus zu verfallen als gesunde Nerzenzellen (Anfallsförderung). Ein Anfall entsteht erst, wenn genügend Neuronen der Gruppen 1 und 2 im epileptischen Modus „feuern“. In Analogie zur Kernreaktion sprechen die Autoren von einer „kritischen Masse“ an Neuronen, die überschritten werden muß, um einen epileptischen Anfall herbeizuführen.

1.1.5 Psychische Aspekte von Epilepsien

50 % aller Epilepsiepatienten unterscheiden sich psychisch nicht von der Durchschnittsbevölkerung. Für sie gilt der Satz: „Der epileptische Mensch ist ein gewöhnlicher Mensch, dem ab und zu etwas Ungewöhnliches passiert“ (Zitat nach Matthes & Schneble, 1992, S. 172). Viele Epilepsiepatienten erreichen einen Schulabschluß, sind später beruflich voll eingegliedert und führen ein normales Familienleben. Dies trifft vor allem zu, wenn keine Läsion des Gehirns vorliegt. Die Geschichte zeigt, daß einige von Epilepsie Betroffene sehr erfolgreich waren. So litten Cäsar, Peter der Große, Händel, Dostojewski, Helmholtz und van Gogh an Epilepsien. Nicht zuletzt deshalb, weil Epilepsien chronische Erkrankungen sind, klagen viele Patienten über soziale Konflikte und psychische Störungen. Die psychopathologischen Symptome beruhen auf der Verflechtung organischer, medikamentöser und psychischer Faktoren. Die Bedeutung dieser Faktoren ist individuell verschieden. Psychische Störungen können die Persönlichkeit, das Verhalten, die Affektivität und die Kognitionen des Patienten betreffen. Persönlichkeitsstörungen werden bei weniger als 20 % der Epilepsiepatienten beobachtet (Klosterkötter, 1984, zitiert nach Stefan, 1999). Bei Epilepsien treten zahlreiche Verhaltensstörungen auf, häufig beobachtet werden z.B. Störungen der Sexualität wie verminderte Libido oder Impotenz (Impotenz wird bei 15-30 % der Epilepsiepatienten festgestellt). Verhaltensänderungen werden bei verschiedenen Epilepsietypen beobachtet, vor allem jedoch bei Patienten mit Temporallappenepilepsien (TLE). Die Depression ist mit 25 % die häufigste affektive Störung bei Epilepsien (Schmidt, 1997). Furcht vor Offenbarwerden epileptischer Anfälle, Abhängigkeit von Bezugspersonen, berufliche Schwierigkeiten, subjektive Unterlegenheitsgefühle, psychosoziale Probleme und Auswirkungen der Stigmatisierung können eine depressive Entwicklung forcieren. Der Suizidanteil an der Gesamtmortalität liegt für Epilepsiepatienten bei 8 % und ist damit viermal höher als in der Allgemeinbevölkerung (Stefan, 1999). Es gilt als erwiesen, daß Grand mal Anfälle in größerer Zahl zu sekundären Läsionen im Gehirn (z.B. Atrophien) führen (Matthes & Schneble, 1992). Entsprechend dem betroffenen Funktionsbereich verursachen diese Läsionen neurologische Störungen. Bei Epilepsiepatienten werden verschiedene Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungen berichtet, vermehrt treten Störungen der Flexibilität (z.B. Neigung zu Perseverationen), der Aufmerksamkeit, der Konzentration und der Psychomotorik auf (König, 1987). Dabei ist es mitunter schwer bzw. nicht zu entscheiden, ob diese kognitiven Defizite eine Folge der Epilepsie oder eine Nebenwirkung der Antiepileptika sind. Bei lokalisationsbezogenen Epilepsien finden sich spezifische kognitive Defizite, und zwar Störungen jener Funktionen, die mit dem Ursprungsort der Anfälle assoziert sind. Patienten mit linkstemporaler Epilepsie leiden beispielsweise häufig an Defiziten des verbalen Gedächtnisses (Gleissner, Helmstaedter, Di Perna & Elger, 1999). Abschließend sollen an dieser Stelle die psychogenen (ehemals hysterischen) Anfälle erwähnt werden. Es gibt Schätzungen, wonach etwa 10 % der Patienten mit schwerbehandelbaren Epilepsien zusätzlich psychogene Anfälle haben (Schmidt, 1997). Dies sind nichtepileptische Anfälle, die epileptische Anfälle „imitieren“ und aus denen der Patient unbewußt einen Krankheitsgewinn zieht. Psychogene Anfälle haben nichts mit Simulation zu tun, sondern es handelt sich um Vorgänge, die bewußtseinsfern ablaufen. Im Gegensatz dazu werden simulierte Anfälle als bewußtes Täuschungsmanöver eingesetzt. Psychogene Anfälle werden bisweilen als epileptische Anfälle verkannt. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal u.a. ist, daß bei psychogenen Anfällen das EEG im Anfall keine epilepsietypische Aktivität zeigt.

1.1.6 Behandlung von Epilepsien

Epilepsien und die damit verbundenen Anfälle bringen für den Betroffenen große soziale, psychische und körperliche Belastungen mit sich. Diese Aspekte sind im Rahmen der Epilepsiebehandlung zu beachten. Es ist wichtig, daß die Person des Patienten durch die behandelnde Person in ihrer Individualität und Gesamtheit gesehen und akzeptiert wird. Die Aufklärung des Patienten und das Verhältnis zwischen Therapeut und Patient sind von grundlegender Bedeutung für die Compliance des Patienten und damit für den Erfolg der Behandlung. Viele Epilepsien werden durch eine geregelte Lebensführung (z.B. regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, geringer Alkoholkonsum) positiv beeinflusst. Daneben gilt es, anfallsauslösende Faktoren wie Streß, große Anstrengungen z.B. durch Sport und Sonnenexposition zu vermeiden. Bei der Behandlung von Epilepsien nimmt die Medizin und hier v.a. die Antiepileptikabehandlung eine vorherrschende Stellung ein. Daneben haben sich andere, alternative Methoden zur Behandlung von Epilepsien entwickelt. Im folgenden werden neben den medizinischen einige psychologische Methoden zur Behandlung von Epilepsien erläutert.

Medizinische Behandlung

Die medizinische Behandlung von Epilepsien ist weitgehend pharmakologisch orientiert. Es stehen etwa 15 bis 20 verschiedene anfallshemmende Substanzen zur Verfügung. An der medikamentösen Epilepsiebehandlung ist grundsätzlich zu kritisieren, daß sie nicht kurativ ausgerichtet ist und sich weitgehend auf die Symptombehandlung beschränkt. Dieser Kritikpunkt trifft auf die Epilepsiechirurgie nicht zu. In der Regel wird ein epilepsiechirurgischer Eingriff erst nach erfolgloser Verabreichung von mind. drei Antiepileptika (entspricht i.a. Pharmakoresistenz der Epilepsie) erwogen. Etwa 20 % der Epilepsien gelten als pharmakoresistent (Heinen & Schmid-Schönbein, 1999). In Deutschland kommen nur 3-5 % der Epilepsiepatienten für einen epilepsiechirurgischen Eingriff in Frage (Stefan, 1999). Ob ein Patient für einen chirurgischen Eingriff in Frage kommt, wird im Rahmen der prächirurgischen Diagnostik untersucht. Das Ziel eines operativen Eingriffs besteht darin, einen epileptogenen Fokus zu entfernen oder die Ausbreitung partieller epileptischer Aktivität zu unterbinden. Ziel einer medikamentösen Behandlung ist die Anfallsfreiheit des Patienten bei Vermeidung körperlicher und psychischer Nebenwirkungen. Bei der Mehrzahl der Patienten müssen mehrere Behandlungsversuche mit verschiedenen Präparaten durchgeführt werden, um einen zufriedenstellenden Erfolg zu erzielen. Die Effektivität der einzelnen Substanzen ist unterschiedlich, so daß in Abhängigkeit vom Anfallstyp, der Verträglichkeit und evtl. vorliegender Kontraindikationen die Medikamente der ersten, der zweiten und der weiteren Wahl unterschieden werden. Carbamazepin gilt beispielsweise als Antiepileptikum der ersten Wahl bei partiellen Anfällen. Antiepileptika werden in Monotherapie oder in Kombinationstherapie eingenommen. Erst wenn sich eine Monotherapie als nicht wirksam erwiesen hat, wird auf eine Kombinationstherapie zurückgegriffen. Durch die Wirkung der Antiepileptika wird entweder die neuronale Übererregbarkeit gehemmt oder es werden die natürlichen Hemmechanismen verstärkt. Ein wirksamer Effekt ist nur durch eine langfristige Behandlung in der individuell angepaßten Dosierung zu erreichen. Wichtige Kriterien zur Beurteilung des Therapieerfolges sind Anfallsfrequenz, Ausprägung, Dauer und Schwere der Anfälle sowie psychische und andere Symptome. Antiepileptika wirken nicht lokal begrenzt auf das epileptogene Areal, sondern unspezifisch auf das gesamte System Gehirn. Diese Eigenschaft kann aufgrund der hemmenden Wirkung von Antiepileptika zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Antiepileptika verursachen bei 30-50 % der Patienten Nebenwirkungen (Schmidt, 1997). Die möglichen Nebenwirkungen bei Antiepileptikabehandlung sind zahlreich. So werden Tremor, Intoxikationen, Enuresis, Hyperaktivität, Anorexie, Psychosen, Schlafund Sprachstörungen bis hin zu Komplikationen wie Polyneuround Enzephalopathien, Veränderungen des Blutbildes und allergische Reaktionen (Stefan, 1999) beobachtet. Durch die Dauermedikation von Antiepileptika kann es auch zur Chronifizierung von Nebenwirkungen kommen. Durch Antiepileptika werden etwa zwei Drittel aller Epilepsiepatienten anfallsfrei (Schmidt, 1997). Das bedeutet etwa bei einem Drittel der Patienten zeigen Antiepileptika keine befriedigende Wirkung. Dabei gelten komplex-partielle Anfälle als therapieresistenteste Form der Epilepsie (Tassinari & Roger, 1975, zitiert nach Hönack, 1987)

Psychologische Behandlung

Etwa 15 bis 20 % der Epilepsiepatienten kann durch die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten nicht geholfen werden. In einer Untersuchung von Jungmann (1981) wurden Problembereiche von Epilepsiepatienten erfaßt. In dieser Studie erreicht die Thematik: „Mangelnde Medikamentenwirksamkeit, Frage nach Umstellung der Medikamente, Frage nach alternativen Behandlungsmethoden“ mit 33 % die größte Häufigkeit. Es besteht also ein großer Bedarf an Alternativen zur medizinischen Epilepsiebehandlung. In diesem Feld sind psychologische, insbesondere verhaltenstherapeutische Methoden ein wichtiges Standbein. Im Rahmen einer Umfrage stellt Fenwick (1991) fest, daß ein Viertel bis ein Drittel der Patienten einer Epilepsieklinik Anfälle willkürlich herbeiführen können. Ebenfalls durch eine Umfrage stellt Loza (nicht datiert, zitiert nach Fenwick, 1991) heraus, daß 53 % der Patienten einer Epilepsieklinik Anfälle manchmal selbständig durch bestimmte Maßnahmen (z.B. laut und deutlich „nein“ sagen) stoppen können. In der gleichen Studie wird festgestellt, daß epileptische Anfälle häufig entstehen, wenn sich der Patient in einem bestimmten mentalen Zustand befindet. Es sind z.B. die Zustände Anspannung (68 %), Niedergeschlagenheit (65 %) und Müdigkeit (50 %), welche Patienten oft in die Nähe eines Anfalls bringen. Diese Befunde zeigen, daß viele Epilepsiepatienten über individuelle Verhaltensweisen, mentale Zustände und damit verbundene physiologische Korrelate (z.B. Aktivität des Gehirns; siehe 1.1.4) ihre Anfälle willentlich beeinflussen und sie sowohl auslösen als auch verhindern können. An dieser Stelle möchte ich das Therapieprogramm von Heinen und Schmid-Schönbein (1999) erläutern. Dieses Programm wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Selbstkontrolle epileptischer Anfälle – ein verhaltensmedizinischer Ansatz zur Kontrolle epileptischer Anfälle für Jugendliche“ entwickelt. Die jugendlichen Teilnehmer dieser Studie erlernen Maßnahmen zur Vermeidung/Veränderung von Belastungsfaktoren, anfallsverhinderndes Verhalten und spezifische Gegenmittel zur Unterbrechung von Auren. Diese Maßnahmen zur Anfallsverhinderung und -vermeidung werden unter dem Oberbegriff Gegenmaßnahmen zusammengefasst. Auch die Positivierung und/oder Negativierung der langsamen kortikalen Potentiale kann zur direkten Anfallsabwehr eingesetzt werden. Das Programm von Heinen und Schmid-Schönbein (1999) ist in fünf Phasen unterteilt:

1. Erstgespräch und Basisdatenerhebung (1-2 Einzelsitzungen, ca. ein Monat)
2. Therapiephase I: Erste Entwicklung von Gegenmaßnahmen (6-8 Einzelsitzungen, ca. zwei bis drei Monate)
3. Therapiephase II: Überprüfung und Weiterentwicklung der Gegenmaßnahmen (Wechsel zwischen Einzelund Gruppensitzungen, ca. sechs Monate)
4. Therapiephase III: Konsolidierung, ggf. Effektivierung oder Ökonomisierung der Gegenmaßnahmen (regelmäßige Gruppensitzungen und erstes „Follow-up“, ca. drei bis sechs Monate)
5. Endphase: Ausstieg (sporadische Gruppensitzungen und zweites „Follow-up“, ca. drei bis sechs Monate)

Im Erstgespräch werden die Jugendlichen über das Therapieprogramm und den Behandlungsansatz informiert. In der Therapiephase I werden zwei inhaltliche Schwerpunkte gesetzt, zum einen das Erlernen einer genauen Selbstbeobachtung und zum anderen die Anwendung des Erlernten für die Entwicklung von Gegenmaßnahmen. In dieser Phase erlernen die Teilnehmer eine von zwei angebotenen Entspannungstechniken (Progressive Muskelentspannung nach Jakobsen oder Entspannung durch Visualisierung einer ruhigen Situation). Grundsätzlich kann durch Entspannungstechniken das Anfallsleiden von Epilepsiepatienten positiv beeinflusst werden. Einerseits wirkt konzentrierte Entspannung anfallsverhindernd (Anfallsprävention) und andererseits wird dadurch Streß abgebaut und so der Patient stabilisiert. In der Therapiephase II werden die erlernten Gegenmaßnahmen überprüft und weiterentwickelt. In Gruppensitzungen unterstützen und motivieren sich die einzelnen Gruppenmitglieder („Experten“ für Epilepsie) gegenseitig. In der Therapiephase III liegt der Schwerpunkt auf der automatisierten Durchführung der Maßnahmen zur Selbstkontrolle der Anfälle. In der Endphase des Programms wird durch sporadische Gruppensitzungen ein schleichender Ausstieg aus dem Programm herbeigeführt. Neben diesem Programm existieren andere verhaltensorientierte Therapieprogramme ähnlichen Inhalts, z.B. von Dahl (1987) und von Andrews, Janis und Reiter (1987, zitiert nach Heinen & Schmid-Schönbein, 1999). Es gibt einige vielversprechende psychologische Ansätze zur Behandlung von Epilepsien (z.B. systematische Desensibilisierung bei Reflexepilepsien, Gegenkonditionierung, Kontingenzmanagment), die hier jedoch nicht dargestellt werden können und sollen. Epilepsiepatienten können als Folge der Anfälle oder der Pharmakotherapie an psychischen (siehe 1.1.5) oder psychosozialen Symptomen leiden und zur Selbstoder Fremdgefährdung neigen. Insbesondere nach schweren Anfällen kann es zu posttraumatischen Belastungsstörungen kommen. Treten solche Symptome auf, ist eine „klassische“ Psychotherapie (z.B. Psychoanalyse, Gesprächstherapie) bzw. eine Krisenintervention zur Klärung und Entlastung des Epilepsiepatienten angezeigt. Bei einer Psychotherapie wird das Verständnis des Patienten für sich und seine Anfälle gefördert und er wird angeleitet, Konflikte und Ängste, die mit der Epilepsie einhergehen, zu bearbeiten. Eine Steigerung des psychischen Wohlbefindens beim Patienten führt zu größerer Entspannung und Zufriedenheit, dies sind beides anfallsverhindernde emotionale Zustände. Ein vielversprechender Ansatz zur psychologischen Behandlung von Epilepsien ist die Kombination mehrerer Therapieprogramme bzw. Ansätze. Das Therapieprogramm von Strehl (1998) setzt sich beispielsweise aus verhaltenstherapeutischen und Biofeedback-Anteilen zusammen. In den letzten Jahren wurden aufbauend auf die Methode Biofeedback verschiedene Ansätze zur Behandlung von Epilepsiepatienten entwickelt (siehe 1.3.7).

1.2 Elektroenzephalographie

1.2.1 Einführung und Definition

Elektroenzephalographie ist ein Verfahren zur Messung und Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns. Das menschliche Gehirn ist ein biologischer Potentialgenerator, es erzeugt kontinuierlich sich verändernde schwache elektrische Potentiale. Primär sind es erregende postsynaptische Potentiale (EPSPs) von Pyramidenzellen, die sich, vor allem im Bereich der Dendriten, überlagern und dadurch zu veränderlichen Summenpotentialen (Potentialschwankungen) führen. Eine wichtige Voraussetzung zur Entstehung meßbarer Potentiale ist die synchrone Erregung vieler apikaler (an der Spitze gelegener) Dendriten durch den Thalamus. In die Summenpotentiale gehen auch subkortikale elektrische Potentiale ein, doch ihr Beitrag ist sehr gering (zur Entstehung meßbarer Potentiale, siehe 1.3.2). Die kurzzeitigen Potentialschwankungen werden verstärkt, um das Kurvenbild der Potentialschwankungen, das Elektroenzephalogramm (EEG), aufzuzeichnen. Richard Caton ist der Entdecker des EEGs, er leitete 1875 erstmals spontane Spannungsschwankungen vom Kortex von Versuchstieren ab (Birbaumer & Schmidt, 1996). Der Psychiater Hans Berger leitete im Jahr 1924 zum ersten Mal ein menschliches EEG ab. In den folgenden Jahren stellte er systematische Untersuchungen zum EEG an und machte es damit zu einem Thema der Wissenschaften. Durch den Fortschritt der Rechentechnik erfuhr das EEG in den letzten Jahrzehnten einen Zuwachs an Möglichkeiten der Aufzeichnung und Analyse. Durch Oberflächenelektroden auf der Kopfhaut des Probanden kann die elektrische Aktivität jener Kortexfläche erfaßt werden, die direkt unter der betreffenden Schädeloberfläche liegt. Damit eine Potentialschwankung durch Oberflächenelektroden gemessen werden kann, muß sie mindestens 6 cm[2] Hirnoberfläche umfassen. EEG-Potentiale sind also immer Summenpotentiale von Neuronenverbänden. Trotzdem ist das EEG ein zuverlässiges biologisches Korrelat der elektrischen Aktivität des Gehirns. Das EEG ist heute eine wichtige Methode zur Erforschung des Gehirns und seiner Erkrankungen, insbesondere zur Diagnose von Epilepsien. Des weiteren ist das EEG ein wichtiger Zugang zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen Gehirn und Verhalten (z.B. Aktivitätsniveau, Schlaf).

Verschiedene Arten der Elektroenzephalographie

Grundsätzlich wird bei der Elektroenzephalographie zwischen Spontanaktivität und Ereigniskorrelierten Potentialen (EKP) unterschieden. Wird das EEG unabhängig von Reizen oder Ereignissen aufgezeichnet, so wird es als Spontanaktivität oder Spontan-EEG bezeichnet. Das Spontan-EEG wird in die Frequenzbänder Alpha (8-13 Hz), Beta (13-30 Hz), Theta (4-8 Hz), Delta (unter 4 Hz) und Gamma (über 30 Hz) eingeteilt (Birbaumer & Schmidt, 1996). Bei bestimmten Bewußtseinszuständen sind bestimmte Frequenzbänder dominant. Wir sprechen von EKP, wenn das EEG in Abhängigkeit von Reizen oder Ereignissen aufgezeichnet wird und sich Antworten auf diese Reize im EEG finden. Es handelt sich dabei um Potentialschwankungen, die vor, während und nach einem sensorischen, motorischen oder kognitiven Reiz erzeugt werden (Kolb & Whishaw, 1996). Das Potential der langsamen kortikalen Potentiale (zu den LP siehe 1.3) ändert sich beispielsweise in Abhängigkeit davon, ob das kognitive System des Menschen sich in einem angespannten oder entspannten Zustand befindet. Für das klinische Routine-EEG werden Gleichspannungskomponenten (langsame kortikale Potentiale) herausgefiltert, so daß die Wechselspannungskomponenten übrigbleiben. Das Wissen über den Zusammenhang von Spontan-EEG und langsamen kortikalen Potentialen ist sehr begrenzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Teilschema zu den verschiedenen Arten der Elektroenzephalographie

1.2.2 Das klinische EEG

Das EEG eines gesunden Erwachsenen zeigt eine regelmäßige Alphawelle als Grundrhythmus, der durch psychosensorische Reize (z.B. Augenöffnen) blockiert wird. Daneben gibt es abweichende Varianten (z.B. das Beta-EEG), die aber nicht mit klinischen Störungen in Verbindung stehen (Pschyrembel, 1993). In der klinischen Diagnostik sind Frequenz, Amplitude und Geordnetheit die wichtigsten Kennwerte des EEG. In der Medizin wird das EEG zu vielfältigen Zwecken wie z.B. zur Diagnostik von Enzephalitis und Narkolepsie, zur Abschätzung der Narkosetiefe und zur Feststellung des Hirntodes eingesetzt. Zur Klassifikation und Behandlung von Epilepsien stellt das EEG das zentrale Diagnoseinstrument dar (siehe Anhang H EEG-Befund; Birbaumer & Schmidt, 1996). Aufgrund der EEG-Ableitung während eines epileptischen Anfalls ist es möglich, den Anfallstyp (siehe 1.1.3) und die Lokalisation des epileptogenen Fokus im Gehirn zu diagnostizieren. Bei solchen Ableitungen treten häufig epilepsietypische Potentiale auf, sie dauern einige Sekunden an und zeigen charakteristische Formen und Verläufe:

Spikes
Sharp waves
Spikes and waves
Slow spikes and waves
Hypsarrhythmie

Bei Spikes handelt es sich um spitze Potentiale mit steil ansteigender und abfallender erhöhter Amplitude. Steil ansteigende und langsam abfallende Wellen werden Sharp waves genannt. Spikes and waves sind Spikes in Kombination mit einer langsamen Welle in einer Frequenz von 3 Hz, wohingegen Slow spikes and waves bei gleicher Form eine Frequenz von 2 Hz haben. Hypsarrhythmien sind Spikes, die in unregelmäßige hohe Wellen eingestreut sind und/oder Sharp waves mit wechselnder Lokalisation (Pschyrembel, 1993). Die Elektroenzephalograpie erlaubt es, kognitive Leistungen unter normaler EEG-Tätigkeit mit kognitiven Leistungen unter Spike and wave-Aktivität zu vergleichen. Diese Methode zeigt, daß Reaktionszeit und Varianz der Leistungen normal sind, wenn das EEG normal ist. Jedoch sinkt die Leistung, wenn Spike and wave-Entladungen aufgezeichnet werden. Treten Spike and wave-Entladungen auf, dann steigt die Reaktionszeit und die Signalentdeckungsleistung ist erheblich verringert (van Zomeren & Brouwer, 1994). Bei klinisch gesicherten Epilepsien gelingt es in ca. 60-70% der Fälle epilepsietypische Potentiale abzuleiten. Provokationsmethoden wie z.B. Hyperventilation, Photostimulation und Schlafentzug sind Verhaltensweisen, die geeignet sind, einen epileptischen Anfall auszulösen. Durch sie läßt sich diese Rate auf über 80 % steigern (Mühlau, 1990).

1.2.3 EEG und Chaos

Ursprünglich stammt das Wort Chaos aus dem Griechischen und bedeutet „gähnender Schlund, Abgrund, klaffende Leere“. Heute meint der Begriff Chaos soviel wie Durcheinander oder Unordnung. Die Chaostheorie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit komplexen Systemen befasst, deren Verhalten unvorhersagbar und scheinbar regellos ist. Chaotische Systeme produzieren komplexes Verhalten bzw. Komplexität, obwohl den einzelnen Komponenten klare, einfache (deterministische) Regeln zugrunde liegen (Microsoft, 1998). Beispiel eines einfachen deterministischen Systems, das komplexes Verhalten zeigt, ist das Kinderspielzeug „Hampelmann“. Seine Glieder sind gekoppelte Pendel, die einfachen Gesetzen gehorchen. Selbst wenn in regelmäßigem Rhythmus an der Kordel gezogen wird, können die Bewegungen nicht vorhergesagt werden. Meist bestehen die untersuchten Systeme aus vielen Elementen, die sich gegenseitig beeinflussen. Ein wichtiger Meilenstein der Chaostheorie war 1963 die Entdeckung des sog. Schmetterlingseffektes (empfindliche Abhängigkeit) durch den amerikanischen Meteorologe E. Lorenz. Er untersuchte das Verhalten mathematischer Klimamodelle und stellte fest, daß der Flügelschlag eines Schmetterlings in der Nähe der Shetland-Inseln durch labile, gespannte Systembedingungen der nordeuropäischen Atmosphäre so verstärkt werden kann, daß die Großwetterlage in Mitteleuropa kippt (Klix, 1992). Dieses Beispiel veranschaulicht eindrucksvoll die Nichtlinearität chaotischer Systeme: Kleine Änderungen der Ausgangsbedingungen können große Folgen haben. Weitere Beispiele für die Anwendung der Chaostheorie sind die Entwicklung der Börsenkurse, das Doppelpendel, der menschliche Herzschlag und das EEG. Das menschliche Gehirn ist ein selbstorganisiertes Organ und das komplexeste individuelle System, das wir kennen. Für die enorme Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns sind zwei Merkmale entscheidend, einerseits die große Anzahl an Nervenzellen und andererseits die extrem hohe Anzahl an Verknüpfungen unter den Nervenzellen. Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die untereinander etwa 100 Billionen Verbindungen bzw. Synapsen haben. Das bedeutet, der Kortex ist extrem dicht vernetzt und die Kapazität des Gehirns als Netzwerk ist praktisch unbegrenzt. Es besteht aber nicht aus einer ungeordneten Menge von Nervenzellen, sondern die Nervenzellen sind in den verschiedenen Teilen des Gehirns in Form von Zellensembles, Arealen, Schichten, Kernen, Kolumnen etc. geordnet. Es gibt ca. 100 verschiedene morphologische Typen von Nervenzellen und jeder Typ benutzt spezifische Transmitter und Neuropeptide zur Informationsübertragung (Roth, 1990). Das menschliche Gehirn zeichnet sich also durch eine überwältigende Komplexität und zugleich durch ein hohes Maß an Ordnung aus. Die Eigenschaften des Kortex werden heute durch neuronale Netzwerke nachgebildet. Solche konnektionistischen Netze vollbringen beachtliche Leistungen, beispielsweise erkennen sie Gesichter, Bilder und Sprache, balancieren Stäbe und lernen selbständig, englische Wörter auszusprechen (Mechsner, 1993). Das Gehirn ist ein Organ, das in permanenter Reaktion auf sich selbst und die Welt Strukturen erzeugt, es bringt als komplexe Verhaltensweise u.a. das EEG hervor. In der Vergangenheit wurde angenommen, es handele sich beim EEG um zufälliges Rauschen. Hingegen wird heute angenommen, daß es sich beim EEG um chaotisches Verhalten handelt, das Anteile von Ordnungsstrukturen und Anteile von Rauschen enthält. Es kann sein, daß sich in der schnellen Periodizität des EEGs ein periodisch fluktuierendes Erzeugen und Auflösen von Ordnungsstrukturen im gesamten Kortex widerspiegelt (Mechsner, 1993). Kognitionen, wie z.B. die Wahrnehmung eines Geruches, kann im EEG als Auftauchen einer „Insel der Ordnung“ aus dem umgebenden „Meer des Chaos“ angesehen werden. Das deterministische Chaos, das z.B. in Form des EEGs sichtbar wird, scheint eines der fundamentalen Funktionsprinzipien unseres Gehirns zu sein. Um Aussagen über Komplexität bzw. Chaotizität von Bewußtseinszuständen machen zu können, werden mit Hilfe mathematischer Verfahren verschiedene Arten von EEG-Daten untersucht. Die Komplexität des EEGs steigt im allgemeinen vom wachen Ruhezustand mit geschlossenen Augen über den Ruhezustand mit offenen Augen zum aktiven Wachzustand an. Auch während eines epileptischen Anfalls aufgenommene EEG-Daten wurden auf ihre Komplexität untersucht. So konnten u.a. Steuer, Molgedey, Ebeling, Meencke, Bengner und Dehnicke (nicht datiert), zeigen, daß das präiktale (zeitlich vor einem Anfall gelegene) EEG eine geringere Komplexität bzw. ein höheres Maß an Ordnung aufweist als das interiktale (zeitlich zwischen zwei Anfällen gelegene) EEG. Es erscheint evident, daß der synchrone Rhythmus, in dem die Nervenzellen während eines epileptischen Anfalls feuern, sich im EEG als Steigerung der Ordnung bzw. Verringerung der Komplexität niederschlägt. Birbaumer und Schmidt (1996) trugen einige Befunde zur Komplexität des EEGs bei verschiedenen kortikalen Zuständen zusammen. Die Komplexitätswerte des EEGs sind beim Menschen im konzentrierten Zustand gegenüber dem ruhigen Zustand erniedrigt. Bei Gedächtnisaufgaben sinkt die Komplexität mit zunehmendem Umfang des zu merkenden Materials. Diese Komplexitätswerte wurden mit dem Verfahren der sog. Korrelationsdimension errechnet: Die Zeitreihe (hier EEG-Daten) wird in einen mehrdimensionalen Phasenraum eingepaßt, und es wird errechnet, wie viele Raumdimensionen nötig sind, um die Original-Zeitreihe zu rekonstruieren.

1.3 Langsame kortikale Potentiale

1.3.1 Einführung und Definition

Die ständig vorhandenen Oszillationen des EEGs (siehe Abschnitt 1.2) sind von langsamen Gleichspannungsverschiebungen unterlegt, die keine oszillatorischen Eigenschaften aufweisen. Diese Verschiebungen werden langsame kortikale Potentiale (LP) genannt, weil sie auf Ereignisse mit einer Latenz von 200-300 ms, also eher träge reagieren. Die LP bilden eine Untergruppe der EKP (siehe Abbildung 3) und haben eine Frequenz bis 5 Hz (Rockstroh, Elbert, Birbaumer & Lutzenberger, 1982). LP dauern selten länger als 10 Sekunden und können in elektrisch positive oder negative Richtung variieren. LP wurden erstmals in den 50er Jahren von Kohler und Mitarbeitern bei Katzen abgeleitet. In den 60er Jahren wurden die Untersuchungen auf den Menschen ausgeweitet und es wurden die Contingent Negative Variation (CNV) und das Bereitschaftspotential (BP) entdeckt (McCallum, 1993). Diese beiden Muster sind charakteristische Abfolgen von LP-Verschiebungen. Die CNV wird in Vorbereitungsund Erwartungssituationen und das BP bei selbstinitiierten motorischen Bewegungen registriert. Im Anschluß an die Entdeckung dieser Muster stieg das wissenschaftliche Interesse an den LP.

1.3.2 Elektrogenese langsamer kortikaler Potentiale

Eine Vielzahl der Befunde, die zur Erklärung der LP-Entstehung benutzt werden, sind im Rahmen von Tierversuchen entstanden. Die Übertragbarkeit der dabei gewonnen Informationen auf den Menschen ist nicht gesichert. Dies mag mit ein Grund sein, warum die Entstehung von LP noch nicht ganz verstanden ist. Der Mechanismus der Genese von LP ist ähnlich dem zur Entstehung des Spontan-EEGs. Aufgrund der räumlichen Entfernung von der Schädeloberfläche und bedingt durch die Anatomie des menschlichen Gehirns sind subkortikale Potentiale an der Schädeloberfläche nur stark vermindert meßbar. Elbert (1993) nimmt deshalb an, daß die an der Schädeloberfläche abgeleiteten LP v.a. kortikalen Ursprungs sind. Etwa zwei Drittel der gesamten Oberfläche des Kortex ist gefaltet, sie besteht also aus Sulci (Birbaumer, Elbert, Canavan & Rockstroh, 1990). Dadurch kann es vorkommen, daß Dipole, die in Falten des Kortex liegen, die entgegengesetzten Potentiale von benachbarten Dipolen aufheben und eine Messung damit verfälschen. Entsteht ein Dipol in einer Falte des Kortex, liegt er meist nicht senkrecht zur Schädeloberfläche. Dadurch werden die von ihm produzierten Potentiale von weiter entfernten Elektroden erfaßt. Es kann also nicht angenommen werden, daß die von Elektroden auf der Schädeloberfläche gemessenen Potentialänderungen Dipole im direkt darunterliegenden Gewebe anzeigen. Die gemessenen LP sind stets das Resultat des momentanen labilen Gleichgewichts zwischen Negativierung und Positivierung. Aus der Amplitude der LP kann nur auf das relative Übergewicht einer der beiden Zustände geschlossen werden.

Pyramidenzellen des Kortex

Die meßbaren Potentiale auf der Schädeloberfläche werden in erster Linie durch Pyramidenzellen der Großhirnrinde erzeugt. Mit 85 % sind sie die häufigste Neuronenart im Kortex (Braitenberg & Schüz, 1991). Wiederum 85 % aller Synapsen von Pyramidenzellen sind erregende Synapsen, die wenigen hemmenden Synapsen befinden sich v.a. am Zellkörper. Die Großhirnrinde des Menschen ist ca. 3 mm dick und besteht aus sechs Schichten mit verschiedenen Arten von Nervenzellen (Mühlau, 1990). Trotz regionaler Unterschiede ist die Grundstruktur im ganzen Kortex gleich, die Dendriten der Pyramidenzellen liegen oben (Schicht I und II), die Zellkörper unten (Schicht III bis V). Die Axone der kortikalen Pyramidenzellen verlaufen fast immer senkrecht zur Kortexoberfläche nach unten. Diese senkrechte Ausrichtung der Pyramidenzellen bewirkt eine Stromverteilung an den Zellen, die meßbare Feldpotentiale an der Schädeloberfläche ermöglicht. Eine Pyramidenzelle kann gleichzeitig Informationen von bis zu 1000 anderen Pyramidenzellen erhalten und bei Aktivierung sendet sie Informationen an 5000-10000 andere Pyramidenzellen (Elbert, Junghöfer, Rockstroh & Roth, 2001). Durch diese zahlreichen Verbindungen kann eine Pyramidenzelle an mehreren Netzwerken beteiligt sein.

Elektrogenese negativer Potentiale

Nach Birbaumer und Schmidt (1996) werden durch afferenten Input aus unspezifischen thalamischen Kernen die apikalen Dendriten von Pyramidenzellen erregt. Dadurch werden exzitatorische postsynaptische Potentiale (EPSPs) ausgelöst. Dabei spielen ultralange EPSPs (slow EPSPs) eine besondere Rolle. Diese ultralangen EPSPs können für mehrere Sekunden die Durchlässigkeit der Membran verändern und so die Erregbarkeit der Zelle für kurze Zeit massiv verändern. Inhibitorische postsynaptische Potentiale (IPSP) lösen nur sehr geringe Ströme aus, deshalb ist ihr Beitrag zur Elektrogenese kortikaler Potentiale verschwindend klein. Die Erregung durch viele EPSPs oder ultralange EPSPs geht mit dem Einströmen positiver Ionen (Stromfluß) in den Dendriten hinein, einher, dadurch wird er depolarisiert. So entsteht ein negativer Pol (Stromsenke) im extrazellulären Raum um den Dendriten. Intrazellulär fließt ein Strom (negative Ionen) vom Dendriten zum Zellkörper der Pyramidenzelle. Am Zellkörper treten positive Ionen aus (Stromquelle), d.h. es entsteht ein positiver Pol um den Zellkörper. Durch die Anziehung der austretenden positiven Ionen durch den negativen Pol wird der Stromkreis geschlossen. Das bedeutet, daß extrazellulär der Stromkreis durch Volumenleitung vom negativen Pol (um die Dendriten in Schicht I oder II) zum positiven Pol (um den Zellkörper in Schicht III bis V) durch das Gewebe des Kortex (v.a. Gliazellen) geschlossen wird. Gliazellen umgeben den Dendritenbaum und die Zellkörper und bewirken so Ausbreitung und Verstärkung der negativen Potentiale. Dies führt zu einer Polarisation dieser Region des Kortex, ein Dipol ist entstanden. Aufgrund der senkrechten Lage der Dipole (Pyramidenzellen) zur Schädeloberfläche und die synchrone Aktivität der Pyramidenzellen, können viele Dipole zu Feldpotentialen summiert werden. Werden Pyramidenzellen depolarisiert und halten diese Feldpotentiale länger an, können sie an der Schädeloberfläche als negatives LP abgeleitet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Schema zur Elektrogenese negativer LP (aus Rockstroh, Elbert, Birbaumer & Lutzenberger, 1982)

Elektrogenese positiver Potentiale

Hier ist anzumerken, daß sich wissenschaftliche Literatur und Untersuchungen primär mit negativen Potentialen und nur sehr wenig mit positiven Potentialen beschäftigen. Auch deshalb gibt es zur Entstehung positiver Potentiale noch keine anerkannte Erklärung. Elbert (1993) beschreibt die Entstehung der P 300, die teilweise auch die Genese positiver LP erklärt. Beim Eintreffen neuer Information im Kortex wird eine große Anzahl kortikaler Nervenzellen durch plastische Synapsen kurzzeitig „abgeschaltet“. Dies geschieht, um irrelevante Verbindungen in Netzwerken, welche für die aktuelle Informationsverarbeitung nicht benötigt werden, zu verhindern. Das bedeutet, daß die kortikale Erregbarkeit für kurze Zeit reduziert wird. Diese großräumige Hemmung kortikaler Erregung kann auf der Schädeloberfläche als positives Potential abgeleitet werden.

1.3.3 Neuroanatomie und Regulation von langsamen kortikalen Potentialen

An der Regulation der LP sind subkortikale und kortikale Strukturen beteiligt. Dabei spielen der Thalamus und, wie Skinner und Yingling (1977) zeigen, das Medio-Thalamische Fronto-Corticale System (MTFCS) und die Mesencephale Reticuläre Formation (MRF) eine wichtige Rolle.

Der Thalamus

MRF und MTFCS konvergieren beide auf den Nucleus Reticularis Thalami (NRT), der die Impulse integriert und den Thalamus wie eine Muschel umgibt. Die in den Kortex einlaufenden sensiblen Informationen werden fast ausnahmslos in den verschiedenen Relaiskernen des Thalamus umgeschaltet und so auf die verschiedenen Kortexareale verteilt. So wird bei akustischer Information das Corpus geniculatum mediale, die Schaltstation der Hörbahn im Thalamus, geöffnet bzw. durchlässig, während der restliche Input unterdrückt wird. Die thalamischen Afferenzen stellen den weitaus wichtigsten Zugang zum Kortex dar, deshalb wird der Thalamus häufig als das „Tor zum Kortex“ bezeichnet. Im Zusammenspiel mit dem frontalen Kortex nimmt er entscheidenden Einfluß auf die phasische Aktivität (Aufmerksamkeit) des Kortex (siehe 1.5.5). Der NRT weist eine Feinstruktur auf, die für die Selektion ankommender Informationen ideal ist, er ist mit vielen Kernen des Thalamus verbunden. Aufgabe des NRT ist es, durch inhibitorische Projektionen die Relaiskerne so zu regulieren, daß ein Teil der ankommenden Information weitergeleitet und irrelevante Information unterdrückt wird. Die Relevanz und Bedeutung des jeweiligen Erregungsstromes wird dem NRT durch Verbindungen aus dem frontalen Kortex übermittelt.

Das Medio-Thalamische Fronto-Corticale System (MTFCS) und die Mesencephale Reticuläre Formation (MRF)

Das MTFCS umfaßt den Nucleus reticularis thalami, den medialen Thalamus, Relaiskerne des Thalamus und den frontalen Kortex. Nach Skinner und Yingling (1977) reguliert der frontale Kortex durch Hemmung thalamokortikaler Afferenzen die selektive Aufmerksamkeit (siehe 1.3.6). Die MRF ist eine netzartige Formation aus verschiedenen Kernen des Hirnstammes. Sie erhält durch ständige unspezifische Erregung des Kortex das Niveau der tonischen Aufmerksamkeit aufrecht. Die Wichtigkeit dieses Systems wird dadurch verdeutlicht, daß es ohne MRF immer zu Störungen des Wachheitsniveaus kommt und aktive Hemmung der MRF Schlaf auslöst. Der NRT wird durch das MTFCS erregt und durch die MRF gehemmt, die beiden Strukturen sind jedoch keine gegenregulierenden Systeme, sondern sie dienen verschiedenen Funktionen des Verhaltens. Bei Stimulation der MRF werden, vermutlich infolge einer unspezifischen Unterdrückung der thalamischen Hemmung, die Durchlässigkeit des Thalamus erhöht und der Kortex großflächig negativiert (Arduini, Mancia & Mechelse, 1957, zitiert nach Elbert & Rockstroh, 1987). Eine Reduktion des tonischen Inputs der MRF auf den NRT führt zu positiven LP (Caspers, 1963, zitiert nach Elbert & Rockstroh, 1987). Läsionen und Stimulationen des MTFCS führen zu verminderter Aktivität und eine massive Läsion im MTFCS kann eine Unfähigkeit zu starken Reizantworten nach sich ziehen. Skinner und Yingling (1977) kamen deshalb zu der Annahme, daß ein kritisches Aktivitätsmuster im MTFCS nötig ist, um Verhalten beeinflussen zu können.

Die Feedbackschleife

Die Regulation von LP kann nur effektiv sein, wenn der Thalamus Feedback über die aktuelle Erregung in den kortikalen Netzwerken bekommt. Elbert und Rockstroh (1987) gehen deshalb von der Existenz einer Feedbackschleife aus. Alle Regionen des Kortex, insbesondere der frontale Kortex, senden Informationen über die aktuelle Verteilung der Erregung zum Striatum (zur Neuroanatomie siehe Abbildung 5). Das Striatum sendet Efferenzen zum Pallidum, das wiederum Afferenzen zum Thalamus und zum MRF schickt. Der Thalamus projiziert auf die apikalen Dendriten im Kortex, womit die Schleife geschlossen ist. Über diese Feedbackschleife werden nach großen negativen LP (Erregung) positive LP (Hemmung) ausgelöst. Dadurch wird die Durchlässigkeit des Thalamus und damit die Erregbarkeit in dem betreffenden Netzwerk reguliert (siehe 1.3.5). Es wird angenommen (Elbert & Rockstroh, 1987), daß durch diese Gegenregulation epileptische Anfälle verhindert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Schema zur Neuroanatomie der langsamen kortikalen Potentiale

1.3.4 Das integrative Modell der langsamen kortikalen Potentiale

Im folgenden werde ich einige wichtige Aspekte aus dem Modell für LP von Rockstroh, Elbert, Birbaumer und Lutzenberger (1982) kurz darstellen. Ausgangspunkte für dieses Modell waren eine Reihe von Grundlagenstudien sowie in der Literatur berichtete Ergebnisse zu LP.

Die Grundbegriffe zerebrales Potential und zerebrale Leistung

Diese beiden Begriffe spielen in dem Modell eine wichtige Rolle. Der Begriff zerebrales Potential beschreibt einen psychophysiologischen Zustand, der für jede geistige Leistung benötigt wird. Durch die Ausführung dieser Leistung wird er aufgebraucht bzw. konsumiert. Der Begriff zerebrale Leistung bezeichnet Input, Decodierung, Aufbewahrung und Encodierung von afferenter Information und die Organisation und Übermittlung von efferenter Information in einem Kortexareal während einer bestimmten Zeit. Folgende Analogie möge zur Veranschaulichung dienen. Man stelle sich das kortikale System als Elektromotor vor, der die nötige Energie zum Betreiben eines Computer produziert. Das zerebrale Potential stellt die Energie dar, die durch den Elektromotor erzeugt wird und die zerebrale Leistung entspricht der Arbeit des Computers (Einlesen von Daten, Speicherung und Ausgabe von Daten).

Hauptaussagen des Modells

Nach dem Modell repräsentiert kortikale Negativierung die Bereitstellung eines zerebralen Potentials. Durch die Depolarisation der apikalen Dendriten werden Pyramidenzellen in einen Mobilisierungszustand versetzt, sie sind für erhöhte Aktivität bereit. Erreicht im Mobilisierungszustand ein sensorischer Reiz die Zelle, ist die Wahrscheinlichkeit für das Entladen des Zellsystems erhöht. Demnach liegt die funktionelle Bedeutung der negativen LP primär in der Tatsache, daß sie die synaptische Übertragung nachfolgender Impulse und das Auslösen von Aktionspotentialen am Axonhügel der Pyramidenzellen begünstigen. Es wird angenommen, daß ein Netzwerk negative LP produziert, wenn es auf die Ausführung einer kognitiven Leistung oder die Verarbeitung von Information vorbereitet wird. Ein eintreffender Reiz trifft auf leicht aktivierbare Netzwerke und kann effizient verarbeitet werden. Das Ausmaß des zerebralen Potentials wird durch die erwartete zerebrale Leistung bestimmt. Durch ein Warnsignal werden gespeicherte Informationen über Kontingenzen und Reaktionsanforderungen abgerufen, so daß ein entsprechendes Maß an vorbereiteter Energie, an kortikalem Potential, bereitgestellt werden kann. Nach dem Modell repräsentieren positive LP bzw. die Reduktion der Negativierung den Verbrauch des zerebralen Potentials. Dieser Zustand wird deshalb zerebrale Leistung genannt, er ist mit Informationsaustausch und -weitergabe durch das kortikale Netzwerk verbunden. Zur Bestätigung dieser Annahmen sei folgendes Experiment angeführt. Aufgabe der Probanden ist es, auf die Präsentation einer einfachen oder einer schwierigen Aufgabe zu warten und diese zu lösen. In Vorbereitung auf die schwierige Aufgabe ist die Negativierung größer als vor der einfachen Aufgabe. Während der Ausführung der Aufgabe ist zu beobachten, daß die schwierigere Aufgabe von einem positiveren Potential begleitet wird als die einfache Aufgabe.

1.3.5 Langsame kortikale Potentiale und die Schwellenregulation kortikaler Netzwerke

Elbert und Rockstroh (1987) legen dar, daß durch Veränderungen der kortikalen Erregbarkeitsschwellen von Netzwerken LP hervorgerufen werden. Das menschliche Verhalten wird durch kortikale Netzwerke vorbereitet, gesteuert und kontrolliert. Ein Netzwerk besteht aus vielen gegenseitig verbundenen Pyramidenzellen (siehe 1.3.2). Dabei wird jede Pyramidenzelle von anderen Pyramidenzellen erregt und sie gibt die Erregung an andere Mitglieder des Netzwerkes weiter. Solch ein intensiv verbundenes Netzwerk trägt jedoch auch die Gefahr der Übererregung in sich (Braitenberg, 1978, zitiert nach Elbert & Rockstroh, 1987). Erreicht die Anzahl aktivierter Netzwerke ein kritisches Niveau, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß die bisher inaktiven Netzwerke ebenfalls erregt werden. Auf diese Weise kann sich ein generalisierter epileptischer Anfall entwickeln (siehe 1.1.3). Auch der Thalamus kann durch eine starke und großflächige Erregung einen epileptischen Anfall provozieren. Elbert und Rockstroh (1987) postulieren einen Gegenregulationsmechanismus, der solch eine unkontrollierte kortikale Erregung verhindern kann. Die Erregbarkeitsschwelle ist jenes Maß an Erregung, bei dessen Überschreitung ein Netzwerk aktiv wird und andere Netzwerke erregt. Auf neuronaler Ebene entsteht Erregung durch unspezifische thalamokortikale Fasern, welche die apikalen Dendriten depolarisieren (siehe 1.3.2). Nach Elbert und Rockstroh (1987) werden durch Änderungen des Depolarisationsniveaus der apikalen Dendriten die Erregbarkeitsschwellen der kortikalen Netzwerke reguliert. Wird die Erregbarkeitsschwelle erhöht, können die Zellen dieses Netzwerkes nur durch sehr starken afferenten Input aktiviert werden. Dadurch entsteht ein positives LP und die Erregung im jeweiligen Netzwerk wird reduziert. Folgt auf eine starke Negativierung (Erregung) eine Positivierung (Verringerung der Erregung), kann dadurch ein epileptischer Anfall abgewendet werden. Ist, im Gegensatz dazu, ein Netzwerk zu wenig aktiviert, kann durch eine Verringerung der Erregungsschwellen seine Aktivität erhöht werden, dies geht mit negativen LP einher. Das heißt Elbert und Rockstroh (1987) nehmen an, daß eine Erhöhung der kortikalen Erregbarkeitsschwellen mit einem Rückgang an Erregbarkeit und positiven LP und eine Erniedrigung der Schwellen mit erhöhter Erregbarkeit und negativen LP einhergehen. Weiterhin nehmen sie die Existenz einer neuronalen Feedbackschleife (siehe 1.3.3) an, durch die der Thalamus über den aktuellen Erregungszustand in den kortikalen Netzwerken informiert wird.

1.3.6 Langsame kortikale Potentiale und Aufmerksamkeit

Die LP werden von verschiedenen Wissenschaftlern mit unterschiedlichen psychischen Funktionen in Verbindung gebracht. Im folgenden werde ich mich auf das Konstrukt Aufmerksamkeit beschränken, weil es für diese Arbeit von besonderem Interesse ist. Weitergehende Informationen zum Thema Aufmerksamkeit sind in Abschnitt 1.5 zu finden.

Der Beitrag des integrativen Modells der langsamen kortikalen Potentiale

Die Hypothese zur Aufmerksamkeit wurde von Tecce (1972, zitiert nach Rockstroh, Elbert, Birbaumer & Lutzenberger, 1982) vorgeschlagen. Er geht davon aus, daß die Negativität zunimmt, wenn die Aufmerksamkeit erhöht oder fokussiert wird. Im Gegensatz dazu sollte die Negativität abnehmen (Positivierung), wenn die Aufmerksamkeit durch Distraktoren geteilt wird. Nach dem integrativen Modell ist die Aufmerksamkeitserhöhung oder -fokussierung als Bereitstellung eines zerebralen Potentials (Negativierung) zu deuten. Erfordern gleichzeitig mehrere Reize Aufmerksamkeitsressourcen, so wird nach dem Modell eine zerebrale Leistung erbracht, die mit positiven LP verbunden sein sollte.

Der Beitrag von Elbert und Rockstroh

Nach Elbert und Rockstroh (1987) stellt die Regulation der kortikalen Erregbarkeitsschwellen in Zusammenhang mit LP den Mechanismus der Aufmerksamkeitsregulation dar. Durch die Regulation der Erregbarkeitsschwellen (siehe 1.3.5) hat das Gehirn die Möglichkeit, aktuelle Aktivitäten zu unterbrechen, wenn wichtige Informationen empfangen werden. Trifft eine Information von hoher Relevanz ein, wird die Erregbarkeitsschwelle erhöht, so daß die bisherige Aktivität (Informationsverarbeitung) beendet wird. Die Fähigkeit zur Fokussierung der Aufmerksamkeit ergibt sich durch die Hemmung jener thalamokortikalen Verbindungen, die irrelevante Informationen tragen. Diese Aufgabe wird auf neuronaler Ebene durch das MTFCS (siehe 1.3.3) realisiert. Dies zeigt, daß die Regulation von Erregbarkeitsschwellen als Mechanismus zur Fokussierung der Aufmerksamkeit gesehen werden kann. Demnach benötigen alle kognitiven Leistungen und Verhaltensanforderungen, die mit selektiver Aufmerksamkeit einhergehen, zu ihrer Realisierung am Ort ihrer kortikalen Entstehung lokale Negativierungen.

Eine Studie zur Selbstregulation der langsamen kortikalen Potentiale

In einer jüngeren Studie (Birbaumer, Pulvermüller, Preissl, Tempelmann, Scheich, Heinze, Mohr & Lutzenberger, 1996) wurde während der Selbstregulation der LP die regionale kortikale Durchblutung mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, daß während kortikaler Negativierung die Durchblutung zunimmt. Dies kann folgendermaßen erklärt werden: Eine Erhöhung der synaptischen Aktivität (Negativierung) führt zu vermehrtem Sauerstoffverbrauch und damit zu einer Erhöhung der zerebralen Durchblutung. Die Durchblutung nahm insbesondere im präfrontalen und parietalen Kortex sowie im Thalamus zu. Dies sind Strukturen, von denen angenommen wird, daß sie die Aufmerksamkeitsschwelle regulieren. Bei selbstinduzierter Positivierung gibt es keine erhöhte Durchblutung in diesen Strukturen. Daraus kann geschlossen werden, daß durch LP die Durchblutung und damit die Aktivität in den Strukturen zur Regulation der Aufmerksamkeit verändert wird. Dabei sollte die Höhe der negativen Amplitude mit dem Ausmaß an benötigten Ressourcen für sensorische und motorische Aufmerksamkeit zusammenhängen. Im Umkehrschluß wird vermutet (Birbaumer & Schmidt, 1996), daß Personen, welche die Selbstkontrolle über ihre eigenen LP erlernt haben, auch ihre Aufmerksamkeitsleistung verändern: Mit zunehmender Selbstkontrolle der Negativierung sollte sich die Aufmerksamkeitsleistung verbessern.

1.3.7 Langsame kortikale Potentiale und Epilepsien

LP repräsentieren das Ausmaß, in dem apikale Dendriten der kortikalen Pyramidenzellen depolarisiert sind und folglich zeigen sie neuronale Erregbarkeit an. Bei den Epilepsien handelt es sich neurophysiologisch betrachtet um eine Störung der Erregungsregulation. Extreme Negativierungen der LP können durch die damit verbundene kortikale Erregung epileptische Anfälle auslösen (Birbaumer, 1998). Auch während epileptischer Anfälle werden hohe Negativierungen aufgezeichnet (Rockstroh, 1993). Nach dem Abklingen von Anfällen werden Positivierungen der LP beobachtet (Ayala, Dichter, Gumnit, Matsumoto & Spencer, 1973; zitiert nach Rief & Birbaumer, 2000). Aufgrund dieser Beobachtungen formulierte die Tübinger Arbeitsgruppe die Hypothese, daß epileptische Anfälle durch ein Versagen der kortikalen Erregungsregulation entstehen (Birbaumer, Elbert, Canavan & Rockstroh; 1990). Weiter nehmen sie an, daß ein Defizit in der Unterdrückung von Negativierung oder in der Produktion von Positivierung der LP besteht. Durch Selbstkontrolle der LP kann eine Person erlernen, direkt die Erregbarkeitsschwellen (Negativierung und Positivierung der LP) zu steuern und so Verhalten und Denken zu beeinflussen. Aufgrund dieser Erkenntnisse entwickelte die Tübinger Arbeitsgruppe um Professor Birbaumer ein Trainingsprogramm (siehe 1.4.2), mit dem Epilepsiepatienten die Selbstkontrolle über die LP erlernen können. Die Selbstkontrolle gilt als erlernt, wenn ein Patient überzufällig zwischen Positivierung und Negativierung der LP diskriminieren kann. Positivierung der LP ist mit extremer kortikaler Erregung (epileptischer Anfall) unvereinbar. Deshalb kann ein Patient durch Positivierung des Kortex einen beginnenden epileptischen Anfall abwehren. Hat der Patient die Selbstkontrolle der LP erlernt, hat er die Möglichkeit, einen epileptischen Anfall schon beim ersten Anzeichen (Aura) durch eine willentliche Positivierung abzubrechen. Der Ansatz, durch Selbstkontrolle der LP Epilepsien zu behandeln, erweist sich als fruchtbar (Rockstroh et al., 1993; Kotchoubey, B., Blankenhorn, V., Fröscher, W., Strehl, U. & Birbaumer, N., 1997; Birbaumer, 1998; Strehl, 1998, etc.). In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, daß ein Drittel der Patienten ihre epileptischen Anfälle fast völlig kontrollieren lernt, ein Drittel eine Reduktion der Anfallshäufigkeit aufweist und ein Drittel die Selbstregulation der LP nicht erlernt. Dieser psychologische Ansatz zur Behandlung von Epilepsien durch Selbstkontrolle der LP wurde in einigen Studien untersucht und angewendet. Er verspricht, sich zu einer Alternative zur medikamentösen Behandlung von Epilepsien zu entwickeln. Dennoch sind vor der Einführung in die Praxis noch einige Fragen zu beantworten. So lernen einige Patienten die LP-Selbstkontrolle, jedoch verringert sich ihre Anfallshäufigkeit nicht. Im Gegensatz dazu erlernen andere Patienten die Selbstkontrolle nicht, doch ihre Anfallshäufigkeit sinkt (Strehl, 1998). Weiterhin gibt es keine schlüssige Erklärung dafür, warum ein Drittel der Patienten die Selbstkontrolle der LP nicht erlernt. Genauso ist noch kein Parameter gefunden, der den Lernerfolg beim Selbstkontrolltraining prädiktieren könnte.

1.4 Biofeedback

1.4.1 Definition und Einführung

Der Begriff Biofeedback ist zusammengesetzt aus dem Wortteil Bio-, es steht für Leben und Natur, und aus dem Wort Feedback, es kommt aus dem Englischen und bezeichnet die Rückmeldung eines Vorganges. Der Begriff Biofeedback wurde 1969 kreiert, um eine Methode zur willentlichen Beeinflussung von Blutdruck, Muskeltonus, Herzrate, Aktivität des Gehirns und anderer physiologischer Funktionen zu beschreiben (Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback, 2001). Die psychophysiologischen Funktionen des Menschen sind der Kontrolle des autonomen (vegetativen) Nervensystems unterworfen, d.h. sie werden nicht bewusst oder nur ungenau wahrgenommen. Auch durch Volition und Lernprozesse sind sie nur bedingt kontrollierbar. Durch die Methode Biofeedback werden die psychophysiologischen Funktionen des Menschen der bewußten Wahrnehmung und Einflußnahme zugänglich gemacht. Dadurch kann ihre Regulationen bis zur Selbstkontrolle erlernt werden (Pschyrembel, 1993). Dazu werden die Entwicklung der interessierenden psychophysiologischen Funktion erfaßt und die Meßwerte durch ein Meßsystem kontinuierlich rückgemeldet (i.d.R. optisch oder akustisch). Durch einen angenehm tiefer werdenden Ton kann beispielsweise signalisiert werden, daß sich ein Muskel entspannt. Die Methode Biofeedback baut auf das Prinzip des operanten Lernens. Operantes Lernen liegt vor, wenn unmittelbar nach einer Reaktion eine positive oder negative Konsequenz (Verstärkung) erfolgt und dadurch die Auftretenswahrscheinlichkeit für die Reaktion steigt. Wichtig ist dabei, daß die Konsequenz unmittelbar nach der Reaktion erfolgt. Durch diese Form des Lernens können im Rahmen einer Biofeedbacktherapie Änderungen der psychophysiologischen Funktionen (hier die LP) in die gewünschte Richtung positiv verstärkt und so die Selbstkontrolle über diese Funktion erlernt werden. Im Rahmen einer Biofeedbacktherapie bekommt der Patient Rückmeldung über die psychophysiologische Funktion (Feedback), und er versucht, diese zu beeinflussen und zu kontrollieren (Feedforward). Um Feedforward, also Einfluss ausüben zu können, braucht die Person adäquates Feedback. Der gesamte Feedbackprozess bildet eine Schleife, er wird durch folgendes Schema verdeutlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Schema zu den Grundlagen der Methode Biofeedback (nach Olton & Noonberg, 1980)

1.4.2 Anwendung der Methode Biofeedback

In den 70er Jahren erlebte die Methode Biofeedback einen regelrechten Boom. Er wurde u.a. durch Experimente von Wenger (1961, zitiert nach Kriz, 1991) mit indischen Yogis angeregt. Es zeigte sich, daß die Yogis in der Lage waren, den Puls um 30 Schläge/min. zu beschleunigen, bzw. um 16 Schläge/min. zu verlangsamen. Anknüpfend an solche beeindruckende Ergebnisse setzten viele Menschen große Hoffnungen in die Methode Biofeedback. Diese Euphorie ist heute einer realistischen Einschätzung gewichen. Ein grundsätzliches Problem der Biofeedbacktherapie ist, daß über mehrere Sitzungen hinweg der Einfluß von Artefakten schwierig zu kontrollieren ist. Der Wert des psychophysiologischen Parameters ist neben therapeutischen Effekten u.a. vom Kaffee-, Tee-, Alkohol-, Zigaretten-Genuß etc. abhängig (Kriz, 1991). Für die meisten medizinischen Behandlungsmethoden gilt, daß sie neben dem erwünschten Effekt auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. So kann das Antiepileptikum Carbamazepin mit den Nebenwirkungen Schwindel oder Ataxie einhergehen (zu Nebenwirkungen der Antiepileptika siehe 1.1.6). Das nichtinvasive Biofeedback ist eine der wenigen Behandlungsmethoden, die genau an der Funktion bzw. Stelle im Körper wirkt, wo die Wirkung gewünscht wird. Dadurch bleiben negative Nebenwirkungen i.d.R. aus. Darüber hinaus hat Biofeedback den positiven Effekt, daß durch die direkte Rückmeldung von physiologischen Prozessen die Körperwahrnehmung bzw. Interozeption des Patienten geschult wird. Nicht zuletzt wegen dieser Vorteile hat die Methode Biofeedback bei den Patienten eine hohe Akzeptanz (Rief & Birbaumer, 2000). Die Methode Biofeedback wird zur Behandlung folgender Krankheitsbilder bzw. physiologischer Funktionen eingesetzt:

Psychische Störungen (Angststörungen, Panikattacken, Phobien, Aufmerksamkeitsstörungen, Schizophrenie, Depressionen, Schlafstörungen)
Schmerzstörungen (Spannungskopfschmerz, Migräne, chronische Schmerzen)
Inkontinenz
Asthma
Bluthochdruck (essentielle Hypertonie)
Durchblutungsstörungen (Morbus Raynaud)
Herzrhythmusstörungen
Elektrophysiologische Aktivität des Gehirns

1.4.3 Die Methode Biofeedback zur Behandlung von Epilepsien

In der Vergangenheit wurden zur Behandlung von Epilepsien verschiedene psychophysiologische Parameter mit Hilfe der Methode Biofeedback untersucht. Sterman führte einige Studien mit dem sog. sensomotorischen Rhythmus (SMR) durch und von Fried wurden Parameter der Atmung zur Reduktion der Anfallsfrequenz eingesetzt. Diese Ansätze sind bei Strehl (1998) gut dokumentiert, an dieser Stelle soll auf sie nicht weiter eingegangen werden. In Zusammenhang mit dem Biofeedback der LP kommt Birbaumer (1998) zu dem Schluß, daß je nach Kortexareal und Amplitudenhöhe der erzielten LP-Änderung bei Negativierungen die in diesem Hirnteil verarbeiteten oder gespeicherten Leistungen verbessert, bei Positivierungen verschlechtert werden. Bei Gesunden sind 5 bis 10 Trainingssitzungen nötig, in denen 60-90 % aller Personen die Selbstregulation der LP erlernen können. Epilepsiepatienten benötigen dafür etwa 20-30 Sitzungen, da bei ihnen die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns eingeschränkt ist (Strehl, 1998). Der präfrontale Kortex steuert die Funktionen antizipatorische Aufmerksamkeit und Verhaltensaufschub. Deshalb hängt von seiner Funktionstüchtigkeit die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns ab. Bei Epilepsiepatienten ist die Aufmerksamkeitsund Erregungsregulation gestört und deshalb ist die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns reduziert. Die Selbstkontrolle der LP zielt primär auf die direkte Regulierung von kortikaler Hemmung und Erregung ab. Im Vergleich dazu steigern Antiepileptika ausschließlich die kortikale Hemmung. Das Biofeedbacktraining der LP erzeugt, im Gegensatz zu den Antiepileptika, keine Nebenwirkungen, denn die Selbstregulation der LP wird spezifisch und zeitlich begrenzt, nur bei Herannahen eines Anfalls eingesetzt. Das Trainingsprogramm der Tübinger Arbeitsgruppe besteht aus 35 Biofeedbacksitzungen, in denen die Positivierung und Negativierung der LP in Form von Feedbackund Transfertrials geübt wird (Rief & Birbaumer, 2000). Das Programm läuft über einen Zeitraum von 13 Wochen und besteht aus zwei Therapiephasen, die durch eine Übungsphase unterbrochen werden. Nach Abschluß der eigentlichen Therapie folgen im Abstand von jeweils einem halben Jahr zwei Follow-Up-Sitzungen. Darüberhinaus enthält das Programm begleitende Therapiesitzungen, in denen dem Patienten verhaltenstherapeutische Elemente wie z.B. Entspannungstraining und Selbstverstärkung vermittelt werden. Nach Anwendung dieses Programms erreichten 12 von 19 Epilepsiepatienten eine Reduktion der Anfallshäufigkeit (Strehl, 1998). Bei Follow-Up-Sitzungen nach sechs Monaten erwies sich die Selbstkontrolle über die LP als stabil. Das Programm der Tübinger Arbeitsgruppe wird für diese Arbeit modifiziert, um es im Rahmen dieser Diplomarbeit einsetzen zu können. Zum genauen Untersuchungsplan siehe Abschnitt 3.6.2.

[...]

Ende der Leseprobe aus 189 Seiten

Details

Titel
Wirkung eines Biofeedbacktrainings der langsamen kortikalen Potentiale auf eine Epilepsiepatientin
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1.3
Autor
Jahr
2001
Seiten
189
Katalognummer
V185757
ISBN (eBook)
9783668293625
ISBN (Buch)
9783867466417
Dateigröße
4165 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wirkung, biofeedbacktrainings, potentiale, epilepsiepatientin
Arbeit zitieren
Andreas Heer (Autor:in), 2001, Wirkung eines Biofeedbacktrainings der langsamen kortikalen Potentiale auf eine Epilepsiepatientin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185757

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