Untersuchungen zur Charakterisierung schneller Denaturierungskinetiken von Enzymen im Zeitbereich von Millisekunden bis Sekunden


Diplomarbeit, 2000

80 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Diplomarbeit
Universität Hamburg
Fachbereich Physik
angefertigt im
Medizinischen Laserzentrum Lübeck
Untersuchungen zur Charakterisierung schneller
Denaturierungskinetiken von Enzymen im
Zeitbereich von Millisekunden bis Sekunden
von
Patrick Wegner

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2
2 Theorie
5
2.1
Wärmeleitung und thermische Relaxationszeit . . . . . . . . .
5
2.2
Bewegungsgleichung eines Fluids
. . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.3
Bewegungsgleichung eines fallenden Wassertropfens . . . . . . 11
2.4
Das Cr,Tm,Ho:YAG Lasersystem . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.5
Lichtverteilung in Tropfen bei Bestrahlung . . . . . . . . . . . 14
2.6
Thermische Proteindenaturierung . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.7
Das Modellenzym alkalische Phosphatase . . . . . . . . . . . . 20
2.8
Nachweis der Proteinaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3 Temperatursprungexperimente mit Kapillaren
22
3.1
Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.2
Material und Methoden
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.3
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.4
Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4 Laserinduzierter Temperatursprung in kleinen Wassertrop-
fen
40
4.1
Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.2
Vorversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.3
Konstruktion der klimatisierten Fallstrecke . . . . . . . . . . . 60
4.4
Test der klimatisierten Fallstrecke . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.5
Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
5 Zusammenfassung und Ausblick
69
6 Anhang
71
7 Danksagung
74
8 Literaturverzeichnis
76
1

1
Einleitung
Seit den 60er Jahren wird in vielen Gebieten der Medizin die lineare Absorpti-
on des Laserlichts im Gewebe benutzt, um dort gezielt Energie zu deponieren,
die dann eine Koagulation oder Ablation bewirken. Bei Fokussierung des La-
serlichts liegt die untere Grenze für die Präzision thermischer Gewebse ekte
aufgrund der Beugung des Lichts bei 0, 5 bis 1 m. Durch die selektive Ab-
sorption der Laserstrahlung in bestimmten Zielstrukturen im Gewebe kann
im Prinzip die räumliche Präzision der Energiedeponierung weiter erhöht
werden. Die Laserenergie wird dabei nur am Ort der absorbierenden Struktu-
ren deponiert, deren räumliche Ausdehnung damit die prinzipiell erreichbare
Präzision vorgibt. Die Temperaturerhöhung in die umgebenden Areale durch
Wärmeleitung kann weitgehend vermieden werden, wenn die Laserpulsdauer
die thermische Relaxationszeit des Absorbers nicht übersteigt (sog. ther-
mischer Einschluß) [21]. Die thermische Relaxationszeit skaliert dabei mit
dem Quadrat des Absorberdurchmessers und ist umgekehrt proportional zu
den Wärmeleitungseigenschaften des Absorbermediums. In der Lasermedi-
zin wird dieses Prinzip unter anderem bereits bei der selektiven Schädigung
stark absorbierender Zellen im retinalen Pigmentepithel ausgenutzt [7].
Die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen zur Entwicklung ei-
nes Temperatursprungexperiments sind Teil eines von der Deutschen For-
schungsgemeinschaft geförderten Projekts über laser-induzierte thermische
Gewebse ekte. Ziel dieses Projektes ist es, grundlegende Erkenntnisse über
laser-induzierte thermische Gewebse ekte bei kurzzeitigem Erhitzen des Ge-
webes zu erlangen. Als Schadensmechanismus bei thermischer Zellschädigung
wird allgemein eine Denaturierung der in der Zelle enthaltenen Proteine an-
genommen. Die Frage, inwieweit Gewebe und Zellen sich thermisch selektiv
schädigen lassen, ist also über die Notwendigkeit eines thermischen Einschlus-
ses direkt an die Frage gekoppelt, in welchen Zeitskalen eine thermische Pro-
teindenaturierung möglich ist und welche Temperaturen dazu erforderlich
sind [19], [28]. Die bereits vorhandenen Kenntnisse der Denaturierungskine-
tiken der Proteine im Zeitbereich von Sekunden bis Stunden sollen in dem
DFG-Projekt bis in kürzere Zeitbereiche erweitert werden [18]. Das im Rah-
men dieser Arbeit entwickelte Experiment soll über ein Temperatursprung-
verfahren die Denaturierungskinetiken von ausgewählten Proteinen im Be-
reich von Millisekunden bis Sekunden zugänglich machen. Allgemein bietet
sich der dabei zu konstruierende Aufbau auch als Instrument zur Untersu-
chung von temperaturabhängigen chemischen Reaktionen an. Im Folgenden
werden verschiedene Möglichkeiten von Temperatursprungexperimenten dar-
gelegt und miteinander verglichen.
Eine verbreitete Methode beruht auf einer elektrischen Entladung eines
2

Kondensators durch die Proben üssigkeit. Die zu untersuchende Lösung
wird mit einem Elektrolyt versetzt, um eine ausreichende Leitfähigkeit der
Lösung zu erreichen. Ein Nachteil bei der Durchführung dieser Art von Tem-
peratursprungexperimenten ist das Auftreten hoher elektrischer Feldstärken,
die die Proben zusätzlich beein ussen können. Die Temperatursprungzeiten,
die mit diesem Aufbau und Probevolumina von weniger als 1 ml realisiert
werden können, liegen typischerweise im Bereich von 250 s bis 1 s, die Tem-
peraturerhöhungen zwischen
T = 10
50 K [29]. Ein schnelles Abkühlen
ist mit diesem Aufbau nicht möglich.
Eine weitere Methode, um Temperatursprungexperimente durchzuführen,
besteht in der Kopplung des Probenvolumens an externe Wärmebäder. Im
einfachsten Fall wird das Probevolumen in einer Trägervorrichtung durch
schnelles Tauchen in das Wärmebad gebracht und nach einer de nierten Zeit
t
wieder entfernt. Die typischen, im Einklang mit der Wärmeleitung zu er-
haltenden Temperatursprungzeiten, liegen im Bereich von 500 ms bis 800 ms,
bei einer Temperaturerhöhung von 60 K bis 80 K [31]. Schwierig gestaltet
sich bei dieser Art von Temperatursprungexperimenten das anschließende
schnelle Abkühlen. Die Trägervorrichtung mit der Probe muß hierfür schnell
in ein Kältebad transportiert werden. Mechanisch ist diese Art von Tempe-
ratursprungexperimenten mit anschließender schneller Abkühlung für Zeiten
t < 1 s
schwer zu realisieren.
Bei Experimenten mit einem laserinduzierten Temperatursprung kann ein
kleines Volumen einer wässrigen Lösung durch Absorption eines Laserpulses
schnell aufgeheizt werden. Die erreichbare Sprungtemperatur hängt ab von
der zur Verfügung stehenden Pulsenergie des Lasersystems. Eine homoge-
ne Erwärmung ist dann gegeben, wenn das zu erwärmende Volumen auf die
Absorption der Laserstrahlung angepasst wird. Zum Durchführen von Tem-
peratursprungexperimenten in kleinen Volumina stellt ein Cr,Tm,Ho:YAG
Lasersystem durch die starke Absorption von
a
= 25
1
cm
in Wasser einen
guten Kompromiß zwischen benötigter Pulsenergie und Größe des Meßvolu-
mens dar. Mit diesem Laser kann mit einigen hundert Millijoule Pulsenergie
ein Meßvolumen von wenigen Mikrolitern auf 100 C homogen erwärmt wer-
den. Allerdings begrenzt die Abkühlung dieses kleinen Volumens die Meßzeit
auf maximal 5 Millisekunden [21]. Für die Durchführung von Experimenten
mit Temperatursprüngen im Zeitbereich von Millisekunden bis Sekunden ist
dieses System nicht geeignet.
Für den angestrebten Zeitbereich von Millisekunden bis Sekunden erge-
ben sich für Temperatursprungexperimente zwei verhältnismäßig einfach zu
realisierende Ansätze, die im Rahmen dieser Arbeit im Hinblick auf den zu
erreichenden Zeitbereich und prinzipielle Realisierbarkeit untersucht werden
sollen.
3

1. Der Temperatursprung wird durchgeführt in einer dünnwandigen Ka-
pillare kleineren Querschnitts, die innen von der zu untersuchenden
Flüssigkeit durchströmt und von außen in Wärmebädern geheizt oder
gekühlt wird. Eine gleiche Verweildauer der einzelnen Fluidelemen-
te der Lösung muß in den Zonen erhöhter Temperatur gewährleistet
sein, genauso wie ein schneller Temperaturanstieg innerhalb der ge-
samten Kapillare, um auch Temperatursprungzeiten von wenigen Mil-
lisekunden realisieren zu können. Die zu erreichenden Sprungtempe-
raturen können durch das Wärmebad von außen vorgegeben werden.
Die Sprungzeiten sind einerseits abhängig von der erreichbaren Ge-
schwindigkeit der strömenden Lösung und andererseits limitiert durch
die Zeit, die die Wärmeleitung benötigt, um die Lösung in der Kapilla-
re zu erwärmen. Es kann durch den kontinuierlichen Fluß der Lösung
ein hoher Probendurchsatz erwartet werden.
Bei der Realisierung des Experiments ergaben sich grundsätzliche Pro-
bleme alle diese Anforderungen gemeinsam über einen weiten Zeitbereich zu
erfüllen. Um einen möglichst großen Zeitbereich der Sprungzeit mit einem
Aufbau abzudecken, wurde eine weiterer Aufbau entwickelt.
2. Über die Absorption eines Laserpulses eines Cr,Tm,Ho:YAG Lasersy-
stems wird ein frei fallender Wassertropfen aufgeheizt, der nach dem
Zurücklegen einer bestimmten Fallstrecke in einen gekühlten Au ang-
behälter fällt. Für einen Tropfendurchmesser von wenigen zehn Mi-
krometern kann mit einem Lasersystem eine homogene Erwärmung
gewährleistet werden. Die zu erreichende Sprungzeit kann bestimmt
werden über die Länge der Fallstrecke des frei fallenden Wassertrop-
fens in Luft. Um ein schnelles Abkühlen oder Verdunsten der Tropfen
zu vermeiden, müssen die Tropfen durch Luft mit einer Luftfeuchte von
fast 100% und einer Temperatur, die der Sprungtemperatur entspricht,
fallen.
Die Erreichbarkeit dieser Konzepte soll zudem nach Möglichkeit an einem
Modellsystem qualitativ demonstriert werden.
4

2
Theorie
2.1
Wärmeleitung und thermische Relaxationszeit
Die zeitliche und räumliche Entwicklung einer Temperaturverteilung inner-
halb eines Volumens wird durch die Wärmeleitungsgleichung beschrieben:
2
T =
1 T
t
Q(x, y, z, t)
K
.
(1)
In Gln. 1 ist T die Temperatur,
die thermische Di usivität des Mediums,
t
die Zeit, Q die Rate, mit der pro Zeit- und Volumeneinheit Wärme erzeugt
wird und K die Wärmeleitfähigkeit des Mediums. Die Wärmeleitfähigkeit
und thermische Di usivität sind sto spezi sch und hängen über die Dichte
und die Wärmekapazität c voneinander ab.
=
K
· c
(2)
Zur Lösung dieser Gleichung müssen neben den Parametern
und dem Quell-
term auch noch die entsprechenden zeitlichen und räumlichen Randbedingun-
gen bekannt sein. Allgemein kann diese partielle Di erentialgleichung nicht
analytisch gelöst werden. Für einige Spezialfälle lassen sich jedoch geschlos-
sene Lösungen nden. Mit diesen kann die Temperaturentwicklung in vielen
Fällen abgeschätzt werden. Aufgrund der Linearität der Di erentialgleichung
können einzelne Lösungen der Gleichung superponiert werden, solange das
Volumen bezüglich der thermischen Eigenschaften homogen ist.
Abkühlung einer unendlich ausgedehnten Ebene
Für eine eindimensionale Geometrie kann Gln. 1 vereinfacht werden:
2
T
x
2
1 T
x
=
Q
K
.
(3)
Wird in einer Schicht der Stärke l Wärme mit einer konstanten Rate Q
produziert, die von der Temperatur unabhängig ist, kann Gln. 3 über einen
Tausch der Variablen in eine homogene Form überführt werden. Mit den
Randbedingungen, daß im Bereich für x > 0 zum Zeitpunkt t = 0 die An-
fangstemperatur T = 0 ist und daß über die Grenze x = 0 kein Wärme-
uß statt ndet, kann die Temperatur innerhalb und außerhalb des Bereiches
0 < x < l
für t > 0 bestimmt werden. Man erhält [9]:
T =
Qt
K
½1 2i
2
erfc
l
x
2
t
2
i
2
erfc
l + x
2
t
¾,für0<x<l (4)
5

und
T =
2 Qt
K
½i
2
erfc
x
l
2
t
i
2
erfc
x + l
2
t
¾,fürx>l,
(5)
mit
i
2
erfc x =
Z
x
i
1
erfc d =
1
4
· ((1 + 2x
2
)
erfc x
2
xe
x
2
)
.
(6)
Es gilt:
erfc x = 1
erf x =
1
Z
x
e
$
2
d .
Durch Spiegelung der Lösung an der Ebene bei x = 0 erhält man gleichzei-
tig die Lösung für ein Volumen von x =
l
bis x = l, in dem mit konstanter
Rate Q Wärme produziert wird, die dann bei x =
l
und x = l in das
geheizte Volumen di undiert. Aufgrund der Symmetrie gilt für die Lösung,
daß
T
x
bei x = 0 verschwindet. Damit
ndet an dieser Stelle auch kein
Wärmestrom statt, und damit ist auch die notwendige Randbedingung der
Lösung in Gln. 4 und Gln. 5 erfüllt.
Abkühlzeit eines zylindrischen Volumens
Im Folgenden soll abgeschätzt werden, welche Zeit Wärme benötigt, um
aus einem zylindrischen Volumen abzu ießen, dessen Radius im Verhältnis
zur Länge klein ist. Dazu sei ein unendlich langer Zylinder mit dem Radius
R
der Anfangstemperatur T
0
betrachtet, dessen Umgebung die Temperatur 0
aufweist. Zur Lösung des Problems wird der in Gln. 1 angegebene Quellterm
gleich null gesetzt. Mit den Randbedingungen
T (r, 0) = T
0
für |r| 5 a
und
T (r, 0) = 0
für |r| > a
ist es möglich, die Temperatur auf der Zylinderache zu jeder beliebigen Zeit
t
anzugeben [9]:
T (0, t) = T
0
(1
e
a2
4 t
).
(7)
Mit dieser Lösung kann die Abkühlzeit des betrachteten zylindrischen Vo-
lumens leicht abgeschätzt werden. Die Zeit, in der die Temperatur auf der
Zylinderachse auf
T
0
e
abgefallen ist, ergibt sich zu:
6

1
e
=
R
2
4
· (1 ln(e 1))
R
2
1, 83
·
.
(8)
Verschärft man die Bedingungen und fordert einen Abfall der Temperatur auf
90%
der vorgegebenen Anfangstemperatur, so erhält man als Abschätzung
(vgl. Gln. 8):
90%
=
R
2
4
· ln
£
9
8
¤
R
2
0, 47
·
(9)
Temperaturverlauf in einem geheizten sphärischen Volumen
Eine geschlossene Lösung kann auch für eine homogen geheizte Kugel mit
der thermischen Di usivität
1
und der Wärmeleitfähigkeit K
1
, die in ein
unendliches Medium der mit Di usivität
2
und Wärmeleitfähigkeit K
2
ein-
gebettet ist, gefunden werden [9]. Der Radius der Kugel sei R. In dieser
Kugel wird ab dem Zeitpunkt t = 0 Wärme mit der Rate Q erzeugt. Dieses
System kann in sphärischen Polarkoordinaten mit den Di erentialgleichun-
gen
1
1
T
1
t
=
1
r
2
r
(r
2
T
1
t
) +
Q
K
1
für 0
6 r 6 R,
(10)
1
2
T
2
t
=
1
r
2
r
(r
2
T
2
t
)
für r > R
(11)
beschrieben werden. Die Randbedingungen sind vorgegeben durch
T
1
= T
2
= 0
für t = 0,
(12)
T
1
= T
2
für r = R
(13)
und
K
1
T
1
t
= K
2
T
2
t
für r = R.
(14)
Hieraus ergibt sich die Temperatur innerhalb der Kugel zu [16]:
T
1
=
R
2
Q
K
1
· (
1
3
K
1
K
2
+
1
6
(1
r
2
R
2
)
2Rb
r
· J),
(15)
mit
J =
Z
0
exp(
y
2
t
1
)
y
2
(sin y
y cos y) sin(
ry
R
)
£(csiny ycosy)
2
+ b
2
y
2
sin
2
y
¤dy (16)
7

und
b =
K
1
K
2
r
1
2
, c = 1
K
1
K
2
,
1
=
R
2
1
.
Für die Temperatur außerhalb der Kugel existiert eine ähnliche Lösung.
Aufgrund der Linearität der partiellen Di entialgleichungen, die die Wär-
meleitung beschreiben, können einzelne Lösungen superponiert werden, um
bestimmte Rahmenbedingungen zu erfüllen. So läßt sich die Lösung T
pq
für
einen Quellterm, der nur während einer Zeit
Wärme produziert, durch Ad-
dition zweier Lösungen T
p
, bei denen zur Zeit t = 0 eine konstante unendlich
andauernde Wärmeproduktion beginnt, gewinnen:
T
pq
(t) = T
p
(t)
T
p
(t
).
(17)
Auf diesem Wege kann aus den Lösungen der Gln. 15 und Gln. 17 der Tem-
peraturverlauf während und nach dem Aufheizen, wie es z. B. durch einen
Laserpuls geschehen kann, berechnet werden.
2.2
Bewegungsgleichung eines Fluids
Die allgemeine Bewegung eines Fluids wird beschrieben durch die Navier-
Stokes Gleichung [35]:
%
d u
dt
= f
grad p +
u
(18)
Hierbei ist % die Dichte des Fluids, u die Geschwindigkeit, f die Mas-
senkraft pro Volumeneinheit, p der Druck und die Viskosität. In Gln. 18
beschreiben %
d u
dt
und ~
f
die von außen angreifenden Kräfte, die dem Volu-
men bzw. der Masse des Fluids proportional sind (z. B. : f = % g mit g
als Fallbeschleunigung). Durch grad p werden die Kräfte beschrieben, die
auf Druckgefälle zurückzuführen sind,
u
bezeichnet die an einem Volu-
menelement des Fluids angreifenden Reibungskräfte. Dies beinhaltet sowohl
die Wechselwirkung der einzelnen Teilvolumina des Fluids untereinander als
auch die Wechselwirkung mit äußeren Ein üssen.
Laminare Strömung in Kapillaren
Bei einer laminaren Rohrströmung eines Fluids sind die Strömungsge-
schwindigkeit und der Druck innerhalb eines räumlich festgehaltenen Vo-
lumenelements unter stationären Randbedingungen zeitlich konstant.
Für den Spezialfall einer laminaren Strömung durch ein gerades Rohr mit
kreisförmigem Querschnitt kann die folgende Annahme gemacht werden: der
8

Druckabfall
p
ist über jedem Querschnitt konstant. Die Geschwindigkeits-
komponenten in radialer Richtung sowie in Umfangsrichtung sind null. Per
De nition falle die Rohrachse mit der x-Achse zusammen, r sei die radiale
Komponente. Die Geschwindigkeitskomponente des Fluids in axialer Rich-
tung wird mit u bezeichnet und ist nur abhängig vom Radius r. Gln. 18
vereinfacht sich mit den obigen Annahmen beträchtlich. In Zylinderkoordi-
naten ergibt sich eine Di erentialgleichung, bei der alle Größen nur noch von
x
und r abhängen:
(
d
2
u
dr
2
+
1
r
du
dr
) =
dp
dx
.
(19)
Die Lösung von Gln. 19 mit den Randbedingung u = 0 für r = R ergibt eine
parabolische Geschwindigkeitsverteilung
u(r) = u
max
(1
r
2
R
2
)
.
(20)
Die maximale Geschwindigkeit u
max
ist proportional zum Druckabfall
p
über die Länge l der Kapillare:
u
max
=
p
l
·
R
2
4
.
(21)
Die mittlere Geschwindigkeit u
mitt
wird durch Mittelung des Volumenstroms
über die Querschnitts äche im Rohr bestimmt zu:
u
mitt
=
1
2
u
max
=
p
l
·
R
2
8
.
(22)
Der laminare Volumen uß
dV
dt
eines Fluids ergibt sich durch Integration der
Geschwindigkeit u(r) über den Radius und ist auch als Hagen-Poiseuille-
Gleichung bekannt:
dV
dt
=
p
8l
R
4
.
(23)
Der Volumen uß
dV
dt
ist proportional zur vierten Potenz des Radius, direkt
proportional zum Druckabfall und umgekehrt proportional zur Länge des
Rohres.
Turbulente Strömung in Kapillaren
Eine turbulente Strömung ist dadurch gekennzeichnet, daß selbst unter
stationären Randbedingungen die Geschwindigkeit und der Druck in einem
festgehaltenen Volumenelement im Fluid nicht zeitlich konstant sind, sondern
mit hoher Frequenz unregelmäßig um ihren zeitlichen Mittelwert schwanken.
9

Das Auftreten von verschiedenen Strömungsformen wurde zum ersten Mal
von O. Reynolds in einem durchströmten Rohr mit Hilfe eines eingefädelten
Tintenfadens beobachtet [34]. Ab einer bestimmten Strömungsgeschwindig-
keit kann es, abhängig von der Viskosität und dem Rohrdurchmesser, zu
einem Umschlag der laminaren Strömung in eine turbulente Strömung kom-
men.Der Umschlagspunkt von laminarer zu turbulenter Strömung kann durch
die Reynolds-Zahl Re charakterisiert werden.
Laminares Strömungsprofil
u
Re < 2600
Re > 2600
Turbulentes Strömungsprofil
u
Abbildung 2. 1:Mittlere Geschwindigkeitsverteilung bei laminarer und turbu-
lenter Rohrströmung [35].
10

Die Reynoldszahl Re ist ein Maß für das Verhältnis von Trägheits- zu
Reibungskräften an einem in nitesimalen Volumenelement des Fluids. Es
gilt [35]:
Re =
Trägheitskraft
Reibungskraft
=
%u
2
d
u
d
2
=
%ud
.
(24)
d
ist der Durchmesser des Rohres. Die Dichte % und Viskosität können
zusammengefaßt werden zur dynamischen Viskosität
=
%
.
(25)
Gln. 24 wird somit zu:
Re =
ud
.
(26)
Der Umschlag von laminarer zu turbulenter Rohrströmung beginnt ab
einer Reynoldszahl von ca. 2600, es können sich in speziellen Fällen aber
auch laminare Strömungen bei Reynoldszahlen über 50000 ausbilden. Ei-
ne kleine Störung des Flusses in diesem instabilen laminaren Fall, z. B. durch
Strömungshindernisse oder Wandrauhigkeiten, führt zu einem sofortigen Um-
schlagen des Flusses von laminar nach turbulent. Abb. 2. 1 zeigt die beiden
verschiedenen mittleren Geschwindigkeitsverteilungen im Falle von turbulen-
ter und laminarer Rohrströmung. Die mittlere Geschwindigkeitsverteilung
einer laminaren Strömung besitzt ein parabolisches Pro l, die Geschwindig-
keitsverteilung einer turbulenten Rohrströmung besitzt ein quasi rechteckiges
Geschwindigkeitspro l [13].
Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Strömung im laminaren Fall für
Reynoldszahlen Re¿ 2600 durch Strömungshindernisse (sogenannte Stol-
perstellen) zu beein ussen. Diese Modi kationen erzeugen Wirbelkeime, die
jedoch nach einer charakteristischen Weglänge, die im Falle einer lamina-
ren Rohrströmung dem zwanzigfachen Rohrdurchmesser entspräche, wieder
abklingen.
2.3
Bewegungsgleichung eines fallenden Wassertrop-
fens
Mit einem laserinduzierten Temperatursprung kann ein frei fallender Wasser-
tropfen mit dem Durchmesser von d = 50 m quasi instantan erhitzt werden.
Bei der Annahme, daß sich dieser nach dem Erhitzen nicht mehr abkühlt,
kann die Fallhöhe berechnet werden, die notwendig ist, um ein Temperatur-
sprungexperiment im Bereich von Millisekunden bis Sekunden zu realisieren.
11

Mit dem folgenden Ansatz über die am Wassertropfen angreifenden Kräfte
erhält man:
m
· a = F
R
+ F
g
.
(27)
F
g
bezeichnet die am Wassertropfen angreifende Gewichtskraft m·g, a ist die
Beschleunigung. Die Reibungskraft F
R
ist in diesem Fall abhängig davon,
welchen Wert die Reynoldszahl des umströmten Wassertropfens annimmt.
Im Falle von Reynoldszahlen Re
Kugel
¿ 100 gilt das Stokes'sche Reibungs-
gesetz
F
S
R
=
6 uR
.
(28)
R
ist der Radius des Wassertropfens und u die Geschwindigkeit. Für Reynolds-
zahlen Re
Kugel
À 100 gilt das Reibungsgesetz nach Newton
F
N
R
=
1
2
u
2
A
.
(29)
In Gln. 29 ist A die angeströmte Fläche des Wassertropfens. Die Reynoldszahl
eines kleinen sphärischen Wassertropfens mit dem Radius R = 40 m, der
sich mit einer Anfangsgeschwindigkeit von u
0
= 3
m
s
in Luft bewegt, berech-
net sich nach Gln. 24 zu Re
Kugel
8
10
. Die Reibungskraft kann deshalb
mit Hilfe von Gln. 28 berechnet werden und ist direkt proportional zur Ge-
schwindigkeit u(t) des fallenden Wassertropfens. Einsetzen von Gln. 28 in
Gln. 27 ergibt:
m
·
du
dt
= m
· a = 6 u(t)R + m · g.
(30)
Diese Gleichung stellt eine Di erentialgleichung erster Ordnung dar, die über
einen Lösungsansatz mit anschließendem Umformen und Au ösen nach der
Variable u(t) gelöst werden kann:
u(t) =
gm
6 R
+ C
1
· e
6 Rt
m
(31)
Mit den Anfangsbedingungen u(t = 0) = u
0
bestimmt man die Konstante
C
1
zu
C
1
= u
0
gm
6 R
.
(32)
Nach Einsetzen von Gln. 32 in Gln. 31 und anschließender Integration über
die Zeit t erhält man die Ortsabhängigkeit x(t) eines mit der Anfangsge-
schwindigkeit u
0
frei fallenden Wassertropfens mit der Anfangsbedingung
x(t = 0) = 0
.
12

x(t) =
1
36
2
2
R
2
·e
6 Rt
m
à gm
2
+ 6gm Rt e
6 Rt
m
6m Ru
0
m
· (gm 6 Ru
0
) e
6 Rt
m
! (33)
2.4
Das Cr,Tm,Ho:YAG Lasersystem
Im nahen Infrarot-Bereich stehen verschiedene gepulste Lasersysteme in Wel-
lenlängenbereichen, bei denen Wasser eine hohe Absorption aufweist, zur
Verfügung.
Abbildung 2. 2: Energieniveauschema des Cr:Tm:Ho:YAG - Laserkristalls. Die
thermische Besetzung der einzelnen Niveaus bei Zimmertemperatur ist auf der
rechten Seite der Darstellung in Prozent angegeben [26].
Für das Erhitzen des Tropfens wurde ein Cr,Tm,Ho:YAG Lasersystem ge-
wählt, weil Pulsenergien von bis zu 500 mJ und ein Absorptionskoe zient im
Bereich von
a
= 25
1
cm
eine ausreichend hohe, homogene Energiedeponierung
in Wasserschichten von 50 m zulässt. Die Pulslänge des freilaufenden Lasers
im Bereich von t
P uls
= 250
300 s
garantiert bei Temperatursprungexpe-
rimenten im Bereich von ms
s eine hinreichend kurze Anstiegszeit bei der
Erwärmung in der dünnen Wasserschicht. Die in den Wirtskristall Yttrium-
Aluminium-Granat (YAG, Y
3
Al
5
O
12
) eindotierten Ionen Holmium (Ho
3+
)
13

und Thulium (Tm
3+
) gehören zur Gruppe der Seltenen Erden. Sie sind als
dreifach positive Ionen in den Kristall eingebaut und besitzen die Kon gu-
ration des Edelgases Xenon mit zusätzlich 10 bzw. 12 Elektronen in der 4f
Schale. Die scharfen Absorptions- und Emissionslinien des Kristalls lassen
sich den Übergängen der nicht abgeschlossenen 4f Unterschale zuordnen.
Für ein e ektives Pumpen mit Blitzlampen wird der Laserkristall zusätz-
lich mit Cr
3+
und Tm
3+
dotiert [24]. Das breite Absorptions-Spektrum der
Cr
3+
-Ionen verbessert die E zienz der Absorption. Der Energieübertrag
der Tm
3+
-Ionen auf die Ho
3+
-Ionen ermöglicht eine e ektive Ausnutzung
der Anregungsenergie. Die unteren Laserniveaus des Holmium-Lasers sind
bei Zimmertemperatur teilweise thermisch besetzt; es ist deshalb ein e -
zientes Pumpen notwendig, um die benötigte Inversion des Laserübergangs
zu erreichen. In Abb. 2. 2 ist schematisch das Energieniveauschema eines
Cr,Tm,Ho:YAG-Kristalls dargestellt.
Das Blitzlampenlicht wird von den Cr
3+
-Ionen breitbandig absorbiert und
danach über einen strahlungslosen Übergang nach ca. 0, 1
1 ms
auf den
Zustand
3
F
4
des Thuliums übertragen. Über eine Kreuzrelaxation mit den
simultanen Übergängen von
3
F
4
3
H
4
und
3
H
6
3
H
4
in benachbar-
ten Tm
3+
-Ionen entstehen aus jedem Anregungsphoton zwei der angeregten
Zustände
3
H
4
. Die Anregungsenergie wird nach ca. 10 s zu einem Teil auf
die Ho
3+
-Ionen übertragen. Die Laseremission ndet statt beim Übergang
5
I
7
5
I
8
. Da das
5
I
7
Niveau entartet ist, sind verschiedene Laserübergän-
ge möglich. Das emittierte Laserlicht besitzt eine Wellenlänge im Bereich
von
= 2, 1 m
[26]. Je nach Wahl der Re ektivität des Auskoppelspiegels
und Veränderung der Resonatorkon guration kann die Laserwellenlänge im
Bereich von
= 2, 1275
bis 2, 0899 m variieren [8], [11].
2.5
Lichtverteilung in Tropfen bei Bestrahlung
Bei der Bestrahlung von Wassertropfen mit kollimiertem Laserlicht treten
durch Brechung und Totalre exion der Lichtstrahlen an der Grenz äche Luft-
Wasser abgeschattete Bereiche und Bereiche mit stark erhöhter Intensität auf
(vgl. Abb. 2. 3).
a
b
14

Abbildung 2. 3: Schematische Darstellung des Strahlenganges bei ein- und dop-
pelseitiger Bestrahlung eines Wassertropfens mit kollimiertem Laserlicht. Durch
Brechung kommt es auf der der Lichtquelle abgewandten Seite des Tropfens zu ei-
ner Überhöhung der Lichtintensität auf der Achse, während weiter außen liegende
Bereiche abgeschattet sind.
Die Lichtverteilung in den Tropfen mit dem Radius von einigen 10 m
kann mittels geometrischer Optik unter Berücksichtigung des Brechungs-, des
Re exions- und des Lambert-Beerschen Gesetzes berechnet werden [30], [33].
Ein Vergleich der so erhaltenen Intensitätsverteilung innerhalb der Wasser-
tropfen mit Berechnungen, denen die Mie-Theorie zu Grunde gelegt wurde,
zeigen keine signi kanten Abweichungen voneinander [10]. Aus der Licht-
verteilung im Wassertropfen kann die deponierte Energie über die folgende
Beziehung berechnet werden:
E
Abs
=
a
I.
(34)
In Gln. 34 ist I die Strahlungs ußdichte des Lichts,
a
ist der Absorptions-
koe zient und E
Abs
die Energiedichte aufgrund der Absorption.
Um eine Abschätzung der zu erwartenden geometrischen Ausmaße der
abgeschatteten Bereiche zu erlangen, wurde mit einem vorhandenen Pro-
gramm eine Berechnung zur Intensitätsverteilung in einem kleinen Tropfen
mit 50 m Durchmesser durchgeführt, der von einer Lichtquelle mit einem
vollen Ö nungswinkel von 25 bestrahlt wird, welche Photonen unter einem
Winkel von
= 25
statistisch verteilt, emittiert. Das Programm erzeugt
Lichtstrahlen und verfolgt diese auf ihrem Weg durch den vorgegebenen 3-
dimensionalen Körper, bis sie auf eine vorgegebene Referenz äche tre en
oder absorbiert werden. Tri t ein Lichtstrahl auf eine Grenz äche, wer-
den die neue Ausbreitungsrichtung und die neue Intensität mit Hilfe des
Lambert-Beer'schen Gesetzes und den Fresnel'schen Formeln berechnet. Bei
der Unterschreitung einer bestimmten Intensität des Strahls wird ein neuer
Strahl innerhalb der Lichtquelle und des Aperturwinkels mit einem zufäl-
lig ausgewählten Startpunkt und einer zufällig ausgewählten Startrichtung
gestartet. Um die Energieerhaltung zu gewährleisten, wird bei Unterschrei-
tung der minimalen Intensität mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit w die
Intensität um den Faktor
1
w
angehoben. Die während der Berechnungen
gespeicherten Matrizen der Photonenwege können nach dem Ablauf der Si-
mulation zur Berechnung der räumlichen Lichtverteilung ausgewertet werden
(siehe Anhang: Ablaufplan für Monte-Carlo-Simulationen).
15
Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Untersuchungen zur Charakterisierung schneller Denaturierungskinetiken von Enzymen im Zeitbereich von Millisekunden bis Sekunden
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1.7
Autor
Jahr
2000
Seiten
80
Katalognummer
V185762
ISBN (eBook)
9783656982166
ISBN (Buch)
9783867466455
Dateigröße
4011 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
untersuchungen, charakterisierung, denaturierungskinetiken, enzymen, zeitbereich, millisekunden, sekunden
Arbeit zitieren
Patrick Wegner (Autor:in), 2000, Untersuchungen zur Charakterisierung schneller Denaturierungskinetiken von Enzymen im Zeitbereich von Millisekunden bis Sekunden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185762

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