Semperit Traiskirchen und der "moderne" Kapitalismus


Magisterarbeit, 2002

183 Seiten, Note: 1


Leseprobe


2
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...5
VORWORT ...7
I.
DARSTELLUNG DES THEMAS ...10
II. METHODIK...11
2.1
G
EGENSTAND DER
U
NTERSUCHUNGSEINHEIT
...11
2.2
P
ROBLEMSTELLUNG
...13
2.3
F
RAGESTELLUNG
...14
2.4
P
ROBLEMANALYSE IM
L
ITERATURBEREICH
...14
2.5
D
ATENANALYSE
...15
2.6
I
NTERVIEWS
...15
2.7
I
NHALTSANALYSE
...17
2.8
S
CHLUSSBEMERKUNG
...18
III. GLOBALISIERUNGS- UND MODERNISIERUNGSTHEORIEN ...19
3.1
B
EGRIFFSDEFINITION
:
G
LOBALISIERUNG
...19
3.2
N
ATIONALSTAATEN UND
G
LOBALISIERUNG
...27
3.2.1 D
EMOKRATIE IM GLOBALEN
Z
EITALTER
...27
3.2.2 N
EOLIBERALISMUS UND GLOBALE
I
NTEGRATION IN
A
NBETRACHT
ÖKONOMISCHER
I
NTERNATIONALISIERUNG
...32
3.2.2.1
D
IE ÖKONOMISCHE
I
NTERNATIONALISIERUNG
...32
3.2.2.2
D
IE
R
EGIONALISIERUNG
...34
3.2.2.3
D
IE NEOLIBERALE
P
OLITIK
...36
3.2.2.4
D
ER
L
IBERALISMUS
...36
3.2.2.5
D
IE
E
NTSTEHUNG DES
N
EOLIBERALISMUS
...38
3.2.2.6
D
IE
W
EITERENTWICKLUNG DES
N
EOLIBERALISMUS UND
GLOBALE
I
NTEGRATION
...40
3.2.2.7
N
EOLIBERALE
G
LOBALISIERUNGSTHESE
...44
3.2.2.8
N
EOLIBERALE
S
OZIALPOLITIK
...47

3
3.2.2.9
I
NTEGRATIONSPOLITIK ALS
I
NSTITUTIONENBILDUNG IN DER
E
UROPÄISCHEN
U
NION
...50
3.2.2.10
Z
USAMMENFASSUNG
...55
3.3
R
EGULATIONSTHEORIE
...57
3.4
A
RBEITSMARKTREGULIERUNG
...58
3.5
S
TRUKTURELEMENTE DER ÖSTERREICHISCHEN
E
NTWICKLUNG
...60
IV. TRANSNATIONALE KONZERNE UND GLOBALISIERUNG DES
ARBEITSMARKTES
AM BEISPIEL ,,SEMPERIT ­ TRAISKIRCHEN" ...65
4.1
T
RANSNATIONALE
K
ONZERNE ALS POLITISCHE
M
ACHTZENTREN
...65
4.2
Ö
STERREICHS
A
NPASSUNG AN DEN GLOBALEN
M
ARKT
...66
4.3
E
CKPUNKTE DER
G
ESCHICHTE UND
K
ONZERNSTRATEGIE DES
R
EIFENWERKS
,,S
EMPERIT
AG
­
T
RAISKIRCHEN
" ...67
4.3.1
,,G
UTE UND SCHLECHTE
N
ACHRICHTEN
"
IN DEN
80
ER UND
90
ER
J
AHREN
...71
4.3.2
S
TRATEGIEWECHSEL BEI
C
ONTINENTAL
AG ...75
4.3.3
R
ICHTLINIENKOMPETENZ UND
S
CHLIESSUNGSBESCHEID
...76
4.4
P
OLITISCHE
I
NSZENIERUNG UND POLITISCHE
D
EBATTE IM
R
AHMEN DER
A
RBEITNEHMER
I
NNENSITUATION
...79
4.5
,,5
VOR
12
-
D
IE
S
CHLIESSUNG
" ...84
4.6
,,S
EMPERIT
"
ALS
S
YMBOL FÜR GESCHEITERTE
W
IRTSCHAFTSPOLITIK
(?) ...89
4.7
E
XOGENE
F
AKTOREN
:
M
ANAGEMENT UND
A
KTIONÄRSEBENE
...96
4.7.1
A
USZÜGE AUS DER
T
RANSKRIPTION
E
XPERTENINTERVIEW
:
(1) ...98
4.7.2
A
USZÜGE AUS DER
T
RANSKRIPTION
E
XPERTENINTERVIEW
:
(2) ..110
4.8
EU-O
STERWEITERUNG UND
S
TANDORTDEBATTE IN
Ö
STERREICH
...113
4.9
K
RITIK AN DER
R
EGULATIONSTHEORIE UND DIE NEUE
,,F
LEXIBILITÄT
" ...119

4
V. DAS FORSCHUNGSDESIGN DER HYPOTHESENTESTENDEN
UND THEORIEBILDENDEN FORSCHUNG ...125
5.1
D
ATENANALYSE DER MITTELS
SPSS-P
ROGRAMM AUSGEWERTETEN
E
RGEBNISSE
...127
5.2
I
NTERPRETATION DER
T
EXTTRANSKRIPTION
...152
VI. ZUSAMMENFASSUNG...164
VII. CONCLUSIO ...166
VIII. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ...173
DOKUMENTE/VERÖFFENTLICHUNGEN ...178
PERIODIKA/INTERNET ...178

5
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNG 1: ARBEITSLOSE NACH BERUFSGRUPPEN
...64
ABBILDUNG 2: ECKDATEN ZUR GESCHICHTE DES WERKES
...68
ABBILDUNG 3: PRODUKTIONSKENNZAHLEN
...69
ABBILDUNG 4: CONTINENTAL-REIFENPRODUKTIONSSTÄTTEN
...84
ABBILDUNG 5: AUSWIRKUNGEN DER EU-ERWEITERUNG AUF DAS BIP
...115
ABBILDUNG 6: PROZENTUELLER ANTEIL DER BEFRAGTEN NACH
ALTERSGRUPPEN
...127
ABBILDUNG 7: ANTEIL DER BEFRAGTEN GESCHLECHTSSPEZIFISCH
...128
ABBILDUNG 8: ARBEITER- UND ANGESTELLTENANTEIL DER UNTERSUCHTEN
ARBEITNEHMER/INNENGRUPPE
...129
ABBILDUNG 9: ROLLE DER ARBEITNEHMER/INNEN IN DER POLITISCHEN
DISKUSSION
...133
ABBILDUNG 10: STATEMENT I
...134
ABBILDUNG 11: STATEMENT II
...135
ABBILDUNG 12: STATEMENT 1
...136
ABBILDUNG 13: STATEMENT 2
...137
ABBILDUNG 14: STATEMENT 3
...138
ABBILDUNG 15: STATEMENT 4
...139
ABBILDUNG 16: STATEMENT 5
...140
ABBILDUNG 17: STATEMENT 6
...141
ABBILDUNG 18: STATEMENT 7
...142
ABBILDUNG 19: STATEMENT 8
...143
ABBILDUNG 20: STATEMENT 9
...144
ABBILDUNG 21: INVESTOREN-FRAGE
...145
ABBILDUNG 22: ARBEITSPLATZSICHERUNG DURCH NEUEN INVESTOR
...146
ABBILDUNG 23: GEDANKEN ÜBER NEUEN ARBEITSPLATZ NACH DER
WERKSSCHLIESSUNG
...147

6
ABBILDUNG 24: ZUKÜNFTIGES LOHNNIVEAU
...148
ABBILDUNG 25: INFORMATIONEN ÜBER SCHLIESSUNG DES WERKES
...148
ABBILDUNG 26: AUFKLÄRUNG ÜBER DIE GEGENWÄRTIGE SITUATION
...149
ABBILDUNG 27: AUFKLÄRUNG ÜBER ZUKÜNFTIGE SITUATION
...150
ABBILDUNG 28: ZUFRIEDENHEIT MIT BISHERIGER BESCHÄFTIGUNG
...151
ABBILDUNG 29: UMGANG MIT VERÄNDERUNG ­ ARBEITSPLATZWECHSEL
...151
ABBILDUNG 30: GRÜNDE FÜR DIE WERKSAUFLÖSUNG
...152
ABBILDUNG 31: ERWARTUNGSHALTUNG AN DIE BUNDESREGIERUNG
...154
ABBILDUNG 32: ERWARTUNGSHALTUNG AN DEN BETRIEB
...155
ABBILDUNG 33: AUSSAGEN UND STELLUNGNAHMEN ZU ,,SEMPERIT"
...156
ABBILDUNG 34: FRAGE NACH ZUKÜNFTIGEM LOHNNIVEAU
...157
ABBILDUNG 35: LOHNKÜRZUNGEN/LOHNAUSFÄLLE BEI WEITERBESTAND DES
WERKES?
...158
ABBILDUNG 36: HÖHE DER MÖGLICHEN LOHNKÜRZUNGEN
...159
ABBILDUNG 37: BESSERE INFORMATIONEN ÜBER WERKSSCHLIESSUNG
...160
ABBILDUNG 38: WER HÄTTE BESSER INFORMIEREN MÜSSEN
...161
ABBILDUNG 39: FRAGE NACH SOZIALER HILFESTELLUNG NACH
WERKSSCHLIESSUNG
...162
ABBILDUNG 40: WEITERE ANLIEGEN BEZÜGLICH DER WERKSSCHLIESSUNG
163

7
Vorwort
Durch Veränderungen der internationalen Rahmenbedingungen im Bereich des
globalen Wettbewerbs wird die nationale Wettbewerbsfähigkeit immer mehr
gefordert. Neben geänderten politischen Rahmenbedingungen sieht sich auch die
betriebliche beziehungsweise wirtschaftliche Ebene veränderten
Rahmenbedingungen und Strukturwandeln ausgesetzt. Bestehende Strukturen
werden in Frage gestellt und die wettbewerbliche Positionierung der einzelnen
Nationalstaaten steht meist über allen anderen Fragen, Zielen und Aufgaben.
Österreich als Wirtschaftsstandort zu optimieren, sollten alle politischen Parteien
hierzulande als ihre Herausforderung ansehen.
Ist die Wirtschaft negativ vom Zahnrad der Globalisierung betroffen oder berührt,
so merkt das der Normalbürger in Österreich wahrscheinlich an den
Arbeitsmarktdaten oder im persönlichen Umfeld, wenn plötzlich der eine oder
andere seinen Arbeitsplatz durch Rationalisierung, Auflösung des Arbeitsplatzes,
Abzug des Betriebes oder Konkurs des Betriebes etc... verliert.
Ein negativ Betroffener steht dann zumeist auf der Seite der Verlierer vom
verwobenen Rad in der Globalisierungsphase und sieht sich unter anderem
vielleicht als Opfer der Globalisierung, wenn auch in Österreich statistisch
weniger Menschen einen Arbeitsplatz verlieren als gewinnen.
Die Interessensvertretungen der Einzelnen, beispielsweise in der
Sozialpartnerschaft, haben schon lange nicht mehr jene Macht und Funktion, wie
das früher einmal gang und gebe war. Die Durchführbarkeit der einzelnen
Aktionsschritte gegen Betriebsschließungen wegen Abzug in sogenannte
Billiglohnländer endet meist in Kapitulation gegen die vorherrschende
Entwicklung, oder ein kurzfristiger Kompromiss kommt zustande, der jedoch
meist nicht lange währt und die Niederlage des sozialen Gedanken - auch durch
die erzwungene Kapitulation der Arbeiter oder einer Gewerkschaft - ist die Folge.
Solche geänderten Strukturen und Folgeerscheinungen machen nachdenklich und

8
die Frage nach der sozialen Verantwortung oder die Frage, wie man solchen
Entwicklungen entgegensteuern kann, stellt sich spätestens dann, wenn ein
Paradebetrieb in der österreichischen Industrie von solchem Wandel betroffen ist.
Eine Region in unserem Land macht auf Ihr Schicksal und ihre Freisetzung von
Arbeitskräften aufmerksam. Wie reagiert der Betrieb darauf, wie die Politik
unseres Landes und wie die einzelnen Interessensvertreter? Sind die Gründe der
Schließung geklärt? Mit vielen von eben diesen Fragen war der Zugang zu dieser
Arbeit und mit dem Hintergrund, im Vorfeld dieses Vorwortes angeschnitten, war
die Frage umso spannender und sinnvoll erscheinend - an einem Betrieb, dessen
Standort durch umstrittenste Gründe verloren geht, diese Fragestellungen zu
beleuchten. Das Semperitwerk in Traiskirchen spielt die tragende, traurige Rolle
in dieser Arbeit ­ dessen Beispiel aufmerksam machen soll auf jene
Wandelbarkeit im Wirtschaftssystem, die zu beschreiben versucht wird.
Es soll ein Versuch werden, ohne politische Polemik und ohne
,,Gewinngedanken" an diese Thematik heranzugehen.
Die Frage, ob die schiefe Logik ,,Globalisierung und Solidarität" sichtbar wird,
soll skizziert werden ­ oder aber ob die Begriffe wohl eher als ,,Globalisierung
oder Solidarität" zum Tragen kommen.
1
Der von Adam Smith geprägte Begriff des ,,self-interest" kommt in der Arbeit
nicht nur in Form des Eigeninteresses zur Geltung, sondern auch in Form des
Eigennutzens einzelner Konzernpolitiken und Strategien. Man stellt relativ rasch
fest, dass Interessen der Arbeiter oder Beschäftigungsinteressen der
Unternehmensphilosophie und Strategie der einzelnen Konzerne unterliegen.
Unvorteilhaftes Verhalten für den Einzelnen kommt zum Vorschein, jedoch nicht
vorteilhaft für den Arbeitnehmer, aber vorteilhaft im wirtschaftlichen Profit- und
Effizienzdenken der Konzernstrategie.
1
Vgl. Streissler, Erich W.: Mehr ist nicht möglich. In: die Presse, 23.02.2002, URL:
http://www.diepresse.com/services/archiv/default.asp?nav=detail&channel=1&ressort=S1
00&id=274824&src=online&buntmach=streissler
[31.07.2002].

9
Die sicherlich berechtigte Fragestellung des Arbeitsmarktschutzes bei der
Erweiterung der EU von AK (Arbeiterkammer) und ÖGB (Österreichischer
Gewerkschaftsbund) wirken mitunter ein bisschen verspätet. Sollten nicht Schutz-
und Regelmechanismen lange vor oder aufgrund des EU-Beitrittes schon früher
gelegt werden? Würde eine internationale Solidarität der Arbeiterschaft helfen,
gegen Lohndumping oder Subventionstourismus einzelner Konzerne
entgegenzusteuern? Viele ungeklärte Fragen tauchen auf und werden vermutlich
auch in dieser Arbeit nicht befriedigend geklärt werden können.
Ziel der Arbeit war und ist es vor allem, die Sicht der ArbeitnehmerInnen zu
beleuchten, politische Inszenierungen darzustellen und die komplexen
Zusammenhänge zu skizzieren und diese theoretisch zu fundieren. Der Umgang
mit den ArbeitnehmerInnen und das Feedback der Betroffenen steht im Zentrum
der empirischen Analyse und folgt dem theoretischen Hintergrund im ersten Teil
der Untersuchung.
An dieser Stelle sollte auch die persönliche Positionierung stehen und die Frage,
wie man auf die Thematik gekommen sei, geklärt werden. Die Dimension und der
Stellenwert der vorliegenden Thematik werden neben den statischen, medialen
und politischen Faktoren in dem Schicksal jedes einzelnen Arbeiters sichtbar. Ob
dieser jetzt gerade in Österreich oder in anderen Ländern oder Regionen betroffen
ist ­ die Betroffenheit ist ähnlich, nur in der Intensität unterschiedlich ­ und wie
man meinen könnte, neben einer aktiveren Industriepolitik und durch
Verbesserungspotentiale in der EU-Strukturpolitik abwälzbar ­ oder wie es in der
österreichischen Innenpolitik oft heißt ­ abfederbar. Über die Bilanz der
Geschehnisse ­ ein Gegengewicht zum Standortdenken zu finden wäre wohl ein
sinnvolles Pendant zur aktuell viel diskutierten ,,Handlungsohnmächtigkeit"
nationaler Politik und bewußtseinsmässig eher nachvollziehbar als
parteipolitisches Hickhack in den einzelnen Fraktionen.
In der Hoffnung, unter anderem auch einen theoretischen und empirischen Beitrag

10
zur Fragestellung Globalisierung ­ Chance oder Risiko anhand eines
naheliegenden aktuellen Beispiels zu erörtern, soll die Arbeit neben eben
genannten Indikatoren neue Imperative für die Wirtschaft und Politik aufarbeiten.
Den Anspruch der Vollständigkeit kann diese Arbeit wegen zeitökonomischen
und budgetären Gründen nicht erfüllen, wie auch einzel- und
gesamtwirtschaftliche Entscheidungsgrundlagen, sowie politische Charaktere
nicht beeinflusst werden können und sollen. Die Universalisierung von Werten
und Standards kann jedoch in dem vorliegenden Beitrag zur komplexen Thematik
generell bestätigt werden, ebenso die Tatsache, dass die nationale Politik durch
die internationale Arbeitsteilung in Bedrängnis gerät.
I.
Darstellung des Themas
Eine der herausragendsten wirtschaftlichen Entwicklungen seit Ende des zweiten
Weltkriegs ist die zunehmende Verflechtung und Vernetzung der nationalen
Volkswirtschaften. Diese wird im Wesentlichen durch Deregulierung, durch die
Liberalisierung des internationalen Handels mit Gütern und Dienstleistungen,
durch die weltweite Öffnung der nationalen Kapitalmärkte und durch die Senkung
der Transport- und Kommunikationskosten vorangetrieben. Vor diesem
Hintergrund sieht sich auch die österreichische Wirtschaft, entsprechend ihrer
Interessensgruppen, großen wirtschaftlichen Veränderungen gegenübergestellt.
Der globale Wettbewerb, der nicht nur das interne Wirtschaftsgeflecht, sondern
auch die Regionen strukturbildend prägt, fordert spätestens seit dem EU-Beitritt
von der österreichischen Wirtschaft die Errichtung und Entfaltung einer neuen
Wettbewerbsordnung. Die daraus erwachsenen Rahmenbedingungen
konfrontieren den österreichischen Wirtschaftsstandort nicht nur mit einem
Wandel auf betrieblicher Ebene, sondern auch mit Strukturbrüchen, die den
Lebenszyklus von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und

11
Organisationsstrukturen durch neue Logistiksysteme, technologische
Interventionen und neue Managementmodelle verkürzen und den Druck zur
,,effizienten" Anpassung erhöhen.
Mit Blick auf die wachsende Bedeutung des internationalen
Zeitwettbewerbs unternimmt die vorliegende Diplomarbeit den Versuch, wie
bereits im Vorwort angedeutet, anhand der politischen Debatte über die
Schließung des Reifenproduktionswerkes ,,Semperit-Traiskirchen" die neuen
Herausforderungen im Rahmen des Standortwettbewerbs im Kontext der globalen
Wettbewerbsordnung zu beleuchten. Entsprechend dieser Untersuchungseinheit
werden neben der Einordnung des Begriffes ,,Globalisierung", die Politik als
Institutionenbildung in der Europäischen Union, die Rolle Österreichs im
europäischen Integrationsprozess und das Verständnis zwischen ,,Sozialpolitik",
,,Standortpartnerschaft" und ,,neoliberaler Marktwirtschaft" präzisiert. Ferner
werden die Auswirkungen staatlicher Reintervention für ,freigesetzte
Arbeitnehmer' und die Wirkungen der Hilfestellungen unter besonderer
Berücksichtung der davon betroffenen ArbeitnehmerInnen sowie der medialen
Berichterstattung auf empirischer Grundlage veranschaulicht.
II. Methodik
2.1 Gegenstand
der
Untersuchungseinheit
In Österreich sind, wie in allen OECD-Staaten, im Zuge der Globalisierung die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Bewegung geraten, folglich ist auch
die Wirtschaftspolitik größeren Umwälzungen ausgesetzt.
Die vorliegende Untersuchung beleuchtet die Auswirkungen der
staatlichen Regulation und die negativen Konsequenzen für den Arbeitnehmer vor
dem Hintergrund der globalen Konjunkturentwicklungen anhand der Schließung

12
und Standortverlagerung der österreichischen Reifenfabrik ,,Semperit ­
Traiskirchen".
In der Einführung werden die Entwicklung und die wichtigsten Faktoren des
Standortes vorgestellt, die als Entscheidungsgrundlage der Standortdebatte
dienen.
Einerseits wird das Forschungsziel darin bestehen, die Schließung und
Ausgliederung von Österreich nach Tschechien zu beschreiben und diese
Prozesse zu evaluieren. Andererseits wird das Ziel sein, die ausschlaggebenden
Motive beziehungsweise aktuellen Planungen für die Produktionsverlagerung zu
erklären. Im speziellen aber soll hinterfragt werden, welchen Einfluss die
politische Diskussion auf die Schließung des Werkes gehabt hat. Eine große Rolle
spielt hier die öffentliche Meinung und auch das mediale Bild, das über die
Situation der ArbeitnehmerInnen gezeichnet wurde. Ob das Faktum der
Schließung des Reifenwerks und der Umstand des Eingriffs der Politik zugunsten
des Arbeitnehmers als Repolitisierung aufgegriffen wird, und wenn ja, ob dies als
temporäre, zweckmäßige Erscheinung oder als tiefergehender Wertewandel
interpretiert wurde, sollte ebenso in diesen Beitrag einfließen.
Die Methode hierzu baut auf der qualitativen Inhaltsanalyse nach Siegfried
Lamnek (1995) auf, um den medialen Reflexionen als Untersuchungswert neben
den qualitativen Interviews Gewicht zu geben. Die empirische Inhaltsanalyse, wie
sie hier verstanden wird, ist also eine Forschungstechnik, bei der durch die
systematische und objektive Identifizierung ihrer Elemente Schlüsse gezogen
werden, die über das einzelne analysierte Dokument hinaus verallgemeinerbar
sein sollen. Für den Untersuchungswert werden Wochen- und Tageszeitungen
sowie Onlineberichterstattungen herangezogen. Die qualitativen Interviews sollen
anhand eines Fragebogens mit den Arbeitnehmern geführt werden. Neben den
geschlossenen Fragestellungen (die gewählten Antwortalternativen konnten durch

13
Ankreuzen protokolliert werden) gab es im Fragebogen auch die offenen
Fragestellungen, womit unter anderem verhindert werden sollte, dass der Befragte
nur einem ,,Datenabruf" unterworfen wird. Neben dem Fragebogen wurden
Expertengespräche geführt, da diese in Anbetracht der enorm negativen
Folgewirkung nicht ausgeklammert werden sollten.
Den eigentlichen Untersuchungszeitraum bestimmt somit die Periode vor
der Schließung von April 2001 bis Mai 2002. Die Zeit bis zur entgültigen
Schließung im Juli 2002 wird jedoch nicht ausgeklammert, sondern fragmenthaft
bis zum Schluss miteinbezogen. In dieser Zeit haben etwa 1.000
ArbeitnehmerInnen Ihren Job verloren. Der Umstand, dass bis zum kommenden
Jahr weitere 300 Arbeitsplätze abgebaut werden und noch weitere Stellen
verloren gehen werden, soll auch anhand des Fragebogens ,,aufgearbeitet"
werden.
2.2 Problemstellung
Die Felder zur Untersuchung zielen methodisch auf folgende ausgewählte
Fragestellungen ab:
Im Zentrum der Problemstellung steht die Schließung der Reifenfabrik Semperit
in Traiskirchen und die politische Diskussion darüber. Hierzu stützt sich der
Untersuchungswert auf drei Kernbereiche:
1. Die Auswirkungen der staatlichen Regulationen und die Wirkungen der
politischen Maßnahmensetzung.
2. Das Faktum der Schließung und der Umstand des Eingriffs der Politik
zugunsten der Reintegration der Arbeitnehmer.
3. Die öffentliche Meinung beziehungsweise das Bild der medialen
Berichterstattung in der Auseinandersetzung um politische Versprechungen und
der Darstellung der ArbeitnehmerInnensituation.

14
2.3 Fragestellung
1. Wie verhält sich die Politik am Beispiel ,,Semperit ­ Traiskirchen"?
2. Welche Instrumente stehen der Politik zur Verfügung?
3. Was sind die Konsequenzen des Rückzugs der Politik aus der Wirtschaft?
4. Gibt es Bereiche, wo die Politik nur mehr zum Schein (scheinbar) vertreten
ist?
5. Wer besetzt die Felder aus denen sich die Politik zurückzieht?
6. Ist der Rückzug der Politik ein Trend, der sich dauerhaft durchzieht?
7. Wie wurde die politische Debatte in Österreich bezüglich der Schließung des
Traditionsreifenwerks Semperit geführt?
8. Haben die Formen und Intensität der staatlichen Intervention (Nicht-
Intervention) Wirkung auf den/die ArbeitnehmerIn?
9. Inwieweit wirkt sich der staatliche Rückzug oder eine Reintervention auf die
ArbeitnehmerInnen aus?
10. Ist die Arbeitsmarktentwicklung oder einzelne Bereiche darin ein Resultat
langfristig ansetzender staatlicher Politik und Verbandpolitik und was ist die
öffentliche Aufgabe?
11. Steht ,,Semperit ­ Traiskirchen" für ein Symbol negativer Folgen eines
Abverkaufs heimischer Firmen im Ausland oder als Symbol für die Ostöffnung?
2.4 Problemanalyse im Literaturbereich
Die Literatur für die Theorie der Regulation wird anhand Michel Agliettas
théorie de la régulation als analytischer Versuch herangezogen und in der
Interpretation von Kurt Hübner vorgestellt. Ferner werden in der Betrachtung des
,,Systemmodells Österreich" Texte und Analysen von Andreas Novy, Stefan
Tidow und aus der Schriftenreihe ,,Sozialer Dialog in Europa" zum Thema der

15
,,gegenwärtigen Umstrukturierungsprozesse" und der ,,korporatistischen
Regulierung" zur Anregung genützt.
Einen großen Stellenwert nehmen die Experteninterviews und
Arbeitnehmerinterviews in Form eines halb offenen, halb standardisierten
Fragebogen ein. Die dafür vorgesehenen Gesprächsleitfäden und Fragebögen
habe ich inhaltlich auf die jeweilige Personenkompetenz, statistischen Eckdaten
der Produktion des Semperit-Werkes allgemein und konkret auf die regionale
Problemstellung abgestimmt.
2.5 Datenanalyse
Zunächst wird bei der Untersuchung auf schriftliche Dokumente zurückgegriffen
­ diese werden einer Analyse unterzogen. Es handelt sich dabei um
Primärquellen, wie Bestandsaufnahmen und Berichte über die Semperit-Reifen
AG, APA-Meldungen, ÖGB-Pressespiegel, AK-Berichte, Statistiken des AMS,
AK, ÖSTAT und firmeneigenen Statistiken, Unterlagen und Werks-Chroniken
aus dem Archiv der Semperit-Reifen, Geschäftsberichte, Zeitungsartikel von
Fachzeitschriften, Tageszeitungen, Magazinen, Beiträge im Fernsehen, und
Sekundärquellen wie auch andere Berichte, Online-Recherchen,
Forschungsarbeiten zu Arbeitsmarktregulierung und Repolitisierung im
allgemeinen und Evaluationsstudien zum Fallbeispiel ,,Semperit".
2.6 Interviews
Der Fragebogen im empirischen Teil der Untersuchung nimmt neben einem
bewusst großen theoretischen Kontext mit wissenschaftlichen und theoretischen
Hintergründen einen wichtigen Bestandteil der Arbeit ein. Die Aktualität und der
Umstand der ständigen Wandelbarkeit im Tatbestand erschwerten die empirische

16
Analyse in einigen Eckpunkten. Die Theorie war von diesen Erschwernissen
ausgenommen und nimmt nicht zuletzt deswegen einen Großteil der Arbeit ein.
Einen Schwerpunkt bei der empirischen Datenerhebung nehmen nichts desto trotz
erstens die explorativen Experteninterviews anhand des Gesprächsleitfadens und
interpretativen Verfahrens und zweitens die ArbeitnehmerInnenstimmen anhand
eines anonymen halb offenen und halb standardisierten Fragebogens ein. Die
Inhaltsanalyse der Experteninterviews erfolgte mittels Texttranskription. Die
Auswertung der ArbeitnehmerInnenerhebungsdaten erfolgte aufgrund der
Datenmenge, wie an anderer Stelle ausführlicher dargestellt, einerseits mittels
eines statistischen Programms und ebenfalls mittels Texttranskription und
Kategorienbildung.
Die Inhalte im Gesprächsleitfaden der Experteninterviews zielen mit
unterschiedlichen Zusammenhang und Gewichtung mit dem Vermerk auf die
Europäische Union, die Verflechtung anderer Länder, sowie auf die zukünftige
Produktionskraft auf folgende Fragestellungen ab:
· Wird es einen österreichischen Investor geben, der dem österreichischen
Conti-Vorstand Hans-Joachim Nikolin den Produktionsbetrieb um
Milliarden abkaufen wird?
· Zwei andere Betriebe sind bereits geschlossen. Wird/Ist die einstige
Traditionsmarke Semperit ausverkauft?
· Was bedeutet dies alles für den Arbeitnehmer?
· Wie geht der Arbeitnehmer mit der ,,Gerüchteküche" um?
· Und wie verhält sich die Politik rund um das Reifenwerk Semperit?
Der Inhalt im Gesprächsleitfaden des anonymen Fragebogens stützt sich aus der
Sicht der ArbeitnehmerInnen mit einer ziemlich offen gehaltenen
Forschungsfrage auf folgende Schwerpunkte: Wird in der medialen
Berichterstattung über die Schliessung des Semperit-Werks Traiskirchen dem

17
Faktum der Reintegration der Arbeitnehmer und der Restrukturierung
Aufmerksamkeit geschenkt? Wenn Ja, wird es politisch als Versprechen oder als
tiefgreifende Maßnahme interpretiert?
Haben Formen und die Intensität stattlicher Intervention Wirkung auf den/die
ArbeitnehmerIn?
Inwieweit kann sich der staatliche Rückzug oder eine Reintervention überhaupt
auf den/die ArbeitnehmerIn auswirken?
Die zentrale Frage im Fragebogen lautet:
Wie verhält sich die Politik am Beispiel Semperit? Da ich mich bei der
ArbeitnehmerInnenuntersuchung mit einer ziemlich offen gehaltenen
Forschungsfrage angenähert habe, wollte ich mir durch die qualitative
Inhaltsanalyse im Medienberichterstattungsbereich einen größeren
Interpretationsrahmen offen lassen. Die Analysen werden zusätzlich durch
quantifizierbare Daten gestützt.
2.7 Inhaltsanalyse
Für die Inhaltsanalyse werden Zeitungsartikel von Fachzeitschriften,
Tageszeitungen, Magazinen und Beiträge aus dem Fernsehen herangezogen, die
mittels Texttranskription interpretiert werden. Zum Analysezweck habe ich mich
für die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Siegfried Lamnek (1995)
entschieden. Die daraus gewonnenen Werte beziehungsweise die Bewertung der
medialen Ausprägung hinsichtlich des im Spannungsfeld liegenden Interesses im
Vergleich sind ausschlaggebend für die Übereinstimmung oder Divergenz bei den
Motiven in der Berichterstattung über ,,Semperit". Zur Selektierung der Motive
wurde die Berichterstattung aus den Qualitätsmedien (Die Presse, Der Standard,
Kurier, Profil, u. a.) übernommen.

18
2.8 Schlussbemerkung
Für die Klassifizierung werden Zeitungsartikel und Pressemeldungen
herangezogen sowie Ankerbeispiele von Interviews und Fragebögen angeführt,
anhand dieser wird danach die Interpretation vorgenommen. Am Schluss sollte
eine Zusammenfassung vorgenommen werden.
Die Diplomarbeit besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen, dem theoretischen
und dem empirischen Teil. Der empirische Teil ist in Forschungsdesign und
Auswertung gegliedert, wobei das Untersuchungsdesign den formal-analytischen
Ablauf wiedergibt. In diesem Fall ist dies die Inhaltsanalyse, die
Experteninterviews und insbesondere als Herzstück die Fragebogenanalyse. In der
Auswertung findet sich die Erkenntnisgewinnung aufgrund meiner Analyse, die
im Kapitel VII (Conclusio) nochmals fragmenthaft zusammengefasst wird.
Datenerhebungsauszüge, die für die Kategoriebildung und für die Zuordnung
meines Untersuchungsmaterials dienlich waren, befinden sich im Anhang.
Exkurs: Objektivität in der wissenschaftlichen Arbeit
Der Autor sollte den Anspruch der Objektivität in wissenschaftlichen Arbeiten
erfüllen, das heißt, er sollte neutral und unvoreingenommen sein. Der/Die
UntersucherIn eines bestimmten Bereichs oder Gegenstandes sollte also nicht im
Geschehen stehen, sondern außerhalb. Die Konstruktivisten sehen dies anders,
denn ,,Beobachter sind untrennbar mit ihren Beobachtungen verknüpft (...)."
2
Der
Anspruch an Neutralität kann so nicht erfüllt werden, denn das impliziert eine
unabhängige Realität mit objektiven Mitteln.
2
Vgl. Schmid, Siegfried J.: Konstruktivismus in der Medienforschung, 1994, S. 616.

19
III.
Globalisierungs- und Modernisierungstheorien
3.1 Begriffsdefinition:
Globalisierung
Der Begriff ,,Globalisierung" als zeitdiagnostisches Schlagwort scheint für ein
multinationales Konzept zu stehen, das sämtliche Aspekte der gesellschaftlichen
Realität miteinbezieht. Will man sich aber dem Risiko der Gegenwartsdiagnose
im Detail stellen, gerät die Definition um das Wort ,,Globalisierung" in
verschiedene Diskurszusammenhänge. Dabei fällt auf, welche Begriffe zur
Kennzeichnung gesellschaftspolitischer und ökonomischer Fragen aus der
Perspektive des Weltsystems nicht verwendet werden: Es ist vordergründig nicht
von ,,Staat" oder ,,Demokratie", auch nicht von ,,Bürgergesellschaft" oder
,,Sozialpolitik" die Rede.
,,An die Stelle dieser scheinbar selbstverständlichen Schlüsselbegriffe, die aus der
Differenz zum Gesellschaftlichen entstanden und begründet sind, werden in der
Debatte um ,Globalisierung' Begrifflichkeiten skizziert, die jenseits des
Dualismus von Gesellschaft und Demokratie ansetzen und Gesichtspunkte und
Themenfelder zivilisatorisch fabrizierter Unsicherheit ins Zentrum stellen:
Risiko, Gefahr, Nebenwirkung, Versicherbarkeit, Individualisierung und
,Globalisierung'"
3
. Diese Begriffe kommunizieren mit der Bewertung der
,,Vielfalt an Lebensformen, Lebensläufen und Lebensstilen und deren Betonung
des Besonderen, Lokalen und Heterogenen."
4
Am vordergründigsten aber gerät der ,,Zwang der Verhältnisse, die
übergreifenden sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Strukturen
der Vereinheitlichung"
5
ins Blickfeld wahrgenommener Globalität. Das heißt, die
3
Beck, Ulrich: Weltrisikogesellschaft, Weltöffentlichkeit und globale Subpolitik, 1996, S.
12f.
4
Eickelpasch, Rolf: Globalisierung. Zur Suggestivkraft einer Metapher. In: Rademacher,
Claudia/Schroer, Markus/Wiechens, Peter (Hrsg.): Spiel ohne Grenzen? 1999, S. 9.
5
Ebd.

20
,,Suggestivkraft der Metapher Globalisierung"
6
beziehungsweise die
herausgebildeten Konturen einer Weltöffentlichkeit am Beginn des dritten
Jahrtausends spiegeln sich in einer Rhetorik wider, die alle Erfahrungen einer
,,entgrenzten und beschleunigten Modernisierung"
7
beinhaltet. Dieser Prozess hat
inzwischen eine so große Dynamik erreicht, dass er tendenziell in jedermanns
Betrachtung für das Unbehagen am Weltzustand Ausdruck findet. Die ,,weltweite
Ausdehnung von Finanzmärkten, Informationsnetzen und transnationalen
Unternehmen, die Bedrohung durch globale Umweltzerstörungen, die Entstehung
einer globalen Konsumkultur"
8
, all das erzeugt einen Perspektivenwechsel, der
sich nicht mehr ausschließlich in der rhetorischen Inszenierung ausdrücken lässt,
sondern auch in einer Weise wie Hans-Peter Müller 1997 feststellt, ,,(...) alle
rechnen damit. Jeder spürt das, jeder sieht das, jeder weiß das."
9
Die ,,Globalisierung" ist somit für alle gesellschaftlichen Gruppierungen von
Bedeutung. Ihre Sichtweisen lagern zwischen ,,Euphorie und Paranoia, abhängig
davon, ob man sich eher auf der Gewinner- oder Verliererseite wähnt."
10
Im
Spannungsfeld zwischen konstruierter Freiheit, Profitmaximierung auf der einen
Seite und den Angriff auf Wohlstand und soziale Werte auf der anderen Seite,
taucht immer wieder die Frage auf: Was bedeutet Globalisierung nun wirklich
und wer hat eigentlich Interesse daran?
Globalisierung meint die Prozesse, in deren Folge die Nationalstaaten und ihre
Souveränität durch transnationale Akteure unterlaufen werden. Globalisierung
bedeutet Politisierung durch Depolitisierung der Staaten - der Ausbruch des
Politischen aus dem kategorialen Rahmen des Nationalstaates.
6
Ebd.
7
Ebd.
8
Ebd.
9
Ebd.
10
Ebd.

21
Die Inszenierung der Globalisierung erlaubt es den Unternehmen, die politisch
und sozialstaatlich gezähmte Handlungsmacht des demokratisch organisierten
Kapitalismus aufzuschnüren und zurückzuerobern, die nationalstaatlichen Fesseln
abzustreifen.
Die Bewertungen, die hierzu in der internationalen Globalisierungsdebatte
transportiert werden, weisen einerseits sehr deutlich auf eine globale
Vergesellschaftung und andererseits auf die Gefahren und Risiken der Um- und
Aufbruchstimmung hin. Besonders wenn es um die Internationalisierung der
Wirtschaft, um die Sicherung der regionalen Arbeitsplätze und um die Armuts-
und Klassenfrage geht.
Ergänzend zu dieser Codierung scheint ein Teil der kritischen Theoriebildung
darin übereinzukommen, dass der ,,Globalisierungsprozess ein Geschehen
darstellt, das als ,Sachzwang' das politische Handeln seinem Diktat unterwirft."
11
Diese These wird nicht zuletzt deshalb vertreten, weil der säkulare Trend eines
globalen Kapitalismus, beziehungsweise die selbstläufige, ,,von jeder
nationalstaatlichen Kontrolle entbundene Durchkapitalisierung der Welt"
12
die
Handlungsräume des Staates einengt, indem sie traditionelle demokratische Tabus
gegenüber einer einseitig marktorientierten Politik aufbricht. Ferner führen die
nachweisbaren Abläufe und empirischen Befunde des Globalisierungsprozesses
zu der Erkenntnis, dass die Verstrickung aller Nationen in ein- und denselben
Wettstreit über kurz und lang zu einer Art ,,Weltwirtschaftskrieg" um nationale
Überlegenheit mündet.
Im Zentrum steht der globale Weltmarkt, der seine Größe über den
systematischen Wettbewerb formuliert. Dieses Leitbild setzt ungeachtet der
unterschiedlichen Optionen - der Region- und Standortgebundenheit, der
11
Ebd.
12
Ebd.

22
Produktionsverfahren - auf produktionseffiziente Unternehmen, die im Netzwerk
der Zukunft zusätzlichen Wert einbringen.
13
Entgegen der Multinationalisierung
und ihrer nationalstaatlichen Rechtsordnung, weist die begriffliche Erklärung für
,,Transnationalisierung" auf die Entstehung von überstaatlichen Institutionen
beziehungsweise kollektiven Akteuren hin, die in die nationalstaatlichen
Rechtsordnungen eingreifen. Für die Transnationalisierung wurden speziell
,,völkerrechtliche Verträge geschaffen, welche einen teilweisen
Souveränitätsverzicht beinhalten. Das gilt auch für Unternehmen, die sich eine
von nationalen Standorten weitgehend unabhängige Ordnung und Struktur geben
und als ,,globale Spieler" (,,global players") in Erscheinung treten."
14
Mit dem Begriff ,,Transnationalisierung" ist häufig die Vorstellung
verbunden, dass nationalstaatliche Regelungen für die ,,global players" eine
immer geringe Bedeutung haben, da sie sich für ihre jeweiligen Aktivitäten den
günstigsten Standort aussuchen und somit nationalstaatliche Vorschriften und
Regeln weitgehend umgehen beziehungsweise Anreize besser auszunützen."
15
In diesem globalen Modernisierungsprozess ist es den differenzierten
Modellen beinahe unmöglich geworden, außerhalb der transnationalen Konzerne
auf nationalstaatlicher Ebene zu operieren. Selbst wenn die Grundlage dafür
gegeben wäre, dieser Stabilitätsfaktor ließe sich unter den Bedingungen der
Liberalisierung und Deregulierung des Marktes nicht aufrechterhalten.
Die ,,,internationale Arbeitsteilung' - so sehr sie als ,Leiter' für den Auf- und
Abstieg dieser oder jener Unternehmen gesehen werden kann - wurde mehr und
mehr zur Rutschbahn für die Abhängigen, seien es nun Individuen, Gruppen oder
ganze Nationen."
16
13
Brinkschröder, Michael: Klassenstruktur und Vergemeinschaftung im Postfordismus.
In: Rademacher, Claudia/Schroer, Markus/Wiechens, Peter (Hrsg.): Spiel ohne
Grenzen? 1999, S. 206f.
14
Vgl. Trabold, Harald/Bach, Stefan/Weise, Christian u. a. (Hrsg.): Herausforderung
Globalisierung. Einführung, 2001, S. 9f.
15
Ebd.
16
Ebd., S. 10f.

23
Auch wenn diese Entwicklung vor zirka 20 Jahren eingesetzt hat, die Fortschritte
im Telekommunikationswesen und die gesteigerte Leistungsfähigkeit von
Verkehrssystemen, die Überwindung der Distanzen und der Bedeutungsverlust
von Räumen setzte im Verhältnis zu den früheren Phasen der internationalen
Arbeitsteilung neue Maßstäbe.
Neu ist zudem, dass die global operierenden ,,Finanzmärkte heute durch
wesentlich umfangreichere Bruttokapitalströme gekennzeichnet sind, und dass
Zahl und Variation der Instrumente auf den Finanzmärkten erheblich angestiegen
sind."
17
Diese neue Phase, auch als neue Phase der internationalen Arbeitsteilung
angesehen, hat wie unter anderem oft behauptet wird, eine neue Qualität an
Wissensströmen hervorgebracht.
Aus kritischer Perspektive aber trifft dieses Argument nur auf die neuen
Wissensmonopole zu. Die fortschreitende Globalisierung, meinen Kritiker, hat
einen eher zersetzenden Charakter. Globalisierung greift an, indem sie
,,traditionelle demokratische Tabus gegenüber einer einseitigen marktorientierten
Politik aufbricht."
18
Demnach ,,ist sie weniger ein realer Sachverhalt als ein
weitgehend empirie-freies-ideologisches Konstrukt des Neoliberalismus."
19
Aus dem Blickwinkel kultursoziologischer Reflexionen führt das Handeln über
alle Grenzen hinweg zu einer Konzentration von Expertenwissen einerseits und
zu einer Sinnentleerung von Alltagsroutinen, eingelebten Traditionen und
sozialen Lebensformen andererseits. Denn ,,alles muss im globalen
Konkurrenzkampf der Kultur-Alternativen in einen Dialog zueinander treten,
gewählt und begründet werden. In den enttraditionalisierten Lebensformen der
17
Ebd., S. 10.
18
Eickelpasch, Rolf: Globalisierung. Zur Suggestivkraft einer Metapher. In: Rademacher,
Claudia u. a. (Hrsg.) Spiel ohne Grenzen? 1999, S. 12.
19
Ebd.

24
globalisierten ,weiten Moderne' müssen die Individuen ,reflexiv' werden, das
heißt, sich permanent mit offenen Lagen und Entscheidungssituationen
auseinandersetzen, für eine solche die Vergangenheit keine Antwort mehr
bereithält."
20
Im Gesamtzusammenhang betrachtet scheint die globale Welt zu einem ,, 'welt-
weiten Experiment' geworden zu sein, das ihrerseits ,neue Typen der
Unkalkulierbarkeit' hervorbringt. ,Ob wir wollen oder nicht, wir sind alle in ein
großes Experiment verstrickt, bei dem wir zwar als menschliche Akteure handeln,
das sich gleichzeitig aber auch bis zu einem bestimmten Grad unserer Kontrolle
entzieht. (...)' "
21
Will man für diese Entwicklung die Thesen des Modernisierungstheoretiker
Anthony Giddens in dem Buch die ,,Konsequenzen der Moderne" heranziehen,
so ist die Globalisierung ,,die Essenz und ultima ratio der Moderne. Sie ist in
ihrem inneren Wesen auf Globalisierung angelegt."
22
,,In ihr (m. A.: der
Globalisierung)", so Giddens, ,,begründet sich der Mechanismus der Reflexivität.
Ihre Substanz ist die Ausdehnung und Radikalisierung jenes
Mammutunternehmens das Max Weber ,okzidentale Rationalität' nannte."
23
Je
stärker, die in ihr vernetzten Prozesse voranschreiten, ,,desto opaker und
unkontrollierbarer wird paradoxerweise der Gesamtzusammenhang einer Welt,
die immer mehr zu einer planetarischen Einheit verschmilzt."
24
Die aus der Universalisierung erwachsenen ökonomischen Abhängigkeiten stehen
den globalkulturellen Abhängigkeitsprozessen parallel gegenüber, sei es im
Massenkonsum, in der Medienwelt oder anderswo. Eine ,,Homogenisierung von
20
Ebd., S. 13.
21
Ebd.
22
Giddens, Anthony: Die Konsequenzen der Moderne, 1995, S. 84. In: Ebd., S. 14.
23
Ebd.
24
Ebd.

25
Konsum- und Geschmacksmustern, die mit dem Begriff des ,McWorld' prägnant
zum Ausdruck gebracht wird "
25
, tritt in Erscheinung.
Gekennzeichnet ist diese breite Durchsetzung von ,,Ambivalenzen und
analytischen Unschärfen"
26
zum einen dadurch, dass der Konsument verwundert
auf das ihm dargebotene Szenario blickt und zum anderen, dass sich im Gegenzug
dazu ein Trend beobachten lässt, (der nicht nur von Globalisierungsgegnern) zu
einer Eigenart beziehungsweise Hervorhebung von gruppenspezifischen
Bedürfnissen aufruft. Die Sozialwissenschaft hat diese Gleichzeitigkeit noch nicht
entschlüsselt und die darüber geführte Debatte liefert nur sehr divergierende
Erkenntnisse. Man kann aber, wie bei Rolf Eickelpasch nachzulesen, zu einer
Annäherung kommen. Er unterscheidet zwei konträre Positionen voneinander:
,,eine Homogenisierungsthese und eine Heterogenisierungsthese."
27
Erstere findet sich bei marxistisch inspirierten Anhängern von Varianten der
Weltsystem-Theorie wie Immanuel Wallerstein, Jonathan Friedman oder den
bereits erwähnten Benjamin Barber, sowie soziologischen
Modernisierungstheoretikern wie Anthony Giddens, letztere bei Theoretikern im
Umkreis der angloamerikanischen Cultural Studies wie Homi Bhabha und Stuart
Hall oder Vertretern der ,,reflexiven Anthropologie" wie James Clifford. ,,Die
Homogenisierungstheoretiker sehen als Folge des Siegeszuges kapitalistischen
Wirtschaftens (beziehungsweise säkularer Prozesse der Universalisierung und
Rationalisierung) weltweit eine gleichförmige globale Kultur heraufziehen,
während die Heterogenisierungstheoretiker von der unhintergehbaren Pluralität
und Kontextualität kultureller Bedeutungswelten und Lebensformen ausgehen.
Sie bestreiten die Annahme eines konvergenten und unilinearen
Modernisierungsprozesses, ziehen die Distinktion von Universalität und
25
Barbar, Benjamin: Dschihad versus McWorld. Globalisierung. Zivilgesellschaft und die
Grenzen des Marktes. In: Lettre international 4, zitiert in Eickelpasch, Rolf:
Globalisierung. Zur Suggestivkraft einer Metapher in: Rademacher, Claudia u. a. (Hrsg.)
Spiel ohne Grenzen? 1999, S. 15.
26
Ebd.
27
Ebd., S. 15f.

26
Partikularität ein und sehen in der Dominanz des Westens über ,den Rest' die
Hegemonie einer partikularen Kultur über andere. Globalisierung erscheint in
dieser Perspektive nicht als Universalisierung, sondern als Verwestlichung
beziehungsweise Amerikanisierung."
28
Auch wenn auf diese kontrovers thematisierte Gleichzeitigkeit und das
,,Ineinander von Globalisierung und Lokalisierung von Integration"
29
sowie
,,Ausgrenzung" für die hier dargelegte Begriffsdefinition nicht ausführlicher
eingegangen werden kann, die Problemstellung der Globalisierung bringt
Zygmunt Bauman aus kulturphilosophischer Perspektive mit einem Gedanken
umfassend auf den Punkt: ,,Die Globalisierung polarisiert die Möglichkeiten, die
Zeit zu nutzen, um die Beschränkungen des Raumes zu überwinden. Sie nennt so
die Welt in die globalisierte und die lokalisierte. Einige bewohnen den Globus,
andere sind an ihren Platz gefesselt. Der Prozess der Globalisierung, der immer
größere Teile der Weltbevölkerung als nutzlosen Abfall ausstößt, ist alles andere
als zufällig und erst nicht korrigierbar. Die globalen Effekte handeln von dem,
was uns allen geschieht. Sie beziehen sich explizit auf das neblige und sumpfige
Niemandsland, das sich jenseits der Reichweite irgendeiner Planung- und
Handlungsfähigkeit erstreckt."
30
Dieser Nebel, so scheint es, kann regional politische, ökonomische,
soziale und kulturelle Erwartungen nicht mehr segmentieren oder fragmentieren.
Die neue Bildungs-, Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik zu Beginn des 21.
Jahrhunderts schiebt zwar Stichworte wie ,,liberale Demokratie" und die soziale
und ökonomische Verantwortung nicht beiseite, sie erhalten aber eine neue
Dimension, die die Politik und ihre Theorie entscheidend verändert.
28
Ebd., S. 16f.
29
Ebd., S. 17.
30
Bauman, Zygmunt: Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, 1996,
S. 654/ S. 658. In: Ebd.

27
3.2 Nationalstaaten und Globalisierung
3.2.1 Demokratie im globalen Zeitalter
Der mit dem Begriff ,,Globalisierung" einhergehende Wandlungsprozess bietet
Aussicht auf die Möglichkeit eines globalen ,,Eine Welt" Verständnisses. Vor
diesem Hintergrund stehen die Verfassung dieser Gesellschaft und damit die
Frage nach der Zukunft der Demokratie im globalen Zeitalter. Dieses Faktum
leitet die folgende Fragestellung ein: Wo bleibt die Demokratie im
transnationalen Globalisierungsprozess?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich alle Funktionssysteme wie Markt,
Politik, Recht und Kommunikation globalisieren. Jedoch hat diese Gesellschaft
keine ,,Weltverfassung", die der nationalstaatlichen Dimension in Sachen
Demokratie, sozialer und rechtlicher Sicherheit auch nur annähernd gleichkäme.
Das westliche Modell - Marktwirtschaft, Sozialstaat und Demokratie - scheint
sich daher im globalen Prozess zu verändern. Die staatlichen Grenzen
überschneiden sich, verlieren an Bedeutung und insbesondere auf wirtschaftlicher
Ebene gewinnen neue Akteure Macht und Einfluss. Die Entwicklung international
tätiger Unternehmen, inter- und transnationale Institutionen und regierungs-
unabhängige Organisationen sind Ausdruck dafür.
Diese Dimension beziehungsweise der Zustand allseitigen Verkehrs und
allseitiger Abhängigkeit der Nationen voneinander, wirft vor allem die Frage nach
den Funktionssystemen souveräner Nationalstaaten in der Zukunft auf. Denn
durch die neue Ausgestaltung internationaler Institutionen und einer zugleich
,globalen und indirekten Subpolitik entstehen Konstellationen, welche die
Koordinaten und Koalitionen nationalstaatlicher Politik relativieren und

28
unterlaufen."
31
In einer solchen Entwicklung steht die Demokratie auf dem
Prüfstand. Ihre ,,Gefährdung" wird aber vor allem von jenen zur Diskussion
gestellt, die die politische Selbstorganisation solidarischer Staatsbürger und den
demokratischen Prozess als Medium der Verbürgerlichung und politischer
Selbstkonstruktion einer Gemeinschaft auslegen.
32
Es sind genau die von abgegrenzter National- und Territorialstaatlichkeit
erbrachten Leistungen, die durch die Ausdehnung der Globalisierung gefährdet
werden. Aufgrund den daraus resultierenden Souveränitätsverzichten, die von den
international etabliert und rechtsförmigen Kooperationszusammenhängen
eingefordert werden, und den Souveränitätseinschränkungen, die mit der
grenzüberschreitenden Risikowirkung irgendwo getroffener ökonomischer,
ökologischer und finanzpolitischer Entscheidungen faktisch gebunden sind,
werden die Integrationskräfte eines Staates geschwächt. Das heißt, mit der
politischen Marginalisierung des Territoriums schwindet zugleich der
Solidaritätsraum und die nach innen gerichtete Konzentration weicht einer
sozialen Diffusion. Die Globalisierung polarisiert die, durch die nationalstaatlich
ermöglichte, Verbürgerlichung der Menschen und macht quasi in diesem
Zusammenhang die Politisierung der Gemeinschaft rückgängig.
Entgegen den nationalstaatlichen Wirksamkeiten ist die globale Ordnung ein
weltweit operierendes Gebilde mit einer hierarchisch gestuften
Organisationsebene, die sich von lokalen Gemeinden und Städten über
Gebietsgemeinschaften, Regionen und Ländern bis zu den Nationalstaaten,
supranationalen Organisationen und globalen Organisationen ausdehnt. Auf
diesen Ebenen können demokratische Organisationsformen wirksam werden, die
31
Beck, Ulrich: Weltrisikogesellschaft, Weltöffentlichkeit und globale Subpolitik, 1996,
S. 13.
32
Vgl. Angehrn,Emil/Baertschi, Bernard: Demokratie und Globalisierung, 1999, S. 34.

29
nach dem Prinzip der Legitimation, Subsidiarität, Delegation und der
Repräsentation untereinander vernetzt sind.
Mit anderen Worten sind diese Organisationsformen auf den demokratischen
Legitimations- und Partizipationsgedanken zugeschnitten und reichen von der
Hierarchieebene des Lokalen zum Globalen. Zweifellos bedeutet diese
Hierarchisierung eine relative Entmachtung des Nationalstaates. Die Politik im
globalen Zeitalter scheint hier losgelöst zu sein von einer ausschließlich
nationalstaatlichen Gravitation und will/kann unter anderem daher keine
demokratiepolitische Richtlinie vorgeben. Das heißt, in dem Maße, wie die
räumlichen Voraussetzungen nationalstaatlicher Politik geschwächt werden,
verschwimmt auch die Interessensbasis der Nationalstaaten und
nationalstaatlicher Politik. Die Herausbildung und Differenzierung zwischen
Individual- und Kollektivinteresse wird immer vager und undeutlicher. Ferner
lässt sich feststellen, ,,dass individuelle wirtschaftliche Interessen gegenüber einer
übernational strukturierten Wirtschaft auf den Zusammenschluss zu kollektiven
Akteuren angewiesen sind, um auf dem Wege nationalstaatlicher Politik
hinreichende infrastrukturelle und normative Voraussetzungen für den politischen
und wirtschaftlichen Erfolg der individuellen Akteure zu schaffen."
33
Das klassische Risiko nationalstaatlicher Politik, deren Konkurrenzkampf
um wirtschaftliche Vorteile auf deren Territorium ausgetragen wird, hat dagegen
mit dem gegenwärtigen Phänomen der Globalisierung und mit wachsenden
Zweifeln an der Möglichkeit nationalstaatlicher Souveränität zu tun. Vor allem
wird die, für die Moderne essentielle Verpflichtung eines demokratischen Staates,
nämlich das Wohlergehen künftiger Generationen zu sichern, von gravierenden
Zweifeln durchsetzt. Aus ihnen heraus stellt sich die Frage, ob die nationale
Wohlfahrtsregierung überhaupt noch über die Mittel verfügt, um die gerade von
den Bürgern formulierten Interessen einzulösen. Auch wenn solche Zweifel direkt
33
Brock, Ditmar: Bananenrepublik Deutschland? Über strukturelle Grenzen
nationalstaatlicher Politik. In: Rademacher, Claudia/Schroer, Markus: Spiel ohne
Grenzen, 1999, S. 96.

30
auf die Instrumentarien nationalstaatlicher Politik abzielen, so münden sie
gleichfalls in der weitverbreiteten Frage, ,,ob nationalstaatliche Politik kollektive
Interessen"
34
im Zeitalter der neuen Weltgesellschaft mit den altbewährten
Strukturen und Denkmodellen noch bewältigen und abzudecken vermag.
Zum angenommenen Faktum der Globalisierung und den Bedenken der
thematisierten Schwächung der spezifischen Interessensbasis der Nationalstaaten
und nationalstaatlicher Politik weisen hierzu zwei Thesen hin, die im Verhältnis
zwischen Denationalisierung und Demokratie eine Chance für die
Staatsbürgerrolle sehen.
Der deutsche Autor Ingo Pies, Verfasser zahlreicher Publikationen zur
Neuen Institutionenökonomie, stellt beispielsweise in seinem Aufsatz
,,Globalisierung und Demokratie: Chancen und Risiken aus ökonomischer Sicht"
die Frage: ,,Wird das Verhältnis zwischen politischer Denationalisierung und
Demokratie tatsächlich nur von der globalisierten Marktwirtschaft dominiert?"
Pies veranschaulicht und verteidigt die These, dass Demokratie und
wirtschaftliche Öffnung zum Weltmarkt, zumal von ,,sogenannten
,Entwicklungsländern', eindeutig positiv korreliert sind, wobei die
Kausalbeziehung eher von der Wirtschaft zur Politik verläuft als umgekehrt.
Demnach ist die ,richtige Antwort' auf Diagnosen von der Gefährdung der
Demokratie durch die Globalisierung nicht ,mehr Demokratie', sondern ,mehr
Globalisierung'. Hierfür freilich braucht man eine ökonomisch geschulte
Perspektive, die den Blick frei macht für die institutionellen Möglichkeiten, auch
und gerade unter Globalisierungsbedingungen mehr Solidarität zur Geltung zu
bringen, als derzeit bereits verwirklicht ist. Zu fürchten ist nicht so sehr eine
etwaige Ohnmacht des Staates; zu fürchten ist vielmehr, dass die tatsächlich
34
Vgl. ebd., S. 97.

31
vorhandenen Möglichkeiten staatlicher Politik nicht oder falsch genutzt
werden."
35
Nach Pies bestimmen sich die Regulationsverhältnisse zwischen Bürgern und
Politikern. Der globale Wettbewerb gleicht den Entmachtungsinstrumenten der
Wirtschaft. Demnach sind ,,Demokratie und Globalisierung kein Widerspruch,
ganz im Gegenteil: Demokratie - und insbesondere die gesamtrechtsstaatlichen
Voraussetzungen von Demokratie - können durch Globalisierung gefördert
werden."
36
Für eine ,,Sozialpolitik für den Markt", die auf eine qualitativ andere
Politik abzielt und als Denk-Angebot für alle, die die Probleme der globalen
Gesellschaft sozusagen nicht im Rückwärtsgang, sondern mit Blick auf die
Zukunft durch eine forcierte Modernisierung sehen wollen, gehören auch der
Rechtswissenschaftler Allan Rosas und der Völkerrechtler Daniel Thürer genannt.
Beide machen sich Hoffnungen auf einen globalen Konstitutionalismus, da nach
ihrer These das negative Schrumpfen staatlicher Souveränität nach außen eine
weithin akzeptierte Tatsache darstellt. Das heißt, ,,nur noch um den Preis einer
Katastrophe, die die Selbstvernichtung einschließt, können sich heute Staaten und
Staatenbündnisse aus dem immer dichter gewordenen Netzwerk rechtlicher,
ökonomischer, kultureller, politischer, militärischer und technischer
Abhängigkeiten herausschneiden. Jeder Einzelvertrag mag kündbar sein, in der
Verweigerung eines einzelnen internationalen Rechtsbefehl mag die
Staatssouveränität publizistische Siege erringen, aber dem System im Ganzen
kann sie sich nicht entgegensetzen."
37
Diese Hoffnung setzt im Ansatz ganz analog zu der ,,UN-Charta und der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1945 und 1948", auf ein dichtes
35
Pies, Ingo: Globalisierung und Demokratie. Chancen und Risiken aus ökonomischer
Sicht. In: Globalisierung und Demokratie, 2000, S.10/S.11 und S. 85.
36
Ebd., S. 84.
37
Ebd., S. 12f.

32
Gewebe positiv-rechtlicher Bestimmungen, die nach und nach die Kraft einer
globalen Verfassungsordnung gewinnen könnte.
38
3.2.2 Neoliberalismus und globale Integration in Anbetracht
ökonomischer Internationalisierung
3.2.2.1 Die
ökonomische
Internationalisierung
Unter ,,ökonomischer Internationalisierung" als Begriff versteht man
wirtschaftliche Prozesse und daraus resultierende Interdependenzen
beziehungsweise Verflechtungen verschiedener Länder und ihrer
Wirtschaftssubjekte in unterschiedlichen Sektoren und in unterschiedlicher
Extensität. Internationalisierung bezeichnet sowohl einen Zustand als auch einen
Prozess, der alle grenzüberschreitenden ökonomischen Aktivitäten verschiedener
Länder und Wirtschaftssubjekte empirisch erfasst, die intra- und interregionale
Tauschprozesse inkludieren.
Ökonomische
Internationalisierungsprozesse werden, je nachdem welche
Theorie zugrunde gelegt wird, unterschiedlich interpretiert, dennoch sind die
Prozesse an konkreten, quantitativen Kriterien operationalisierbar, nämlich an
dem Anstieg der Außenhandelsquote, dem anwachsenden internationalen
Finanztransaktionen, den steigenden Direktinvestitionen sowie an der steigenden
Zahl der TNKs (Transnationalen Konzerne) und deren Verflechtungen."
39
Die ökonomische Internationalisierung, die wirtschaftliche Verflechtung und der
Grad der Austauschbeziehungen zwischen den Nationalstaaten sind entscheidende
Indikatoren für die zukünftige Staatenentwicklung. Dazu zählen die Entwicklung
38
Vgl. ebd., S. 13.
39
Zugehör, Rainer: Die Globalisierungslüge, 1998, S. 13.

33
der internationalen Finanzmärkte und der Welthandel, sowie die herausgehobene
Rolle der Transnationalen Konzerne zu Zeiten der neoliberalen,
mikroökonomisch orientierten Wirtschaftspolitik seit Mitte der 70er Jahre.
,,In diese entscheidenden wirtschaftlichen und politischen Veränderungen fallen
die Ölkrisen und die Aufkündigung des Systems fester Wechselkurse. Die unter
anderem daraus resultierende Krise der keynesianisch geprägten Gesellschafts-
und Wirtschaftsordnung in den westlichen Industrieländern, haben die
Verhältnisse der Welt in ihrer Gesamtheit deutlich verändert. Darüber hinaus
spielt das Ende der bipolaren Weltordnung, die Auflösung der nach dem zweiten
Weltkrieg existierenden Ost-West-Blöcke eine Rolle bei der Bildung neuer
regionaler Zusammenschlüsse,
40
die allerdings vorrangig wirtschaftlicher Art
sind. ,,Das kapitalistische Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell hat sich seitdem
durch Erschließung von bisher ,sozialistischen' Regionen geographisch
erweitert."
41
Ebenso wenig wie die unter dem Begriff ,,Globalisierung" definierten Umbrüche
ist die ökonomische Internationalisierung kein von Natur gegebenes Ereignis,
sondern ,,durch die GATT-Handelsrunden, die Aufkündigung der Systeme fester
Wechselkurse der 1970er Jahre, sowie den europäischen Integrationsprozess
(unter anderem bezüglich der Konvergenzkriterien) politisch initiiert und muss im
Rahmen der entsprechenden politischen Kräfteverhältnisse von den
wirtschaftsliberalen Regierungen gegen andere Interessen (beispielsweise
Gewerkschaftsinteressen) durchgesetzt werden. Die kapitalistische Weltwirtschaft
wurde demnach durch die Deregulierungsinteressen einer transnationalen
Funktionselite (unter anderem durch Regierungen: Reagan, Thatcher) und mit
Hilfe weltwirtschaftlicher Regime - zum Beispiel Welthandelsorganisationen
40
z. B. die NAFTA (North American Free Trade Agreement), Mercosur (Mercado Común
del Cono Sur), ASEAN (Association of South-East Asian Nations), SAAR (South Asian
Association for Regional Cooperation), SADC (Southern African Development
Community), etc... .
41
Zugehör, Rainer: Die Globalisierungslüge, 1998, S. 12.

34
(WTO) und nicht-staatlichen Akteuren (beispielsweise Transnationale Konzern)
qualitativ umstrukturiert."
42
Für eine genauere Definition lassen sich drei
grundsätzliche Maßnahmen anführen, die zur ökonomischen Internationalisierung
geführt haben.
* Liberalisierung: ,,Befreiung transnationaler Waren-Dienstleistungen-
und Finanztransaktionen von Beschränkungen wie Zöllen, Kontingentierungen,
Devisenbewirtschaftungen etc.
* Deregulierung: Abbau von staatlichen Auflagen und Vorschriften, um
die Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten der Unternehmer zu erhöhen und
die des Staates zu beschränken. Im Gegensatz zu Liberalisierung ist
Deregulierung auf Elemente der Wirtschaftsordnung beschränkt und gewährt den
wirtschaftlichen Akteuren mehr Unabhängigkeit von staatlicher Kontrolle.
* Privatisierung: Verringerung des Anteils des öffentlichen Sektors an
der direkten oder indirekten Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen durch
Veräußerung."
43
Diese (oben genannten) Maßnahmen stehen für eine Ausweitung des Marktes, die
die staatliche Regulationsfähigkeit einschränkt.
3.2.2.2 Die
Regionalisierung
Unter ökonomischer Internationalisierung ist hauptsächlich der
Regionalisierungsprozess der Handelsbeziehungen gemeint. Das heißt, dass die
überwiegende Mehrheit der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen
Transaktionen nicht kontinental stattfindet, sondern sich auf die geographischen
Regionen beschränkt. Beim Phänomen der Regionalisierung lassen sich
42
Ebd., S. 13.
43
Ebd.

35
besonders auf europäischer Ebene (europäischer Regionen) zwei Trends
feststellen: Erstens der Trend zur wirtschaftlichen und politischen Bildung von
regional organisierten Wirtschaftsräumen und zweitens die Tendenz zur
,,zunehmenden regionalen Orientierung der Wirtschaftssubjekte in ihren
Handelsbeziehungen oder grundsätzlicher die Integrationsbewegungen
mindestens zweier Gesellschaften, die ihre eigene Souveränität zunehmend
abgeben."
44
Im wissenschaftlichen Diskurs wird Regionalisierung entweder als
,,Projektionsgefahr gegenüber Dritten, also der Unterminierung der Kardinalregel
des internationalen Handelsregime (GATT/WTO), der
Meistbegünstigungsklausel, oder als Vorstufe beziehungsweise als Vehikel zur
weltweiten Durchsetzung der neoliberalen Politik gesehen."
45
Letztendlich aber meint Regionalisierung ,,nichts anderes, als dass der
räumlichen Organisationsweise und Reichweite hegemonialer Praktiken der
Boden entzogen wird."
46
Als hegemoniale Wirtschaftsräume werden die USA
beziehungsweise NAFTA, die EU sowie Japan beziehungsweise ASEAN
bezeichnet. Ein Indikator für die stetig sich ausdehnende institutionelle
Regionalisierung der weltweiten Wirtschaftsmacht ist das Zustandekommen von
multilateralen Verträgen, die der regionalen Integration aber auch dem
intensivierten regionalen Handelsbeziehungen dienen. Dieses Regelinstrument ist
auch als Schutz gegen einen intensivierten Standortwettbewerb zu sehen. Anders
gesagt, hierbei handelt es sich um einen Prozess der Entsolidarisierung,
47
,,der
soziale und ökologische Errungenschaften als Kostenfaktor aburteilt. Damit
behält der Kapitalismus eine geo-ökonomische Ordnung bei, die von einigen
nationalstaatlichen Ökonomien (G7-Länder, Triadenmächte - NAFTA, EU,
ASEAN) beherrscht wird."
48
44
Ebd., S. 14.
45
Ebd.
46
Ebd.
47
Vgl. ebd.
48
Ebd.

36
Die Auflösung ,,der bipolaren Weltordnung, die Schwächung der
systemstabilisierenden US-Hegemons in der Weltwirtschaft unter anderem durch
die wirtschaftliche Erstarkung Japans und der Bundesrepublik Deutschland und
deren Umfelder, führte etwa seit Mitte der 1980er Jahre zur Regionalisierung,
speziell zur Triadisierung der Weltwirtschaftsstrukturen."
49
3.2.2.3
Die neoliberale Politik
Die anhaltenden Forderungen nach globalem Freihandel, nach staatlichen
Einschränkungen in Sachen Steuerung, Regulation und im sozialen Bereich seit
Ende des Ost-West-Konfliktes wurden in der politischen, später dann auch in der
wissenschaftlichen und kulturellen Auseinandersetzung mit dem Begriff des
,,Neoliberalismus" besetzt. ,,Die konkreten politischen Forderungen des
Neoliberalismus - die Abschaffung des gewerkschaftlichen Arbeitsmonopols, die
vergebliche Entbürokratisierung öffentlicher Institutionen, die Reorganisation des
Volksparteiensystems und die Einschränkung parlamentarischer Kompetenzen,
die Liberalisierung der Märkte, Deregulierung und Dezentralisierung des
öffentlichen Lebens, die Privatisierung staatlicher Unternehmen - lassen sich
unter dem Motto zusammenfassen: Eroberung der Politik durch die spontanen
Kräfte und Werte des Marktes."
50
3.2.2.4 Der
Liberalismus
Der Neoliberalismus geht auf eine große politische Strömung der letzten zwei bis
drei Jahrhunderte zurück: den Liberalismus. Definitorisch verstehen Politologen
49
Ebd., S. 14f.
50
Ebd., S. 17.

37
und Historiker unter Liberalismus ,,jenen politischen Ideenkomplex, der durch die
Postulate der Selbstbestimmungsfähigkeit der Individuen durch Vernunft, der
Individualfreiheit gegenüber dem Staat (Menschen- und Bürgerrechte), der
Bändigung politischer Herrschaft durch Verfassung und der Selbstregulierung der
Ökonomie durch Gesetzmäßigkeiten von Markt und Wettbewerb abgesteckt ist, in
eine Evolutionsvorstellung geschichtlichen Fortschritts mündet und zumindest in
der Entstehungs- und Blütezeit vom Bürgertum mit seinen Eigentums- und
Erwerbsinteressen und seinen daraus erwachsenden Machtansprüchen getragen
wurde."
51
In der Ökonomie bezeichnet dieser Begriff den Grundsatz der Nicht-
Einmischung des Staates in den ökonomischen Bereich, da sich auf diesen Weg
die wirtschaftliche Entwicklung am besten entfalten könne. Andererseits
verkörperte das Modell des Liberalismus in sich inhärente Widersprüche, die in
den Phasen der Geschichte, besonders während der großen Wirtschaftskrise der
30er Jahre, deutlich wurden. Die Krise spiegelte sich in folgenden Begriffspaaren
wider: ,,Verfassungsideal versus ,Realpolitik'; Freihandel versus Protektionismus;
Imperialismus und Merkantilismus; Eigentum versus Verteilungspolitik;
Monopolisierung versus Wettbewerb; flexible Löhne versus Gewerkschaften und
demokratische Mitbestimmung."
52
Aber das Problem der Massenarbeitslosigkeit
während der Krise Anfang der 30er Jahre konnte durch die Theorie der
klassischen Nationalökonomie, die an die Gesellschaftslehre des Liberalismus
gebunden war, nicht ausgeräumt und erklärt werden. Vielmehr verschärften die
Sparpolitik und die niedrigen Löhne liberaler Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik der damaligen Zeit die Arbeitslosigkeit und führten zu einem
neuen ,,makroökonomischen" Konzept: dem Keynesianismus. Die keynesianische
Theorie sah vor allem die eigentliche ,,Ursache der Probleme in der fehlenden
Nachfrage. Die von John Meynard Keynes vorgeschlagene nachfrageorientierte
Politik sah vor, durch staatlich finanzierte öffentliche Aufträge, steuerliche
51
Ebd., S. 17f.
52
Ebd., S. 18.

38
Entlastungen der mittleren Einkommen und durch eine Niedrigzinspolitik den
volkswirtschaftlichen Kreislauf auszuweiten."
53
Diese Theorie prägte die
,,wirtschaftliche Grundordnung der westlichen Welt seit dem Zweiten Weltkrieg
und spiegelte sich unter anderem in den Vertragstexten des General Agreement of
Tarifs und Trade (GATT) und beispielsweise in den sogenannten Stabilitätsgesetz
der Bundesrepublik Deutschland (1967) wider, das bis heute grundsätzlich gültig
ist. Im Zentrum der nachfrageorientierten Steuerpolitik stand die Einschränkung
des Verfügungsrechts über das Kapital und die Gewinne sowie eine
Formalisierung der Beschäftigungsverhältnisse."
54
Diese Politik unterstützte den
Einfluss der Gewerkschaften, welche als Verteilungsentwicklung des
Sozialprodukts
55
zugunsten der Beschäftigten wirkte. Die Unternehmer und die
Arbeitgeberverbände gerieten dadurch eher in die Defensive.
3.2.2.5
Die Entstehung des Neoliberalismus
Die Schwächung der liberalen Idee, die der Wirtschaftskrise der 30er Jahre
zugeschrieben wurde, bewirkte nach dem zweiten Weltkrieg ein Umdenken der
Positionen innerhalb des liberalen Lagers. Es entstand der Neoliberalismus, der in
Deutschland durch die Freiburger Schule vertreten wurde.
In Österreich bezeichnet die Phase des politischen Neoliberalismus, vertreten
durch die Freiheitliche Partei (FPÖ), den Zeitraum zwischen 1975 und 1986. Der
programmatische Ausdruck einer Liberalisierung war 1973 im ,,Freiheitlichen
53
Ebd.
54
Ebd.
55
Das Inlands- bzw. Sozialprodukt gibt die Höhe der tatsächlichen Produktionsleistung
einer Volkswirtschaft an und enthält den Wert aller Waren und Dienstleistungen, die von
dieser innerhalb einer bestimmten Periode hergestellt wurden. Das Sozialprodukt ist
somit eine international anerkannte Zahl für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft,
URL:
http://userpage.fu-berlin.de/~tkleber/vwl1.htm
,
http://www.berufskolleg-
leverkusen.de/wirtschaftsweb/bip/sozialp.htm
[Stand: 21.08.2002].
Ende der Leseprobe aus 183 Seiten

Details

Titel
Semperit Traiskirchen und der "moderne" Kapitalismus
Hochschule
Universität Wien
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
183
Katalognummer
V185824
ISBN (eBook)
9783656983699
ISBN (Buch)
9783869430423
Dateigröße
1739 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
semperit, traiskirchen, kapitalismus
Arbeit zitieren
Katharina Windbichler (Autor:in), 2002, Semperit Traiskirchen und der "moderne" Kapitalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185824

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Semperit Traiskirchen und der "moderne" Kapitalismus



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden