Kostenorientierte und verhandlungsorientierte Verrechnungspreissysteme im Vergleich


Diplomarbeit, 2002

98 Seiten, Note: 2


Leseprobe


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1. Einleitung

In der betrieblichen Praxis finden unterschiedlichste Verrechnungspreismethoden Anwendung. In vielen wissenschaftlichen Arbeiten wurde bisher die Leistungsfähigkeit von verschiedenen Systemen verglichen. Nach wie vor ist die Bestimmung von innerbe-

trieblichen Verrechnungspreisen ein viel diskutiertes Thema. 1 Dies gilt sowohl für die Wissenschaft, als auch für die Praxis in Unternehmen, die als Profit Center oder Investment Center organisiert sind. In den Untersuchungen wird immer wieder zu erklären versucht, warum es viele verschiedene, je nach vorhandener Organisation und daraus entstehenden Koordinationsproblemen, bevorzugte Systeme zur Bestimmung von Verrechnungspreisen gibt. Die Untersuchungen zeigen, dass es selbst in den einfachsten Modellen nicht den „optimalen“ Verrechnungspreis gibt. Vielmehr erfordert kein Betätigungsfeld innerhalb eines dezentralisierten Unternehmens mehr Zeit und Aufwand, als

ein akzeptables Verrechnungspreissystem zu etablieren. 2

In früherer Literatur lag der Schwerpunkt darauf, Verrechnungspreissysteme dahingehend zu untersuchen, dass sie eine Zielkongruenz zwischen den Interessen der Zentrale und denen der Teilbereiche herstellen. In neuerer Literatur gewinnt ein anderer Aspekt zunehmend an Bedeutung. Es sollen Anreize zu spezifischen Investitionen, die den Wert der innerbetrieblichen Transaktion steigern, geschaffen werden. Diese Investitionen finden in der Frühphase statt und können beispielsweise die variablen Stückkosten des liefernden Bereiches senken. Da dem investierenden Bereich Fixkosten entstehen, die den operativen Gewinn verringern, müssen Anreizsysteme in die Analyse miteinbe-zogen werden. 3

Jedes Verrechnungspreissystem beinhaltet wieder eine Vielzahl von Methoden. Kosten-orientierte Systeme können auf Grenzkosten, Vollkosten, Standardkosten oder Istkosten aufbauen. Auch zweiteilige Systeme werden diskutiert. Verhandlungsorientierte Systeme sind offen gestaltet in dem Sinne, dass sie einem „laissez-faire“-System entsprechen. Schon deshalb sind sie diskutabel.

In dieser Arbeit sollen kostenorientierte und verhandlungsorientierte Verrechnungspreissysteme unter der Berücksichtigung von spezifischen Investitionen miteinander verglichen werden. Diese Arbeit stützt sich im ersten Teil zentral auf die Arbeiten von

1 Vgl. Baldenius, T.; Reichelstein, S.: Alternative Verfahren zur Bestimmung innerbetrieblicher

Verrechnungspreise, in: ZfbF, 50. Jg., Heft 3, 1998, S. 236.

2 Vgl. Wagenhofer, A.: Transfer Pricing under Asymmetric Information: An Evaluation of Alternative

Methods, in: European Accounting Review, Vol. 1, 1994, S. 71.

3 Vgl. Baldenius, T.; Reichelstein, S.: Alternative Verfahren …, a.a.O., S. 236.

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Ewert/ Wagenhofer 4 , Frese 5 , Frese/ Glaser 6 und Coenenberg 7 , um die verschiedenen Systeme vorzustellen. Im Hauptteil der Arbeit wird auf die Aufsätze von Baldenius/

Reichelstein 8 und Baldenius/ Reichelstein/ Sahay 9 zurückgegriffen. Es soll ein Leistungsvergleich zwischen einteiligen und zweiteiligen kostenorientierten Verrechnungspreisen mit einem System verhandelter Verrechnungspreise mittels einer Fallstudie durchgeführt werden.

Zum Abschluss wird ein Überblick über ausgewählte Literatur zu Verrechnungspreisen bei Informationsasymmetrie gegeben. Dabei werden die Arbeiten von Wagenhofer

(1994) 10 , Wagenhofer (1992) 11 und Vaysman 12 kurz vorgestellt.

2. Theoretische Vorüberlegungen

2.1. Dezentralisierung und Informationsasymmetrie

Durch eine Dezentralisierung werden Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse auf mehrere Personen verteilt. Das Gesamtentscheidungsfeld des Unternehmens wird in mehrere Teilentscheidungsfelder zerlegt. Für eine Zentrale ist es nicht möglich, alle Informationen die zur Entscheidungsfindung notwendig sind zu beschaffen. Gründe hierfür sind eine beschränkte Kapazität der Zentrale, die hohe Komplexität der Entscheidungsprobleme oder zu hohe Informationskosten. Die Beschaffung und Verarbeitung obliegt damit den Teilbereichsmanagern. Diese sind in der Regel besser informiert wie die Zentrale. Die Informationen sind also asymmetrisch verteilt. Betrachtet man ein Unternehmen als Organisation, wird ein Dilemma deutlich. Es besteht auf der einen Seite die Notwendigkeit der Arbeitsteilung durch Schaffung autonomer Teilbereiche (Entscheidungen dezentralisieren), andererseits führt die Dezentralisierung dazu, dass die Teilbereichsmanager in erster Linie ihre eigenen Interessen ver- 4 Vgl.Ewert, R.; Wagenhofer, A.: Interne Unternehmensrechnung, Berlin 2000.

5 Vgl. Frese, E.: Profit Center und Verrechnungspreis: Organisationstheoretische Analyse eines aktuellen

Problems, in: ZfbF, 47. Jg., S. 942-954.

6 Vgl. Frese, E.; Glaser, H.: Verrechnungspreise in Spartenorganisationen, in: Die Betriebswirtschaft, Nr.

40, 1980, S. 109-123.

7 Vgl. Coenenberg, A. G.: Verrechnungspreise zur Steuerung divisionalisierter Unternehmen, in: Wirt-

schaftswissenschaftliches Studium 2, 1973, S. 373-382.

8 Vgl. Baldenius, T.; Reichelstein, S.: Alternative Verfahren …, a.a.O. S. 236-259.

9 Vgl. Baldenius, T.; Reichelstein, S.; Sahay, S. A.: Negotiated versus Cost-Based Transfer Pricing,

Working Paper der Universität Berkeley, 1998.

10 Vgl. Wagenhofer, A.: Transfer Pricing under Asymmetric Information ..., a.a.O., S. 71-104.

11 Vgl. Wagenhofer, A.: Verrechnungspreise zur Koordination bei Informationsasymmetrie, in: Spre-

mann, K.; Zur, E. (Hrsg.), Controlling: Grundlagen, Informationssysteme, Anwendungen, Wies-

baden 1992, S. 637-656.

12 Vgl. Vaysmann, I.: A Model of Negotiated Transfer Pricing, in: Journal of Accounting and Economics

25, 1998, S. 349-384.

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2.2. Profit Center und Investment Center

Bereichsübergreifende Planung, im Sinne einer langfristigen Unternehmensplanung, ist in jedem Unternehmen von Bedeutung. Dies ist unabhängig davon, wie stark die Dezentralisierung ist. Es wird zum Beispiel festgelegt, welche Transaktionen auf dem Markt getätigt werden und welche Mengen an Ressourcen die Teilbereiche erhalten. Je detaillierter diese Vorgaben sind, umso geringer ist die Entscheidungsbefugnis der Teilbereichsmanager. Steuerungsinstrumente gewinnen dann an Bedeutung, wenn die bereichsübergreifende Planung stärker an der Autonomie der Teilbereiche ausgerichtet ist. Aus mittel- oder langfristiger Unternehmensplanung ergeben sich, durch eine Orientierung an monetären Erfolgskriterien, Planungsspielräume für die Teilbereiche. Eine monetäre Orientierung kann als kurzfristig verstanden werden. Erlöse und Kosten sind relevant für die Betrachtung. Daraus ergibt sich eine Nutzbarkeit durch das Konzept der

Profit Center-Organisation. 20

Das Profit Center-Konzept ist in der Praxis weit verbreitet. In dieser Organisationsform ist die traditionelle funktionale Gliederung, z.B. in die Bereiche Beschaffung, Produktion und Absatz, aufgehoben. Das Gesamtunternehmen wird in produktbezogene Teilbe-

reiche gegliedert. 21 Der Teilbereichsmanager ist verantwortlich für den Gewinn, also für Kosten und Erlöse. Er entscheidet darüber, welche Produkte produziert werden, wie die

Produkte produziert werden, über die Qualität, Preis, Verkauf und den Vertrieb. 22 Im operativen Bereich stehen also weitreichende Entscheidungsrechte zur Verfügung. In-vestitions- und Finanzierungsentscheidungen bleiben jedoch der Zentrale vorbehalten. 23 Die Zentrale muss sich, für ihre Entscheidung über die Finanzmittelallokation, die Gewinnfunktion der Bereiche melden lassen, da diese durch die Informationasymmetrie nicht bekannt ist. Der Teilbereichsmanager, der an seinem Erfolg ausgerichtet ist und nicht am Erfolg des Gesamtunternehmens, wird dazu tendieren, eine überhöhte Mel-dung abzugeben. Ein optimales Investitionsprogramm ist somit nicht möglich. 24 In einer Investment Center-Organisation werden die Entscheidungen für Investitionen und Kapazitäten an den Teilbereichsmanager delegiert. Er besitzt darüber hinaus dieselben Entscheidungsbefugnisse, wie in einem Profit Center. Der Zentrale obliegt nur noch

20 Vgl. Frese, E.: Profit Center und Verrechnungspreis …, a.a.O., S. 944.

21 Vgl. Frese, E.; Glaser, H.: Verrechnungspreise in Spartenorganisationen …, a.a.O., S. 111.

22 Vgl. Kaplan, R.; Atkinson, A.: Advanced Management Accounting, Upper Saddle River (NJ) 1998,

S. 297.

23 Vgl. Ewert, R.; Wagenhofer, A.: Interne Unternehmensrechnung …, a.a.O., S. 451.

24 Vgl. Ebenda, S. 526.

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die Finanzierungsentscheidung. Eine strikte Trennung ist nicht immer möglich. Auch in einem Profit Center kann ein Teilbereichsmanager kurzfristige Entscheidungsbefugnisse über Investitionsentscheidungen haben.

Generelle Aussagen darüber, welche Organisationsform besser geeignet ist, können nur schwer getroffen werden. Im Mittelpunkt steht immer der Zweck der erreicht werden soll. Eine Profit Center-Organisation bedingt eine wahrheitsgemäße Berichterstattung seitens der Teilbereichsmanager, damit eine optimale Steuerung möglich ist. Weiterhin

muss die Zentrale den übermittelten Informationen Glauben schenken. 25 Alle in dieser Arbeit näher geschilderten Arbeiten setzen annahmegemäß eine Profit Center-Organisation voraus.

3. Verrechnungspreise

3.1. Definition

„Verrechnungspreise sind Wertansätze für innerbetrieblich erstellte Leistungen [..], die

von anderen, rechnerisch abgegrenzten Unternehmensbereichen bezogen werden.“ 26 Es wird begrifflich unterschieden in Transferpreise und Lenkpreise. Transferpreise sind interne Preise von Gütertransfers in den Wertschöpfungsstufen des Unternehmens. Lenkpreise dienen dem Management zur Koordination bzw. Lenkung der Teilbereiche. Voraussetzung für den Bedarf an Verrechnungspreisen ist eine dezentrale Unternehmensstruktur, eine Verantwortlichkeit der Teilbereichsmanager für eine Beurteilungsgröße aus ihrem Bereich und die Bereiche sollten wie eigenständige Unternehmen agie-

ren. 27 Diese drei Voraussetzungen sind in einem Profit Center erfüllt. 28 Genau darin liegt jedoch das zentrale Problem. Die Umsetzung eines Profit Center-Konzeptes bereitet eben gerade dann Schwierigkeiten, wenn zur Erzielung eines optimalen Gesamtergebnisses bereichsübergreifende Koordination nötig ist. Es entstehen Verbundeffekte. Für diese Arbeit ist im speziellen der Prozessverbund von Bedeutung. Hierbei bestehen zwischen den Teilbereichen interne Leistungsverflechtungen. Ein Bereich liefert ein Zwischenprodukt an einen anderen Teilbereich. Durch die Verbundeffekte ist es nicht möglich, den Erfolgsbeitrag der einzelnen Bereiche zu bestimmen. Durch eine Einführung von internen Verrechnungspreisen, die als Kosten- und Erlös-

25 Vgl.Ewert, R.; Wagenhofer, A.: Interne Unternehmensrechnung …, a.a.O., S.530.

26 Ebenda, S. 585.

27 Vgl. Ebenda, S. 585f.

28 siehe Abschnitt 2.2., S. 4.

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Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Kostenorientierte und verhandlungsorientierte Verrechnungspreissysteme im Vergleich
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
98
Katalognummer
V185842
ISBN (eBook)
9783656990680
ISBN (Buch)
9783867467223
Dateigröße
1141 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kostenorientierte, verrechnungspreissysteme, vergleich
Arbeit zitieren
Thomas Knospe (Autor:in), 2002, Kostenorientierte und verhandlungsorientierte Verrechnungspreissysteme im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185842

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